Schloss des Grauens
- Regie:
- Anthony Dawson alias Antonio Margheriti
- Jahr:
- 1963
- Genre:
- Horror
- Land:
- Italien
- Originaltitel:
- La vergine di Norimberga
1 Review(s)
01.05.2005 | 09:05Auf dem titelgebenden Schloss sind bereits vier Menschen durch mittelalterliche Folterinstrumente zu Tode gequält worden. Mary Garson, die frisch angetraute Gattin des ebenso jungen Schlossherrn, macht sich auf die Suche nach dem grausamen Täter, der Nacht für Nacht die Kellergewölbe des weitläufigen Gebäudes besucht. In der Rüstungskammer, in der auch eine "Eiserne Jungfrau" steht, enthüllt sie ein schreckliches Geheimnis, das wie ein Fluch auf der Familie ihres Mannes liegt. (Verlagsinfo)
Erstmals ist auf dieser DVD die ungeschnittene deutsche Fassung zu sehen. Seinerzeit fielen sämtliche Szenen der Schere zum Opfer, die auf die Nazis Bezug nehmen. Auch die deutsche Synchronfassung wurde entsprechend entschärft. Daher sind die wiederentdeckten fünf Minuten in italienischer Sprache mit deutschen Untertiteln unterlegt.
Filminfos
O-Titel: La vergine di Norimberga (I 1963)
DVD: 31.03.2005, Koch Media DVM000063D
FSK: ab 16
Länge: ca. 80 Min.
Regisseur: Anthony Dawson alias Antonio Margheriti
Drehbuch: Antonio Margheriti, Ernesto Gastaldi, Edmont T. Greville - nach dem Roman von Frank Bogart
Musik: Riz Ortolani
Darsteller: Christopher Lee (Edward), Rossana Podestà (Mary Garson), Georges Rivière (Burt Garson), Mirko Valentin (Garson senior), Jim Nolan u. a.
Handlung
PROLOG.
Im Schloss wecken Donnerschläge und ein Schrei die junge Schlossherrin Mary Garson (R. Podesta) auf. Zu allem Überfluss fällt auch noch der Strom aus. Für Strom sind jedoch Männer zuständig, und so ruft sie nach Burt, ihrem frisch angetrauten Mann, der sie tags zuvor aus London hierher verfrachtet hat. Die fortgesetzten Schreie führen sie in die Folterkammer des Schlosses, wo sie in einer "Eisernen Jungfrau" auf die übel zugerichtete Leiche einer jungen Frau stößt. Prompt fällt Mary in Ohnmacht. Da hilft auch der beste Strom nichts.
DEFINITION: Eiserne Jungfrau.
Wie dieses Foltergerät aussieht, sollte man nicht der Fantasie überlassen, denn es spielt später im Film nochmals eine wichtige Rolle. Seine Funktionsweise zu kennen, trägt zum Verständnis der Filmhandlung bei. Außerdem lieferte es den Originaltitel: "La vergine di Norimberga".
Mit "Norimberga" ist Nürnberg gemeint, und dort wird die Eiserne Jungfrau bis heute im Folterturm ausgestellt. Denn im Mittelalter wurde sie von Tribunalen dazu benutzt, Geständnisse zu erpressen und den unglücklichen Delinquenten sogleich ins Jenseits zu befördern.
Sie sieht aus wie ein Sarkophag eines Pharaos, nur dass ihr oberes Teil das Antlitz einer streng blickenden Frau trägt. In das aufklappbare Innere wird das Opfer gefesselt. Der Vorderteil trägt auf der Innenseite eiserne Sporne oder Stachel, die beim Zuklappen den Körper des Insassen durchbohren: durch die Augen, ins Herz und an anderen wichtigen Organen. Im Film wird das austretende Blut in einer eingebauten Schale aufgefangen. Das Blut fällt Mary als Erstes auf, als sie das Gerät sieht. Es geht eben nichts über ein paar sachdienliche Hinweise.
HAUPTHANDLUNG.
Am nächsten Morgen ist Mary verarztet und beruhigt worden. Burt, ihr Mann, beruhigt sie, als sie von ihrem schrecklichen Erlebnis berichtet. Als Burt und der Arzt nachsehen, ist die Eiserne Jungfrau leer und sauber. Doch wer war der Kapuzenmann, den Mary in der Kammer gesehen haben will? Burt schweigt, während der Arzt unauffällig ein rötliches Haarbüschel mitnimmt. Es stammt vom Opfer der letzten Nacht.
Marys Nerven werden sich auch während der folgenden Geschehnisse nicht beruhigen. Der Schlossverwalter Edward (Chr. Lee) trägt ein Narbengesicht und würdigt sie keines Wortes. Er war der Adjutant von Burts Vater, der im vergangenen 2. Weltkrieg ein General war. Wo war Edward in der vergangenen Nacht? Und welches Schicksal ereilte den General? Auch hier windet sich Burt aus der Affäre. Er war selbst Opfer des Krieges, trug aber nur innere Wunden davon, behauptet er. Sind auch die Bediensteten Fred und Maureen in das Komplott dieser Kriegsveteranen einbezogen?
Mary steht ziemlich allein da und macht sich mutig an erneute Ermittlungen dieses geheimnisvollen Schlosses. Im weitläufigen Garten stößt sie auf Selby, der sich als Kunsthistoriker ausgibt, aber in Wahrheit ein Polizist ist. Er bekommt weitere Hinweise vom Arzt der Garsons: Etwas Unheimliches geht im Schloss vor sich. Mary entdeckt chirurgische Instrumente, die frisch gereinigt wurden (sie gehören laut Edward dem Vater des Schlossherrn), sowie eine Gruft, die durch einen Geheimgang zu erreichen ist. Ein Kapuzenmann warnt sie, dass sie bald die Nächste sein werde ...
Auf der Flucht vor einigen schrecklichen Vorfällen im Schloss gerät sie in den Randbereich des Parks, wo sie Zeugin einer sehr merkwürdigen nächtlichen Szene wird. Eine junge Frau, die rauchend (Achtung: eine Sünderin!) auf einen Mann wartet, wird von zwei Kapuzenmännern überfallen und in die Gewölbe des Schlosses verschleppt. Sie folgt den beiden - sie sind nun als Burt und Edward erkennbar - durch andere finstere Korridore voller Totenköpfe bis zur Folterkammer.
Alsbald taucht dort ein sattsam bekannter Kapuzenmann auf, der dem erwachenden Opfer ein Folterinstrument über das Gesicht stülpt. In diesem Käfig befindet sich eine Ratte ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (16:9), PAL
Tonformate: DD 2.0 Mono
Sprachen: D, Italienisch
Untertitel: D
Extras:
- Ital. Original-Trailer (knapp 3 Minuten) in ital. Sprache ohne Untertitel
- Bildergalerie mit "seltenem Werbematerial" (7 Minuten) inkl. Musik und Donner
- Trailershow: Circus der Vampire (Vampire Circus, ca. 1970); Draculas Hexenjagd (Twins of Evil, ca. 1970, mit Peter Cushing); Die Todeskarten des Dr. Schreck (ca. 1964, Dr. Terror's House of Horror, mit Peter Cushing, Christopher Lee und einem gewissen Kanadier namens Donald Sutherland ...)
- 4-seitiges Booklet mit Farbreproduktionen und Textinfos
Mein Eindruck
Regisseur Antonio Margheriti lieferte mit diesem Film in den frühen sechziger Jahren bereits seinen zweiten "gotischen" Grusler ab, diesmal aber in Farbe. Kurz zuvor hatte er mit Barbara Steele den in Deutschland nie veröffentlichten Schwarzweiß-Klassiker "Danza Macabra" (US-Titel: Castle of Blood) inszeniert, dessen Story er ein paar Jahre später unter dem Titel "Dracula im Schloss des Schreckens" (1971) mit Klaus Kinski noch einmal verfilmte.
Margheriti wird im Unterschied zu Mario Bava als ein guter Handwerker eingeschätzt, der mit viel Atmosphäre, guter Farbdramaturgie und für jene Zeit ungewöhnlich harten Gewaltszenen seine Film über den Durchschnitt hob. "La vergine di Norimberga" wurde binnen drei Wochen im Juni/Juli 1963 gedreht.
~ Die unzensierte Fassung ~
In der alten deutschen Fassung handelt es sich bei dem mörderischen Schlossherren, dem "Bestrafer", der so gerne die Eiserne Jungfrau einsetzt, um einen durch eine Kriegsverletzung verrückt gewordenen General. In der Originalfassung ist er ein abtrünniger Wehrmacht-General, der an einem Anschlag auf Hitler teilnahm (Rückblende auf historisches Filmmaterial vom 20. Juli 1944!) und zur Bestrafung von Nazi-Chirurgen grausam zugerichtet wurde: er sieht einem lebenden Totenkopf ähnlich. Die Rückblende, in der ihm von Ärzten das Fleisch aus dem Gesicht geschnitten wird, fehlte bisher.
~ Andere Mitwirkende ~
Den aufopferungsvollen Diener des Ex-Generals spielt Christopher Lee, der hier in einem seiner zahlreichen italienischen Filme dieser Zeit zu sehen ist. Nur hinsichtlich des Make-ups ist Lee, der nur über eine Narbe über dem linken Auge verfügt, seinem Herrn unterlegen. Diesen spielt der jugoslawische Schauspieler Mirko Valentin. Ich fand dessen Maske sehr wirkungsvoll und überzeugend. Nur die Aufnahmen der brennenden Schloss-Miniatur am Schluss sind nicht sonderlich überzeugend - die Flammen sehen irgendwie falsch aus. Diesen Schnitzer wetzte Margheriti in seinen folgenden Filmen aus.
Rossana Podestà, die Darstellerin der Mary Garson, wurde besetzt, weil sie die Frau des Produzenten Mario Vicario - der auch für "Danza Macabra" verantwortlich zeichnete - war. In Vicarios Verlagshaus erschien auch der Groschenroman von Frank Bogart, der das Drehbuch inspirierte. Dieses schrieb der italienische "Giallo"-Meister Ernesto Gastaldi ("Giallo" ist die italienische Spielart des Grusel-Comics). Ihm ging Edmond T. Greville zur Hand, ein aus der Avantgarde kommender Franzose, der zuvor zwei Filme mit Lee inszeniert hatte: den Thriller "Heiß auf nackten Steinen" (Heat Beat, 1959) und den Grusler "Die unheimlichen Hände des Dr. Orlak" (The Hands of Orlac, 1960).
Die angenehme deutsche Stimme des Hauptdarstellers Georges Rivière - der auch in "Danza Macabra" auftrat - gehört übrigens Rainer Brandt, lange bevor dieser das "Schnodder-Synchron" initiierte. In Deutschland startete "Das Schloss des Grauens" am 15. Mai 1964 und erlebte in den Siebzigern, u. a. als "Gruft der lebenden Leichen", zwei Wiederaufführungen im berüchtigten Alois-Brummer-Verleih.
Die DVD
Die Qualität ist angesichts des Alters des Films mehr als zufriedenstellend. Nur sehr vereinzelt sind weiße Artefakte festzustellen. Aber 99,5 % Sauberkeit ist ein guter Wert. Das trifft für den Ton leider nicht zu. Die deutschen Synchron-Sprecher klingen dumpf, die italienischen Sprecher in den unsynchronisierten Passagen hingegen etwas schrill, weil die Bässe fast vollständig fehlen.
Das Highlight des Films ist ohne Zweifel die Musik, ohne die der Film einfach nur lachhaft wirken würde. Riz Ortolani erschafft mit Klavier und Orgel eine unheimliche Atmosphäre. Aber auch Jazz und Big Band Sound sowie Violinen finden in den romantischeren Passagen Verwendung. Der Soundtrack würde auf eine Extra-CD gehören, wenn nicht ständig die gleichen Motiven wiederholt würden. Aber die Wiederholung wird durch Abwechslung überdeckt.
Der italienische Trailer verfügt über keine Untertitel, und das könnte den des Italienischen Unkundigen ziemlich verwirren. Die Bilder müssen für sich sprechen. Der Ton der Stimme ist sehr deutlich - eigentlich erstaunlich. Diese Qualität wäre dem Film gut bekommen. Die Bildergalerie ist von der erstaunlichen Länge von sieben Minuten - hauptsächlich Standbilder in einer Diaschau, unterlegt mit Donner und Ortolanis Musik. Fast schon ein langer Trailer.
Das vier Seiten lange Booklet informiert den Leser über die Hintergründe der Produktion und über die Rolle der daran Beteiligten. Besonders interessant ist natürlich der unterdrückte Verweis auf die Nazis. Das auf der Rückseite abgedruckte, vierfarbige deutsche Filmposter zeigt die übelsten Folterinstrumente, verwirrt den Betrachter aber durch einen völlig ungerechtfertigten Verweis auf Edgar Allan Poe (sogar richtig geschrieben), mit dem die Story aber rein gar nichts zu tun hat.
Unterm Strich
Der Film enthüllt mit fortschreitender Handlung sein eigentliches finsteres Geheimnis, und bis es dazu kommt, werden auf geschickte Weise zahlreiche rätselhafte und mitunter schockierende Hinweise gegeben. Zu spät erkennt die ständig im Weiß der Unschuld herumtapsende Rossana Podestà, dass sie sich in einem riesigen Gefängnis befindet, in dem nur einer herrscht: der wahnsinnige Vater ihres Göttergatten. Das auf menschliche Maße gestutzte Symbol für dieses todbringende Gefängnis ist die Eiserne Jungfrau, die dem Original den Titel lieh.
Dieses mittelalterliche Folterinstrument stellt auch die Verbindung zu den Deutschen und insbesondere zu den Nazis her. Doch Garson senior war nicht ihr Scherge, sondern als Widerständler ihr Opfer. Das bewahrt den Film vor dem Verdacht einer platten Nazi-Revanchistenphantasie. Dass in den Flammen des Schlossbrandes schließlich die beiden Deutschen umkommen, erscheint nur folgerichtig. Nur so kann die Zukunft, verkörpert in Mary und ihrem Mann, in Freiheit gesichert werden. Ihre Kinder können ohne die Bürde der Vergangenheit aufwachsen.
Doch Burt ist als Sohn des Generals mit eben jener Bürde belastet. Wie er selbst schon frühzeitig sagt, ist er im Krieg innerlich verwundet worden. Um ein Haar kommt er selbst im Gefängnis, das sein Vater errichtet hat, ums Leben. Nur jugendliche Kraft - und vielleicht die Liebe zu seiner Frau - scheint ihm zum Ausbruch verhelfen zu können. Das ist spannend und folgerichtig inszeniert.
Für den heutigen Zuschauer ist der Film vielleicht ein wenig zu langsam. Allerdings wissen manche Szenen noch heute zu schockieren, wenn man nicht schon völlig abgestumpft ist. Die zahlreichen Klischees, besonders die weißgewandete "Unschuld" Mary Garson, rufen jedoch vor allem ein Schmunzeln hervor. Christopher Lee sieht nicht sonderlich gruselig aus, obwohl er zeitweise an Boris Karloffs "Frankenstein"-Monster gemahnt. Er spielt nämlich selbst keinen Psychopathen, sondern den fehlgeleiteten Diener eines Psychopathen, der sich als Opfer entpuppt. Die historischen Filmaufnahmen, wie es dazu kam (der Anschlag vom 20.7.1944) verblüffen ziemlich, und nicht nur, weil sie in Schwarzweiß gedreht wurden. Ihr dramaturgische Wirkung ist wuchtig und transportiert die eigentliche Botschaft des Films (siehe oben).
Insgesamt weiß der Film stellenweise zu gefallen. Seine andersartige, etwas antiquierte Ästhetik erschließt sich besser bei häufigerem Ansehen. Die DVD liefert zahlreiches Hintergrundmaterial, doch ein Interview wäre willkommen gewesen. Die digital überarbeiteten und vervollständigten Fassungen von Gruselklassikern, die Koch Media in ansprechender Ausstattung anbietet, sollte man im Auge behalten.
- Redakteur:
- Michael Matzer