Not One Less - Keiner weniger
- Regie:
- Zhang Yimou
- Jahr:
- 1999
- Genre:
- Drama
- Land:
- China
- Originaltitel:
- Yi ge dou bu neng shao
1 Review(s)
07.01.2008 | 11:18"Not One Less – Keiner weniger" vom Ausnahmeregisseur Zhang Yimou, stellt sich für mich als einer der besten Filme Asiens dar. Der Name vom Ausnahmeregisseur Zhang Yimou ist in Europa größtenteils jedoch nur Asiafilmkennern oder Arthouse-Filmfans bekannt – "normale Filmgucker" dürften aber trotzdem schon unbewusst den einen oder anderen Film von ihm gesehen haben (z.B. "Hero").
Filmographie:
1. Der Fluch der goldenen Blume
2. Riding Alone for Thousands of Miles
3. House of Flying Daggers
4. Hero
5. Happy Times
6. Heimweg - The Road Home (Silberner Bär – Berlinale)
7. Keiner weniger - Not One Less (Goldener Löwe in Venedig)
8. Keep Cool
9. Shanghai Serenade
10. Lumiere and Company
11. Leben! (Großer Preis der Jury in Cannes)
12. Die Geschichte der Qiu Ju (Goldener Löwe in Venedig)
13. Rote Laterne (Silberner Löwe in Venedig)
14. Ju Dou
15. The Puma Action
16. Rotes Kornfeld (Goldener Bär – Berlinale)
Liest man die Infos über seine Nominierungen und gewonnenen Preise, fragt man sich wirklich, warum in Deutschland so wenig frühe Filme von Zhang Yimou eine DVD-Auswertung erhalten haben. "Not One Less – Keiner weniger" ist ja schon einmal ein Anfang, und die Geschichte basiert laut den auf der DVD enthaltenen Infos auf seinen eigenen Kindheitserinnerungen und kommt der Realität in China schon sehr nahe.
Die Handlung:
Die Geschichte findet in einem kleinen Provinzdorf in China statt. Die Leute dort sind arm und können sich wirklich nur das Nötigste leisten. Dementsprechend arm und heruntergekommen sieht auch die örtliche Dorfschule aus. Durch einen Todesfall in seiner Familie muss der alte und von den Menschen hoch geachtete Dorflehrer Gao für vier Wochen sein Dorf verlassen um seinen familiären Pflichten außerhalb des Dorfes nachzugehen.
Nachdem kein normaler, studierter Ersatzlehrer zur Verfügung steht, bestimmt der Bürgermeister des Dorfes die erst 13-jährige Wei Minzhi als Ersatzlehrerin – für die vier Wochen würde das sicher gehen, obwohl sie natürlich keinerlei Erfahrung als Lehrer und schon gar keine mit dem Umgang von Kindern mitbringt. Nach kurzer Einführung in ihr neues Tätigkeitsfeld gibt ihr der alte Lehrer noch den Auftrag, dass kein einziger Schüler fehlen darf, wenn er zurückkehrt – es sind schon zu viele von der Schule abgegangen und wenn es jetzt noch weniger Schüler würden, dann könnte die Schule geschlossen werden.
Zunächst hat Wei Minzhi so ihre Probleme mit den etwas aufmüpfigen Schülern – besonders mit dem frechen Zhang hat sie so ihre Schwierigkeiten. Doch sie kommt nach und nach besser zurecht. Doch nach ein paar Tagen wird die erste Schülerin von einem Talentsucher einer Sportschule entdeckt und mit Zustimmung des Bürgermeisters in eine neue Schule versetzt um das Talent der Schülerin zu fördern. Wei Minzhi versucht das natürlich zu verhindern – ohne Erfolg. Aber es ist ja zu einem guten Zweck.
Doch die Sorgen nehmen kein Ende – kurz darauf fehlt ihr "Sorgenkind" Zhang beim morgendlichen Durchzählen. Auf Nachfrage bei seinen Eltern erfährt sie, dass der 12-jährige Zhang in die Stadt zum Arbeiten geschickt wurde, weil die Familie viele Schulden hat und natürlich Geld braucht. Mit einer Rückkehr Zhang's brauche sie gar nicht erst zu rechnen. Das geht natürlich nicht! Wei Minzhi fasst den Vorsatz Zhang mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zurück zu holen – dummerweise reicht aber ihr Geld nicht einmal für die Busfahrt in die Stadt. Bei der Organisation der fehlenden Mittel helfen dann aber ihre Schüler alle mit, was als Nebeneffekt auch noch die Mathematikkenntnisse der Kleinen aufbessert.
Jetzt kann sie sich auf die Reise in die große, für sie völlig unbekannte Stadt machen und es beginnt ein großes Abenteuer...
Kritik:
Zhang Yimou packt mit diesem Film ein problematisches Thema aus seiner Heimat an. Früher in Zeiten des reinen Kommunismus wäre der Film so wohl nie zu sehen gewesen. Gott sei Dank sind diese Zeiten nun (fast) vorbei, sodass gesellschaftskritische Filme auch in China eine Chance haben.
Hintergründe zur Handlung:
Viele Kinder in China können es sich aus Zeitgründen nicht leisten eine vernünftige Schulausbildung zu beenden, weil sie zum Familienunterhalt Geld dazu verdienen müssen. Der Weg führt sie dann oft in die vermeintlich reiche Stadt, nur um dann festzustellen, dass auch hier kein Geld auf der Straße liegt. Zusätzlich haben diese Kinder auch keine Möglichkeit sich später zu verbessern, weil ihnen die für die einträglichen Jobs nötige Schulausbildung fehlt. Ein Teufelskreislauf.
Eigentlich untypisch für Zhang Yimou ist der Film in ruhigen, zweckmäßigen, ja schon fast biederen Bildern eingefangen und erzeugt keinen farbigen Bilderrausch wie manch anderer seiner Filme. Realismus hat in diesem Werk höchste Priorität! Dazu passend tönt die ruhige, unaufdringliche Musik, welche auf einer gesonderten Tonspur auch "pur" genossen werden kann.
Durch die Zurückhaltung beim Einsatz der technischen Mittel kommen natürlich die Darsteller besser zur Geltung. Alle Mitwirkenden sind keine professionellen Schauspieler und wurden vor Ort gecastet oder üben ihre im Film dargestellten Tätigkeiten auch in der Wirklichkeit aus. Der Lehrer ist z. B. ein echter Lehrer - so konnte er seine Rolle natürlich besonders wirklichkeitsnah spielen ohne sich verstellen zu müssen.
Die Laienhaftigkeit ist aber am auffälligsten bei den Schulkindern. Sie wirken etwas überdreht, neigen zum Overacting und haben merklich Spaß an ihren Rollen. Dies bringt aber nur zusätzliches Vergnügen in den Film und die kleinen wachsen einem richtig ans Herz – Prädikat: besonders putzig!
Besonders erwähnenswert sind auch die fantastischen Landschaftsaufnahmen, die einem das "Land des Lächelns" für eine Urlaubsreise richtig schmackhaft machen. Wirklich ein schönes Stück Erzählkino aus dem "Reich der Mitte" – meisterhaft und kurzweilig. Was will man mehr?
Die DVD:
Die DVD von Columbia TriStar Home Video bietet zu meiner Freude ein scharfes und farblich sehr natürliches Bild in 1,85:1 (Anamorph). Wirklich schön, dass ein so wichtiger asiatischer Film auch einmal eine so würdige Umsetzung erfahren durfte.
Beim Ton gibt es für den Otto-Normalgucker allerdings einen Wehmutstropfen zu verdauen. Dieser liegt nämlich leider nur in Dolby Surround 2.0 und auch nur in Mandarin vor. Dafür ist die Qualität aber sehr in Ordnung.
Zum Ausgleich sind gut lesbare Untertitel in Arabisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Finnisch, Griechisch, Hebräisch, Hindi, Holländisch, Isländisch, Norwegisch, Polnisch, Schwedisch, Tschechisch, Türkisch und Ungarisch enthalten.
Leider wurde seitens Columbia beim Bonus gespart – mehr als eine Soundtrack Tonspur in Dolby Surround 2.0 und einem Kinotrailer ist auf der DVD nicht zu bewundern. Schade, gerade bei einem so wichtigen Film hätten die Hintergründe schon sehr interessantes Material hergegeben.
Fazit:
Wieder einmal zeigt Zhang Yimou bei "Not One Less – Keiner weniger" seine Wandlungsfähigkeit.
Er kann Action- ("Hero", "House Of Flying Daggers"), Kunst- ("Rote Laterne", "Der Fluch der goldenen Blume") und doku-ähnliche Filme ("Not One Less") drehen – alles funktioniert hervorragend und jeder Film weiß auf seine ganz besondere Art auch sehr gut zu unterhalten. Für mich ist Zhang Yimou einer der besten aktuellen Regisseure Asiens – wenn nicht der ganzen Welt.
Der Film berichtet auf sehr unterhaltsame Art über die Probleme des ländlichen China und zeigt, dass auch in den Städten nicht alles Gold ist, was glänzt.
Ich empfehle diesen Film aber nur den Zeitgenossen, die sich für Erzählkino in seiner reinsten Form begeistern können und auch einen Film ohne viel Action, dafür mit einer wichtigen Message vertragen können. Als Bonbon erhält man wirklich schöne Landschaftsaufnahmen des fernen China und einen realistischen Einblick in die dortige Gesellschaft mit all ihren Problemen.
- Redakteur:
- Detlev Ross