Sauna - Wash Your Sins
- Regie:
- Annila, Antti-Jussi
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Horror
- Land:
- Finnland/Tschechische Republik
- Originaltitel:
- Sauna
1 Review(s)
12.05.2011 | 10:34Das geschieht:
Im Jahre 1595 hat nach vielen Jahren ein Krieg zwischen Schweden und Russland sein Ende gefunden. Eine neue Grenze wird gezogen; Finnland wird zwischen den beiden Königreichen aufgeteilt. Damit es bei dieser Grenzziehung gerecht zugeht, schicken König und Zar eine Kommission auf den Weg. Die schwedische Partei vertreten Rittmeister Erik Spore und sein Bruder, der Kartograf Knut, für Russland spricht Baron Semenski, den die Soldaten Rogosin und Musko begleiten.
Zwischen den Männern, die vor kurzer Zeit noch gekämpft haben, herrscht Misstrauen. Vor allem Erik, ein verbitterter Mann mit Anfällen psychotischer Mordlust, vermisst den Krieg, der seinem Leben einen Sinn gab. Immer wieder provoziert er die Russen, doch der besonnene Semenski kann den brüchigen Frieden bewahren.
Als die Expedition auf ihrem Weg in den Norden einen ausgedehnten Sumpf durchquert, stoßen die Männer in dessen Mitte auf ein nie kartographiertes Dorf. Die Einwohner schweigen sich über ihre Herkunft aus, bis das Mädchen Tytar – das einzige Kind des Ortes – Erik und Knut zu einer fest verschlossenen Hütte führt. Dort lagern die Aufzeichnungen russischer Mönche, die dieses Dorf einst gründeten, bis sie es aus unbekanntem Grund verließen. Die Bewohner vermuten, dass sie in einer alten Sauna verschwanden, die nahe beim Dorf in einem Teich steht. Angeblich kann man sich dort seine Sünden abwaschen.
Vor allem Knut kann dem nicht widerstehen, denn auch er hat Schuld auf sich geladen. Doch das abgewaschene Böse stirbt nicht, sondern steht auf und verfolgt die Lebenden. Dabei unterscheidet es nicht zwischen Schuld und Unschuld, sondern sucht alle Menschen heim …
Philosophischer Horrorfilm mit Unterhaltungswerten
Wenn in einer Filmrezension das Wort „Arthouse“ fällt, kommen beim geerdeten Gruselfreund gern Misstrauen und Fluchtgedanken auf. Allzu breit scheint die Kluft zwischen Filmkunst und Unterhaltung, um beide in einem Werk zusammenzuführen. Auf der anderen Seite dieser Schlucht stehen ähnlich meinungsfest die Feingeister, denen die schnöde Unterhaltung den ästhetischen Filmgenuss bestenfalls verwässert aber im Normalfall verdirbt.
Beide Parteien erinnern in Auftreten und Meinungsäußerung an Materie & Antimaterie: Schon bei vorsichtiger Annäherung sprühen Funken, und treffen sie aufeinander, knallt es heftig. Die daraus resultierende Herausforderung nehmen unverdrossen immer neue Generationen innovativer Filmemacher an. In der Regel scheitern sie – manchmal katastrophal, manchmal interessant –, aber hin und wieder gelingt die Synthese.
Dabei kennt selbst der Gorehound weniger blutrünstige Momente, in denen er sich womöglich Gedanken über Gott, die Welt und die Menschen macht. Schuld und Sühne sind existenzielle Elemente des Lebens. Antti-Jussi Annila und Iiro Küttner zeigen mit „Sauna“, dass eine spielerische Beschäftigung mit ‚schweren‘ Themen möglich ist.
Beschränkung auf das Wesentliche
Regisseur und Drehbuchautor betten ihr Garn in die Geschichte ihrer finnischen Heimat ein. Die dürfte außerhalb Skandinaviens relativ unbekannt sein, doch auf historische Fakten kommt es hier gar nicht an. Die Welt der Vergangenheit ist eine übersichtliche Welt. Ursache und Wirkung liegen dicht und sehr direkt zusammen. „Sauna“ erzählt von Menschen, die schwere Schuld auf sich geladen haben. 1595 drückte man im Krieg keine Knöpfe, sondern kämpfte Mann gegen Mann. Erik Spore stand den 73 Menschen, für deren Tod er die Verantwortung übernimmt, von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Der bizarre Mord an Nr. 74 legt nahe, dass es dabei selten ‚ritterlich‘ zuging. Tatsächlich hat sich Erik in einen Serienkiller verwandelt.
So weit sind die drei russischen Mitglieder der Expedition nicht heruntergekommen, aber auch sie tragen die Erinnerungen an hässliche Taten mit sich. Knut Spore scheint zunächst nicht in dieses Raster zu passen, doch Erik erkennt seine dunkle Seite und hält sie ihm vor. Dem jüngeren, schwächeren Spore fehlt höchstens die Verrohung durch den Krieg, an dem er nicht kämpfend teilnahm, weshalb ihn schon vor der Ankunft in dem verfluchten Dorf gespenstische Visionen heimsuchen.
Die Landschaft bietet sowohl dem Auge als auch der Handlung keine Ablenkung. Sie ist flach, sumpfig, trostlos – eine Bühne, dessen Kulisse das Dorf und die Sauna bilden. Während einige Rückblenden Eriks und Knuts letzte Untaten in grellen, fast übertrieben leuchtenden Farben zeigen, bleiben die Bilder der Gegenwart blass, trübe und monochrom (wobei Kameramann Henri Blomberg der Realität mit entsprechenden Filtern nachhalf). Selbst das Dorf wirkt ungastlich, es ist winterlich kalt, schlammig, die Holzwände der windschiefen Gebäude sind roh, verzogen und undicht.
Die Sauna als Rätsel und Zentrum
Was ist die Sauna? Wer hat sie errichtet? Was geschieht mit denen, die sie betreten? Ist es real, was sie und damit wir Zuschauer sehen, oder werden wir Zeugen von Visionen, die von psychisch zermürbten Menschenhirnen ausgebrütet werden? Annila bietet verschiedene Antworten an, aber letztlich überlässt er dem Zuschauer die Deutung; wie viele Kritiken deutlich machen, ist dies eine Entscheidung, die oft als Zumutung betrachtet wird. Das Gros des Filmpublikums verlangt Antworten auf seine Fragen. Dem verweigert sich Annila nicht vollständig, doch er fordert nachdrücklich die Eigenleistung des Zuschauerhirns. Sogar der finale Überraschungstwist kommt, aber er wirft in letzter Sekunde neue Rätsel auf.
Hier ein recht simpler Lösungsansatz: Die Herkunft der Sauna ist unwichtig. Sie bietet tatsächlich die Möglichkeit, sich von seinen Sünden zu reinigen. Der Preis für die Erlösung ist das spurlose Verschwinden = der Tod. Die abgewaschenen Sünden erheben sich und setzen ihr übles Werk fort, bis der nächste Büßer die Sauna betritt und eine neue Sünde sich manifestiert.
Unzweifelhaft haust kein Monster in der Sauna. Sie ist höchstens Medium oder Verstärker. Wer sie betritt, bringt den Auslöser für spätere Bluttaten mit. Der sensible Knut sieht bereits Geister, bevor er in das Dorf kommt. Die diversen Phantome werden stets außerhalb der Sauna aktiv. Knuts gespenstische Heimsuchung konnte zunächst erschrecken, ihm aber nicht schaden. Erst in der Sauna gewann sie die Kraft für handfestes Morden: Angst genügt zusammen mit einem schlechten Gewissen als Strafe nicht. Manche Schuld kann nur durch den Tod gesühnt werden.
Faszination ist anstrengend
Das Spiel mit Form und Inhalt ist ein Merkmal des „Arthouse“-Films. Man kann es so ausdrücken: Selbst simple Dinge werden möglichst kompliziert ausgedrückt. Auch Annila liebt Chiffren und Doppeldeutiges. Vor allem im Mittelteil drängt er die Handlung an den Rand. Es wird viel geredet und zerredet, manches Mysterium bleibt so sehr Andeutung, dass der Zuschauer nicht anbeißt, sondern sich langweilt. Der erfahrene Gruselfreund hat hier ohnehin die Nase vorn: Er weiß, dass die Ereignisse in der Sauna kulminieren werden.
Zwar poltert und rumpelt das Filmgeschehen manchmal nur voran, aber der Zuschauer bleibt dennoch dabei. Zur Story, den Bildern und einer Musik, die nicht ablenkt oder aufregt, sondern die Handlung kongenial begleitet und unterstreicht, kommen die Leistungen eines ausgezeichneten Schauspieler-Ensembles. Dabei stehen die Spore-Brüder und hier Erik im Vordergrund. Vor allem Ville Virtanen ist großartig als mühsam disziplinierter Schlächter; um den Kontrast zu seinen Taten optisch zu verstärken, lässt ihn Annila eine Brille tragen, die ihm – Baron Semenski spricht es voller Sarkasmus aus – den Anschein eines zivilisierten Menschen verleiht, der Erik längst nicht mehr ist.
Mit „Sauna“ erzählt Antti-Jussi Annila sehr konzentriert eine rundum düstere, deprimierende Geschichte. Er gönnt uns keine Sekunde der Ablenkung, was „Sauna‘ eigentlich zu einem ‚schwierigen‘ Film werden lässt. Nichtsdestotrotz fesselt Annila sein Publikum. Wir wollen wissen, wie die Geschichte ausgeht. Dass dieses Ende übel sein wird, ist uns schnell klar: „Sauna“ ist kein Film mit Happy-End. Selbst die Erkenntnis, dass für Annila der Weg das Ziel ist und es im Grunde kein Finale mit sauber geschürztem Plotknoten und beantworteten Fragen gibt, trübt die Faszination nicht wirklich. Ist „Sauna“ Filmkunst? Wen kümmert es, solange das Ergebnis den Bauch zufrieden stellt und den Kopf in Gang setzt.
Daten
Originaltitel: Sauna (Finnland/Tschechische Republik 2008)
Regie: Antti-Jussi Annila
Drehbuch: Iiro Küttner
Kamera: Henri Blomberg
Schnitt: Joona Louhivuori
Musik: Panu Aaltio
Darsteller: Ville Virtanen (Erik Spore), Tommi Eronen (Knut Spore), Viktor Klimenko (Baron Semenski), Rain Tolk (Rogosin), Kari Ketonen (Musko), Sonja Petäjäjärvi (Poika), Vilhelmiina Virkkunen (Tytär), Taisto Reimaluoto (Isäntä), Ismo Kallio (Kylänvanhin), Kati Outinen (Eukko), Dick Idman (Roukkula), u. a.
Label: 8-Films (www.8-films.de)
Vertrieb: WVG Medien Gmbh (www.wvg.com)
Erscheinungsdatum: 25.06.2010 (DVD/Blu-ray) bzw. 27.05.2011 (Steelbook)
EAN: 4033056900365 (DVD)
EAN: 4033056910364 (Blu-ray)
EAN: 4033056950360 (Steelbook)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1, anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Finnisch)
Untertitel: Deutsch
Länge: 80 min.
FSK: 18
DVD-Features
Zum üblichen Trailer kommt ein leider kaum viertelstündiges „Making Of“, das den Erkenntnisstand des Zuschauers nur graduell erweitert. Einige „Deleted Scenes“ verraten, dass auch Cutter Joona Louhivuori seinen Job versteht. Der bisher abwesende Humor wird durch diverse „Bloopers“ nachgeholt, was angesichts der Strenge des Films beinahe blasphemisch wirkt …
Zum Film gibt es eine Website: www.bronsonclub.com/sauna
Dass „Sauna“ in Deutschland erst ab 18 Jahren freigeben ist, ‚verdankt‘ der Film übrigens einigen Trailern, die für ungleich dämlichere aber derbe Zombie-Streifen werben. Womöglich ist dies Absicht, um einem Publikum, das seine Filmkost lieber blutiger mag, einen harten Grusel-Streifen vorzugaukeln – es wäre nicht das erste Mal, dass diese faule Trick zum Einsatz kommt. Tatsächlich bleibt „Sauna“ in dieser Hinsicht zahm. Plakativer Horror kommt zwar vor, doch er steht nicht im Mittelpunkt, sondern wird in die Handlung integriert.
- Redakteur:
- Michael Drewniok