Navajo Joe. Kopfgeld: ein Dollar
- Regie:
- Sergio Corbucci
- Jahr:
- 1966
- Genre:
- Western
- Land:
- Italien/Spanien
- Originaltitel:
- Navajo Joe
1 Review(s)
13.05.2010 | 22:42Indianischer Rache-Western, endlich uncut
Die Bande von Skalpjäger Duncan zieht wie eine Plage übers Land und zerstört alles, was sich ihr in den Weg stellt, inklusive einem kompletten Indianerdorf. In der Stadt Esperanza sollen die Outlaws einen Zug überfallen und das Geld mit einem Doktor teilen, der Duncan angeheuert hat. Doch der junge Indianer Navajo Joe, einziger Überlebender des Indianerdorfs, vereitelt den Plan und versteckt die Beute. Er hat allen Beteiligten bis zum letzten Mann blutige Rache geschworen und bietet den Bewohnern von Esperanza an, die Desperados zu jagen. Das Kopfgeld: Ein Dollar! (Verleihinfo)
Die DVD zeigt eine digital überarbeitete und restaurierte Fassung.
Filminfos
O-Titel: Navajo Joe (Italien/Spanien 1966)
Dt. Vertrieb: Koch Media
FSK: ab 18
Länge: ca. 88 Min.
Regisseur: Sergio Corbucci
Drehbuch: Dean Craig & Fernando di Leo
Musik: Ennio Morricone alias „Leo Nichols“
Darsteller: Burt Reynolds (N. Joe), Aldo Sambrell (Duncan), Nicoletta Machiavelli (Estella), Tanya Lopert (Geraldine), Fernando Rey (Reverend) u.a.
Handlung
Eine Bande Skalpjäger macht das Indianergebiet unsicher. Mervin „Vee“ Duncan (Sambrell), ein Mestize, und sein Halbbruder Jeffrey (Lucio Rosato) überfallen ein Indianerdorf. Eine junge Frau am Fluss wird Duncans erstes Opfer, das er sogleich um seine Kopfhaut beraubt. Er weiß ja, dass er dafür in Esperanza jede Menge Kohle bekommt. Als sie weiterreiten, werden sie jedoch von einer Rothaut verfolgt, die sich außer Schussweite hält. Zwei Männer, die Duncan gegen den offenbar unbewaffneten Reiter ausschickt, kehren nur als Leichen zurück. Daraufhin bricht Streit zwischen den zwei Halbbrüdern aus.
Pyote
Sie wollen endlich ihr Kopfgeld für die Skalps, doch statt dessen müssen sie im Dorf Pyote (Peyote ist eine Kaktusart, aus der ein Schnaps gewonnen werden kann) feststellen, dass es sich genau andersherum verhält: Jetzt sind sie es, auf die ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Wütend mischen die Männer den Saloon auf, in dem Chucks drei Tänzerinnen für Unterhaltung sorgen, die Chuck mit Pfeil und Mini-Bogen ergänzt. Als sich der Sheriff endlich zu erkennen gibt, knallt Duncan ihn ab. Doch ein Geschäftsmann namens Lynne, den Duncan gut kennt, hat einen Vorschlag: Duncans Bande könnte den Zug überfallen, der demnächst in einem Tresor eine Ladung Geld nach Esperanza transportiert.
Als die drei Tänzerinnen Geraldine, Barbara und Lucia das hören, wissen sie, dass sie als Zeuginnen nicht mehr lange zu leben haben, und machen sich vom Acker. Ihre Flucht wird fast vereitelt, doch Navajo Joe kommt ihnen zu Hilfe. Geraldine verrät ihm den Plan der Banditen und er beschließt, ihnen die Suppe gehörig zu versalzen. Doch Geraldine ist verwundet und muss zum Arzt nach Esperanza.
Der Zug ist voller hoffnungsvoller Siedler, aber nur der Tresor wird von Soldaten bewacht. Den durch eine Barriere gestoppten Zug greift Duncans Bande so lange an, bis alle bis aufs letzte Baby tot sind. Es darf keine Zeugen geben. Nachts warten die Killer auf Lynne, der den Geldschrank öffnen soll. Als Gatte der Tochter des Bankdirektors kennt er dessen Kombination. Doch vorher greift lautlos Navajo Joe an und entführt das Stahlross mitsamt Tresor.
