Mord in der Rue Morgue
- Regie:
- Jeannot Szwarc
- Jahr:
- 1986
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Murders in the Rue Morgue
1 Review(s)
17.05.2005 | 07:04Paris im Jahre 1899. Privatdetektiv Auguste Dupin steht vor einem Rätsel: In einem Haus der Rue Morgue wurden zwei Frauen bestialisch ermordet. Es gibt keinerlei Hinweise auf den Täter. Um die Bürgerschaft zu beruhigen, verhaftet die Polizei zunächst einen jungen Mann namens Adolphe. Doch der ist mit der Tochter von Dupin verlobt. Jetzt sind die kleinen grauen Zellen gefragt.
Filminfos
O-Titel: Murders in the Rue Morgue (USA 1986, TV)
FSK: ab 12
Länge: ca. 93 Min.
Regisseur: Jeannot Szwarc ("Ally McBeal")
Drehbuch: David Epstein
Musik: Charles Gross
Darsteller: George C. Scott ("Wer Sturm sät", "Die 12 Geschworenen", "Dr. Seltsam", "Patton"), Val Kilmer ("Alexander", "Mindhunters", "Batman Forever", "The Saint"), Rebecca de Mornay ("Identity", "Die drei Musketiere"), Ian McShane, Neil Dickson u.a.
Handlung
Im Prolog erweist sich das Paris des Jahres 1899 als unsicheres Territorium - zumindest für Menschen. Ein Landstreicher labt sich gerade an einer Flasche Wein, die Füße zum Abkühlen in einen Parkteich gestreckt, da wird er auch schon hinterrücks gemeuchelt.
Als wäre ein weiterer Beleg noch nötig, begleiten wir die junge Lehrerin Claire Dupin (R. de Mornay) nach ihrem Opernbesuch nach Hause. Offenbar hat ihr männlicher Geleitschutz die junge Dame im Stich gelassen, und unklugerweise verschmäht sie auch eine Droschke - vielleicht aus Geldmangel? Ihr Vater, der berühmte Polzeiinspektor Auguste Dupin (George C. Scott), ist nämlich seit zwei Monaten arbeitslos, so dass seine Tochter allein den Lebensunterhalt für beide bestreiten muss. Zu ihrer Wohnung strebt sie durch dunkle Gassen, wo sich Straßenmädchen mit Freiern vergnügen, Angetrunkene auf ihre Röcke schielen und der Leierkastenmann eine traurige Weise spielt. Schatten an der Wand wachsen im Schein der Gaslaternen plötzlich zu Riesen, und Claire ist heilfroh, lebend die Haustür zu erreichen.
Am nächsten Morgen holt sie ihren Cousin Philippe Durant (Val Kilmer) vom Zug ab. Der junge Mann möchte Kriminalinspektor werden und besucht einfach mal seinen Onkel, den berühmtesten aller Inspektoren. Doch Philippe beunruhigen nicht nur Schlagzeilen wie die Nachricht vom Mord im Park, auch der Gemütszustand seines Onkel macht ihn besorgt. Seit ihn der neue schnöselige Polizeipräfekt aus dem Amt geworfen hat, vegetiert Dupin nur noch lustlos und schmollend vor sich hin.
Am anderen Morgen erhält Claires abtrünniger Verlobter Adolphe den Auftrag, zwei Kundinnen der Bank, in der er arbeitet, nach Hause zu begleiten. Madame und Mademoiselle L'Espanaye haben 4000 Francs in Gold abgehoben und wollen sicher damit nach Hause gelangen. Adolphe entledigt sich dieser einfachen Aufgabe bravourös, denn es ist helllichter Tag. Doch mitten in der Nacht werden die Bewohner der Rue Morgue von entsetzlichen, lang anhaltenden Schreien aus dem Haus der L'Espanayes aus dem Schlaf gerissen. Sie eilen mit einem Polizisten in das fragliche Haus, brechen die Tür auf - und finden ein Blutbad vor.
Damit die Spuren am Tatort nicht verwischt werden, dürfen den Polizisten nur zwei Bürger begleiten. Einer fällt fast in Ohnmacht, als er Mademoiselle L'Espanaye im Kamin steckend findet. Die Leiche von Madame findet man draußen im Garten, ebenfalls grausam zugerichtet. Die Tatwaffe war ein Rasiermesser.
Doch allmählich wundert sich der Flic sehr: Die Wohnung ist zwar völlig verwüstet, als sei ein Tornado hindurchgefegt, doch es fehlt keine einzige Goldmünze. Raub scheidet also als Motiv aus. Was aber noch viel rätselhafter ist: Sämtliche Fenster und Türen waren verschlossen. Wie konnten die Täter - man hörte zwei Stimmen - hereinkommen und dann wieder das Weite suchen?
Nach wenigen Tagen ist offensichtlich, dass die Polizei sich keinen Rat mehr weiß. Nicht nur zwei Inspektoren beknien Dupin, ihnen mit seinem Scharfsinn zu helfen - hinter dem Rücken ihres Chefs und ohne dessen Bitten will sich aber der Meisterdetektiv nicht darauf einlassen.
Erst als ihm seine Tochter, deren Verlobter unschuldig in U-Haft genommen worden ist, couragiert die Meinung geigt und ihm vorwirft, sich aus verletztem Stolz in Selbstmitleid zu suhlen, rafft er sich wieder auf und macht sich ans Werk. Was doch eine spitze Zunge alles erreichen kann.
Da geschieht ein weiterer brutaler Mord im Park ...
Die DVD
VÖ: 12.05.2005
Technische Infos:
Bildformate: Vollbild 4:3
Tonformate: DD 2.0 (mono)
Sprachen: D, GB
Untertitel: keine
Extras:
- Originaltrailer
- Information zu J. Szwarc, Val Kilmer, R. de Mornay und G. C. Scott
- Trailershow: Evil; Oldboy; Monster; The Hollow; Cube Zero; Tornado; Volcano; Ginger Snap III; Mondbasis Alpha (TV-Serie); Cowgirl; Der Typ vom Grab nebenan; Nero.
Mein Eindruck
Edgar Allan Poe kann sich ja nicht mehr wehren. Seine berühmte Story aus dem Jahr 1841 wurde bereits dreimal verfilmt. Beim ersten Mal trat Bela Lugosi, der "Dracula"-Mime mit dem Gruselblick, 1932 als Dr. Mirakle auf, der seinen Menschenaffen mit der Hauptdarstellerin vermählen will, um weiß Gott was zu zeugen. In der zweiten Verfilmung von 1971 wird die Schauspieltruppe eines Horrortheaters einer nach dem anderen von einem geheimnisvollen Killer abgemurkst. Immerhin treten Lili Palmer, Christine Kaufmann und Herbert Lom in diesem zu recht vergessenen Streifen auf.
Erst beim dritten Mal wollen es alle Beteiligten richtig machen. Und sie machen es richtig: Nicht nur die Storyline stimmt einigermaßen mit der Vorlage überein, auch die Ausstattung passt hundertprozentig zu der Epoche. Obendrein gelingt es dem Drehbuch, die spannende Kriminalgeschichte mit einem Hauch Menschlich-Allzumenschlichem anzureichern. Denn der Verlobte Adolphe stellt sich natürlich als Lügner heraus - Philippe hat ihn sofort durchschaut und sich selbst in die entzückende Claire verliebt.
Auch Dupin selbst wird als ein menschliches Wesen sichtbar gemacht und nicht etwa als ein Superheld hingestellt, der nur die Zeitung zu lesen braucht, um einen Fall zu lösen, an dem sich alle anderen die Zähne ausbeißen (wie im Fall von Poes Story "Der Fall der Marie Roget"). Auch Dupin ist anfällig für menschliche Schwächen wie Stolz und Selbstmitleid, doch andererseits kann man das vielleicht verstehen, wenn man bedenkt, dass er 32 Jahre lang treu der Polizei und den Bürgern seiner Stadt gedient hat, nur um dann hochkant hinausgeworfen und mit einer kleinen Pension abgespeist zu werden.
Daher kämpft Dupin im Grunde an zwei Fronten: Der neue Kriminalfall kitzelt seinen Scharfsinn, doch er darf den neuen Polizeipräfekten nicht bloßstellen, sondern muss diesem mit diplomatischem Geschick eine Chance geben, seine Ehre zu retten. Denn das Image war schon damals mehr wert als der Mann selbst, den Massenmedien sei Dank. Und zu guter Letzt rettet Dupin auch noch die Ehre seiner Tochter, aber das ist quasi außerdienstlich und zählt nur wenig (nicht so für Claire).
Die Inszenierung greift auf Originalschauplätze zurück, was ziemlich teuer und zeitaufwendig gewesen sein muss. Aber das optische Ergebnis rechtfertigt diesen Aufwand voll und ganz: Die Atmosphäre des alten Paris ist voll und ganz erhalten, und wir können bestimmten deutschen Generälen danken, dass sie Hitlers Befehl verweigert haben, Paris in Schutt und Asche zu legen. Allein schon die Aufnahmen von Notre-Dame sind Gold wert.
~ Schwächen ~
Warum der Film sang- und klanglos in der Versenkung verschwand, ist leider auch zu sehen. Es ist vor allem die Performance von Rebecca de Mornay und Val Kilmer, den zwei Jungstars, die mehrmals Anlass zu Frust gibt. Mal bekommen sie den Mund nicht auf, dann wieder versteinert ihr Mienenspiel - dafür ist Kilmer ja notorisch bekannt. Es ist eine Wohltat, George C. Scott und seinem Gegenspieler, dem Präfekten, bei ihren Auseinandersetzungen zuzusehen: Hier fliegen die Fetzen.
