Pirates Of The Caribbean – Fremde Gezeiten (Kinofilm)
- Regie:
- Rob marshall
- Jahr:
- 2011
- Genre:
- Abenteuer
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Of The Caribbean – On Stranger Tides
1 Review(s)
17.05.2011 | 20:44Grober Unfug? Nein, Piratenspaß außer Rand und Band!
In "Pirates Of The Caribbean – Fremde Gezeiten" begegnet Captain Jack Sparrow (Johnny Depp) einer Frau aus seiner Vergangenheit wieder. Angelica (Penélope Cruz) heißt die Schöne und Sparrow war in sie verliebt. Oder hat sie ihn nur benutzt? Jedenfalls schickt Angelica den Piraten auf die Suche nach dem sagenumwobenden Jungbrunnen. Dazu muss er an Bord der Queen Anne’s Revenge gehen, dem Schiff des gefürchteten Piraten Blackbeards (Ian McShane).
Captain Jack Sparrow findet sich in "Fluch der Karibik 4" wie erwartet in einer abenteuerlichen Geschichte wieder, in der er nicht mehr weiß, wem er vertrauen kann: dem skrupellosen Piraten Blackbeard oder der schönen Frau aus seiner Vergangenheit. Captain Hector Barbossa (Geoffrey Rush) kann ihm auch nicht wirklich auf die Sprünge helfen, sondern ist eher eine weitere Störung auf der Suche nach dem Jungbrunnen… (Verleihinfo)
Hinweis: Ich habe die englischsprachige Originalfassung bei einer Pressevorführung gezeigt bekommen. Ich kann daher nichts über die Synchronisation sagen.
Filminfos
O-Titel: Pirates Of The Caribbean – On Stranger Tides (USA 2011)
FSK: ab 12
Länge: ca. 146 Min.
Regisseur: Rob Marshall
Drehbuch: Terry Rossio, Ted Elliott
Musik: Hans Zimmer und Kollegen
Darsteller: Johnny Depp (Sparrow), Penelope Cruz (Angelica), Geoffrey Rush, (Barbossa), Ian McShane (Blackbeard), Judi Dench (Passagierin), Gemma Ward (Sirene), Sam Claflin (Philip), Astrid Berges-Frisbey (Syrena), Keith Richards (Cpt. Teague), Kevin McNally (Joshamee Gibbs) u.a.
Handlung
|Prolog|
Zwei Fischer finden in ihrem Netz die Leiche eines Mannes. Doch sobald sie sie aus dem Wasser gezogen haben, schlägt er die Augen auf! Sie bringen ihn an den Hof des spanischen Königs in Cadiz und übergeben dem Monarchen den sterbenskranken Mann sowie das, was er bei sich trägt: ein wertvolles Notizbuch. Dann sagt der arme Mann einen Namen: "Ponce de Leon". Es ist der Name eines Conquistadors, der in Florida den Jungbrunnen suchte - und dort tödlich verwundet wurde. Vor 200 Jahren!
|Haupthandlung|
Captain Jack Sparrow will ausgerechnet in London, der Hauptstadt des Erzfeindes aller Piraten, eine neue Crew zusammenstellen oder wenigstens auf einem Schiff in die Neue Welt anheuern. Bevor es soweit ist, muss er seine alten Maat Joshamee Gibbs vor Gericht freisprechen - in der Robe des obersten Richters. Die beiden entkommen in der Grünen Minna - nur um am Ausgangspunkt wieder verhaftet zu werden: Der Kutscher wurde von einer höheren Summe bestochen. In der Kutsche hat jedoch ein folgenreicher Austausch stattgefunden…
So kommt es, dass Jack zu einem teuren Palais gebracht wird, wo der König ihn nach seinen Kenntnissen hinsichtlich des Jungbrunnens befragt. Bekanntlich habe Jack ja eine wertvolle Karte als Wegweiser zum Jungbrunnen in seinen Besitz gebracht (Am Ende von Episode 3). Das verneint Jack guten Gewissens - denn Gibbs hat ihm die Karte unbemerkt geklaut. Wie auch immer: Jack solle in die Dienste von Hector Barbossa treten und mit diesem diesen Jungbrunnen suchen - bevor die vermaledeiten Spanier ihn finden!
