National Geographic - Beyond The Movie: Die Legende von Troja
- Regie:
- Tim Baney
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
2 Review(s)
11.12.2006 | 12:08Fast jedem ist Troja ein Begriff, selbst wenn man der Heldenepen Homers, der "Ilias" und der "Odyssee", nicht kundig ist. Das Trojanische Pferd und Achilles verhängnisvolle Ferse haben zum Beispiel immer noch einen festen Platz im modernen Sprachgebrauch. Doch was ist - falls überhaupt - wahr an dem Mythos über die Zerstörung, der die bis dato als uneinnehmbar geltende Stadtfestung umgibt? Offensichtlich im Schlagschatten von Petersens "Troja" wandelte National Geographic 2004 auf den Spuren Schliemanns und anderer, um genau das herauszufinden.
Kleiner Exkurs
Der trojanische Prinz Paris entführt die schöne Königin Helena von Sparta. Deren Ehemann Menelaos schiebt dementsprechend einen dicken Hals und bittet seinen Bruder Agamemnon - seines Zeichens der mächtige Herrscher der Hellenen/Griechen - quasi um Amtshilfe. Der wittert seine Chance, endlich seinem alten Konkurrenten Priamos seine mächtige Stadt Troja unter dem Hintern weg annektieren zu können. Von der Hauptstadt Mykene aus segelt eine etwa 1000 Schiffe starke Flotte gen Troja, mit dabei der (fast) unbesiegbare Achilles und der umtriebige Odysseus, um mal richtig Dampf zu machen, die angeschlagene Ehre wiederherzustellen (wie südländische Männer eben so sind) und die abtrünnige Maid wieder heim ins Reich zu holen. Die trojanische Führungsriege zeigt sich jedoch bockig und ist nicht gewillt, Troja oder Helena herauszurücken - da könnte ja jeder kommen.
Nach 10 Jahren erbittertem Kämpfen mit wechselndem Schlachtenglück haben fast alle den Löffel abgegeben, die mit dem Konflikt irgendwas zu tun hatten. Achilles killt Hektor, dessen Bruder - der feige Paris - knipst dem Halbgott daraufhin mittels Pfeil und Bogen das Licht aus. Kurz darauf beißt aber auch er ins Gras. Die Mauern Trojas sind noch immer nicht gefallen. In dieser vertrackten Pattsituation (sozusagen ein Mexican ähem Troyan Standoff) greifen die Griechen schlussendlich zur altbekannten List mit dem wohl berühmtesten Pferd der Geschichte (nein, nicht Black Beauty). Der Rest ist sittsam bekannt: Die als uneinnehmbar geltende Metropole wird von 40 Elite-Griechen infiltriert, die Trojaner filetiert und die Stadt als solches frittiert. Dazwischen funkt immer wieder auch noch die versammelte Götterschar des Olymps, die sich untereinander auch nicht sonderlich grün sind - behauptet jedenfalls Homer.
Zum Inhalt
Wiewohl nicht mal als gesichert gelten darf, dass Homer überhaupt ein Name ist (und keine Berufsbezeichnung), und auch nicht nachgewiesen werden kann, dass der angebliche Verfasser der Ilias und der Odyssee tatsächlich blind war, so ist seine Sage vom Untergang Trojas eine der ältesten Heldengeschichten überhaupt. Man schätzt ihr reales Stattfinden auf ca. 1300 v. Chr. und noch einmal 400 Jahre später entstanden die beiden Epen, die jenem Dichter namens Homer zugerechnet werden. Das eigentliche Troja hat - so weiß man heute - allerdings seine Wurzeln schon viel früher, noch vor der Bronzezeit, in welcher sich die fraglichen Ereignisse um Paris, Helena, Agamemnon, Menelaos, Priamos, Hektor und Achilles zugetragen haben sollen. Doch haben sie das wirklich? In der Tat lässt sich heute einiges davon beweisen.
Seit jeher sind Schatzsucher auf der Suche nach der sagenumwobenen Stadt gewesen, sie nimmt einen ähnlichen Stellenwert ein wie die Suche nach Atlantis, dem heiligen Gral oder der Arche Noah. Hier war allerdings immer die große Kohle der Hauptantrieb und nicht religiöse Neugier. Troja war reich "an Erz und Gold", so berichtet Homer, vor allem Letzteres trieb immer wieder zwielichtige Gestalten dazu, den vermeintlich unermesslichen Schatz der ollen Trojaner in die Griffel zu bekommen. Gefunden hat sie schließlich der dilettantische, selbstdarstellerische Abenteurer und Scharlatan Heinrich Schliemann 1871. Mit mehr Glück als Verstand. Troja liegt am alten "Hellespont" (den heutigen Dardanellen), der Meerenge, die das Schwarze Meer und die Ägäis verbindet.
Doch was er fand, war mehr und anders als das, was er erwartet hatte: Das historische Troja besteht aus insgesamt 9 Städten aus unterschiedlichen Epochen, allesamt übereinander gebaut wie bei einem Sandwich. Diejenige Schicht zu finden, welche das Homersche Troja beherbergt, war nicht leicht und die korrekte Zuordnung sollte zudem einem anderen gelingen, dem Amerikaner Carl Blegen. Der ging auch wesentlich wissenschaftlicher vor, als er die Ruinen von 1932 bis 1938 noch einmal eingehend studierte und weiter freilegte. Noch einmal mehr als 50 Jahre später (1992/93) versucht eine letzte große Ausgrabungsunternehmung, ausgeführt von einem Joint Venture zwischen der Universität Tübingen und der University of Cincinnati, dem Trümmerfeld weitere Beweise und Belege zu entreißen, dass die alten Schriften mehr als nur Phantastereien sind.
Die DVD
Prinzipiell eine durch und durch typische NG-Produktion. Es finden sich zwei bis drei Experten des Gebiets, die Auszüge der Ilias kommentieren und auf ihren Wahrheitsgehalt abklopfen, zudem bewerten sie die bisherigen archäologischen Erfolge und erklären den (halbwegs) aktuellen Stand der Dinge. Leider bleibt hierbei beinahe der gesamte Götter-Komplex bzw. deren Zwistigkeiten außen vor, welcher einen hochinteressanten Teil der Geschichte um Troja darstellt. Zumindest, wenn man sie ausgiebig und vollständig betrachten möchte.
Lediglich Poseidon findet als möglicher Grund für den Untergang der Stadt eine kleine Gastrolle in der Doku. Poseidon steht nämlich auch sinnbildlich für Erdbeben und sein mit ihm assoziiertes Tier-Symbol ist das Pferd. Das Trojanische Perd als Metapher für ein verheerendes Erdbeben? Nicht auszuschließen, dort an der Nahstelle zwischen Europa und Asien verläuft eine recht aktive tektonische Verwerfung zweier Kontinentalplatten. Beweisen lassen sich solche Spekulationen jedoch nur sehr schwer.
Ergänzend zur kommentierenden Stimme aus dem Off und den gezeigten Interviews werden einige Schlüsselszenen von Laien-Schauspielern ikonenhaft nachgestellt - allerdings leider historisch ziemlich inakkurat: Die Gewänder und besonders die blank polierten Brustharnische und Waffen gehören eher ins Römische Reich und teilweise gar ins Mittelalter, aber bestimmt nicht in die Bronzezeit. Es wiederholen sich auch einige der Einstellungen immer und immer wieder, was zusätzlich leicht nervt. Außerdem haben sich einige weitere sachliche Fehler in den Bericht eingeschlichen. Was man von National Geographic so nicht gewohnt ist.
Es wird zunächst behauptet dass Helena Agamemnons (König von Mykene) Frau war, der sie der Ehre wegen zurückholen will - tatsächlich ist sie aber seine Schwägerin und er nimmt die Bitte seines Bruders Menelaos (König von Sparta) zum Vorwand, Troja erobern zu können. Erst später wird diese Tatsache korrekt dargestellt. Zum anderen ist die Chronologie ein wenig durcheinander geraten. Was Alexander den Großen, die Eroberung Konstaninopels/Byzanz/Istanbuls und die Osmanen anbelangt, sind der Redaktion die Jahreszahlen und Epochen etwas aus dem Ruder gelaufen.
Die DVD gehört ausstattungsseitig in die Kategorie "Magerstufe". Keinerlei Bonusmaterial für die eventuelle Informationsbeschaffung in Eigenregie. Kein Booklet. Nichts. Lediglich die minimalsten Standard-Features stehen zur Verfügung: Kapitel- und Sprachwahl. Der Ton ist zwar mit DD 5.1 angegeben, doch was sollte das hier groß bringen? Popeliges Stereo hätte es auch getan. Das 4:3 Vollbild ist okay - nicht mehr, nicht weniger.
