National Geographic - Geheimnisvolles Tibet
- Regie:
- -
- Jahr:
- 2000
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Treasure Seekers - Tibet's Hidden Kingdom
1 Review(s)
30.06.2005 | 09:20Schon langte übte Lhasa, die Hauptstadt Tibets, wegen seiner Abgeschiedenheit und schweren Zugänglichkeit eine Faszination auf Entdecker aus. Da die Stadt aber nur über gefährliche Bergpässe zu erreichen ist und die tibetanische Regierung im 19. Jahrhundert keine Besucher duldete, waren die meisten der frühen Expeditionen dorthin nicht von Erfolg gekrönt. Die National-Geographic-Dokumentation "Geheimnisvolles Tibet" handelt von den ersten beiden erfolgreichen Versuchen, im Auftrag des britischen Imperiums die abgelegene Stadt zu erreichen.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts ein kalter Krieg zwischen den Briten und den Russen schwelt, die beide ein Auge auf Tibet geworfen haben, unternimmt man auf britischer Seite Versuche, das noch weitgehend unbekannte Land zu vermessen. Da aber nicht-buddhistische Besucher in dem theokratischen Staat nicht willkommen sind – und schon gar keine westlichen -, bildet man den indischen Lehrer Nain Singh zum Spion aus und versorgt in mit den nötigen Kenntnissen in der Landvermessung.
Nachdem der erste Versuch, Lhasa als Händler verkleidet zu erreichen, fehlschlägt, bricht er im Jahre 1865 erneut dorthin auf – diesmal als buddhistischer Mönch getarnt. Dabei vermisst er das Land, indem er seine immer gleich langen Schritte mit Hilfe einer Gebetskette zählt. Außerdem testet er anhand des Siedepunktes von Wasser, in welcher Höhe er sich jeweils befindet, und notiert diese Informationen.
Nach einer halbjährigen Reise, die er oftmals in Gesellschaft von Händlern verbringt, um sich vor Banditen zu schützen, erreicht er schließlich sein Ziel Lhasa, wo er sich trotz der Gefahr, entdeckt zu werden, eine Zeitlang niederlässt, um die Kultur und Politik Tibets zu studieren und anhand astronomischer Messungen die genauen Koordinaten Lhasas zu bestimmen. Dies gelingt ihm auch mit einer erstaunlich geringen Abweichung von einem halben Breitengrad sehr genau, und als er das erledigt hat, bricht er zur beschwerlichen Heimreise nach Indien auf, wo seine Erkenntnisse äußerst euphorisch aufgenommen werden.
1903 bricht der britische Offizier Francis Younghusband mit einer Armee nach Lhasa auf und nutzt dabei Kartenmaterial, das von Nain Singh angefertigt wurde. Das Ziel ist, mit dem herrschenden Dalai Lama einen Vertrag auszuhandeln, der den Briten die Vormachtsstellung in Tibet sichert. Dabei stößt er aber auf militärischen Widerstand vonseiten der Tibeter, die allerdings nur über primitive Waffen verfügen, so dass sie den Briten trotz zahlenmäßiger Überlegenheit deutlich unterlegen sind. Und so kommt es zu einem blutigen Gemetzel, bei dem innerhalb weniger Minuten mehrere Hundert Tibeter ihr Leben lassen. Unklar ist dabei bis heute, wer zuerst das Feuer eröffnete, aber schon damals macht sich Entsetzen breit wegen des grausamen Vorgehens der Briten, welches auch Younghusband selbst erschüttert.
Als er schließlich Lhasa erreicht, ist der Dalai Lama geflohen, und Younghusband verhandelt mit einem ranghohen Mönch die Bedingungen eines Vertrages mit dem britischen Imperium – oder vielmehr: Sie werden ihm auferlegt. Dieser Vertrag bleibt jedoch nicht lange erhalten, so dass Younghusbands Expedition zumindest aus politischer Sicht wenig erbringt. Dafür spürt er für sich persönlich, durch die Erfahrungen in Tibet zur Erleuchtung gelangt zu sein.
Anhand nachgestellter Szenen werden in "National Geographic – Geheimnisvolles Tibet" die Expeditionen dieser beiden Männer nachgezeichnet. Dabei gelingt es durchaus, die Strapazen dieser Touren zu vermitteln, aber auch die Faszination, die Tibet und Lhasa im Besonderen auf Forscher ausüben, begreifbar zu machen. Dazu tragen auch die großartigen Aufnahmen des Gebirges und der Stadt Lhasa bei, die allerdings meist nur viel zu kurz zu sehen sind, so dass ein Abtauchen in die Bilderwelten kaum möglich ist. Der Schwerpunkt wird eben vor allem auf die beiden Forscher und ihre Erlebnisse gelegt, wodurch die sie umgebenden Landschaften oft zurückstecken müssen.
Dafür sind die nachgestellten Szenen größtenteils aber auch sehr gut und glaubhaft umgesetzt – trotzdem fühlt man sich selten wirklich ins 19. Jahrhundert bzw. zum Beginn des 20. zurückversetzt. Negativ fällt auch auf, dass bei diesen Szenen oftmals eine falsche Authentizität vorgetäuscht wird, indem das Bildmaterial in Schwarz-Weiß und mit hinzugefügten Verschmutzungen gezeigt wird. Das sieht zwar interessant aus, verpasst der Dokumentation aber einen unseriösen Touch.
Unseriös wirkt auch die Werbepausen-Dramaturgie, die an manchen wenigen Stellen wirklich nervig ist, wenn ein kleiner Spannungsbogen nach dem Motto "Bleiben Sie dran, denn gleich gibt es das und das zu sehen" aufgebaut wird, der die Geschichte, die darauf folgt, schon in geraffter Form, aber mit vielen Fragezeichen versehen wiedergibt. Dies ist aber nur ein kleiner Wehrmutstropfen, denn insgesamt sind die Dramaturgie und der Spannungsaufbau sehr gelungen.
So wird man als Zuschauer für die Dauer von 50 Minuten in die Erlebniswelten der beiden Forscher hineingerissen und verfolgt gespannt deren Werdegang. Dabei kommt zum Glück auch die Informationsvermittlung nie zu kurz, weshalb man die "National Geographic – Geheimnisvolles Tibet" jedem Tibet-Interessierten, der sich vor allem für dessen frühe Erforschung interessiert, nur empfehlen kann.
Neben einer Texttafel über die wichtigsten Meilensteine der Geschichte Tibets befinden sich auf der DVD noch eine 22-minütige Dokumentation und ein gesprochener Text über den Entdecker Joseph Rock.
Wie man durch die Dokumentation "Shangri-La: Paradies auf Erden" ("High Road to Shangri-La", 2001) erfährt, handelt es sich bei Joseph Rock um einen in Österreich geborenen, amerikanischen Entdecker und Botaniker, deren überwiegend in China tätig war und dort auch im Auftrag der National Geographic Society Film- und Fotoaufnahmen machte. Die Dokumentation handelt von seiner Suche nach dem mythischen Ort Shangri-La, der auch als Paradies auf Erden beschrieben wird. In den 30er Jahren glaubt er in einer Region im Südwesten Chinas, nahe der tibetanischen Grenze, fündig geworden zu sein und dokumentiert mit zahlreichen Fotos die faszinierende Bergwelt dieser Region sowie das Kulturleben des dort ansässigen Volkes der Naxi, deren Volk bei der Kulturrevolution Chinas in den 60er/70er Jahren fast spurlos verschwunden ist.
Parallel dazu berichtet die Dokumentation von einer Expedition der Gegenwart, in der einige Abenteurer inspiriert durch die Fotos von Rock auch in eben diese Region aufbrechen, um dort einen Berg zu besteigen.
So entsteht eine hochinteressante Mischung aus alten Filmaufnahmen, Joseph Rocks Fotos und dem aktuellen Bildmaterial, das nicht nur die großartige Landschaft dokumentiert, sondern auch das Kulturleben in der Region und wie es sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Und dies wird nur noch umso interessanter, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um eine Region handelt, die allerhöchstens eine Handvoll Europäer oder Amerikaner jemals tatsächlich zu Gesicht bekommen hat.
Der einzige Wehrmutstropfen sind hier lediglich, dass viele der Aufnahmen nur viel zu kurz zu sehen sind, was besonders bei den eindrucksvollen Bergaufnahmen sehr schade ist und ein Schwelgen verhindert. Auch wäre es wünschenswert gewesen, mehr über die Kultur und Bräuche der Naxi zu erfahren. So kriegt man hier lediglich einige Aufnahmen von diesen zu sehen, ohne weitere Informationen zu erhalten.
Nichtsdestotrotz ist auch "Shangri-La: Paradies auf Erden" durchaus einen Blick wert und bietet dem an den Bergregionen Zentralasiens Interessierten eine ideale Ergänzung zum Hauptfilm, auch wenn es hier nicht wirklich um Tibet geht.
- Redakteur:
- Andreas Fecher