Schuld und Unschuld
- Regie:
- Marcus O. Rosenmüller
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
24.08.2007 | 19:42Handlung
Die Karrierefrau Johanna Fischer (Tanja Wedhorn) lebt ein überaus lebenswertes Leben. Durch ihre heiße Affäre mit dem Manager Dirk Derwinter (Florian Fitz) kommt sie an den Posten der PR-Chefin des Pharma-Unternehmens seiner Frau. Dieses Unternehmen hat unlängst ein revolutionäres Krebsmittel patentieren lassen und steht kurz vor der Zulassung. Es winken Milliardenumsätze, Ruhm und Ehre für das traditionelle Familienunternehmen. Fortan bestimmen undurchsichtige Manager das Spiel, die nur auf Profit und Börsenkurse aus sind.
Im Lauf um das Geld wird der Tod eines der Krebsmittel-Probanden zur größten Bewährungsprobe des Unternehmens. Der Fall muss vertuscht werden, um die Milliarden nicht zu gefährden. Es entsteht ein Strudel aus Lügen und Intrigen. Der anfängliche Traumjob wird für Johanna zur lebensgefährlichen Zerreißprobe.
Kritik
Mit TV-Produktionen ist es immer so eine Sache. Sind es ernsthafte Filme im Sinne einer Kinoproduktion, verlängerte Serienepisoden ("Alarm für Kobra 11“) oder ein eigenes Genre für sich? Je nach Geschmack darf sich jeder sein eigenes Urteil bilden (oder weiter lesen und es hier erfahren). Schlimm wird es, wenn TV Produktionen versuchen etwas zu sein, was sie nicht sind. Die großen Pro Sieben Katastrophen-TV-Filme, die allesamt auf irgendwelchen Blockbustern basieren, zeigen dies eindringlich. Das Budget ist klein, Ausstattung, Personal und letztlich das Ergebnis entsprechend. Den Anspruch „echten“ Kinos können sie von Natur aus nicht erfüllen.
Was ist aber mit Rosamunde Pilcher und Co.? Man könnte hier am ehesten von Kleinproduktionen (nicht zu verwechseln mit Low Budget!) sprechen, die mit Hilfe der vorhandenen Mittel das Bestmögliche versuchen. Ihnen liegt in den meisten Fällen ein Genreroman zugrunde, der adäquat (wenn auch wenig pompös) umgesetzt wird. Die Theorie der verlängerten Serienepisoden scheidet auch schnell aus. TV-Produktionen sind meist als alleinstehende Filme oder Zweiteiler geplant, die das fortlaufende Seriengeschehen nicht aufgreifen - Spin Offs oder ähnliches nicht mitgerechnet. Viel mehr soll eine eigenständige Geschichte erzählt werden.
So bleibt nur das eigene Genre übrig. Und in der Tat: Hier hat sich ein filmischer Mikrokosmos entwickelt, der nach seinen eigenen Regeln spielt.
Wie weiter oben schon erwähnt wurde, stehen Big-Budget und Prunk nicht zur Verfügung. Gute TV-Produktionen zeichnen sich durch andere Qualitäten aus. In allererster Linie zählt eine gute und schlüssige Geschichte, die den Zuschauer bewegt. Häufig werden aktuelle, gesellschaftliche oder politische Themen abgehandelt. Um diese Geschichten dann stimmig über den Bildschirm flimmern zu lassen, braucht man noch passende Darsteller. Hier können die Öffentlich-Rechtlichen aus einem breiten Pool an qualifiziertem Personal fischen. Und genau das sieht man bei "Schuld und Unschuld“. Eine interessante Geschichte, die von guten Darstellern in Szene gesetzt wird und drei Stunden überaus gut unterhält. Am 30.04.2007 und 01.05.2007 wurde der Zwei-Teiler im ZDF ausgestrahlt. Vier Tage zuvor erschien bereits die DVD. Wie üblich ist es müßig, die beiden Teile einzeln zu bewerten. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob der Film den Zuschauer drei Stunden bei der Stange halten kann. Die simple Antwort: Ja, er kann.
Regisseur Marcus O. Rosenmüller ("Kunstfehler“) lässt sich fast eine ganze Stunde Zeit, um dem Zuschauer seine Charaktere vorzustellen. Das Tempo ist dabei nicht allzu hoch, gibt den Charakteren aber dadurch Zeit, an Tiefe zu gewinnen. Nach 60 Minuten sind alle Standpunkte erörtert und der Zuschauer kennt die Meinungen und Ansichten der jeweiligen Personen. Nach dieser recht langen Einleitung folgt dann ein spannungsgeladener und Tempo reicher Rest, in dem reichlich Intrigen gesponnen werden. Wie man es von solchen Thrillern kennt, darf man niemandem trauen, keinem Wort Glauben schenken. Vertuschungen, Anschuldigungen und Untersuchungen prägen die letzten 120 Minuten.
Das Thema ist dabei überaus delikat. Wie aus dem Handlungsanriss deutlich wird, geht es um einen Pharmaskandal, der die Grenzen von Ethik und Moral deutlich übersteigt. In Zeiten des politischen Lobbyismus und übermächtiger global-orientierter Konzerne zeigt "Schuld und Unschuld“ förmlich ein Horrorszenario auf, das durchaus realistische Züge besitzt. Und genau das macht die Stärke des Films aus. Ohne große Übertreibungen oder melodramatische Momente wird eine Geschichte erzählt, die sich so oder so ähnlich ereignen könnte - "The Day after“ als Pharma-Thriller.
Weiterhin sollte man das beachtliche deutsche Schauspielensemble positiv hervorheben. Tanja Wedhorn ("Bianca - Wege zum Glück") meistert ihre Rolle als PR-Chefin trotz Schwierigkeiten im ersten Filmdrittel überaus gut, steht aber deutlich im Schatten von Nina Petri ("Bin ich schön?“), welche die Skandal initiierende Pharma-Unternehmerin Margot Dewinter spielt. Auch die Antagonistenrolle wurde bestens besetzt: Hans Sigl ("SOKO Kitzbühel") mimt den Geschäftsführer der Derwinter AG fast schon in einer aufgesetzt bösen Art, was perfekt ins Charaktergeflecht passt. Mit Matthias Habich ("Der Untergang“) und Heinz Hoenig ("Antikörper“) sind auch die Nebenrollen hochkarätig besetzt.
"Schuld und Unschuld“ ist ein überraschend guter TV-Film, der eine glaubhafte und spannende Geschichte mit Hilfe guter Darsteller erzählt und fast über die gesamte Spieldauer zu gefallen weiß. Sicherlich kein großer und aufwändiger Film, für einen schönen Fernsehabend aber bestens geeignet.
Die DVD
Das Bild (1,85:1) ist wirklich gut ausgefallen. Die Schärfe ist für eine TV-Produktion mehr als ordentlich, auch wenn sich des öfteren ein zu weiches Bild zeigt. Der Schwarzwert ist leider nicht besonders gut ausgefallen, was in Verbindung mit dem funktionellen Kontrast einen reichhaltigen Detailverlust in dunklen Szenen ergibt. Das leichte Bildrauschen ist nicht weiter störend.
Beim Ton (Deutsch DD2.0) gibt es nicht viel zu erzählen. Bis auf einige wenige Ausnahmen ist die Dialogverständlichkeit immer gegeben, der Ton tritt sauber aus den Boxen. Da es sich hier um einen eher dialoglastigen Film handelt, ist das Fehlen eines 5.1 Mix zu verkraften.
Extras gibt es leider keine.
Fazit
"Schuld und Unschuld“ zeigt, dass TV-Produktionen durchaus ihre Daseinsberechtigung - auch im DVD-Regal - haben. Hier wird drei Stunden lang ein spannender und realistischer Thriller erzählt, der überraschend viele Höhen hat. Die thematisierten Rollen von Ethik und Moral in einer Profi orientierten Gesellschaft regen zum Nachdenken an, was dem Film als großer Verdienst angerechnet werden kann. Sicherlich kein 'Must See', aber eine nette Abwechslung zum „normalen“ Film.
- Redakteur:
- Martin Przegendza