Fazit
Die Informationen werden in leicht verdaulichen Häppchen gereicht und alles wirkt glatt gebügelt und schlichtweg seicht. Scheinbar muss man heutzutage dem (vordringlich wohl amerikanischen) Publikum Geschichte auf diese einerseits flache, andererseits leicht reißerisch anmutende Machart anbieten, sonst verliert es das Interesse. Infotainment nennt man das. Leider ist das Thema Troja mit der Dokumentation weder erschöpfend behandelt, noch ist sie frei von vermeidbaren, sachlichen Fehlern. Wenn diese recht schwache NG-Produktion im TV ausgestrahlt wird, kann man sich mal einklinken, die DVD zu kaufen ist hingegen ziemlich überflüssig und zu teuer obendrein.
Die DVD-Daten auf einen Blick:
OT: "Beyond The Movie: The Legend Of Troy"
Genre: Dokumentation
The National Geographic Society, USA 2004
Laufzeit: ca. 52 Minuten
Regio-Code 2, FSK 6
Soundformat: DD 5.1 (Deutsch und Englisch)
Bildformat: 4:3
EAN: 260028251327
- Redakteur:
- Jürgen Pern
Handlung:
Troja, eine sagenumwobene Stadt von größtem Reichtum und wichtigster Handlungsort in den Erzählungen des griechischen Schriftsteller Homer. Ihre Mauern sollen über zehn Jahre von griechischen Stämmen unter König Agamemnon belagert worden sein, um die griechische Helena, eine Frau von legendärer Schönheit, aus den Fängen der Trojaner zu befreien. Wer kennt nicht die antiken Erzählungen von der tausend Schiffe starken Flotte, die vom griechischen Festland aus ausgelaufen ist, um Troja zu vernichten? Und jeder hat schon einmal von dem berühmten trojanischen Pferd gehört, mit dem die listenreichen Griechen hinter die hohen Verteidigungsanlagen Trojas gelangen konnten. Doch ist der trojanische Krieg ein historischer Fakt oder nur bloße Fiktion aus der Feder Homers? Gab es Troja wirklich und ist die Legende um sein unermesslichen Reichtum zutreffend? Diese und andere Fragen um die antike Stadt versucht das Team um Tim Baney in dieser Ausgabe von National Geographic zu klären.
Auswertung:
Die Dokumentation “Die Legende von Troja“ schafft es, einen interessanten aber auch teilweise oberflächlichen Bogen von der Geschichte des 20. Jahrhunderts hin zu dem Epos "Ilias" von Homer zu spannen. Hierbei konzentrieren sich die Macher zu Beginn der Dokumentation auf einen Museumsbestand, der sich aus trojanischem Schmuck und Gold zusammensetzt und im zweiten Weltkrieg aus einem Berliner Museum verschwand und dann später in der UdSSR wieder auftauchte. Geschickt werden diese Irrwege des Schatzes aus Troja für eine Verknüpfung zum Werk des Schriftstellers Homer genutzt und der Leser in das epochale Werk des antiken Griechen eingeführt.
Positiv fällt hierbei die Darstellung der "Ilias" auf. Diese wird nicht als ein antiquiertes und langweiliges Buch verstanden, sondern man stellt es als ein universelles Epos dar, das thematisch noch heute aktuell und gültig ist. Aufbauend auf den Beschreibungen der Stadt Troja und deren im Werk angegebenen Lage rekonstruiert das Team um Tim Baney die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen über die sagenumwobene antike Metropole. Chronologisch beginnt dann die Dokumentation bei dem Archäologen Schliemann und dessen erste Ausgrabungen im Nordwesten der Türkei. Hierbei zeigt das National Geographic auch sehr anschaulich, wie sich die heutigen archäologischen Ausgrabungsmethoden von den ersten Grabungsversuchen unterscheiden. Abgerundet wird die DVD mit den heutigen, teilweise oberflächlichen Erkenntnissen über den Krieg um die Stadt Troja.
Negativ fallen leider die oftmals zwischengeschobene Kampfsequenzen auf, die die Dokumentation auflockern sollen. In Zeiten, in denen Filme wie “Gladiator“ oder “Troja“ den Zuschauer mit authentischen Schlachten verwöhnen, wirken die Kämpfe in “Die Legende von Troja“ sehr gestellt und teilweise ungewollt komisch. Da diese Sequenzen aber nur unregelmäßig im Film vorkommen, stören sie nur geringfügig den Gesamteindruck.
Fazit:
„Die Legende von Troja“ bietet einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Stadt, aber auch in die Geschichte der Archäologie selbst. Aufbauend auf der "Ilias" von Homer kann der Zuschauer kurzzeitig in die antike Welt von Helena und Achilles eintauchen und die Spurensuche um das trojanische Pferd und den Krieg um Troja verfolgen. Ein Tipp für Hobbyarchäologen und Geschichtsinteressierte.
- Redakteur:
- Thomas Graef