Esperanza – Hoffnung?
Geraldine wird gerade von Dr. Lynne zu Tode verarztet, als der Zug in Esperanza eintrifft. Hier warten schon alle Honoratioren, angeführt vom Reverend, der alle zu Waffenlosigkeit angehalten hat: Sie sind Duncans Bande wehrlos ausgeliefert, die dem Zug, den Navajo Joe jetzt bringt, garantiert folgen wird. Wer soll Duncan aufhalten? Joe ist bereit, den Job zu übernehmen, unter einer Bedingung: Er bekommt einen Dollar Kopfgeld für jeden erschossenen Banditen. Als sich Dr. Lynne gegen diesen Plan ausspricht – was uns nicht wundert – warnt Joe vor einem gewissen Verräter unter den Bürgern. Sobald sich Joe zurückgezogen hat, bietet Dr. Lynne an, die Soldaten aus dem Fort zu Hilfe zu holen.
Kaum ist Lynne weg, um Duncan vor Joe zu warnen, schickt seine Frau ihre halbindianische Dienerin Estella (Nicholetta Machiavelli) aus, um Joe Bescheid zu geben, dass er engagiert sei. Als Joe den Saloon betritt, verlangt er den Sheriffstern. Der Sheriff wendet ein, nur ein Amerikaner dürfte Gesetz und Gerechtigkeit vertreten. Joe fragt, woher sein Vater stamme. „Aus Schottland“, lautet die Antwort. Dann sei der Sheriff kein Amerikaner, wohingegen schon Joes Urgroßvater hier gelebt habt – amerikanischer gehe es nicht. Also kriegt Joe den Sheriffstern. Und er verlangt Dynamit.
Kriegslist
Als Duncans Bande in Esperanza eintrifft, haben sie Dr. Lynne zu Schein als Geisel dabei. Sie gehen schnurstracks zur Bank, um den Tresor zu öffnen – er ist leer! Lynnes Frau verrät, dass sie das Geld – eine halbe Million Dollar – der Rothaut gegeben hat. Duncan knallt sie wutentbrannt ebenso ab wie Lynne, den Verräter. Da startet Navajo Joe seinen Gegenangriff und tötet mit Dynamit eine Menge Leute aus der Bande des Mestizen. Doch Duncan nimmt Estella gefangen, und um sie zu retten, lässt sich Joe gefangennehmen.
In Gefangenschaft
Trotz der Folter, redet Joe nicht. Vielmehr holt Estella unterdessen Hilfe seitens Chuck und seiner Tänzerinnen. Am nächsten Morgen ist Joe schon wieder verschwunden und hinterlässt ein paar tote Wachen. Das bringt Duncan noch mehr auf die Palme. Er will einen Bürger nach dem anderen töten lassen, bis Joe endlich das Geld rausrückt. Der gibt ihm Bescheid: Das Geld sei im Zug. Duncan bekommt es, wenn er alle Geiseln gehen lässt.
Doch darauf hat Duncan nur gewartet und schickt Jeffrey, um den Zug zu kapern, das Geld zu rauben und alle Geiseln zu erledigen. Doch er hat seine Rechnung ohne Joe gemacht…
Mein Eindruck
Am Anfang erinnert „Navajo Joe“ stark an den Jahre später gedrehten Charles-Bronson-Film „Chatos Land“, in dem der Indianer den Vorteil, dass er seine Heimat wie seine Westentasche kennt, zu seinen Gunsten auszunutzen weiß, um eine Bande skrupelloser Mörder – natürlich Weiße – einen nach dem anderen zu dezimieren. Dieser Verlauf ist jedoch in „Navajo Joe“ etwas anders begründet und abgeändert.
