One Point Zero
- Regie:
- Jeff Renfroe, Marteinn Thorsson
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Island, Rumänien, USA
- Originaltitel:
- One Point O
1 Review(s)
15.06.2005 | 07:17Story:
Irgendwann in der näheren Zukunft: Der Programmierer Simon J hat eine Deadline, zu der er für seine Firma einen bestimmten Code abliefern muss. Simon arbeitet daheim – irgendwo in einem dieser tristen mehrstöckigen Gebäude, in denen die Flure aussehen, als wären beim Bau die Pläne für eine Kanalisation dazwischengeraten. Flackernde Lichter, ein nur unregelmäßig funktionierender Aufzug, vollkommen verstörte Nachbarn und ein Hausmeister mit dem Flair eines Drogenhändlers komplettieren Simons Welt. Das Haus – der zentrale Punkt des Films – ist zudem komplett überwacht. Keine Ecke, die der Hausmeister nicht mit einer seiner zahlreichen Kameras in seiner imposanten Bleibe überwachen würde.
Diverse Probleme wie Computerviren und seine Gesundheit machen es Simon schwer, seinen Job zu erledigen. Noch dazu stehen regelmäßig leere Pakete in seiner Wohnung – weder die von ihm angezapften Überwachungskameras noch eine installierte Alarmanlage können Aufschluss über die Herkunft geben. Und da wäre noch seine größer werdende Lust nach frischer Landmilch eines bestimmten Herstellers zu nennen, die für Simon trotz Milchallergie und offenbar täglich steigender Preise der einzige Grund ist, seine Wohnung zu verlassen. Simon merkt, dass alles zusammenhängt: Die leeren Pakete, sterbende Nachbarn, seine Kauflust und die Computerviren.
Beurteilung:
Das wichtigste zuerst: Dieser Film ist großartig. Ein perfekt inszeniertes Kunstwerk aus Ästetik und Paranoia, das noch lange im Gehirn des Zuschauers nachhallt. Genau wie in "Requiem for a Dream" (zu dem man einige Parallelen ziehen kann) wird ein Strudel erzeugt, der den Zuschauer unaufhaltsam hinunterzieht. Mit dem Unterschied, dass es bei "One Point Zero" keine Hoffnungsschimmer gibt, keine wirklichen Momente, in denen man auch nur ernsthaft daran denken könnte, dass sich alles zum Besseren wenden wird. Dieser Film zieht den Zuschauer von Anfang an runter und verdeutlicht zwischendurch lediglich, dass es nur noch tiefer hinunter geht.
Jeremy Sisto spielt dabei die Rolle des emotionslosen, in seinem eigenen Leben gefangenen Simon so überzeugend, dass man auch den letzten Hoffnungsschimmer verliert. Diesem Mann geht es dreckig, kein Zweifel. Ein Sklave der Gesellschaft, die er selbst vorantreibt. Aber auch die übrigen Rollen sind perfekt ausgewählt und passen in die surreale Welt des Wohngebäudes. Menschen, die an ihrem Leben verzweifeln, keine Freunde oder Familie haben und einen Ausweg in eine andere Welt suchen. Da wäre der sadomasochistische Nachbar, der in ein beängstigend reales Computerspiel voll Sex und Gewalt stürzt, der Hausmeister, der rohes Fleisch ist und die Bewohner beobachtet, oder der skurrile Derrick, der – da er zeugungsunfähig ist – einen mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Kopf baut, den er als Sohnersatz in seiner Wohnung hält.
Und das sind lediglich die Menschen, die in der eigentlichen Hauptrolle – dem Wohngebäude – leben. Ein Objekt, das auch ohne Todesfallen und ohne eine Gefangenschaft der Insassen im eigentlichen Sinne mehr als einmal Parallelen zum "Cube" aufkommen lässt.
Doch sind "Requiem for a Dream" und "Cube" nicht die einzigen Hommagen, die die Regisseure Jeff Renfroe und Marteinn Thorsson in ihrem Debüt "One Point Zero" einbetten. So lassen sich insbesondere beim ästetischen Look des Films und den seltenen Ausflügen in die Welt außerhalb des Wohngebäudes Verbindungen zu "Blade Runner" aufbauen. Ich spreche hierbei bewusst von Hommagen. Es sind keine schlechten Stilkopien, sondern vielmehr kleine Referenzen, die eine gekonnte Verbindung zu Filmen aufbauen, vor denen sich "One Point Zero" zu keinem Zeitpunkt verstecken muss, sie an manchen Stellen sogar übertrumpft.
Es ist selten, dass ein Regiedebüt schon so perfekt ausgereift und mit allem ausgestattet ist, was einen guten Film dieses Genres ausmacht. Die kunstvolle und ästhetische Darstellung einer durch und durch dreckigen Welt, die unzähligen Interpretationsmöglichkeiten, die ganze Internetforen füllen dürften, die nie plump, sondern immer überzeugend eingebaute Gesellschafts- und Medienkritik und die Essenz, dass nichts ist, wie es scheint, sind nur einige der Punkte, die "One Point Zero" zu etwas ganz Besonderem machen.
Eine klare Kaufempfehlung meinerseits. Dieser Film ist in punkto konstruktive Verstörung des Zuschauergehirns mehr als gelungen.
Koch Media veröffentlichen "One Point Zero" in exzellenter Bild- und Tonqualität (bei diesem Film besonders wichtig, da nur so die dunkle Ästetik und die von überall und nirgends kommenden Geräusche ihre volle Wirkung entfalten können). Als Tonformat steht die englische und deutsche Fassung zur Verfügung, beide wahlweise in Stereo oder Dolby Digital 5.1.
Zum Zeitpunkt der Besprechung lag die Verleihversion (ohne Extramaterial) vor. Die ab dem 05.08.2005 im Handel erscheinende Version wird die folgenden Extras enthalten:
- Exklusiv produzierte Einführung von Udo Kier
- Audiokommentare
- Deleted Scenes
- Making-of
Cast:
Jeremy Sisto: Simon J.
Deborah Kara Unger: Trish
Lance Henriksen: Howard
Eugene Byrd: Nile
Bruce Payne: Nachbar
Udo Kier: Derrick
- Redakteur:
- Christian Debes