Oblivion (Film)
- Regie:
- Kosinski, Joseph
- Jahr:
- 2013
- Genre:
- Science-Fiction
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Oblivion
1 Review(s)
21.04.2013 | 11:43Tom Cruise räumt die Erde auf - mit einem Actionkracher
Tom Cruise spielt den Reparaturtechniker Jack Harper auf einer nahezu menschenleeren Erde des Jahres 2073. Doch eines Tages muss er feststellen, dass die Realität, die man ihm präsentiert hat, nicht ganz den Fakten entspricht. Tatsächlich verhält sich fast alles genau anders herum. Das bringt Jack in eine Zwickmühle...
Ich habe den Film in einem großen Berliner Kino am Potsdamer Platz angeschaut. Akustik und Optik waren bestens, so dass das Ansehen ein befriedigendes Erlebnis werden konnte. Dieser Film braucht die große Kinoleinwand unbedingt.
Hinweis: Das englische Wort "oblivion" bedeutet soviel wie "Vergessenheit", wie in der Redewendung "ist in Vergessenheit geraten". Es kann aber auch, laut LEO, "Vergessen" und sogar "Vergesslichkeit" bedeuten. Der Titel spielt also mit diesen Möglichkeiten.
Filminfos
O-Titel: Oblivion (USA 2013)
Verleih: Universal
FSK: ab 12
Länge: ca. 126 Min.
Regisseur: Joseph Kosinski
Drehbuch: Joseph Kosinski, Karl Gajdusek
Musik: Anthony Gonzalez, Joseph Trapanese
Darsteller: Tom Cruise, Olga Kurylenko, Morgan Freeman, Nicolay Coster-Waldau, Andrea Riseborough u.a.
Budget: geschätzte 140 Mio. US-Dollar
Besucher: 257.471 Zuschauer (bis 20.4.2013)
Handlung
Die letzten Menschen schreiben das Jahr 2072 auf einer verwüsteten, von gigantischen Maschinen ihres Wassers beraubten Erde. Die Aliens haben sie anno 2013 angegriffen, doch sie konnten zurückgeschlagen werden, weiß Jack Harper. Die letzten Menschen sind nicht bloß er und seine Kollegin Victoria, sondern auch jene, die in einer riesigen Station in der Erdumlaufbahn leben und auf den Abflug zum Saturnmond Titan warten.
Von dieser Station kommen auch die fliegenden, bewaffneten Drohnen, die Jack regelmäßig zu reparieren hat. Die Drohnen sollen die letzten Nester der "Plünderer" ausräuchern, wie Jack und Vikka (Viktoria) die Aliens nennen. Die Erde soll wieder ein sicherer Ort sein. An ihre eigene Vergangenheit erinnern sich Jack und Vikka nicht, denn sie haben eine Gedächtnislöschung hinter sich. Soviel zumindest glauben sie genau zu wissen. Doch Jack sieht manchmal Bilder eines ganz bestimmten Tages vor seinem geistigen Auge: Er machte einer schönen jungen Frau auf der Spitze des Empire State Building in New York City einen Heiratsantrag. Was mag nur aus ihr geworden sein - vor 60 Jahren?
Was Vikka nicht ahnt: Jack hat sich in einem grünen, abgeschlossenen Tal eine Hütte am See gebaut - das letzte Trinkwasser-Reservoir weit und breit. Energie liefert ein Windrad, und hier hortet er nicht nur alte Bücher aus Papier, sondern auch echte Langspielplatten aus Vinyl. Gehobene Schätze aus einer versunkenen Vergangenheit.
Diese Verbundenheit wird für Jack zum Verhängnis. Als eines Tages das Shuttle einer vor 60 Jahren abgeflogenen Erkundungsmission zur Erde zurückkehrt und am Boden zerschellt, schützt Jack die Überlebenskapseln der Passagiere mit seinem Leben gegen eine Drohne, die seltsamerweise diese Menschen zerstören will. Das muss doch wohl ein Programmfehler sein! Drohnen, die Jack repariert, sollen doch Menschen schützen, nicht sie töten. Und doch ist es so. Jack kann nur eine einzige Kapselinsassin retten, die der schönen Pilotin Julia (Kurylenko). Der Grund für sein Handeln ist einfach: Sie sieht genau wie die Frau aus seinen Träumen aus...