Kopfgeld-Jäger
Ein wichtiges Element, das von Anfang an eine bestommende Rolle spielt, ist das Kopfgeld. Die US-Armee setzte in den 1860er Jahre tatsächlich Belohnungen für Skalps von Indianern im Süwesten aus, wenn man dem Booklet glauben darf (und die Briten waren es, die diese Methode schon ein Jahrhundert zuvor im Nordosten eingeführt hatten). Diesem Kopfgeld fallen zunächst Joes Indianer zum Opfer, dann sehen sich die Skalpjäger selbst als Freiwild auf einem Steckbrief, und schließlich ist es Joe, der den Spieß umdreht und die Weißen für die Tötung der Banditen Kopfgeld zahlen lässt. Das ist nun mal der Lauf des Kapitalismus: Die Handlanger, die man bislang für die Drecksarbeit bezahlt hat, muss man wieder loswerden – und wer wäre dafür besser geeignet als eines ihrer Beinahe-Opfer? Es funktioniert heute noch genauso wie damals.
Amerikaner?
Seinen Rachewestern hat Corbucci also mit einigen kritischen Untertönen versehen. Dazu gehört auch, dass er sich – als einer der ersten in Europa - auf die Seite der unterdrückten Minderheit stellt und die Indianer als die wahren Amerikaner hinstellt. Es ist eine wunderbare Szene im Saloon, als sich der Sheriff ein zugereister Schotte entpuppt, der für sich beansprucht, alleiniger Berechtigter für Gesetz und Gerechtigkeit zu sein. Joes Urgroßvater und dessen Nachfahren bis zu Joe hingegen scheint diese Berechtigung nicht zuzukommen, was wieder den Rassismus und Despotismus der Weißen grell beleuchtet. Wie auch immer: Joe kriegt seinen Stern dennoch.
Der Verräter
Eine weitere von vielen Ironien der Handlung – Story von Ugo Pirro – besteht in der Rolle des Verräters. Dieser „Menschenfreund“ tritt als Arzt auf, verrät auch diese Profession, heiratet die Tochter des Bankdirektors, beschafft sich die Kombination zum Tresor und verrät auch seine Frau sowie die gesamte Stadt. Denn die Stadt hat von der Regierung eine halbe Million Dollar „Entwicklungshilfe“ spendiert bekommen, die sich Dr. Lynne nun zusammen mit den Banditen unter den Nagel reißen will. Er ist ein Raubtierkapitalist. Deshalb macht es ihm nichts aus, seine Mitbürger zu täuschen, wenn er sich zum Schein als Geisel der Banditen zur Bank bringen lässt.
Bandidos
Die Banditen sind ebenso Nihilisten wie er auch. Sie haben außer Kopfgeld nur ihr Leben zu verlieren, und das verkaufen sie möglichst teuer. Am interessantesten ist die Figur des Mervyn Duncan, der eine eigene Psychologie verpasst bekommt. Als Mestizen-Mischling einer Indianerin und eines Weißen hasst er beide Völkerschaften bis aufs Blut, so dass es ihm Befriedigung verschafft, Indianer wie Weiße gleichermaßen zu massakrieren. Diese böse und zerrissene Figur sei einzigartig, befindet der Filmhistoriker Bruschini.
Showdown
Kein Wunder also, wenn Joe im Showdown erst einmal alle anderen beseitigen muss, bevor er sich mit Duncan befassen darf. Dieser Zweikampf ist von ganz erheblicher Hinterhältigkeit seitens Duncans, und am Schluss mnüssen beide dran glauben. „Es ist ein Western der Verlierer“, meint Bruschini und hat damit Recht. Aber das Ende ist nicht so schlimm wie in Corbuccis „Leichen pflastern seinen Weg“ (The Great Silence), in der der Bösewicht (Klaus Kinski) am Schluss über den Guten triumphiert und davonkommt.
Frauen
Bemerkenswert ist die Rolle der Frauen. Sie spieln bei Corbucci immer eine wichtigere Rolle als etwa bei Leone oder Sollima, den anderen 2 Sergios. (Vielleicht weil seine Frau Nori mit ihrer Meinung über seinen Filme stets ehrlich zu ihm war.) Es sind die Frauen ohne gesellschaftliche Stellung, die Joe beistehen: Die drei Tänzerinnen aus Chucks Truppe sowie die Dienerin Estella, eine Halbblutindianerin. Die Frau des Arztes ist die einzige Frau mit sozialer Stellung, die sich für ihn ausspricht, und das bezahlt sie mit dem Leben.
