Lewis - Der Oxford-Krimi 5. Staffel
- Regie:
- Diverse
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- Grossbritannien
- Originaltitel:
- Lewis. Season 5
1 Review(s)
31.05.2013 | 18:54Hathaway zwischen LSD und IRA: spannende Ermittlungen
Lewis - Der Oxford-Krimi. Staffel 5 (4 DVD)
Die 5. Staffel der TV-Serie um den schrulligen Oxforder Kripoermittler Robbie Lewis umfasst vier Episoden von jeweils knapp 90 Minuten Länge.
DVD 1. Offene Wunden (Old, Unhappy, Far Off Things)
DVD 2. Im Zeichen der Rache (Wild Justice)
DVD 3. Die Todesdroge (The Mind Has Mountains)
DVD 4: Mörderisches Verhängnis (The Gift of Promise)
Filminfos
O-Titel: Lewis. Season 5 (GB 2010)
Dt. Vertrieb: Edel Germany
EAN: 4029759067283
FSK: ab 12
Länge: ca. 355 Min.
Regisseur: Bille Eltringham, Bill Anderson, Nicholas Renton, Dan Reed, Metin Hüseyin
Drehbuch: Stephen Churchett, Russel Lewis und Alan Plater auf der Vorlage eines Romans von Colin Dexter
Musik: Barrington Pheloung
Darsteller: Kevin Whatley, Laurence Fox, Clare Holman, Rebecca Front u.a.
Jede Episode ist knapp 90 Minuten lang.
Handlung von Episode 1: Offene Wunden (Old, unhappy, far-off things)
Während eines Banketts auf einem ehrwürdigen Oxforder Frauen-College wird die direkte Mitarbeiterin der Professorin Diana Ellerby kaltblütig von einem Unbekannten ermordet. Inspektor Lewis ahnt, dass der Mord mit alten Geheimnissen des Colleges zusammenhängt. Führt der ungelöste mysteriöse Fall zum Mörder der Mitarbeiterin? (Verleihinfo)
Mein Eindruck
Ja, auch an Oxforder Frauen-Colleges kommt es zum Sündenfall, und zwar nicht nur einmal. Ein alter Fall, bei dem Lewis dabei war, führt durch die Aussage eines aus dem Koma erwachten Schulmädchens zu einem schweren Verdacht, dem Lewis und Hathway sofort nachgehen. Bezeichnend ist dabei, dass Lewis die alte Methode der Befragung einsetzt, während der junge Hathaway modernste Bildauswertungstechnik verwendet.
So kommen beide einer Bluttat, die damals zum Verschwinden eines jungen Mannes führte, auf die Spur. Doch was geschah damals mit seiner Leiche? Und warum musste er überhaupt sterben? Auf dem Maskenball vor zehn Jahren trat ein verdächtiger "Dottore della peste" (ein mittelalterlicher Pestdoktor) auf - verbarg sich hinter seiner unheimlichen Schnabelmaske ein Mörder?
Erotische Untertöne sind unübersehbar. Die Leiterin von St. Mathilda's soll angeblich zölibatär leben, doch was die Ermittler vorfinden, hat mit einem harmlosen Kaffeekränzchen wenig zu tun, sondern mit lesbischer Liebe. Aber ist die Chefin dem männlichen Geschlecht wirklich so abhold, wie sie tut?
Handlung von Episode 2: Im Zeichen der Rache (Wild justice)
In dem konservativen religiösen College St. Gerard's wird die amerikanische Bischöfin Parsons vergiftet. Inspektor Lewis und Sergeant Hathaway ermitteln unter den Brüdern von St. Gerard's und finden eine Spur, die in die Toskana führt. War der Tod der Bischöfin etwa nur ein unglücklicher Zufall? Lewis ist sich sicher: In den alten Mauern verbirgt sich ein dunkles Geheimnis... (Verleihinfo)
Mein Eindruck
Das Geheimnis reicht - wieder einmal - weit zurück: Vor ca. 20 bis 30 Jahren war Literaturdozentin Caroline Hope ein zehnjähriges Mädchen, das in einen schrecklichen Mordfall verwickelt war. Dabei gab es weitreichende Folgen. Und heute möchte jemand dafür Rache nehmen, erkennen Lewis und Hathaway. Oder hat die Sache doch eher mit der umstrittenen Nachfolge im Amt des Vizeregenten des Klosterstifts zu tun? Daher kommen als Verdächtige für diesen und mehrere weitere Morde eine ganze Reihe von Personen infrage. Das Perfide daran: Alle anonymen Botschaften sind Zitate aus eben jenen jakubäischen Rachedramen des frühen 17. Jahrhunderts, für die Caroline Hope eine bekannte Spezialistin ist.
Bis zuletzt bleibt die Klärung dieser Frage offen, und das macht diesen Fall recht spannend. Mir war jedoch die Rolle der alten Mrs Goth nicht klar, die offenbar eine Mäzenin des Ordens sein dürfte. Ist das Kloster ihr Alterssitz? Jedenfalls kümmert sich Vizeregent Mancini rührend um sie - mit nicht ganz uneigennützigen Hintergedanken?
