Lewis - Der Oxford-Krimi. Staffel 3
- Regie:
- diverse
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- GB
- Originaltitel:
- Lewis. 3rd series
1 Review(s)
14.05.2011 | 12:53Musen, Morde, Profs und Rocker - das nicht so idyllische Oxford
In vier Folgen führt die neue Staffel der erfolgreichen britischen TV-Krimi-Reihe zurück in die Abgründe der traditionsreichen britischen Universitätsstadt. Hier ermitteln der Oxforder Kriminalinspektor Robert Lewis und sein Kollege James Hathaway in vielen rätselhaften Fällen. Immer wieder stellen neue Erkenntnisse die Kombinationsgabe der beiden Briten auf eine harte Probe.
Die Box umfasst vier Episoden:
01 "Von Musen und Morden"
02 "Mörder in eigener Regie
03 "Eine Frage der Perspektive"
04 "Ein letzter Blues"
Filminfos
O-Titel: Lewis. 3rd series (GB 2008)
Dt. Vertrieb: ZDF/Edel Germany
VÖ: 08.04.2011
FSK: ab 12
Länge: ca. 370 Min.
Regisseur: Bill Anderson (2x), Bille Eltringham, Maurice Phillips
Drehbuch: diverse (nach einem Roman von Colin Dexter)
Musik: Alan Plater, Stephen Churchett, Guy Andrews, Paul Rutman
Darsteller: Kevin Whatley, Laurence Fox, Rebecca Front, Clare Holman, Joanna Lumley, Simon Callow, Edward Fox u.a.
1) Handlung von Episode 1: Von Musen und Morden
Inspector Lewis und Superintendent Innocent besuchen die Buchpräsentation des Autors Dorian Crane, der Fantasyromane schreibt. Am nächsten Tag findet man in der Nähe die Kellnerin Marina Hartner tot auf. Da sich die Presse gierig auf den Fall stürzt, drängt Chief Superintendent Innocent Inspector Lewis, den Fall rasch aufzuklären. Als aber auch Dorian Crane ermordet wird, erhält der Fall eine neue Dimension. Denn Cranes Verlobte wusste, dass er sie mit einer Studentin betrog... (Verleihinfo)
|Mein Eindruck|
Diesmal geht es um den Gegensatz zwischen Kinderliteratur à la "Harry Schotter" und Tolkien und der Realität. "Werd endlich erwachsen!", möchte man dem Fantasyautor Dorian Crane zurufen, wenn er sich ins Zimmer der jungen Studentin schleicht und dabei seine Verlobte Alice betrügt. Schon bald ist er mausetot, durchbohrt von C.S. Lewis' "Schwert der Wahrheit" - ausgerechnet!
Doch er ist nicht die erste Leiche, die Inspector Lewis und Sgt. James Hathaway in diesem verzwickten Fall begutachten müssen. Was hat es mit der geheimnisvollen Marina Hartner aus Tschechien auf sich, die übrigens weder Tschechin ist, noch Marina heißt? Mit ihrem eigenen Blut schrieb sie das Wort "Uqbar" auf einen Zettel - ein weiterer rätselhafter Hinweis unter vielen.
Und welchen Umtrieben geht Alices scheuer Bruder Hayden nach, der sich am liebsten mit Fantasyspielfiguren die Zeit vertreibt - er klaut anderen Leuten ihre privaten Sachen, sammelt alles über Marina und schießt aufschlussreiche Fotos. Doch er kommt aus einer Familie, die viele Geheimnisse zu verbergen hat…
Diese Episode lässt kein gutes Haar an der kultischen Verehrung gegenüber den Inklings-Literaten, zu denen Tolkien und C.S. Lewis ("Narnia") zählten. Die verschrobenen Profs trafen sich seinerzeit im Pub "Eagle and Child", was heute spöttisch als "Bird and Babe" verballhornt wird. Am Schluss zitiert Hathaway mit typisch englischem, trockenem Humor den Stoßseufzer eines Zuhörers von Tolkiens Vorträgen: "Nicht noch ein weiterer verflixter Elf!"
Aber das Anliegen des Drehbuchautors ist durchaus ernstzunehmen. Der Fantasy-Literatur, erneut entfacht durch die "Herr der Ringe"-Trilogie und den Boom der Games-Subkultur, verschiebt bei vielen Jugendlichen den Prozess des Erwachsenwerdens immer weiter nach hinten - siehe Dorian Crane. Pubertäre Probleme sind die Folge, etwa Schwierigkeiten mit Konzepten wie Autorität und Treue. Doch Dorian hat ein weiteres Problem: So schön es auch sein mag, mit Einfallsreichtum Geld zu verdienen, so sehr schuldet er doch seiner Muse Treue und Gehorsam. Als er sie verrät, ist es aus mit ihm.
2) Handlung von Episode 2: Mörder in eigener Regie
Die Theater-Truppe der Oxforder Universität führt unter der Leitung der Regisseurin Emma Golding den Shakespeare-Klassiker "Der Kaufmann von Venedig" auf. Doch die Vorpremiere endet, als man hinter den Kulissen den Darsteller des Shylock, Richard Scott, mit einem Messer in der Brust tot auffindet. (Verleihinfo)
|Mein Eindruck|
"Der Kaufmann von Venedig" ist sicherlich eines der besten, aber nicht der meistgespielten Stücke des Barden von Stratford. Aber es geht um zwei zentrale Themen der Existenz: Schuld und Vergebung bzw. Gnade. Shylock, der jüdische Geldverleiher, fordert sein Pfund Fleisch von Antonio, dem Schuldner. Doch Portia beschwört die himmlische Tugend der Gnade so intensiv, dass er auf das Fleisch verzichtet.
Nicht so jedoch der Mörder von Richard Scott, der bei allen Schulden hatte, um seine Kokainsucht zu befriedigen. Die Verdächtigen stehen geradezu Schlange: Das ist natürlich jeder in der Studententheatergruppe inklusive Richards Ersatzmann Joe Myers (leider auch schwul, Ladies), dann der Trickbetrüger in der letzten Reihe und schließlich der seltsam kommunistisch angehauchte Aussteiger und Stückeschreiber Phil Beaumont - brillant, aber undiszipliniert, wie schade.
Was aber ist mit der überaus ehrgeizigen Regisseurin Emma Golding, die es endlich nach London schaffen will, um aus Oxford raus zu kommen? Sie ist die Mieterin und Protegé der Professorin Gregson, die einiges zu verbergen hat, wie es scheint.
Zu guter Letzt stößt Sgt. Hathaway auch noch auf jenen Autofahrer, der Inspector Lewis' Frau Valerie einst in London überfuhr und anschließend Fahrerflucht beging. Wie soll es nur seinem Chef beibringen, der das Thema Valerie niemals wieder angeschnitten haben möchte?
Die Studenten-Theaterszene Oxfords steht im Mittelpunkt der Handlung, kontrastiert und flankiert von Nebenhandlungen. Der Drehbuchautor Alan Plater porträtiert die Schauspieler, wie auch die Journalistin Amanda, als von Ehrgeiz zerfressen. Sie würden wohl ihre Großmutter verkaufen, um ihre Karriere zu fördern. New York, du hast es auch nicht besser.
3) Handlung von Episode 3: Eine Frage der Perspektive
Kurz nachdem Steve Mullan eine Haftstrafe abgesessen hat, wird er tot in seiner Wohnung aufgefunden. Lewis und Hathaway stellen fest, dass das Mordopfer nicht Mullan, sondern dessen Freund Alex Hadley war. Doch auch der echte Mullan wird kurze Zeit später getötet. Die beiden Mordfälle werden überraschend schnell aufgeklärt, doch Inspektor Lewis will sich damit nicht zufriedengeben. (Verleihinfo)
|Mein Eindruck|
Eine ganz schön pfiffige Episode: Das Mordopfer hat die falsche Identität! Und derjenige, der die Schuld an den zwei Morden auf sich nimmt, ist nicht der Täter. Und nicht nur das: Das querschnittsgelähmte Opfer eines Autounfalls hat dem Verursacher nicht nur vergeben, sondern sich auch noch in ihn verliebt. Kein Wunder, dass gewisse Leute diese Kenntnisse lieber unterm Teppich halten oder gar nicht wahrhaben wollen!
Der Zuschauer wird hier mehrfach in die Irre geführt, schon klar. Wir verdächtigen nicht nur den jungen Verlobten der Tochter des US-Außenministers. In Frage kommen auch diverse Professoren - sowieso ein höchst dubioser Beruf in Oxford. Wer viel zu verlieren hat, hat garantiert Dreck am Stecken.
Doch welche Rolle spielt das Renaissance-Gemälde von Uccello, das eine Jagd im Walde zeigt, eine Metapher für die Liebe zu einer Frau, die den Jäger wer weiß wohin führen kann. Zum Beispiel auch in das Labyrinth, das einem der Mordopfer zum Verhängnis wird. Als er den Uccello im Museum betrachtet, hat Lewis mal wieder einen Geistesblitz. Es lohnt sich, diese Episode nochmals anzuschauen, um dieser Epiphanie folgen zu können.
4) Handlung von Episode 4: Ein letzter Blues
Kein Geringerer als der ehemalige Star der Rockband "The Addiction", Richie Maguire, stört durch seine Taubenjagd die ländliche Ruhe seiner Nachbarn. Lewis ist ein großer Fan der Band. Als die Ermittler den luxuriösen Landsitz in der Nähe von Oxford betreten, treffen sie die Sängerin der Gruppe, Esme Ford, die angeblich vor 35 Jahren Selbstmord beging. Und der Tod eines Waisenjungen gibt zusätzliche Rätsel auf. (erweiterte Verleihinfo)
|Mein Eindruck|
In dieser Story findet nicht nur quasi eine Zeitreise ins Jahr 1968 statt, sondern auch ein Culture Clash. All das war vor 35 Jahren, und da war Inspector Lewis noch jung. Bands wie King Crimson, Emerson, Lake & Palmer, Jefferson Airplane, The Grateful Dead - Lewis gerät ins Schwärmen, und Sgt. James Hathaway hat leichtes Spiel, ihn auf den Arm zu nehmen.
Doch auf einmal stapeln sich die Leichen um das Anwesen von Richie Maguire. Sein Tontechniker segnet mit einem inszenierten Goldenen Schuss das Zeitliche, eine Musikdozentin wird schnöde erdrosselt, ein Junge von 16 Jahren liegt sehr tot im Park. Was verbindet alle diese Morde, fragt Lewis gequält, während Sgt. Hathaway auf die Suche nach der verschwundenen Großmutter des Jungen macht.
Und wer ist der ebenso mysteriöse wie unverblümt schwule Mr. Vernon Oxe, der so pompös im besten Hotel der Stadt wohnt? Merkwürdig, dass er zur gleichen Zeit auftaucht wie die von den Toten à la "Vertigo" zurückgekehrte Esme Ford, die seinerzeit alle Bandmitglieder vernascht hat.
Erst als Lewis der winzigste, unerwartetste Hinweis aus der Goldenen Zeit des Rock in die Hände fällt, erblickt des Rätsels Lösung - und es fällt ihm wie Schuppen von den Augen.
Recht ironisch wird hier die damalige Zeit des Rock, die inzwischen so verklärt worden ist, entzaubert und mit den jetzigen Zuständen der damaligen Akteure kontrastiert. Der Bassist der Band hat sich mit Drogen seinerzeit fast das Hirn zerstört und verfügt kaum über ein Gedächtnis. Und es wurde nicht nur heftig geliebt, sondern betrogen. Richie schnappte sich einfach von seinem Bruder die Rechte am größten Hit der Band. Sowie Manager und Gitarrist von "Addiction" eine eine schwule Affäre.
Naja, olle Kamellen, kennt man ja zur Genüge. Bemerkenswert - "the odd track" - ist an dieser Episode nicht nur die ausgefallene Re-Inszenierung der Sechziger, sondern auch die Thematisierung von Drogen, Sex und Homos. Da kommt uns das sonst so idyllisch verträumte Oxford plötzlich ganz modern vor. Und der trockene Humor von Hathaway ist köstlich.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 16:9
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine
Extras: 3 Trailer
|Mein Eindruck: die DVD|
Das Bild erreicht szenenweise geradezu schon High-Density-Qualität, insbesondere bei Nahaufnahmen. Der Ton in DD 2.0 bewegt sich hingegen auf dem eines standardmäßigen Fernsehers. Untertitel gibt es leider keine. Auch das ist leider Standard.
Die vierte DVD weist einen Menüpunkt "DVD-Highlights" auf. Dahinter verbirgt sich eine Sequenz von Trailern für die Brit-Krimiserien, die das ZDF vermarktet:
- "Inspector Barnaby": 10 (!) Staffeln
- "George Gently, der Unbeugsame", 1. Staffel
- "Inspector Lynley"-Box
Unterm Strich
Die vier Hauptthemen sind halbwegs deutlich: die überbewertete Fantasy-Literatur, die verklärte Rockmusikkultur der Sechziger, die Stücke von Shakespeare - und Renaissance-Kunst, bei der die Perspektive eine wichtige Rolle spielt. Die romantisierende Titelmelodie der Serie sollte den Zuschauer nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in den vier verzwickten Fällen stets um knallharte Interessen geht - oder um enttäuschte Emotionen.
Mehr als einmal spielen falsche Identitäten eine Rolle, und man fragt sich als deutscher Betrachter wiederholt, wieso die Briten immer noch keine Personalausweise eingeführt haben. Wahrscheinlich aus dem einfachen Grund, dass dann die Krimis, einer ihrer wichtigsten Kultur-Exportartikel, weitaus weniger verzwickt wären!
|Die DVD-Box|
Das Bild ist ausgezeichnet, aber der Ton nur auf Fernsehniveau. Außer den vier Episoden in zwei Sprachen gibt es nur Werbung als Extra - eine magere Ausbeute. Aber das ist nun mal der Standard beim ZDF.
Michael Matzer (c) 2011ff
- Redakteur:
- Michael Matzer