Joe und sein Pferd
Man kann sich natürlich fragen, wieso ein Indianer überhaupt Joe heißen sollte. Na, er muss ja irgendeinen Namen haben, kann man sagen. Und warum sollte dieser Indianer überhaupt ein Navajo sein, wenn diese Nation doch bekanntlich in Hogan-Hütten wohnte und nicht in Tipis wie die Prärieindianer. Hier hat sich Corbucci wohl etwas zusammenfantasiert. Entsprechend unecht wirkt Joe denn auch, vor allem weil er von seiner Psychologie bis auf die Szene im Saloon herzlich wenig zeigen kann.
Burt Reynolds, ein ehemaliger Stuntman mit Cherokee-Blut in den Adern, wurde als Ersatz für Marlon Brando engagiert und erwies sich als kompetenter Reiter, Schütze und Bombenwerfer. Nur mit dem Reden hat er’s nicht so, aber das lag wohl eher am Drehbuch, das ihm die Rolle einer rächenden Naturgewalt zuwies statt die eines Menschen mit Vergangenheit und Zukunft.
Seine Rolle geht denn auch kaum über die Ausführung von Rache hinaus. Man könnte ihm eine Zukunft an der Seite von Estella wünschen, aber sein einziger wahrer Freund ist sein Mustang, der ihm auf Schritt und Tritt folgt – selbst dann noch, als Joe das „Feuerross“ der Eisenbahn reitet. Am Schluss ist es lediglich das reiterlose Pferd, das an ihn erinnert und das alleine in die Freiheit galoppiert…
Landschaft
Es ist nicht das Monument Valley, das Corbuccis Scouts in Südspanien fanden, aber dennoch ein fast gleichwertiger Ersatz, komplett mit Höhlen und Minen. Hier befindet sich der Indianerfriedhof der Navajo, wie leicht an den Schädeln und verblichenen Häuten und Federn abzulesen ist. (Dies ist nicht etwa das zerstörte Dorf, wie in manchen Inhaltsangaben behauptet, denn hier oben gibt es keine Wasserquelle.)
Daher ist dieser Ort des Todes der perfekte Schauplatz für den Showdown, bei dem es um Leben und Tod geht. Da es sich um einen Ort handelt, der den Indianern heilig ist, haben Weiße das Gefühl hier fremd zu sein und nicht her zu gehören. Kein Wunder, dass nur brutale Drohungen seitens des Halbbluts Duncan zum Weiterkämpfen veranlassen können. Der Ausgang der Begegnung ist unausweichlich. Nur Duncan gelingt es, den Indianer tödlich zu verwunden, bevor er selbst ins Gras beißt.
Musik
Eines der erstaunlichsten Merkmale dieses ungewöhnlichen Westerns ist sein Soundtrack, den Ennio Morricone unter dem Pseudonym „Leo Nichols“ komponierte (weshalb ein ahnungsloser US-Kritiker denn auch Nichols lobte, weil er fast so einfallsreich wie Morricone sei!). Das Piano dräut bereits unheilvoll sein Rachemotiv, die obligatorischen Trommeln vermitteln urwüchsige Gewalt, doch es sind die wilden Schreie in einem schier ungezügelten Chor, die dem Zuschauer kalte Schauer über den Rücken jagen (oder ihn einfach nur blöd grinsen lassen).
Dafür engagierte der Komponist einen Chorleiter und Sänger, der eigentlich a capella sang, aber dafür wilde Schreie loslassen konnte. Eine Sängerin tritt dabei auf, die die höchsten Schreie loslässt. Sie ersetzen so ungewöhnliche Instrumente wie die Okarina aus „The good, the bad and the ugly“. (Mehr Infos zu diesem Detail liefern Booklet und die zwei Featurettes.) Dafür ist eine Gitarre, das Standardinstrument für Western-Stimmungen, praktisch nie zu hören.
Gewalt und Zensur
Mehr als 40 Jahre lang war dieser Streifen praktisch nur zensiert zu sehen. Die anfängliche Skalpierungsszene (in der man sich das eigentliche Schneiden vorstellen muss) wurde von den Sittenwächtern ebenso herausgeschnippelt wie die Szene, in der Joe seinem Gegener sein Emblem – zwei überlappende Dreiecke – in die Stirn zu ritzen scheint. Da wird dies aber nur von der Seite sehen, können wir nur annehmen, dass Burt Reynolds’ Messer tatsächlich ritzte. Genau wie bei der DJANGO-Szene mit dem Abschneiden des Ohres muss sich der Zuschauer seinen Teil dazu vorstellen. Man darf wohl kaum annehmen, dass die Schauspieler sich tatsächlich so malträtieren ließen.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
EXTRAS:
- Dt. und engl. Trailer
- Featurette „An Indian Namend Joe“ (ca. 30 min)
- Featurette “On Behalf of American Indians” mit Filmhistoriker Antonio Bruschini (ca. 13 min)
- Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
- Diaschau der Drehorte damals und heute
- 32-seitiges Booklet
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild der restaurierten und digital überarbeiteten Fassung ist von herausragender Qualität, die man gerne anschaut. Das trifft natürlich auf die ziemlich miesen Trailer zu (s.u.). Der Ton entspricht dem eines guten Fernsehers, und die Untertitel sollte man beim ersten Sehen unbedingt einblenden, um alle Namen richtig zu verstehen. Die Abweichungen von der Synchronisation sind doch beträchtlich.
EXTRAS:
1) Deutscher Trailer (2:54 min)
Der deutsche von fast 3 Minuten Länge konzentriert sich auf die Action, um die Story kommentarlos in Bildern zu erzählen. Interessant sind die eingeblendeten Spezialeffekte mit der schießenden Winchester. Die Bildqualität ist erträglich. Ulkig ist der Titel des Films: „An seinen Stiefeln klebte Blut“, womit wohl Duncan gemeint ist, der plötzlich zur Hauptfigur avanciert.
2) Englischer Trailer (1:45 min)
Der englischsprachige Trailer ist ebenso auf die Action konzentriert, entbehrt aber nicht eines kurzen Kommentars. Auch hier ist die Bildqualität allenfalls erträglich zu nennen.
3) Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Die Galerie umfasst eine Menge unterschiedliches Bildmaterial. Neben internationalen Postern taucht das Video-Cover zu „An seinen Stiefeln klebte Blut“ auf, was der deutsche Verleihtitel war. Demzufolge gibt es auch entsprechende deutsche Aushangfotos (ca. 25) zu bewundern. Verblüfft hat mich die Aufnahme einer bis an die Zähne bewaffneten Estella, die ich so im Film nicht gesehen habe (hab wohl gerade Notizen gemacht). Es folgen rund 15 deutsche Aushangfotos zu „Navajo Joe“ und nochmal 16 zu „Navajos Land“ – es gab also nicht weniger als drei deutsche Verleihtitel!
Diesen Vierfarbfotos folgen etwa acht Schwarzweißaufnahmen von Filmszenen und drei Schauspielerfotos. Den Abschluss bildet das entsprechende Heft der „Illustrierten Film-Bühne“. ACHTUNG: Die Inhaltsangabe darin gibt einen falschen Schluss an! Diesem Heft folgt ein Werberatschlag samt Inhaltsangabe, die wiederum schlauerweise den Ausgang der Filmhandlung offenlässt.
4) Drehorte damals und heute (Diaschau)
Diese selbstablaufende Diaschau von rund sechs Minuten Länge lässt erahnen, an wie vielen Drehorten der Western tatsächlich aufgenommen und hinterher zusammengepfriemelt wurde – was dann auch zu einigen Anschlussfehlern führte.
Zu nennen sind: Anzio, Italien; zwei Orte in Nordspannien und etliche Orte in Südspanien, namentlich in der Gegend von Guadix, wo pittoreske Felsen die Kulisse für den Showdown lieferten. Auch ein Mini-Hollywood in Südspanien, bei Almeria, darf nicht fehlen.
Wirklich nett finde ich den Einfall, alle Locations mit den entsprechenden Filmszenen zu verknüpfen – als Bild im Bild läuft vorne die Szene zur dahinter liegenden Landschaft.
5) Featurette “On Behalf of American Indians” mit Filmhistoriker Antonio Bruschini (ca. 13 min)
Der italienische Filmhistoriker Bruschini erklärt die Hintergründe zur Entstehung des Films und wertet seine Besonderheiten, nicht ohne dabei Parallelen zu ziehen. Danach gibt er ein Urteil über die Qualität der Schauspieler ab und würdigt die ziemlich ungewöhnliche Musik Ennio Morricones. Den Abschluss bildet eine Resümee dessen, was die Kritiker über einen Film sagten, der später wegen seiner Gewaltszenen heftig zensiert wurde. Regisseur der Featurette ist Federico Caddeo, ebenso wie bei der nächsten…
6) Featurette „An Indian Namend Joe“ (ca. 30 min)
Diese halbstündige Featurette besteht aus drei zusammengeschnittenen Interviews:
- mit Nori Corbucci, Witwe des Regisseurs;
- mit Ruggero Deodato, Regieassistent bei Corbucci und später selbst Regisseur;
- mit Nicoletta Machiavelli, Darstellerin der Indianerin Estella.
Corbucci fing im Alter von nur 23 Jahren an, Regie zu führen und drehte fast 80 Filme. Deodato begann seine Kooperation mit ihm 1962 bei dem Sandalenspektakel „Der Sohn des Spartakus“, bei dem sie 10.000 Komparsen zu dirigieren hatten. Nach Deodatos Zeit bei Kunst- und Dokumentarfilmer Roberto Rossellini musste er viel über Action und Gewalt lernen. Den Trick mit dem abgeschnittenen Ohr in „Django“ übernahm in seine eigenen Filme. Er nennt Nicoletta „eine Schönheit, die man heute nicht mehr findet“. Sie war damals 18 Jahre alt, wurde nach ein paar Western zu einer Kultfigur, schlugf dann aber statt einer Filmkarriere eine Laufbahn in der Kirche ein, bevor sie schließlich in den USA Fremdenführerin wurde.
Burt Reynolds, der Ersatzmann für Marlon Brando, wurde der Liebling der Damen am Set, weil er Gitarre spielen und singen konnte. Alle verliebten sich in ihn, und eine soll sogar versucht haben, sich aus Kummer umzubringen, weiß Nori Corbucci. Deodato hingegen fand Reynolds am Set bockig und launisch, weil er wohl dachte, er sei hier der Star. Als er die Nase voll davon hatte, sagte er sogar einmal zu ihm: „Leck mich am Arsch“ (vafanculo). Daran erinnerte sich Reynolds noch 30 Jahre später, als er mal wieder seinen Freund Corbucci besuchte. Der Regisseur sprach sehr gut Amerikanisch, wohingegen Deodato nur radebrechte. Andererseits war Reynolds am Set ein Außenseiter, weil er weder italienisch noch spanisch sprach, daher freundete er sich mit den Zigeuner-Stuntleuten an.
Aldo Sambrell war im Gegensatz zu seiner Rolle ein lieber Mensch, der Nicoletta immer beruhigte, bevor er sie für eine Aufnahme hart anpackte. Befreundet mit den Corbuccis, wurde er später selbst Produzent und machte beispielsweise 1990 den Film „Oceano“. Farnando Rey, der den Reverend spielte, hatte schon viele Filme gedreht, ein echter profi und sehr liebenswert, fand Nicoletta. Sie hing mit Tanya Lopert und Franca herum, um mit diesen „Tänzerinnen“ Pferde zu reiten.
Morricone war 1967 bereits berühmt für seine ungewöhnliche Instrumentierung des Soundtracks. Der Römer erhielt aber erst vor kurzem (vor den Interviews) den OSCAR für sein Schaffen. Deodato nennt „Navajo Joe“ den italienischen Western, der am nächsten an John Fords Western herankam, jedenfalls im Stil. Spanische Felsen mussten das Monument Valley ersetzen. Außerdem wurde der Streifen als „engagierter Film“ angesehen, denn er war ein europäischer Film, der die Minderheit der Indianer verteidigte. In dieser Hinsicht war Corbucci ein Vorreiter solcher Geschichten. Dennoch hätte ihm wohl niemand diesen posthumen Ruhm vorhergesagt.
7) 32-seitiges Booklet
Das Booklet, das Steffen Wulff schrieb, umfast 32 Seiten und enthält neben vierfarbigen Szenenfotos ingesamt zehn Textbeiträge. Ich zitiere lediglich die Kapitelüberschriften, denn eine Zusammenfassung wäre viel zu umfangreich:
1. An seinen Stiefeln klebte Blut: Ein Western-„Rambo“
2. Leben und Sterben in John-Ford-Country: die Navajo-Apachen
3. Wahre Amerikaner, echte Helden: Navajo Joes liebe Verwandten
4. Einsam sind die Tapferen: die Spaghetti-Indianer
5. Leones „dreckiger Bruder“: Sergio Corbucci
6. The Machine Gun, the Indian and the Silence – Studien der Gewalt, Skizzen des Todes
7. Choräle der Rache, Melodien des Todes: Ennio Morricone
8. Ein echter Amerikaner, ein falscher Sergio und ein wildes Pferd: Cherokee Burts italienische Reise
9. Gangster pflastern seinen Weg: „Hispanic Psycho“ Aldo Sambrell
10. Abgerechnet wird zum Schluss: Ein Exklusiv-Interview mit dem Regisseur Dominik Graf
Auf der letzten Seite gibt Wulff seine Quellen an, was ich sehr löblich finde. Allerdings sind keine Webadressen zu finden – hierzu hilft am besten die eigene Internetsuche weiter.
Fehler im Text:
Auf Seite 8 sollte es statt „Eine thematische Verwandtschaft … bei Spätwestern domestizieren“ wohl besser „diagnostizieren“ heißen, damit der Satz einen Sinn ergibt.
Auf Seite 11 und 18 verwirrt der Autor den Leser durch den „Once Upon a Time in America“, wenn er eigentlich „Once Upon a Time in the West“ meint, nämlich stets „Spiel mir das Lied vom Tod“, dessen Originaltitel „C’era una volta il West“ lautete.
Auf Seite 12 tritt einer der häufigen Tippfehler auf: Da heißt es „Robert de Diro“, wenn „Robert de Niro“ gemeint ist.
Schade, dass sich kein Lektor diesen Text genauer angesehen hat.
Unterm Strich
„Navajo Joe“ ist für die damalige Zeit insofern ungewöhnlicher Rache-Western, weil es diesmal ein Indianer ist, auf dessen Seite wir stehen, wenn er sich für das angetane Unrecht an den Übeltätern rächt. Doch was ist Recht und Unrecht? Hier trennt sich unter den Weißen schnell die Spreu vom Weizen, denn es gibt sowohl verräterische Ehrenmänner, ehrbare Außenseiterfrauen als auch Halbblutkerle, die gegen alle einen Hass hegen.
Ausgezeichnet ist die Action inszeniert, über deren Heftigkeit sich kein Fan von Italowestern, der schon „Django“ und „Leichen pflastern seinen Weg“ gesehen hat, beklagen kann. Die Brutalität brachte dem Streifen denn auch eine über 40 Jahre anhaltende Zensur und Verstümmelung ein. Frauen werden durchweg mit Achtung und Respekt behandelt, stehen sie doch meist auf Seiten des indianischen Helden. „Navajo Joe“ lieferte das Vorbild für Streifen wie „Soldier Blue“ (Das Wiegenlied vom Totschlag) und „Chatos Land“ aus den Siebzigern, die endlich ungeschminkt den Weißen die Schuld am Untergang der Indianer zuwiesen.
Die DVD
Die Silberscheibe bietet dem Sammler neben einer exzellent digital überarbeiteten und restaurierten Fassung eine ganze Wagenladung mit Bonusmaterial, die den höheren Preis durchaus rechtfertigt. 32 Seiten Booklet sind ebenso ihr Geld wert wie die vier Interviews, die zwei Trailer, die Drehort-Diaschau und die Galerie mit umfangreichem Bildmaterial (mehr als 60 Fotos). Solcher Aufwand kommt eigentlich nur einem Klassiker zu, und somit ist „Navajo Joe“ quasi in den Olymp der Western erhoben worden.
Koch Media hat sich inzwischen als Hort der Italo- und Universal-Western erwiesen. Anno 2010 bringt der Verlag eine ganze Staffel klassischer Western auf den Markt, darunter eine John-Wayne-Collection.
Michael Matzer (c) 2010ff
- Redakteur:
- Michael Matzer