Interessant ist auch der private Aspekt, dass sich Lewis neuerdings mit dem Gedanken trägt, in Vorruhestand zu gehen, um seinen erwarteten Enkel - den seiner Tochter Lynn - in Italien zu betreuen. Dann will auch Hathaway gehen - denn wer außer Lewis würde ihn je verstehen? Das nennt man wohl "tongue-in-cheek"-Humor.
Handlung von Episode 3: Die Todesdroge (The mind has mountains)
Als der Psychiater Alex Gansa eine Teststudie für ein neues Antidepressivum durchführt, stürzt sich die junge Teilnehmerin Amy Katz aus dem Fenster. Schnell wird klar, dass es sich dabei um keinen Selbstmord handelt. Lewis und Hathaway suchen fieberhaft nach dem Täter - auch im überschaubaren Kreis der Teilnehmer.
Mein Eindruck
Depressionen, Drogen, Eifersucht, Rache - genügend Gründe für einen solchen perfiden Mord finden Lewis und Hathaway am kleinen Wolsey College vor. Die Grundlage der getesteten Droge ist in Raver-Kreisen übrigens gut bekannt: Ketamin, das eigentlich der Narkose von Pferden dient. Schon bald gibt es eine Überdosis mit einem Toten. Doch wer hat ihm die streng kontrollierten Pillen verkauft? Die Überwachungs- und Dokumentations-Videos helfen weiter.
Der Fall hält verblüffende Wendungen bereit, die uns endlos spekulieren lassen, und selbstverständlich ist der aalglatte Dr. Gansa der Hauptverdächtige. Hinzukommt, dass Lewis ein Vorurteil gegen Psychotherapeuten hegt, seit einer von ihnen seinerzeit nach dem Tod seiner Frau nicht sehr feinfühlig mit dem Witwer umging.
Die Postkartenansichten von Alt-Oxford sind hier mal wieder vom Feinsten, und wer, wie ich, mal vor Ort war, wird viele Gassen, Uni-Gebäude und Türme ("dreaming spires") wiedererkennen. Die letzte Ansicht zeigt die weltberühmte Bodleian Library, wo heute Tolkiens Originalmanuskripte archiviert sind.
Handlung von Episode 4: Mörderisches Verhängnis (The gift of promise)
Andrea de Ritter, die Gründerin einer Stiftung für hochbegabte Kinder, wird ermordet. Lewis und Hathaway können weder Täter noch ein Motiv finden, die Tat scheint völlig zusammenhanglos geschehen zu sein. Erst als die Spur zum Studenten Elmo und der ehemaligen Geheimdienstchefin Grace Orde führt, fügen sich die ersten Puzzleteile zusammen...
Mein Eindruck
Zum einen ist die Story beinahe abgekupfert von den anderen, wo es um falsche Identitäten und frühere Untaten geht. Das scheint der Rote Faden dieser Staffel zu sein. Zum anderen ist dies jedoch optisch und dramaturgisch die beste Folge dieser Staffel überhaupt.
Das liegt vermutlich am Regiestil des Türken Metin Hüseyin und an seiner besonderen Kameraführung - in England dürfen Regisseure auch Kamera und Beleuchtung bedienen, wenn es die Gewerkschaft erlaubt. (Man korrigiere mich, wenn ich mich irre.) Die Kamera nutzt alle Stilmöglichkeiten aus, um Schwung in die Aufnahmen zu bringen:
1) Froschperspektive, die die Herren von der Kripo wie Giganten aussehen lässt;
2) verzerrte POV-Kamera, die den LSD-Rausch von Elmo imitiert und erfahrbar macht (POV: point of view: der Zuschauer sieht das Gleiche wie die betrachtende Figur);
3) Handheld-Kamera, die dem Geschehen weitere Unmittelbarkeit und Nähe abgewinnt;
4) Nahaufnahmen, die emotionale Intensität und Dramatik erzeugen;
5) die Krönung: der Ballhaus-360°-Dreh: die Kamera umkreist die Figuren, so dass der Hintergrund verschwimmt und unwichtig wird, was die Figuren aus ihrer Umgebung herauslöst - Top-Dramatik!
Außerdem gibt es hier zum Schreien komischen Humor. Seitenhiebe auf den britischen Gesundheitsminister, die "zweitbeste Universität von England" (= Oxford) und die Förderung von Hochbegabten sind nur der Anfang. Auch die beiden Cops werden vermenschlicht. Hathaway scheint etwas Schlechtes gegessen zu haben, dabei wurde er mit Arsen vergiftet - er rast zum Klo, was seine schlaksige Figur nicht nur dynamisch macht, sondern ihn auch von einer sehr menschlichen Seite zeigt. Dass er auch noch eine Urinprobe abgeben soll, lässt uns zusätzlich über den sonst so stoischen Ermittlen schmunzeln.
Kurz gesagt: Endlich erwachen die Figuren zum Leben, und die Komik bietet einen willkommenen Ausgleich zur Dramatik. Der Showdown ist hochdramatisch. Der Haken dabei: Ich weiß immer noch nicht, wer der Mörder von Andrea de Ritter war - der Gärtner oder der Fahrer oder war's der zwielichtige Ire? Wahrscheinlich sollte ich diese turbulente, tolle Folge nochmals anschauen.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 16:9
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine
Extras:
- Trailershow
- Porträtfotos auf der Innenseite des DVD-Covers
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des Bildes ist in der Regel sehr hoch, denn es wurde mit hochauflösenden Digitalkameras aufgenommen. Hier gerät sogar Blu-Ray-Qualität in Reichweite, so dass das Ansehen eine wahre Augenweide ist. So ist etwa ein Sonnenuntergang im Gegenlicht ohne jede Verzerrung dargestellt, und auf einer guten Heimkinoanlage sieht das einfach traumhaft aus.
Diese Aussage gilt nicht für Dokumentationsmaterial aus Überwachungsvideos, von privaten Videokameras und von anderen Bildquellen. Diese Quellen sind stets gekennzeichnet und nicht Teil der Spielhandlung. Einmal ist sogar eine gelöschte und wiederhergestellte Videodatei zu sehen - die Verzerrungen sind dementsprechend groß. Dies ist aber OK, denn so wird ihr behauptete Herkunft umso glaubhafter. Erstaunlich, welche Tricks sich die Bildingenieure heutzutage einfallen lassen - und am Computer umsetzen können.
Der Ton ist hingegen umso bescheidener. Immer noch bekommen wir vom ZDF keinen DD 5.1 Ton geboten, sondern nur Stereo in DD 2.0. Untertitel kann man sich gleich an die Backe kleben.
EXTRAS
1) Porträtfotos auf der Innenseite des DVD-Covers
2) Es gibt Werbung in Form von drei Trailern:
a) Scott & Bailey (britische Forensikerinnen, Cops) mit der FSK-Einstufung 16 - heiß und sexy!
b) Inspektor Barnaby vol. 17 - die übliche Schlaftablette für Rentner
c) Kommissarin Lund - Das Verbrechen III - siehe meinen Bericht dazu.
Unterm Strich
Der Rote Faden dieser Staffel ist das fast immer gleiche Strickmuster: Ein alter Fall, der mitunter Jahrzehnte zürckliegt, beeinflusst bzw. verursacht das aktuelle Geschehen, das zu einer Spätfolge wird. Natürlich erscheint das Ergebnis zunächst rätselhaft, bis die Beamten schließlich tief genug gegraben haben, um die Verbindung zur Vergangenheit zu entdecken. Häufig ist späte Rache das Motiv.
Hier fällt besonders der Zündstoff auf, den die vierte Episode anpackt: Das fragwürdige Vorgehen des britischen Inlands-Geheimdienstes MI5 (nein, James Bond arbeitet für MI6, also im Ausland) im Nordirland-Konflikt. 1984 war dort ganz schön was los, will heißen: Es gab grausige Bluttaten der IRA. Die Folgen waren nicht nur Leichen, sondern auch unechte "Leichen", die einfach untertauchen durften, sowie Personen, die vom MI5 eine neue Identität erhielten, eine "Legende".
Diese Bäumchen-wechsel-dich-Strategie mit neuen Identitäten kommt mehrfach vor. Die Ironie dabei: Um den Identitätswechsel zu belegen, reichen Datenbanken nicht mehr aus, sondern man muss auf die alte Methode der Archivrecherche zurückgreifen, so etwa auf Uni-Jahrbücher.
Folge 3 fällt aus dem Rahmen, weil hier nicht ein alter Fall virulent wird, sondern weil eine der Verdächtigen möglicherweise völlig wahnsinnig ist, ohne es zunächst an den Tag zu legen. Oder ist das nur eine Schutzbehauptung, die der Hauptverdächtige Dr. Gansa vorbringt, um sich aus der Schusslinie zu bringen? Doch Lewis muss am eigenen Leib feststellen, dass die Gefahr, die aus dem Wahnsinn resultiert, absolut real ist...
Mögen die Episoden eins und zwei relativ ruhig dahinplätschern, so treiben die Folgen drei und besonders vier gehörig den Adrenalinspiegel hoch. Deshalb bin ich recht froh, bis zum Schluss durchgehalten zu haben, zumal in Folge 4 auch der Humor nur zu kurz kommt. Sie in vielerlei Hinsicht die gelungenste Folge des Quartetts.
Die DVD-Box
Mag die Bildqualität auch nahe ans Blu-Ray-Level heranreichen, so tut dies der Ton doch nicht. Und dass es zu ZDF-Produktionen wie dieser keine Untertitel gibt, kennt man schon aus leidvoller Erfahrung. Fans werden sich an den Porträtfotos auf der Innenseite des DVD-Covers delektieren. Ansonsten gibt es in der Trailershow eine neue DVD zu entdecken: "Scott & Bailey", freigegeben ab 16 Jahren - das verspricht nahezu zensurfreie Action und Ausdrucksweise.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer