Radio West
- Regie:
- Alessandro Valori
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Drama
- Land:
- Italien
1 Review(s)
10.09.2005 | 07:04Der Soldat auf dem Cover von "Radio West" lässt vermuten, dass sich hinter dieser DVD ein reiner Kriegsfilm verbirgt, doch auch wenn die Thematik Krieg das Leitmotiv dieses Dramas ist, so geht es hier doch eher um Menschenschicksale während eines der grausamsten Kämpfe in der jüngeren Zeitgeschichte. Regisseur Alessandro Valori hat sich des Kosovo-Kriegs und des damit verbundenen Einsatzes der KFOR-Truppen angenommen und erzählt im Speziellen die Geschichte dreier italienischer Soldaten, die sich aus unterschiedlichsten Gründen freiwillig zu diesem gefährlichen Einsatz melden. Valori schildert die physischen und psychischen Belastungen, die den drei Männern Ale, Rizzo und Petron sehr schnell über den Kopf wachsen. Mitten im Krisengebiet erledigen sie ihre tägliche Patrouille, während das Leid der Bevölkerung und die Grausamkeit der kriegstreibenden Parteien schnell zur Routine wird. Der Tag, an dem sie jedoch von einem Einsatz nicht wie geplant wieder zurückkehren, verändert das Leben der Soldaten komplett. Die Männer sind auf sich allein gestellt, dringen noch tiefer in die gefährdete Region ein und können schon bald Freund von Feind nicht mehr unterscheiden.
Wer jetzt laut "Black Hawk Down" ruft, mag zwar die Parallelen zwischen den einzelnen Handlungssträngen erkennen, jedoch ist "Black Hawk Down" eher ein dramaturgischer Kriegsfilm der Hollywood-Schmiede, wohingegen "Radio West" ein bewegendes Drama mit Elementen des Dokumentarfilms ist. Valori zeichnet einige grausame Bilder nach, so zum Beispiel das eines verlorenen Babys, von Kindern, die zur Zielscheibe von Maschinengewehren werden, aber auch von Soldaten, die sich durchaus bewusst sind, wie tragisch die Schicksale um sie herum sind, die aber dennoch fast machtlos gegen das sich aufbäumende Elend sind. Und in dieser Hinsicht hat der Regisseur wirklich ganze Arbeit geleistet und schafft es manchmal, vielleicht auch ungewollt, mit den so schlicht und natürlich erscheinenden Szenarien zu schocken.
Natürlich steht die Geschichte der drei Soldaten, die auf ihre Rettung warten, im Mittelpunkt, doch schließlich sind es die Umstände, in denen sich eben jene Mänenr befinden, die uns bis aufs Äußerste erschüttern und mitnehmen. Die zerstörten und so authentisch nachgezeichneten Gebiete (mir ist leider nicht bekannt, ob der Film an Originalschauplätzen gedreht wurde) hinterlassen deutliche Eindrücke und machen betroffen. So sah bzw. sieht die Realität gar nicht weit weg von unserer Heimat tatsächlich aus, und hier schafft Valori wiederum sehr gut den Schwenk zur Realität, die einem hier viel besser bewusst wird als beispielsweise bei "Black Hawk Down" oder dem entfernt vergleichbaren "Windtalkers".
Durchaus wichtig für das ganze Unterfangen ist allerdings auch, dass die drei Hauptcharaktere alesamt von sehr guten Schauspielern verkörpert werden, die nach außen hin Routine ausstrahlen, aber dennoch die in dieser Situation angebrachte Angst nicht verbergen können. Die ganze Dramatik der Geschichte und die Schicksalhaftigkeit der Abgeschiedenheit dieser Männer profitieren von dieser Leistung und machen den Film zu einem authentischen Zeitdokument mit wahrem Hintergrund.
Den einzigen Makel wird man nur dann entdecken, wenn man mit der Lage im Kosovo nicht so gut vertraut ist, denn da "Radio West" mitten im Geschehen beginnt, ist eine gewisse Vorbildung vorausgesetzt. Ist diese vorhanden, wird einem der Streifen garantiert unter die Haut gehen.
Und wieso heißt der Film jetzt "Radio West"? Nun, dies ist der Name des Militärradios, das konträr zu den betrübenden Bildern die Soldaten mit witzigen Aussagen und schwungvoller Musik bei Laune hält und sie zumindest ein Stück weit aus der Realität entfliehen lässt. Doch dieser Radiosender ist schließlich auch der Kernpunkt und das Meisterstück des Regisseurs, denn mit Hilfe dieses Kontrastprogramms wird die Tragik nochmal um ein Vielfaches deutlicher.
Würde die Aufmachung der DVD dem Inhalt gerecht werden, wäre das Gesamtpaket rundum perfekt, doch leider ist dem nicht so. Fehlende Extras möchte ich jetzt schon gar nicht mehr anprangern, denn bis auf den Originaltrailer ist mal wieder nichts vorhanden, doch dabei wären gerade hier Hintergrundinformationen zur eigentlichen Thematik kein schlechter Schachzug gewesen, der das Verständnis für 'Laien' erleichtert hätte. Aber auch das eigentlich recht scharfe Bild ist leider in manchen (wenigen) Phasen ein wenig schwammig geworden, was ich besonders zum Schluss hin schade finde, wo die gesamte Region aus der Luft gezeigt wird und man erfährt, welch schöne Landschaft da eigentlich gerade in Trümmern liegt - ein weiterer Kontrast, der mit scharfkantigen Bildern einen noch größeren Effekt gehabt hätte. Der Ton geht aber in Ordnung und der DTS-Sound bereitet einem keine Sorgen.
Unterm Strich bin ich von "Radio West" begeistert. Regisseur Alessandro Valori hat aus einer Low-Budget-Produktion das Maximum herausgeholt und ein Drama kreiert, bei dem vor allem die authentische Machart beeindruckt. Es braucht eben nicht immer Geballer und unzählige Schlachten, um mit einem solchen Film eine Wirkung zu erzielen. Italien ist eben nicht Hollywood, und solange man mit spartanischen Mitteln derart bewegende Dramen erschaffen kann, ist das auch verdammt gut so!
- Redakteur:
- Björn Backes