Mein Eindruck
Schneewittchen in seinem Sarg hat nie so gut ausgesehen wie Olga Kurylenko. Andererseits hat sich Schneewittchen nicht nach nach dem Aufwachen mehrfach übergeben müssen, und ganz bestimmt wegen des Prinzen, der sie weckte. Dieser Prinz ist Tom Cruise und wahrlich kein Typ, der zu verachten wäre.
Ganz im Gegenteil: Cruise unternimmt als Jack Harper alles Menschenmögliche, um die angeschossene Pilotin vor dem endgültigen Aus zu bewahren. Dazu gehört auch, dass Jack Harper seine eigenen Doppelgänger, der ebenfalls ein Drohnen-Techniker ist, umbringen muss. Merke: Es gibt mehrere Kopien von Jack Harper. Es handelt sich um Klone. Aber wo werden sie hergestellt?
Der Film stellt ein Rätsel nach dem anderen, und Jacks Aufgabe besteht darin, eines nach dem anderen zu lösen. Während dieser Ermittlung begibt er sich auf eine Entdeckungsreise, die ihm nicht nur mehr über sich enthüllt, sondern auch über die wahr Situation, die auf der Erde vorherrscht. Die "Plünderer" sind nämlich keineswegs Aliens...
Mehr darf nicht verraten werden. Aber es ist klar, dass Jack in seinem Leben den Schlüssel zur Wahrheit entdeckt. Daraus ergibt sich seine finale Aufgabe: Er muss die Erde von den wahren Aliens befreien. Denn die Zukunft der Erde ist identisch mit seiner eigenen und der seiner Frau, der Pilotin. Doch bis dieses Ziel erreicht ist, schlägt die Geschichte noch einige Haken, so dass ihr Ende nicht sofort vorauszusehen ist.
Sicher: "Prometheus" trifft "WALL-E", wie eine britische Zeitschrift titelte. Aber da kommen auch etliche Anklänge an "Schneewittchen", "I Am Legend", "Blade Runner" (Klone), "Independence Day", "DUNE"und "Ich, Robot" (die zweifelhafte Loyalität der Drohnen) hinzu. Trotz all dieser Anleihen (es gibt bestimmt noch mehr) gelingt es dem Film doch einigermaßen, sein selbständiges Konzept bis zum Schluss durchzuhalten. Dieses Konzept schlägt sich vor allem in der Optik nieder.
Die Optik
Gedreht wurden die Außenaufnahmen in Island, wo ja auch die 2. Staffel von "Game of Thrones" entstand. Doch wo "Game of Thrones" jede Menge Eis zeigt, ist in "Oblivion" eine meist wasserlose Steinwüste zu sehen. Es handelt sich gemäß der Fiktion um den Ozeanboden vor der Ostküste der USA, angefüllt mit gesunkenen Tankern und Frachtern. Es ist eine Szene wie aus "Day After Tomorrow", nur dass die Schiffe nicht im Eis stecken, sondern im Dreck (der kein bisschen wie schlammiger Meeresboden anmutet). Im Kontrast dazu schwimmen Jack Harper und seine Kollegin Vikka buchstäblich in reinstem Wasser. Auf welcher Seite stehen sie eigentlich?
Schuld an dem extremen Wassermangel sind die gigantischen Wasser-Sauger vor der Küste. Was wird passieren, wenn alles Wasser ist?
Die Action
Nun, es gibt jemanden, der diesen Tag verhindern will. Klar, dass sich Jack Harper diesen Leuten anschließt. Das macht die Drohnen zu seinen Feinden, und um ihnen zu entgehen, muss Jack all seine Flugkünste aufbieten, um nicht abgeschossen zu werden. Na, wenn uns diese Flugszenen nicht fatal an Cruises größten Erfolg erinnern: "Top Gun" aus dem Jahr 1986. Und deshalb wissen wir auch: Nur wenn Tom Cruise alias Jack Harper besser fliegt als der Rest der Welt, wird er das Mädel (in "Top Gun" war es Kelly McGillis) kriegen!
Auch am Boden gibt es jede Menge Action. Eine ausgedehnte Kampfszene spielt sich im Bunker der Widerständler ab. Und hier treffen wir auch alte Bekannte wieder: Morgan Freeman, diesmal mit Zigarre, ist das Mastermind, doch sein wichtigster Ausführungsgehilfe, sprich: Krieger ist kein anderer als Nicolaj Coster-Waldau, der im erwähnten "Game of Thrones" als Jaime Lannister eine gute Figur als Schwertkämpfer gemacht hat.
Da es sich um einen amerikanischen Film handeln, müssen auch einige Dinge in die Luft fliegen. So ein Wasser-Sauger etwa ist das perfekte Ziel. Doch dann ist da noch das Mutterschiff der Aliens... Wer jetzt an das Finale von "Independence Day" denkt, liegt genau richtig.
Nostalgie
Dies ist ein amerikanischer Film über die Zeit nach dem Untergang der Menschheit. Nicht Robot Wall-E tritt hier auf, der den Dreck wegmacht, sondern ein Reparaturtechniker, der einer Story von Philip K. Dick entsprungen sein könnte: ein kleiner Jedermann in einer verfremdeten Welt, der es geschafft hat, seine eigene kleine Nische zu bewahren.
Jack Harpers Eden ist die Oase, wo er er alte Bücher wie über das antike Rom (ein Horaz-Zitat über Opfertod dient Jack als moralische Verpflichtung und Rechtfertigung) liest sowie uralte LPs aus den sechziger Jahren anhört. Ich habe "Ramble On" von Led Zeppelin (ca. 1968) sowie "Whiter Shade of Pale" von Procul Harum sofort wiedererkannt.
In der umgebenden post-apokalyptischen Welt wirken diese Lieder wie Seelentröster - aber auch als Indikator, wie sehr sich Jacks Identität von der des pflichterfüllenden Technikers Nr. 49 unterscheidet. Merke: Dieser Typ ist ein Simulant, wie er im Buche steht. Kein Wunder, dass er Anderen stets beweisen muss, auf welcher Seite er steht, seien es nun die Frauen Vikka und die Pilotin oder die Widerständler. Dieser Vielschichtigkeit verleiht der Figur, die Tom Cruise spielt, eine gewisse innere Spannung, die unser Interesse weckt und wach hält.
Offene Fragen
Natürlich stieß ich auf einige Merkwürdigkeiten in Film. So ist beispielsweise nicht erklärlich, warum die Erde staubtrocken ist, während Jack Harper gleichzeitig über ein Wolkenmeer voll Wasserdunstes fliegt. Offenbar hat uns die Regie den Anblick von echtem Regen ersparen wollen. Ist ja auch nicht photogen, so ein Regen. Und verdirbt zudem die Prämisse eines trockenen Meeresbodens.
Wieso kehrt die Rettungskapsel von Jack Harpers erster Erkundungsmission erst 60 Jahre nach Abflug zur Erde zurück? OK, die Entfernungen im Sonnensystem sind immens. Aber es ist schon toll, dass die Rettungskapsel direkt in Jacks Operationsgebiet herunterkommt und nicht irgendwo in Hinterindien. OK, wahrscheinlich ist sie einfach dem Funkfeuer der Rebellen gefolgt.
Warum gibt es überhaupt Klone von Jack und Vikka? Das wurde mir nicht ganz klar. Toll auch, dass sie alle über die gleichen Erinnerungen verfügen.
Unterm Strich
"Oblivion" ist ein in Optik und Akustik (Musik) sehr stylisch aufgemotztes B-Movie, das auf zahlreiche Inspirationsquellen zurückgreift (siehe oben). Da dies ein Tom-Cruise-Starvehikel ist und nur als solches funktioniert, ist alles überlebensgroß und übertrieben. Die Verfolgungsjagden, die Showdowns, die Missionen und vieles mehr. Wer also total auf Tom Cruise steht, bekommt mit "Oblivion" eine wahre Augenweide geboten.
Action plus Romantik plus eine Geschichte voller Rätsel - was kann da schief gehen? Die User-Wertung auf IMDb.com ist mit 7,2 von 10 überraschend hoch. In Deutschland rangiert der Film bereits nach einer Woche mit 257.471 Zuschauern (Filmstarts.de) auf Platz 3 der besucherstärksten Neustarts. Das Rezept scheint also zu munden. Kenner von SF-Filmen sollten sich jedoch auf zahlreiche deja-vu-Momente gefasst machen: Hierin stecken doch einige Ideen, die man schon mal origineller gesehen hat.
Dass der Film absichtlich nicht in 3D gedreht wurde, ist definitiv ein Bonus. Die Bilder sind heller, der Filmbesuch ist billiger (niedrigerer Eintrittspreis als bei 3D), und ich brauchte keine zwickende 3D-Brille zu tragen.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer