Letzte Kino der Welt, Das
- Regie:
- Alejandro Agresti
- Jahr:
- 1998
- Genre:
- Drama
- Land:
- Argentinien, Frankreich, Niederlande
- Originaltitel:
- Viento se llevó lo qué, El
1 Review(s)
19.01.2008 | 12:27Einführung:
Ich bin, wie vielleicht schon bekannt sein dürfte, immer auf der Suche nach kleinen, besonderen und unbekannten Filmen, weswegen ich bei meiner Recherche neulich auch über den argentinischen Film "Das letzte Kino der Welt" gestolpert bin.
Der Film gehört zu den Veröffentlichungen der kleinen Firma Kinolatino, welche einige der interessantesten lateinamerikanischen Independentfilme einem europäischen Publikum näher bringen will. "Das letzte Kino der Welt" ist der erste Film, der nun veröffentlicht wurde und macht definitiv Lust auf mehr.
Die Handlung:
Wir befinden uns im Argentinien der 70er Jahre. Die junge Taxifahrerin Soledad fährt mit ihrem Taxi ohne besonderen Grund aus Buenos Aires einfach immer weiter in Richtung Süden und landet schlussendlich in Río Pico, weil hier in Patagonien die Straße schlicht und ergreifend aufhört. Genauer gesagt fehlt ein Teil der Brücke und sie stürzt ins Flussbett. Es ist ihr nichts passiert, aber das Auto ist kaputt und sie sitzt deswegen in diesem Dorf fest.
Das Dorf ist schon etwas eigenartig – das wird Soledad recht schnell klar, denn die Bewohner kennen weder Radio noch Fernsehen und auch sonst verhalten sie sich sehr merkwürdig.
Einzige Freizeitbeschäftigung der Jugend ist der Besuch eines alten Kinos in dem alte schwarz/weiß-Filme laufen, die durch ihren beschwerlichen Transportweg durch die Pampa Argentiniens schon den einen oder anderen Schaden davon getragen haben. Caruso, der örtliche Filmvorführer setzt die zerrissenen Filmrollen dann nach seinen eigenen Vorstellungen immer wieder zusammen. Sinn der Handlung oder chronologische Abfolge der Szenen interessiert ihn dabei nicht – er macht das so, wie es ihm gefällt.
Weil die Jugend des Dorfes ihr gesamtes Wissen nur aus diesen Filmen bekommt, ist ihr Verhalten und die Sprachkultur dementsprechend verwirrend. Nichts passt zusammen und der Sinn wirkt komplett zerstückelt – eben wie in den "reparierten" Filmen.
Da muss natürlich eine Lösung her, und weil die hübsche Soledad schon mal hier fest sitzt, beschließen die älteren Dorfbewohner eine Wochenschau mit ihr als Moderatorin zu produzieren, um die Dorfjugend wieder auf den richtigen Weg zu bringen und ihre Welt wieder ein wenig zu ordnen. Langsam wächst Soledad dieses Dorf mit seinen schrägen Bewohnern ans Herz und sie verliebt sich sogar in den einzigen örtlichen Filmkritiker.
Da kommt plötzlich der französische Star des absurden Río-Pico-Kinos zu Besuch. Er hat von der Begeisterung der Dorfbewohner gehört und seine weltweit einzig verbliebenen Fans stehen Kopf.
Kritik:
Was soll ich über diesen kleinen, feinen Indie-Film bloß für Worte verlieren, die ihm auch gerecht werden? Schwierig! Auf jeden Fall hat mir diese kleine Filmperle wirklich sehr gut gefallen und ich schreibe jetzt einfach einmal, warum.
Erstens ist die Handlung - wie man oben ja lesen kann - wirklich mal etwas Neues und wird sympathisch und sehr kurzweilig erzählt. Zweitens handelt der Film natürlich auch von meinem Lieblingsthema: Film und die Begeisterung, die man beim Sehen eines Films empfinden kann. Auch den Einfluss, den das Medium Film auf Menschen haben kann, wird schön und lustig dargestellt. Was wäre, wenn es Radio, Internet oder TV nicht gäbe? Sehr interessant und mich hat das Thema jedenfalls zum Nachdenken angeregt.
Die handelnden Figuren des Dorfes sind allesamt völlig voneinander unterschiedliche, verschrobene Einzelcharaktere. Ich liebe so etwas! Wirklich lustige Charakter, die einem nur ans Herz wachsen können. All das findet zudem noch in der traumhaften und immer windigen Landschaft Patagoniens statt. Ein Set, das man nicht oft zu Gesicht bekommt.
"Das letzte Kino der Welt" ist ein liebevoll handgemachter, lateinamerikanischer Film für Filmliebhaber, die ohne Effekte auskommen können und Wert auf eine schöne Erzählstruktur legen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen – ich hatte einen Riesenspaß. Mehr Worte braucht man nicht über diesen Film zu verlieren: Angucken!
Die DVD:
Die DVD von Alive steckt in einem etwas schlicht gestalteten Pappschuber. Sicher eine Geschmacksfrage, aber ich finde das Cover sieht eher aus wie von einem Sachfilm.
Da dieses Werk als reiner Independent-Film zu bezeichnen ist und somit die Produktionsbedingungen vermutlich eh schwierig waren, hatte ich beim Bild nicht viel erwartet. So stellte es sich dann auch dar. Ein wenig unscharf, grieselig und nicht anamorph. Zudem werden in dunklen Bildteilen viele Details verschluckt und der Schwarzwert ist auch nicht gerade optimal. Insgesamt kann ich jedoch sagen, dass die Bildwerte für Menschen mit keinen allzu großen Ausgabegeräten noch brauchbar sind und dass die Schwächen den Filmgenuss nicht schmälern.
Deutsche Synchronisation gibt es keine und der gut verständliche O-Ton in Spanisch (Dolby Digital 2.0 Stereo) klingt auch ein wenig dumpf. Aber das ist alles kein Problem, da die Sprache gut verständlich klingt – so man eben Spanisch versteht.
Die Extras:
- Original Kinotrailer
- Trailershow kinolatino.de.
Nicht sehr ergiebig, aber dafür liegt ein dickes Büchlein in der Verpackung, in dem es Infos zu diesem Film und allen weiteren Titeln des Labels gibt. Wirklich interessant und umfangreich.
Fazit:
Ich freue mich, dass inzwischen auch solche kleinen Perlen aus anderen Kontinenten regelmäßig den Weg zu uns Europäern finden. Sonst fand man diese Filme fast nur bei dem Schweizer Anbieter Trigon, dessen Auswahl ich hiermit jedem Filmfreund mit Independent-Ambitionen ans Herz legen möchte.
Dieser Drama-Komödie merkt man in jeder Sekunde an, dass die gesamte Crew einen Riesenspaß am Dreh dieses Films hatte – alle sind voll dabei. So soll ein Film aussehen, den müssten sich meiner Meinung nach mal die Regisseure Hollywoods zwangsweise zu Gemüte führen.
Die Story ist innovativ und nie langweilig erzählt, sodass ich mir manchmal wünschte, dass der Film länger dauern würde. Auch die meist aus den verschrobenen Charakteren resultierenden Gags treffen immer ins Schwarze und versüßen die eigentlich traurige Handlung. Für Fans der patagonischen Weite zeigt der Film diese außergewöhnliche Landschaft in ruhigen schönen Bildern sehr ausgiebig.
Alles in allem ein toller kleiner Film, der wirklich Spaß macht. Keine Angst, er ist nicht wirklich traurig.
- Redakteur:
- Detlev Ross