Obwohl der Film nicht den kapitalen Fehler begeht, die Identität des Täters vorzeitig zu lüften, so enttäuscht der Moment, da wir ihn sehen, doch ein wenig (natürlich befindet sich Claire gerade in höchster Not, aber trotzdem). Er sieht ganz anders aus als bei Edgar Allan Poe beschrieben. Man kann eben nicht alles haben.
Die DVD
Neben einer Menge Werbung und einem schicken, auf Schock getrimmten Originaltrailer bietet die DVD lediglich ausführliche Bio- und Filmografien. Aber nicht, wie auf dem Klappentext angekündigt, zu Meister Poe (dessen Mittelname natürlich wieder mal falsch geschrieben ist), sondern zu Regisseur J. Szwarc, der durch Serien wie "Ally McBeal" offenbar unsterblichen Ruhm erlangt hat. Ähnlich lobhudelnd äußern sich die Texte zu den Darstellern, und nur bei George C. Scott haben sie ausnahmsweise völlig Recht: Der Mann ist einfach gut - nicht nur deshalb, weil er einmal den OSCAR für "Patton" zurückgewiesen hat, sondern weil er einfach ein guter Mime ist. Wer ihn in Stanley Kubricks "Dr. Seltsam" als Cpt. Turgidson - ebenfalls Schach spielend - gesehen hat, wird ihn nie vergessen.
~ Ton und Bild ~
Das kann man von dieser DVD nicht behaupten. Weder Ton noch Bild wurden digital überarbeitet, und so kommt der Zuschauer in den zweifelhaften Genuss von VHS-Qualität: Nicht nur die Bildqualität enttäuscht (wenn auch nicht in störendem Ausmaß), sondern vor allem der Tonstandard. Man sollte meinen, im Jahre 1986 - im gleichen Jahr erschien "Top Gun"! - hätten bereits bessere Aufnahmemöglichkeiten zur Verfügung gestanden. So aber erhält man Tonqualität, wie sie 30 Jahre zuvor auch nicht viel besser gewesen war, nämlich Dolby Digital 2.0, das leider näher am Mono-Klang ist als an Stereo.
~ Englisch - oder auch nicht ~
Immerhin kann man sich die Synchro sparen und den englischen Originalsound genießen. Hier sind die zahlreichen Nebengeräusche nicht ausgeblendet und tragen so zu einer stimmigen Atmosphäre bei. Leider fehlen auch hier - wie auf der ganzen DVD - die Untertitel. Daher werden nur Zuschauer, die ziemlich gut amerikanisches Englisch können, die Darsteller verstehen.
Apropos Englisch: Sämtliche Zeitungen in Paris sind in Englisch gedruckt, was doch den recht sonderbaren Eindruck vermittelt, dass die Amis einmarschiert seien. Damit nicht genug, sind auch alle Schilder in Englisch, so etwa das der Bank von Adolphe, das der "Society of Explorers" und sogar das des Freiluftlokals "Sailor's Haven" (Freihafen des Seemanns). Offenbar sind doch die Amis einmarschiert.
Unterm Strich
"Edgar Allen Poe's Mord in der Rue Morgue", so der völlig falsch geschriebene und übersetzte deutsche Titel, ist der dritte und bislang gelungenste Versuch, die berühmte Kriminalerzählung auf die Leinwand zu bringen. Mit Top-Besetzung und exzellenter Ausstattung gelingt es dem Streifen durchweg, die Spannung aufrechtzuerhalten und zugleich eine menschlich anrührende Erzählung aufzubauen. Dupin erscheint nicht als einsamer Übermensch des Scharfsinns, sondern als mit menschlichen Schwächen behafteter Vater, Onkel und - nun ja, "freigestellter Arbeitnehmer".
Die Inszenierung konzentriert sich nicht auf aufgesetzte Horroreffekte, sondern auf die kriminalistische Ermittlung im Fall des mysteriösen Doppelmordes an den beiden Damen aus der Rue Morgue (also der Gasse am Leichenschauhaus). Im Grunde ist Dupins Vorgehen ein Vorläufer von TV-Serien wie "C.S.I." (Crime Scene Investigation = Untersuchung des Tatorts). Und vielleicht verwundert es daher nicht, dass auch dieser Film direkt fürs Fernsehen produziert wurde. Deshalb fehlen auch allzu blutige und trashige Effekte. Die Freigabe ab 12 Jahren ist somit auf ganzer Linie ungefährdet.
Mit einer digitalen Wiederaufbereitung hätte die DVD ein gesuchtes Sammlerstück werden können. Doch im jetzigen Zustand erhält der Käufer nur das Äquivalent einer Videokassette, garniert mit üppiger Werbung und langen Texten über Hauptdarsteller und Regisseur. Angaben über den Autor des Originals, wie der Klappentext behauptet, sind nicht enthalten. Und wer sich das Foto auf der Rückseite genau ansieht, entdeckt einen Druckfehler im Straßenschild: Da ist "Rue Morque" zu lesen statt "Rue Morgue". Sieht so amerikanische Wertarbeit aus?
- Redakteur:
- Michael Matzer