Running Scared
- Regie:
- Wayne Kramer
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
2 Review(s)
29.08.2006 | 21:28Hintergrund
Ein Film, der bei einem Budget von 17 Millionen Dollar nur knappe 7 Millionen einspielte, kann durchaus als Flop bezeichnet werden. Ein Regisseur (und Drehbuchschreiber), den kaum jemand kennt (Wayne Kramer -"The Cooler"), und ein Hauptdarsteller, der sich bisher in stereotypen Rollen auf unterem Niveau bewegt hat (Paul Walker - "The Fast And The Furious"), bürgen in der Regel selten für einen guten Film. Ein Film, der in Amerika kaum beworben wurde, keine Aufmerksamkeit bekam und auch in Deutschland unterging. Diesen Film bringt e-m-s nun auf DVD raus - und man muss ihnen dafür danken!
Handlung
Joey Gazelle (Paul Walker) ist der typische Mob-Laufbursche. Drogengeschäfte und Überfälle gehören zu seinem Alltag. Zu Hause zeigt er sein anderes Gesicht - das des liebenden Familienvaters. Doch diese Idylle wird jäh gestört. Nach einem verpatzten Drogendeal soll Joey eine „heiße Waffe“, mit der ein Polizist erschossen wurde, entsorgen. Anstatt sie einfach in den Fluss zu werfen, deponiert er sie in seinem Keller, ohne zu merken, dass er dabei beobachtet wird. So finden sein Sohn Nicky (Alex Neuberger) und dessen bester Freund Oleg (Cameron Bright) die Waffe. Kurze Zeit später ist sie verschwunden und im Nachbarhaus fallen Schüsse. Olegs Vater (Karel Roden), der sein Kind Zeit seines Lebens schwer misshandelt hat, liegt blutend am Boden, Oleg ist verschwunden. Mit der Polizei, seiner eigenen Bande und der russischen Mafia im Rücken bleiben Joey 18 Stunden, um den Jungen und die Waffe zu finden. Ein Wettlauf um Leben und Tod beginnt…
Kritik
Das amerikanische Publikum ist schwer einschätzbar. "Running Scared" hat alles, was ein erfolgreicher Film braucht (Sex, Gewalt, coole Optik, einen bekannten Hauptdarsteller) und floppte dennoch. Die Gründe dafür sind kaum zu finden, handelt es sich doch um einen durchweg guten Film! Wayne Kramer zeigt hier in 117 Minuten die volle Bandbreite des modernen, amerikanischen Actionkinos mit all seinen Stärken und Schwächen.
Der Film beginnt mit einer wilden Schießerei bei einem verunglückten Drogendeal, der den Grad an Gewalt im Film festlegt. Hier wird der Grundstein für die folgende 18-stündige Hetzjagd nach einer „heißen Waffe“ gelegt, deren Geschichte in einer Rückblende erzählt wird. Schon hier bedient sich Regisseur Kramer einiger Kunstgriffe, legt einen Sepiafilter über sein Bild und lässt das Geschehen grobkörnig und dreckig erscheinen. Dieser Stil bleibt bis zum Ende erhalten, auch wenn sich ab und an andere Farbfilter über das Bild legen. Dabei entsteht eine Art Film-Noir-Look, der "Running Scared" seine besondere Atmosphäre verleiht.
Im Verlauf des Films reiht Kramer eine Spielerei an die andere, die von Zeitlupen über Zeitraffer bis zu wilden Kameraschwenks reichen. Zwischenzeitlich steht das Bild auf dem Kopf und selbst in ruhigen Szenen ist die Kamera ständig in Bewegung. Dieser Look ist sicherlich interessant, jedoch auch ein wenig zu dick aufgetragen. So würde "Sin City" wohl in Farbe aussehen… Neben der Visualisierung weiß aber auch der Plot zu gefallen. Gespickt mit unvorhergesehenen Wendungen kann man sich nie sicher sein, wie die nächsten fünf Minuten verlaufen werden. Zwar ist das eigentliche Prinzip - „Oleg trifft Ganoven, die Joey später aus dem Weg räumen“ - schnell durchschaut, minder fesselnd ist es dadurch aber nicht. Natürlich kann man vieles als konstruiert und unglaubwürdig abstellen, besonders wenn neben den Pimps und Dealern plötzlich Pädophile ihr Unwesen treiben, dem Adrenalinrausch tut dies allerdings keinen Abbruch.
So kommt man während der Filmdauer auch kaum zum Aufatmen. Die eigentliche Haupthandlung wird durch viele Nebenplots ausgeweitet, die immer wieder starken Bezug auf die Haupthandlung nehmen. Nach dem Lösen eines Problems steht das nächste schon bereit - das Resultat der Kettenreaktion ist dank der Erzählweise in einer Rückblende bereits früh bekannt. Und doch ist nichts so wie es scheint! Dass hier altbekannte Action-Klischees bedient werden, stört nicht weiter - zu sehr ist man an korrupte Polizisten und den lokalen Mafia-Mob gewöhnt. Viel mehr verpackt "Running Scared" diese alten Tugenden und steckt sie in ein aufregendes, wildes und opulentes Paket, das besonders zu Anfang durch seine Verpackung auf sich aufmerksam machen will. Doch auch der Inhalt überzeugt, wenn er auch alles andere als revolutionär ist.
Im Schauspielerpaket verblüfft in erster Linie Paul Walker, dem man solch eine Rolle wohl nicht zugetraut hätte. Er zahlt es mit seiner bis dato besten darstellerischen Leistung zurück, die deutlich vielschichtiger und emotionaler als seine bisherigen Engagements (u.a. "The Fast And The Furious", "Into The Blue") daherkommt. Anstatt den Hollywoodbeau zu geben, zeigt sich Walker blutverschmiert und dreckig, am Boden und in Todesangst - nur um dann gnadenlos zurückzuschlagen und das Blatt zu wenden. Weiterhin ist Cameron Bright (Oleg) zu nennen, der wohl in die Riege der neuen Kinderstars Hollywoods aufsteigen dürfte. Nach tollen Leistungen in "Godsend" und "Butterfly Effect" zeigt der 13-jährige hier sein ganzes Können, was angesichts des drastischen Gewaltpegels besonders bemerkenswert ist. Die Nebenrollen sind mit Karel Roden ("Hellboy"), Johnny Messner ("Hostage"), Chazz Palminteri ("In den Straßen der Bronx") und Vera Farmiga ("Touching Evil") ebenfalls gut besetzt.
Menschen mit schwachen Nerven und/oder einem schwachen Magen sollten die Finger von dem Film lassen, da das hier Gezeigte den Rahmen der 16-er Freigabe deutlich überschreitet. Brutale Schießereien, literweise Blut und grausame Foltermethoden sind hier zu sehen - da kann sich sogar manch ein indizierter Film eine Scheibe von abschneiden. Ein weiterer Querschuss der FSK!
Die DVD
Das Bild (2,35:1 anamorph) lässt sich auf Grund des heftigen Filtereinsatzes nur schwer bewerten, zeigt in den wichtigsten Disziplinen Schärfe und Kontrast jedoch keine größeren Schwächen. Der Schwarzwert ist nicht immer optimal, was aber auch ein Stilmittel des Regisseurs sein kann. Neben der gewollten Grobkörnigkeit, lässt sich ein leichtes Hintergrundrauschen ausmachen. Insgesamt aber ein gutes Bild.
Der Ton ist makellos! Neben einer DD5.1 Tonspur in deutscher und englischer Sprache findet sich noch ein deutscher DTS-Track auf der DVD. Alle drei Spuren sind sehr gut und unterscheiden sich nur in geringem Maße voneinander. Typischerweise wirken die Dialoge im Original harmonischer an das Geschehen angepasst, während sie in der Synchro aufgesetzt wirken. Ansonsten wird der Zuschauer mit einer erstklassigen Soundkulisse belohnt, die viele direktionale Effekte bietet. Der Subwoofer bekommt auch einiges zu tun und das in allen drei Tonspuren! Der DTS-Track ist ein wenig feiner aufgelöst und klingt einen Tick runder. Große Unterschiede in der Lautstärke waren nicht auszumachen.
Die mir vorliegende Kauffassung ist identisch mit der Verleihfassung und kommt, bis auf einen Trailer, ohne Extras aus. Ein reichhaltiges Featuresangebot dürfte die am 31.08.2006 erscheinende Special Edition bieten, die zudem noch in einem edlen Steelbook herausgebracht wird.
Die Extras der SE sehen wie folgt aus: Behind the Scenes, Audiokommentar von Regisseur Wayne Kramer, Interviews, Storyboard-Clip, Originaltrailer, TV Spots, Bildergalerie.
Fazit
"Running Scared" ist ein guter Action-Thriller geworden, der in erster Linie durch seine Visualisierung beeindrucken möchte. Doch auch die Geschichte hat ihre Reize, wenn sie auch nicht über die gewohnten Klischees hinauskommt. Die interessanten Wendungen halten das Interesse hoch, der Zuschauer bekommt kaum die Möglichkeit Luft zu holen. Ein enorm blutiger, spannender und optisch überladener Film, der wie eine Mischung aus "Goodfellas" und "Bube, Dame, König, Gras", mit einem Schuss "Sin City" daherkommt. Definitiv ein Überraschungshit!
- Redakteur:
- Martin Przegendza
"Running Scared" ist letzte Woche im Kino angelaufen, und wenn ihr noch nicht drin wart, dann wird's Zeit: Jedenfalls wenn ihr auf bis zum Schluss spannende Mafia-Action steht, die auch gekonnt mit Elementen aus Familiendrama und Thriller verknüpft ist, und dabei mit etlichen völlig unvorhersehbaren, aber dennoch schlüssigen Wendungen glänzt, die das Salz in der Suppe sind.
Joey Gazelle (Paul Walker) ist ein treu sorgender Familienvater und seiner Frau ein liebender Ehemann, doch ein Schatten liegt auf dem Idyll. Joey hat Geheimnisse vor seiner Familie, und dazu noch schlechten Umgang: Er hat Kontakt zu einer mächtigen Mafiasippe und muss für die feinen Herren ab und an mal einen dreckigen Job erledigen. Als ein Drogendeal platzt und der Sohn des Paten dabei einen Polizisten umbringt, liegt es an Joey, die Tatwaffe schleunigst verschwinden zu lassen. Dumm nur, dass er sie vorübergehend in seinem Keller deponiert, wo sie der Nachbarsjunge Oleg (Cameron Bright) beim Spielen mit Joeys Sohn Nicky (Alex Neuberger) findet und mitlaufen lässt. Als Oleg mit der Waffe seinen schizophrenen und prügelnden Stiefvater Anzor (Karel Roden) verletzt und danach mit der Knarre abhaut, hat Joey ein Problem. Seine Mafiakumpels, die Polizei und die russische Sippe des Stiefvaters sind plötzlich hinter Oleg und der Waffe her, und Joey muss alles tun, um beide zuerst zu finden. Denn wer seinen Job in Mafiakreisen nicht auftragsgemäß erledigt, der lebt gefährlich.
So beginnt ein Wettlauf auf Leben und Tod, den Regisseur Wayne Kramer streckenweise hart und unbarmherzig, abgründig und für einen FSK16-Film extrem brutal inszeniert, aber eben auch gut durchdacht und mit einigen angedeuteten Psycho-Elementen angereichert hat. Die agile Kameraführung, die Flashback-Schnitte und die düstere Atmosphäre unterstreichen die Spannung. Trotz der zahlreichen Überraschungsmomente und Kehrtwenden in der Handlung hat der Film keine nennenswerten logischen Löcher und kann erzähltechnisch überzeugen. Paul Walker spielt überzeugend die Rolle des in mehrfacher Hinsicht emotional zerrissenen Protagonisten, der zwischen Pflichten, Zwängen und Gefühlen hin und her gerissen ist, und dabei ständig Angst um sein Leben und das seiner Familie haben muss. Schauspielerisch fast noch überzeugender und vor allem unglaublich tiefgründig spielt Cameron Bright sehr authentisch das misstrauische, misshandelte und doch mutige und rebellische Kind.
Um nicht zu viel vorweg zu nehmen, wollen wir nicht auf weitere Details der Handlung, und vor allem nicht auf die zahlreichen überraschenden Elemente eingehen, sondern gleich zu den durchaus vorhandenen, aber nicht besonders schwer wiegenden Kritikpunkten kommen. Zum einen sind nicht alle Charaktere und Dialoge besonders fein ausgearbeitet, was aber bei der Verknüpfung von Action mit Psychothriller auch nicht ganz einfach ist. So bleibt manche Charakterzeichnung oberflächlich, wenn man sich als Thriller-Fan ein tiefgründigeres Psychogramm wünschen würde. Desweiteren verfolgt die Geschichte mit der eingestreuten Entführung Olegs durch ein Kinderschänder-Ehepaar einen Nebenhandlungsstrang, der für die Story an sich nicht essentiell ist und etwas zu aufgesetzt wirkt. Auch wenn er dadurch einen Sinn erhalten soll, dass das Ehepaar "das wirklich Böse" repräsentiert, während selbst die übelsten Mafiosi noch einen mehr oder weniger großen Rest an Menschlichkeit zu haben scheinen, gelingt dies nicht unbedingt überzeugend, wirkt aber auch nicht weiter störend. Zuletzt ist auch das "Ende nach dem Ende" in klassischer Hollywood-Manier ein wenig zu bemüht.
Dennoch: "Running Scared" ist wie eingangs erwähnt ein sehr starker, fesselnder und von Anfang bis Ende spannender Thriller, der zwar einige kleine Schwächen aufweist, aber insgesamt doch sehr überzeugend geraten ist.
Kinostart: 13.04.2006
FSK16
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle