Marco Polo (TV Mini-Serie, 4 DVDs)
- Regie:
- Montaldo, Guiliano
- Jahr:
- 1982
- Genre:
- Historienfilm
- Land:
- USA / Italien / Japan / China
1 Review(s)
04.01.2008 | 18:31Manche Epen bleiben im Gedächtnis haften, auch wenn - dank lange zurückliegender Ausstrahlung im TV - vielleicht etwas vage. Die legendäre und vergleichsweise hochkarätig besetzte Weihnachtsserie "Marco Polo" wurde nämlich vor fast genau 25 Jahren am 24.12.1982 erstmalig von der ARD ausgestrahlt. Das multinationale Gemeinschaftsprojekt unter Federführung des italienischen Senders RAI wurde ein Gassenfeger. KOCH Media, bekannt dafür, sich gerade solcher Publikationen anzunehmen, um sie auf DVD erneut ins Rampenlicht zu rücken, hat auch hier wieder ein Paket aus vier DVDs mit insgesamt gut neun Stunden Laufzeit geschnürt. Seit Februar 2007 ist die ansprechende Falt-Box für um die 30 Euro im Handel erhältlich.
Zur Story
Bei seiner Heimkehr von der über 20 Jahre dauernden Reise nach Asien gerät der Venezianer Marco Polo zwischen die Fronten. Er, der mit dem Zwist zwischen Genua, Pisa und Venedig überhaupt nichts zu tun hat, wird verwundet und gerät in Gefangenschaft. Hier erzählt er - teils im Fieberwahn - seinem Kerkergenossen Rusticello seine ganze abenteuerliche Geschichte, die dieser aufschreibt. Das kommt auch dem Klerus zu Ohren, welcher sofort Gotteslästerung wittert, denn für die heilige Mutter Kirche existiert das große Nichts jenseits des Zweistromlandes. Ende. Aus. Nikolaus. Doch der mittlerweile genesene Polo beharrt darauf, im Himalaya und in der Mongolei gewesen und sogar bis nach Peking (damals noch Khanbalic genannt) in die verbotene Stadt gelangt zu sein - als Berater am Hofe des großen Eroberers Kublai Khan. Marco und Rusticello droht wegen der später als "Il Milione" bekannt gewordenen Schriften die Verurteilung als Ketzer.
Die Erzählung der eigentlichen Geschichte des berühmten Reisenden beginnt jedoch bereits viel früher, in seiner Kindheit um das Jahr 1260 herum. Marco ist ein von der Ferne faszinierter Junge, dessen Vater vor langen Jahren von Venedig aus in die weite Welt segelte. Sehnsüchtig warten er und seine Mutter auf dessen Rückkehr, doch bis dies tatsächlich geschieht, ist Marcos Mutter gramvoll gestorben und aus dem Knaben ein junger Erwachsener mit einer Obsession für das Meer geworden. Sogar ein Boot hat er sich mit seinen Freunden zusammengezimmert, mit dem er die Welt bereisen will. Seine Tante und sein Onkel, die sich seiner annahmen, versuchen Marco jahrelang einzureden, sein Vater Niccolo und sein Onkel Matheo seien von den Heiden bestimmt umgebracht worden und er solle seine Konzentration lieber auf die Mithilfe im familieneigenen Tuchmacherbetrieb richten statt auf Hirngespinste. Doch Marco ist besessen davon, dass sein Vater eines Tages zurückkehrt und ihn auf seine Reisen mitnimmt.
Trotz aller Unkerei sind die geschickten Kaufleute Niccolo und Matheo tatsächlich nicht tot, sondern im Gegenteil sehr geachtete und reiche Leute geworden, im fernen Reich der Mongolen. Sie haben sich das Vertrauen des Khan verdient, der sie nun als Vermittler zurück in die westliche Welt schickt. Sie sollen Handelsbeziehungen nach Venedig aufbauen. Doch bei der allmächtigen katholischen Kirche, die das Sagen im Rat hat, stoßen sie auf Skepsis und Hass gegenüber den andersgläubigen "Barbaren", sodass sie offiziell ihren Auftrag nicht erfüllen können. Unter der Hand jedoch sind die Dogen durchaus bereit, mit den Mongolen Handel zu treiben. Man beschließt also, lieber mit Wenig als Nichts nach Asien zurückzukehren und dem Khan zu berichten. Ein gefährliches Techtelmechtel Marcos zwingt Niccolo dazu, seinen enthusiastischen Sohn vorerst mitzunehmen, obwohl er sich erst strikt weigerte. Marco ist ihm fremd. Doch das Schicksal will es, dass Marco nicht wie geplant von Acre/Palästina aus nach Venedig zurückkehrt.
Eindrücke
Es fällt sofort ins Auge, dass auf akkurate Inszenierung geachtet wurde. Die detaillierten Kostüme und Props wirken jedoch nicht wie frisch aus dem Laden, sondern gebraucht. Der von George Lucas ins Leben gerufene Used-Look hat hier Schule gemacht, was zu dieser Zeit in den frühen Achtzigern immer noch recht selten war, es dominierte - besonders in Fernsehproduktionen - sonst der unrealistisch wirkende Hochglanz. Logisch, denn das aufwändige Verfahren, Schauspieler und Requisiten für jeden Take immer wieder auf Alt zu trimmen, ist zeit- und daher kostenintensiv. Für RAI und Konsorten schien Geld aber keine Rolle zu spielen. Das spiegelt sich auch in der Wahl der Darsteller wider. Vom Namen her vielleicht nicht immer allererste Reihe, doch beachtlich, wer dem Ruf der Produktionsfirma folgte, bis hin zur Filmmusik, für die sich Altmeister Ennio Morricone ("Spiel mir das Lied vom Tod") nicht zu schade war.
Damit das Flair stimmt, hat man es sogar auf sich genommen, wo immer möglich an Originalschauplätzen zu drehen. Als eins der wenigen westlichen Filmteams bekam man sogar eine Drehgenehmigung in der "Verbotenen Stadt" sowie für die chinesische Mauer, was in den Achtzigern des vorherigen Jahrhunderts sicher weder einfach noch ein logistisches Zuckerschlecken gewesen sein dürfte. Das chinesische Hinterland, Italien, Marokko und Nepal nehmen sich dagegen als weitere der besuchten Locations schon fast bescheiden aus. Der Aufwand hat sich aber in jedem Fall gelohnt, denn nirgendwo wirken die Szenerien dadurch billig oder gekünstelt. Selbiges gilt auch für die restliche, opulente Ausstattung der TV-Serie. Man hat sich redlich Mühe gegeben, alles möglichst authentisch aussehen zu lassen bzw. so, wie Menschen und Umwelt zu der gegebenen Zeit an den entsprechenden Orten ausgesehen haben könnten/müssten, vom mittelalterlichen Venedig über Jerusalem und Kadhmandhu bis hin zu Khanbalic. Chapeau!
Die Hauptrolle des grundehrlichen, manchmal die Grenze des Naiven deutlich überschreitenden Marco Polo bekam seinerzeit Ken Marshall, dessen Gesicht heute kaum noch jemand kennt - obwohl er eine frappante Ähnlichkeit zu David Hasselhoff aufweist -, vielleicht noch aus "Krull" oder diversen, kleinen Auftritten in "Star Trek", womit er sich hier in bester Gesellschaft befindet, denn gleich drei seiner Kollegen sind Trekkies sicherlich wohlbekannt: Leonard "Mr. Spock" Nimoy (der undurchsichtige Achmet), F. Murray Abraham (Diener Jacopo) und David Warner (Kerkergenosse Rusticello). Denholm Elliot (Marcos Vater) ist dank seines dichten Bartes kaum zu identifizieren, dabei spielt er mit Marcus Brody in der Indiana-Jones-Reihe eine allgemein doch recht bekannte Figur. Warum man ihm in der Synchronfassung allerdings einen seltsamen Akzent angepottet hat, bleibt rätselhaft. Auch Deutschland hat zwei Mimen beizusteuern: Tony Vogel (Matheo) und Mario Adorf (Giovanni). Last but not least diente Burt Lancaster alias Teobaldi Visconti/Papst Gregor X als Zugpferd.
Mit 504 Minuten Gesamtlaufzeit ist die Box schon ein ziemlicher Brocken, ein manchmal etwas schwer verdaulicher noch dazu. Bei dem Umfang, den die Geschichte bietet, lassen sich manche Längen sicherlich nicht ganz vermeiden, doch hier ist es besonders DVD Nummer vier, welche sich manchmal unnötig zäh dahin quält, ohne dass irgendetwas wirklich Bedeutungsvolles passiert. Dort hätte Regisseur und Drehbuch-Mitautor Giuliano Montaldo eine ganze Reihe Szenen ruhig straffen können, um die Sache zügiger und interessanter zu gestalten. Dafür hätte man gut und gerne so manchen lose endenden Handlungsstrang zu einem befriedigenden Abschluss bringen können. Etwa der Verbleib von Monica - Marcos neuer Liebe - oder auch das Schicksal von Niccolo und Matheo. Von denen erfährt der Zuschauer quasi im Nebensatz, dass sie wohl die Reise zurück nach Venedig nicht überlebt haben - und das bei immerhin zwei der tragenden Rollen der Geschichte. Mit diesem recht schludrigen letzten Viertel verspielt Montaldo ein paar Sympathien.
Marco Polos Reisen sind schon häufiger verfilmt worden, mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Das TV-Format bietet sich für einen solch umfassenden Stoff wie die Reiseerzählungen des Kaufmanns aus Venedig geradezu an, da man hier problemlos eine mehrstündige Session draus schustern kann, die dem Umfang der zugrunde liegenden überlieferten "Tagebücher" auch wirklich gerecht wird. Die Anführungszeichen sind deshalb angebracht, da berechtigte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Schilderungen des Marco Polo (ca. 1254 bis 1324) bestehen. Zumindest ein Teil davon ist recht widersprüchlich. Es gilt als gesichert, dass Polo die Reisen tatsächlich unternommen hat, allerdings scheinen entweder er oder Schreiber Rusticello nicht besonders exakt gearbeitet zu haben. Die Tagebücher sind in sich nicht schlüssig - es fehlt beispielsweise die Erwähnung der chinesischen Mauer, was seltsam anmutet.
DVD und Bonusmaterial
Die vier DVDs stecken in einer schönen und aufwändig gestalteten klappbaren Papp-Box. Das beiliegende achtseitige Booklett umreißt die Geschichte dieser neuerlichen Verfilmung in kurzen Worten. Das 4:3-Bild wurde für das DVD-Release übrigens nicht restauriert, stellenweise piesacken Klötzchenbildung und Unschärfen das Auge des Zuschauers. Beim Ton hat man das Mono-Signal immerhin auf eine Art von DD 2.0 aufgebohrt. Man darf aber nicht vergessen, aus welcher Zeit das Basismaterial stammt. Hier die Nase zu rümpfen, erscheint dann doch unfair.
Im Bonusmaterial kommt Guiliano Montaldo für eine knappe halbe Stunde im Interview zu Wort. Groß ist die Ausbeute des Zusatzmaterials damit nicht, aber immerhin. Etwas störend wirken die wieder eingeflochtenen Schnittszenen, welche es erst gar nicht in die deutsche Version schafften. Diese sind unsynchronisiert und fallen daher natürlich deutlich auf - bemerkenswert ist hier, dass jene Cutscenes tatsächlich unnötig waren. Aber auch bereits synchronisierte (und interessante) Szenen fielen der Schere zum Opfer. Auf jeder der vier DVDs finden sich davon diejenigen separat abspielbar, die es dann doch nicht bis in die endgültige (deutsche) Fassung brachten; manchmal aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen - vermutlich aber wegen des Erzähltempos.
Fazit
Dies ist immer noch die ausführlichste und akkurateste Verfilmung des abenteuerlichen Lebens von Marco Polo, auch wenn sie sich nicht komplett an die überlieferte Erzählung hält und sich so manche dramaturgische Freiheit gönnt. Nicht nur für eine Inszenierung von 1982 ist das Teil bemerkenswert rund und fortschrittlich - auch nach heutigen Maßstäben kann die Mini-Serie noch überzeugen. Leider wirkt das letzte Viertel im Vergleich zum Beginn etwas zäh, fad und konfus. Die Bild- und Tonqualität der ansonsten ordentlich herausgeputzen DVD-Box ist auch nicht so prickelnd. Das kostet Punkte in der Haltungsnote. Dennoch eine ganz klare Empfehlung für das kultige und geschichtsträchtige Werk.
Die DVD-Daten auf einen Blick:
OT: "Marco Polo"
USA / Italien / Japan / China 1982
Genre: TV Mini-Serie, Historie
Koch Media 2006
4 DVD-Box, FSK 6
Bonus: Cutscenes teils OmU (75 Minuten), Interview OmU (28 Minuten)
Gesamtlaufzeit: 504 Minuten
Bildformat: 4:3 TV (1,33 : 1)
Tonformat: DD2.0 (Deutsch, Englisch)
Produktion: RAI, u. a. Giovanni Bertolucci, Franco Gristaldi, Vincenco Labella
Drehbuch: David Butler, Vincenco Labella, Giuliano Montaldo
Regie: Guiliano Montaldo
Kamera: Pasqualino de Santis
Musik: Ennio Morricone
Darsteller u. a.: Ken Marshall (Marco Polo), Denholm Elliot (Niccolo Polo), Tony Vogel (Matheo Polo), Anne Bancroft (Marcos Mutter), David Warner (Rusticello), F. Murray Abraham (Jacopo), Burt Lancaster (Papst Gregor X.), Mario Adorf (Giovanni), Leonard Nimoy (Achmet), Ying Ruocheng (Kublai Khan), Junichi Ishida (Chinkin), James Hong (Phags-Pa)
- Redakteur:
- Jürgen Pern