Jack hat weiß Gott keine Lust, unter seinem Erzfeind zu dienen, und verabschiedet sich auf Französisch - mit einem Fenstersturz. Bei der anschließenden Verfolgung hilft ihm sein Daddy, Captain Teague Sparrow (Keith Richards) in ein sicheres Versteck, eine Kneipe. Nicht nur gibt Teague ihm wertvolle Hinweise auf das Ritual, das am Jungbrunnen mit zwei Kelchen auszuführen ist, sondern auch, dass Jack einen Doppelgänger habe.
Diesen Doppelgänger macht Jack schnell dingfest: Es handelt sich um die ihm nicht sonderlich wohlgesonnene Verflossene Angelica (P. Cruz), die gerade selbst eine Mannschaft zusammenstellt, um mit ihrem Vater, dem gefürchteten Piraten Blackbeard (McShane) den Jungbrunnen zu suchen. Denn McShane habe laut einer Prophezeiung nur noch zehn Tage zu leben. Schließlich bleibt Jack nichts anderes übrig, als bei Blackbeard anzuheuern. Gibbs verbrennt jedoch die geklaute Karte und bietet seine Dienste Barbossa an - so entgeht er dem Galgen…
Nun beginnt ein Wettrennen zum Jungbrunnen. Falls es ihn überhaupt gibt…
Mein Eindruck
Die Story beruht sehr lose auf dem Roman "On Stranger Tides "(deutsch als "In fremden Gezeiten" bei Heyne) des US-Autors Tim Powers, der mit "Die Tore zu Anubis' Reich" einen internationalen Horror-Fantasy-Bestseller gelandet hatte. Bei "On Stranger Tides" versuchte er sich erfolgreich an der Verbindung von Horror und Piratenabenteuer.
|Puppen & Puppenspieler|
Auf dieser Grundlage basieren folgende Ideen, die in der Serie neu sind: Es kommt Voodoo vor, wie man es in der Karibik zu finden erwartet. Blackbeard entpuppt sich selbst großer Magier und Voodoo-Schamane, indem er von Jack Sparrow eine Puppe herstellt, mit deren Hilfe er Jack wehtun kann - das ist die Idee des bösen Kapitäns als großem Puppenspieler. Gegen Blackbeard ist Jack geradezu ein Waisenknabe.
Blackbeard verfügt über ein magisches Schwert, mit dem er die Leinen seines Schiffs ebenso dirigieren kann wie das Abfeuern eines eingebauten Flammenwerfers (!). Das macht die "Queen Anne's Revenge" quasi zu einem feuerspeienden Drachen und Blackbeard zu einer Verkörperung des Satans. Und den will Angelica zum Papi haben?
|Zombies & Sirenen|
Wie auch immer. Es kommen wegen Tim Powers auch Zombies vor. Recht unscheinbare, aber furchteinflößende Männer, denen ein Dolchstich nichts anhaben kann. Leider finden sie in der Dramaturgie (wegen Kürzungen?) keinen rechten Platz, um voll zur Geltung zu kommen.
Viel wichtiger und ansehnlicher sind da schon die menschenfressenden Meerjungfrauen, die Sirenen. Denn es ist die Träne einer Sirene, die beim Ritual darüber entscheidet, ob derjenige, der aus einem der beiden Kelche trinkt, dem anderen seine verbleibenden Lebensjahre abtreten muss - oder umgekehrt! (Die gleiche Idee findet sich übrigens in Robert Silverbergs Roman "Book of Skulls", das ebenfalls verfilmt werden soll.)
Man sieht also: Vom unschuldigen Jungbrunnen des Mittelalters, wie ihn Lucas Cranach mal gemalt hat, ist herzlich wenig übriggeblieben - so vieles kann dabei schief gehen. Und da dies ein Jack-Sparrow-Abenteuer ist, geht auch alles schief, was nur schief gehen kann! Ganz besonders dann, als das Wettrennen an der Quelle der Jugend endet und die Spanier aufkreuzen. Sie haben völlig andere Absichten als Blackbeard und Barbossa.
|Rache & Romanze|
Barbossa steht der Sinn gar nicht nach der blöden Quelle. Ihm geht es lediglich um die Chance, endlich an Blackbeard dafür Rache zu nehmen, dass ihm dieser die "Black Pearl" geraubt und in ein magisches Buddelschiff gesperrt hat. (Ist es zu fassen?) Die "Pearl" schwimmt immer noch, aber jetzt eingesperrt in einen Panzerschrank, in dem noch viele weitere Schiffe auf ihre Befreiung warten.
