Phantom of the Opera, The
- Regie:
- Robert Markowitz
- Jahr:
- 1982
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
19.07.2006 | 22:41Horror zum Gähnen: die Rache des Dirigenten
Nach einer vernichtenden Kritik über ihren Auftritt in der Oper "Faust" begeht Elena Korvin Selbstmord. Ihr Mann und Leiter der Oper schwört Rache an dem Kritiker. Doch bei einem Kampf wird sein Gesicht durch Säure völlig verätzt. Als maskiertes Phantom schleicht er von nun an durch die Gänge der alten Oper. Als das Bühnenstück mit einer neuen Sängerin besetzt wird, die seiner verstorbenen Frau verblüffend ähnlich sieht, setzt er alles daran, sie vor all dem Übel zu bewahren, welches seine geliebte Frau in den Tod getrieben hat. Einer nach dem anderen muss sterben. (korrigierte Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: The Phantom of the Opera (USA 1982)
Dt. Vertrieb: e-m-s (Verkauf: 06.07.2006)
FSK: ab 16
Länge: ca. 92 Min.
Regisseur: Robert Markowitz
Drehbuch: Sherman Yellen
Musik: Ralph Burns
Darsteller: Maximilian Schell (synchronisiert von Joachim Kerzel), Michael York, Jane Seymour u. a.
Handlung
Es heißt, jede Oper habe ihren eigenen Geist. Seine Hauptfunktion besteht darin, für die Fehler der Künstler verantwortlich zu sein. Aber es gibt auch andere Operngeister …
An der Budapester Oper wird um das Jahr 1910 herum Gounods "Faust" geprobt. Das Gretchen singt Elena Korvin (Seymour) und ihr Mann Sandor (Schell) ist der Dirigent. Für den Operndirektor Baron Hunyadi ist es leider nur zu offensichtlich, dass Elena das dreigestrichene C nicht hinkriegt und Sandor nur zu willig ist, dies mit Fehlern des Orchesters zu entschuldigen. Nachdem Elena auch seinen amourösen Forderungen nicht nachkommt, fasst der Baron einen fiesen Plan.
Unterdessen wird die Premiere vorbereitet. Sandor bestärkt seine Frau mit seiner aufrichtigen Liebe darin, dass sie es schaffen kann. Und es klappt, jedenfalls im trauten Zimmer. Um auf Nummer sicher zu gehen, bestellt Sandor bei einem schmierigen Typen lobenden Applaus. Leider sieht er nicht, dass nach seinem Weggang auch der Baron ein Wörtchen mit dem Applausagenten austauscht.
Kurz und gut: In der Gefängnisszene wird Elena gnadenlos ausgebuht und -gepfiffen. Als sei dies nicht genug, erscheint bereits eine Stunde später eine vernichtende Kritik ihrer Vorstellung. Das ging aber schnell! Elena nimmt sich die Kritik sehr zu Herzen und springt in die Donau. Sandor ahnt, wer ihn verraten hat und rächt sich nacheinander an dem Applausagenten und dem Journalisten. Bei diesem Kampf wird leider auch Säure verschüttet, die ihm das Gesicht verätzt (also keine Brandwunden, sondern viel schlimmer). Der Bühnenarbeiter Laios rettet ihn aus dem Feuer und schleppt ihn in seine Höhle unter der Oper. Das ehemalige Munitionslager wurde einfach überbaut. Laios pflegt Sandors Wunden und besorgt ihm eine Maske.
Vier Jahre vergehen. Nicht nur der Bauplan der Oper verschwindet, sondern auch die Orgel des Barons. Das Gerücht von einem Operngeist geht um. Der Baron fordert von der Polizei Schutzleute an. Unter den Armen an den Kanälen erwirbt sich das Phantom der Oper einen ehrfurchtgebietenden Ruf. Sie gehen ihm lieber aus dem Weg. Die Putzfrauen wissen Bescheid.
All dies ist nicht zu dem neuen Regisseur Hartwell (Michael York) vorgedrungen. Er soll den "Faust" einstudieren. Die Gretchenrolle soll Brigida Bianchi singen, eine Primadonna mit einem Pferdegesicht. Als er die hochnäsige Sopranistin verärgert, darf als Ersatz u. a. auch Maria Gianelli (Seymour) vorsingen. Ihre Stimme erfordert offensichtlich Training. Als Sandor sie sieht und singen hört, glaubt er, Elena sei wiederauferstanden. Er fasst den Plan, Maria auszubilden und zum Werkzeug seiner Rache zu machen.
Mein Eindruck
Das "Phantom der Oper" ist seit Stummfilmzeiten eines der beliebtesten Filmsujets überhaupt. Die erste auf DVD erhältliche Verfilmung erfolgte bereits im Jahr 1925, als Lon Chaney den Zuschauern Angstschauer über den Rücken jagte. 1943, 1962, 1989 (mit Freddy Krueger) und 1998 (von Dario Argento) folgten weitere namhafte Versionen, die meisten weniger gut. Sie alle sind in Mick Martin & Marsha Porters umfassendem "Video & DVD Guide" verzeichnet, nur die vorliegende Fassung aus dem Jahr 1982 nicht. Jedenfalls nicht in meiner Ausgabe aus dem Jahr 2003. Was doch zu denken geben sollte.
~ Phantomatisch ~
Dass die Figur des Phantoms so fasziniert, hängt mit ihrer Verwandtschaft zu Dr. Jekyll & Mr. Hyde zusammen, jenem Gestaltwandler-Duo, das in nur einer Person vereint ist und ebenfalls seine Umwelt terrorisiert. Außerdem ist das Mystery-Element vorherrschend, das den Zuschauer lange Zeit fragen lässt, was sich hinter der Maske verbirgt. Wird dieses Geheimnis dann enthüllt, ist der Schock entsprechend groß.
Das Phantom jedoch ist noch einen Tick perfider. Erst ist Sandor Korvin ein ganz normaler Dirigent, doch der Tod seiner Liebe macht aus ihm einen Verbrecher. Als solcher, aber auch wegen seiner Verunstaltung muss er sich verstecken. Wobei die Verunstaltung als Symbol der seelischen Deformation gelten darf. Wird ihm schließlich die Maske heruntergerissen, ist deshalb auch für ihn der Schock groß, ebenso wie für diejenige, die sie ihm abgerissen hat.
Das Phantom will zwar Erlösung, jedoch mit unlauteren Mitteln: erst durch die Verlockung der Ausbildung, dann jedoch durch Nötigung und schließlich Gefangennahme. Es gibt kaum ein größeres Verbrechen, als einen Menschen als Mittel zum Zweck zu benutzen, noch dazu bei einem Rachefeldzug. Und die Überzeugung Sandors, Elena sei wiederauferstanden, ist der ultimative Selbstbetrug, der den Betrug, den er an Maria Gianelli begeht, noch erweitert. Die Strafe, der buchstäbliche Absturz, ist unausweichlich.
Die Umsetzung durch Regisseur Robert Markowitz und Drehbuchutor Sherman Yellen wird diesem komplexen Thema zwar buchstabengetreu gerecht und hält sich wohl auch halbwegs an die literarische Vorlage, doch die emotionale Wirkung ihrer Inszenierung hält sich sehr in Grenzen. Das liegt gewiss nicht an der üppigen und zeitgerechten Ausstattung, auch nicht an der Kameraführung, der Musik oder dem Schnitt, sondern vielmehr an den Darstellern und ihrem Agieren.
~ Die Darsteller und ihre Figuren ~
Während ich Jane Seymour die Rolle als blonde Elena noch abgenommen habe, so wollte sie mir als Maria Gianelli überhaupt nicht gefallen. Statt italienisches Temperament und Selbstbewusstsein zu zeigen, spielt sie immer noch die sensible, von Selbstzweifeln geplagte Elena. Die meiste Zeit in Sandors Gefängnis hält sie einfach nur die Klappe, vielleicht aus Angst, vielleicht weil ihr niemand auch nur eine einzige Dialogzeile geschrieben hat. Also schweigt sie fast ständig im letzten Viertel des Films. Was irgendwann doch etwas auffällig ist: eine Leerstelle. Bezeichnend, dass sie im Finale nur die Aufgabe hat zu kreischen, was das Zeug hält.
Michael York hat die Rolle des jugendlichen Helden auszufüllen und eigentlich würden wir ihm gönnen, im Mittelpunkt zu stehen, das heißt uns seinen Blickwinkel nahe zu bringen. Doch leider wird er nur als Erfüllungsgehilfe des Schicksals benötigt: der Rationalist, der an keine Operngeister glaubt und obendrein dem Phantom die begehrte Maria Gianelli wegschnappt. Das kann selbst jugendlichen Helden schlecht bekommen. Die Art und Weise, wie er Maria aus dem Gefängnis raubt und ihren Wächter, Laios, mit einem gezielten Kinnhaken außer Gefecht setzt, ist absolut lächerlich inszeniert und zeugt davon, dass kein Stunt-Choreograph eingesetzt wurde. Wenn York Jane Seymour auf der Schulter davonträgt, sieht er aus wie Tarzan mit der erbeuteten Jane auf der Schulter.
Und last but not least wäre Maximilian Schell zu würdigen. Als Dirigent und Gesangslehrer ist er durchaus in seinem Element, auch als liebender Gatte Elenas. Wenn er sich für ihren Tod rächt, darf er sich von seiner dämonischen Seite zeigen, was ihm ebenfalls gut gelingt. Doch danach sieht man ihn nie wieder! Wenn er sich hinter diversen Masken versteckt, könnte er sich genauso gut doubeln lassen. Und selbst noch dann, als man ihm die Maske herunterreißt, sehen wir nicht Schells Gesicht, sondern eine weitere Maske: die des entstellten Sandor. Was uns ebenfalls zweifeln lässt, ob wir es nicht mit einem Double zu tun haben.
Wie man sieht, hat die Rolle des Phantoms auch ihre Nachteile für den Schauspieler: Er kann sein eigenes Gesicht nicht einsetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass er auch seine Stimme nicht einsetzen kann. Schell ist zwar ein deutscher Schauspieler, doch in dieser Produktion sprach er wohl Englisch, und so wurde sein Dialog synchronisiert. Von keinem Geringeren als Joachim Kerzel, der wieder einmal seine Sache ausgezeichnet macht. Doch er könnte genauso gut ein Double synchronisieren. Wie man es auch dreht oder wendet, diese Figur hat ein Problem mit der Glaubwürdigkeit der Darstellung.
Als ich die Inszenierung sah, habe ich erwartet, dass als Produktionsjahr ein Datum in den späten Siebzigern angegeben sein würde, aber da stand tatsächlich MCMLXXXII, also 1982. Die einzige eigene Handschrift, die an dem billig produzierten, aber teuer aussehenden Film zu erkennen war, sind die unvermittelt eingeblendeten Bilder von Putten und Masken im Gewölbe des Opernsaals. Nicht nur bilden die erstaunten bis traurigen "Gesichter" den kommentierenden Chorus wie im antiken Drama, sondern gemahnen auch die verängstigte Maria im Finale daran, wer es auf sie abgesehen hat: das maskentragende Phantom der Oper. Dieses Element ist ein feiner Zug, den ich eher bei einem Meister alter Schule erwartet hätte und nicht in einer 80er-Jahre-Produktion.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 4:3 (Vollbild)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine
Extras:
- Trailer
Mein Eindruck: die DVD
Dass die DVD erst ab 16 Jahren freigegeben ist, verwundert ein wenig. Denn aus dem oben Gesagten geht nicht hervor, was denn eigentlich solch eine Einstufung rechtfertigt. Sex gibt es keinen, Nuditäten nur in sehr bescheidenem Umfang – ein nackter Rücken – und die Masken des Phantoms (auch die Fratze unter der Maske) eignen sich allenfalls dazu, Dreikäsehochs zu erschrecken. Vielleicht veranlasste ja der wild gewordene Rabe, der dem Baron à la Hitchcock das Gesicht zerhackt, das Einstufungsgremium, an "Tierquälerei" zu denken. Nur dass diesmal das Tier quält und nicht umgekehrt.
Der Sound in DD 2.0 ist nicht gerade berauschend, wie das geübte Ohr schnell feststellt. Und auch das Bild könnte noch einen Tick besser sein. Aber wenigstens gibt es kaum Artefakte oder andere Bildfehler. Da es keine Untertitel gibt, muss man sich die ganzen Namen selbst zusammenreimen. Andererseits wird man hinsichtlich der Namen kräftig durch die eingeblendeten Ankündigungsplakate unterstützt: mal die Brigida Bianchi, mal die Maria Gianelli. Es ist fast schon wie in den guten alten Opernfilmen, z. B. "Die roten Schuhe".
Als Extras gibt es lediglich den Originaltrailer und eine sehr kleine Trailershow, und das ist für mich nicht Bonusmaterial, sondern Werbung.
Unterm Strich
Es mag ja sein, dass diese Verfilmung sich eng an die Novelle von Gaston Leroux hält, aber was dabei herauskam, lässt beim Zuschauer schnell den Drang aufkommen, herzhaft zu gähnen. Die musikorientierte Art der Inszenierung könnte den Film zum Familienfilm prädestinieren, doch die dem Horrorgenre (v. a. bei Hammer Film) entliehenen Effekte wie grässliche Masken, verätzte Finger, penetrantes Orgelspiel, Räuberhöhlen, schöne Gefangene und schließlich wild gewordene Raben finden wohl wenig Anklang im Publikum unter 12 Jahren. Der Film ist erst ab 16 freigegeben, doch diese Altersklasse ist heute wesentlich härtere Horror-Kost gewohnt und dürfte sich mit Grausen (oder Gähnen) abwenden – und das liegt diesmal nicht am Phantom.
Die DVD-Ausstattung ist auch nicht gerade berauschend zu nennen. Es gibt weder Untertitel noch Bonusmaterial. Übrig bleibt ein Phantom (Achtung: doppeldeutig!), das in der Ramsch-Ecke versauern dürfte.
- Redakteur:
- Michael Matzer