Sherlock Holmes Collection, Teil 3
- Regie:
- Roy William Neill
- Jahr:
- 1944
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- USA
1 Review(s)
22.12.2007 | 09:16Inhalt
"Die Kralle"
Im kanadischen Kleinstädtchen La Morte Rouge geschehen seit einiger Zeit merkwürdige Dinge. Aufgeschlitzte Schafe überschatten die Szenerie, und auch eine Mordserie beschäftigt die Ermittler, darunter auch Meisterdetektiv Sherlock Holmes, der eher zufällig in Kanada verweilt. Holmes und sein alter Gefährte Dr. Watson erhalten während ihrer Anwesenheit in La Morte Rouge einen Brief von der ängstlichen Lady Penrose, die fürchtet, alsbald das Opfer eines Mordes zu werden. Und tatsächlich: Als das Duo das Schriftstück erhält, ist die Lady bereits tot.
Im Laufe der Ermittlungen häufen sich schließlich die Ungereimtheiten; Lord Penrose glaubt weiterhin, seine Frau wäre okkulten Mächten zum Opfer gefallen, stößt dabei aber auf die vehemente Gegenwehr des Detektivs. Der wiederum entdeckt, dass die ermordete Dame einst erfolgreich in der Filmindustrie tätig war und eine Scheinidentität nach der Ehe mit Penrose führte. Die Medien hatten bereits ihr heimliches Ableben vermutet. Holmes Spur führt immer tiefer in die Vergangenheit der Lady, bis hin zu einem geflohenen Sträfling, der als kostümierter Gestaltenwandler die kanadische Ortschaft unsicher macht. Doch bevor sich der Kreis zu schließen scheint, stoßen er und Watson auf eine weitere Leiche ...
"Die Perle der Borgia"
Holmes gelingt es, einer organisierten Verbrecherbande auf hoher See das Handwerk zu legen und die gestohlene Perle der Borgia wieder in die Hände des Staatsmuseums zu bringen. Doch noch während der Meisterdetektiv die Sicherheitsmaßnahmen der Einrichtung prüft und kritisiert, wird das wertvolle Stück auch schon wieder entwendet.
Die Spur führt zu einem bekannten Kontrahenten, dem berüchtigten Ganoven Giles Conover, dem die Ermittler jedoch zunächst nichts nachweisen können. Auch der herbeigeeilte Inspektor Lestrade scheint machtlos und ist gezwungen, den kurzfristig festgenommenen Verbrecher wieder freizulassen. Als anschließend im Zusammenhang mit dem erneuten Verschwinden der Perle einige Morde die Szenerie erschüttern, rennt Holmes und Watson die Zeit weg. Sie müssen die Perle finden, bevor Conover sie entdeckt. Andernfalls droht noch weiteren Unbeteiligten der Tod.
"Das Haus des Schreckens"
Auf dem noblen Anwesen des friedfertigen Mr. Aleister lebt seit einiger Zeit in trauter Gemeinschaft der 'Club der alten Kameraden', eine Vereinigung wohlhabender Männer, die hier ihren Lebensabend verbringen. Bei einem ihrer allabendlichen Mahlzeiten erhält der Erste von ihnen einen Brief mit sieben Apfelsinenkernen – ebenso vielen, wie die Gruppe Mitglieder zählt. Kurze Zeit später stirbt der Mann, ebenso wie seine Nachfolger, die ebenso mit diesem Brief beehrt werden.
Holmes und Watson werden auf den Fall aufmerksam, schalten sich vor Ort in die Ermittlungen ein und lassen sich hierzu auch auf dem Anwesen nieder. Dennoch können sie nicht verhindern, dass der Kreis der Sieben tagtäglich dezimiert wird. Das Motiv scheint dabei einleuchtend: Alle Mitglieder haben eine hohe Lebensversicherung aufeinander abgeschlossen und kassieren im Sterbefall ihrer Kumpanen reichlich ab. Es scheint allzu plausibel, dass tatsächlich ein Verräter dem 'Club der alten Kameraden' beiwohnt. Aber ist tatsächlich jemand abgebrüht genug, seine jahrelangen Freunde umzubringen?