Der zentrale Plot der literarischen Vorlage dreht sich jedoch um die Opferung einer jungen Frau am Jungbrunnen, was der Held zu verhindern trachtet - eine klassische Romanze. Dieser weiblichen Figur entspricht im Film am ehesten die wunderschöne Meerjungfrau Syrena, gespielt von Astrid Berges-Frisbey.
Der von Blackbeard gefangen genommene Priester Philip (Sam Claflin) fängt sie ein und verliebt sich in sie. Doch Blackbeard entdeckt die Liebe der beiden und sieht das ideale Mittel, um sie beide zu erpressen. Auf diese Weise wird aus Liebe Qual. Es gelingt, Syrena eine Träne abzuringen - sie weint aus Freude über eine Tat Philips. Der Weg zum Jungbrunnen ist nun frei. Doch was wird aus dem Liebespaar werden? Wir werden es hoffentlich in der Fortsetzung erfahren!
|Action & Humor|
Man sollte nicht vergessen, dass diese Serie auf einem Joyride in Disneyland und Disneyworld beruht, also auf einer Achterbahnfahrt. Dieses Vergnügen ist ziemlich simpel. Und da dem neuen Regisseur Rob Marshall von der neuen Disney-Produzentenriege - Dick Wood wurde gefeuert - gleich mal 100 Millionen Dollar am Budget gestrichen wurden, musste man sich vor allem bei den Computertricks zurückhalten. Diese fand ich schon bei Episode 3 völlig überdreht - und der neue Produzent offenbar auch (siehe dazu die IMDb unter Trivia).
Deshalb besinnt sich die Regie (und das Autorenteam) auf die Grundlagen von Abenteuerfilmen: Die zwei Romanzen hatten wir schon (Philip und Syrena, Jack und Angelica), nun fehlen noch die Action und der Humor. Denn über eines sollte man sich im Klaren: Piratenfilme wurden schon immer für große Lausbuben gedreht.
Zum Glück ist der Regisseur von "Chicago", einem Musikfilm, auf Bewegungschoreografie spezialisiert. Daher gelingt es ihm, die Kämpfe einigermaßen koordiniert und inspiriert in Szene zu setzen. Auch der Schnitt klappte einwandfrei, und die gewohnt furiose Musik von Altmeister Hans Zimmer tut ihr Übriges, um die turbulente Action im Finale an der Quelle zu einem Highlight des Films zu machen.
Leider fehlt die Action woanders, außer während der Meuterei auf der "Queen Anne's Revenge". Zusammen mit der Verfolgungsjagd und dem Degenduell in London ergibt das gerade mal drei Action-Höhepunkte - ein klein wenig für einen Jack-Sparrow-Film. Dafür kommt der Humor nicht zu kurz, besonders in London, wo sich Jack als Klettermaxe beweist. Johnny ist jeden Cent seiner 50 Mio. Dollar Gage wert. Und die schwangere Penelope Cruz musste von ihrer Schwester Monica gedoubelt werden.
|Mädels & Schwerter: 3D|
Dies ist der erste Pirates of the Caribbean-Film, der in der Realhandlung (!) in 3D gedreht wurde. Doch die Spezialeffekte wurde - ebenfalls aus Kostengründen - nur zweidimensional inszeniert. Das macht sich beispielsweise in den Szenen mit den Meerjungfrauen bemerkbar, die wir unter Wasser sehen, in Richtung auf die Wasseroberfläche - alles in 2D, aber über Wasser in 3D.
Die Mädels - allesamt Models wie Gemma Ward - sind obenrum sehr ansehnlich (mit allzu langen Haaren an strategisch wichtigen Stellen), doch untenrum ein Fisch. Durch geschickte Schnitte erscheinen sie uns wie eine Einheit aus Oben und Unten, doch das ist nur eine Selbsttäuschung des Gehirns. Die einzige Ausnahme ist Astrid Berges-Frisbey als Syrena, die in einem Spezialkostüm steckt. Weil sie à la Schneewittchen in einem Glassarg steckt, muss man alles sehen können (fast alles).
Es gibt zwei ästhetische Methoden, 3D zu nutzen: heraus aus dem Bild und auf den Zuschauer zu oder in die Tiefe des Bildes. Während "The Hole 3D" Letzteres wählt, verfährt Rob Marshall nach der ersten Methode - zum Gähnen jener, die herausschießende Schwerter, Degen und Dolche schon seit 15 Jahren aus der 3D-Show der Universal Studios in Orlando kennen (wie ich). Schnarch! Aber wenn's das Jungvolk amüsiert, ist den Disney-Managern alles recht und billig. Vielleicht weil sie ein hervorschießendes Schwert was Phallisches an sich hat und die Mädels erschreckt…
|Wertungen|
Die Kritiker haben diese Episode, die wohl der Auftakt zu einer neuen Trilogie ist (siehe IMDb), in Grund und Boden verdammt. Sie wussten wohl nicht, wie ihnen geschah und kapierten die Story nicht - die doch simpel genug ist: Es geht um ein Wettrennen. Sie verliehen nur 4 von 10 Punkten, die Community von IMDb hingegen 8 von 10. Was mal wieder tief in die Seele des Publikums blicken lässt.
Andererseits kann man sich nur wundern, woher diese Ratings kommen: Denn da der Film erstmals am 11.5 in Cannes gezeigt wurde und erst am 18. Mai weltweit anläuft (bei uns am 19.5.), kann eigentlich von Zuschauer-Ratings noch keine Rede sein, oder? Die Wertungen beziehen sich wohl auf die Trailer, die man jetzt überall sieht. Aber Trailer verraten bekanntlich nur das, was den Appetit anregen soll. Die Kehrseite wird verschwiegen.
Unterm Strich
Der vierte Film bildet wohl den Auftakt zu einer Trilogie, die das aufregende Vorleben von Jack Sparrow zum Thema hat. Angelica, gespielt von Cruz, ist eine abgelegte Geliebte, die an ihm Rache nehmen will. Beispielsweise indem sie sich als Jack Sparrow ausgibt! Am Schluss des Abspanns (Achtung: bitte sitzenbleiben!) sehen wir sie, wie sie Blackbeards Puppe von Jack in die Hände bekommt. Hat auch sie Macht über ihn? Das ist ein sicherer Hinweis auf eine Fortsetzung.
Die zweieinviertel Stunden vergehen wie im Fluge, denn es gibt die üblichen Zutaten der Serie zu bestaunen: Action, Humor, Romantik, Erotik, tolle Landschaften und Stunts (Jack als Palmenreiter - köstlich!) - und immer wieder Piratenschiffe mit allen Schikanen, wie etwa einem Flammenwerfer. Hier wird das Kino wieder jung, nämlich ein Spektakel - etwas zum Hingucken.
Man sollte auch nicht vergessen, dass dies ein Film für Kinder ist. Sie haben vielleicht den Joyride in Disneyland oder Disneyworld gesehen und wollen die Figuren wieder auf der Leinwand erleben. Wer sich also über "groben Unfug" in Sachen Logik ärgert, sollte sich den nächsten Max Frisch rein ziehen - der kann sich ja nicht mehr wehren.
Ach ja, der Film könnte sogar eine Botschaft haben. O Schreck! Nicht von ungefähr geht es um einen Jungbrunnen und dessen fachgerechte Benutzung. Wie oben erwähnt, nimmt der eine der beiden Trinkenden dem anderen die verbleibenden Lebensjahre weg, um jünger zu werden. letzten Endes ist dies der ultimative Egoismus. Und der wird gemäß Disneys Philosophie in der Regel bestraft.
Und wer sind nun die beiden Glücklichen, die in diese beneidenswerte bzw. missliche Lage kommen? Das sei hier nicht verraten.
Mein Tipp daher: Reingehen, um es herauszufinden!
Michael Matzer (c) 2011ff
- Redakteur:
- Michael Matzer