Persönlicher Eindruck
Große Erwartungen durfte man in die dritte Box der "Sherlock Holmes Collection" setzen, schließlich waren schon die beiden ersten Sets um die alten Schwarzweiß-Klassiker aus den Jahren 1939-45 echte Volltreffer mit äußerst hohem Kultfaktor. Erstaunlicherweise vermag die Nummer drei die bisherigen Highlights jedoch noch einmal zu übertrumpfen. Möglicherweise treffen in dieser nämlich die wohl besten Beiträge von Basil Rathbone und Nigel Bruce im Rahmen aller 14 Episoden aufeinander.
Die drei hierin enthaltenen Streifen entstammen der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs und sind dementsprechend auch deutlich weniger politisch. Regisseur Roy William Neill konnte sich endlich gegen die starken äußerlichen Einflüsse durchsetzen und dem Wunsch nach einer Doyle-gerechten Aufarbeitung des klassischen Stoffs gerecht werden. So thematisieren die Filme dieser Box ausschließlich urtypische Kriminalfälle mit obskuren Hintergründen, nicht jedoch Propaganda-taugliches Filmmaterial, welches (wie besonders in der ersten Box gesehen) in gewisser Weise zweckentfremdet wurde. In diesem Sinne sei vor allem auf die leichten Ausflüge ins Horror-Business hingewiesen. Bereits der wohl legendärste Fall der Sherlock-Holmes-Historie, "Der Hund von Baskerville" war seinerzeit ein wenig an derartige Schemen angegliedert, nun aber wird der Sprung in diese Richtung noch viel deutlicher und vor allem auch effizienter vollzogen, was gerade den Fans von Edgar Wallace ziemlich gut gefallen sollte. Aber auch Liebhaber des britischen Hammer-Stoffes werden den hier dargebotenen Holmes und seine Abenteuer lieben, da sie aufgrund des finsteren Grundszenarios einfach noch mitreißender in Szene gesetzt werden.
Der erste Fall scheint dabei geradezu prädestiniert für einen derartigen Genre-Crossover; das verschlafene Städtchen La Morte Rouge ist der passende Standort für eine prickelnde Mordserie, die merkwürdigen Hintergründe ergeben ein standesgemäßes Holmes-Puzzle und seine unkonventionellen Ermittlungsmethoden sorgen für ein Höchstmaß an Spannung. Kritiker indes haben diesen Part der Holmes-Diskografie lange Zeit verschmäht, da der Streifen zwischenzeitlich einige ungeklärte Mysterien offenbart. "Die Kralle" beherbergt einige elementare Widersprüche, sowohl in der Handlung selbst als auch in der Logik des Ermittlerteams. Gerade der Protagonist agiert ohne konsequente Linie und verschuldet damit unbewusst sogar ein Opfer wesentlich mit. Aus heutiger Sicht jedoch ist "Die Kralle" gerade wegen dieser außergewöhnlichen Schemen als Klassiker bekannt und aufgrund seines durchweg spannenden Aufbaus und des berauschenden Settings auch völlig zu Recht unter den Highlights dieser gesamten Serie zu sehen. Für meinen Geschmack ist es so etwas wie die bessere Variante von "Der Hund von Baskerville", letztendlich noch unterlegt durch das flüssigere Acting der Hauptdarsteller.
Der zweite Fall hingegen baut auf einer gänzlich anderen Struktur auf: Ganoven und Handlanger sind von der ersten Minute an bekannt, ihre Motive eindeutig. Dementsprechend flott hat Holmes seine Kontrahenten auch dingfest gemacht, muss jedoch weitere Beweise anführen, um sie tatsächlich hinter Schloss und Riegel zu bringen. Hierbei ist vor allem die Interaktion mit dem tollpatschigen Inspektor Lestrade ein Höhepunkt. Ständig übergibt Holmes das Zepter an den Beamten und holt seine Theorien ein, nur um sie kurze Zeit später mit einer angenehmen Arroganz zu widerlegen. Köstlich, welche Schmankerl hier entstehen bzw. welch eleganter Wort- und Szenenwitz hier an der Tagesordnung ist. Aber auch Dr. Watson kommt zu einigen humorvollen Auftritten und macht diesen Titel unter Umständen sogar zum geistreichsten, mitunter aber sicherlich lustigsten Beitrag zur Reihe. Unterdessen schreiten die Ermittlungen knallhart voran; die Mordserie folgt einem durchschaubaren Handeln, jedoch bleibt die Ursache weiter unklar. Holmes und seine Gefährten müssen mit ansehen, wie Conovers Handlanger ihren Opfern das Rückgrat brechen und mit brutaler Gewalt versuchen, die Perle der Borgia erneut in ihren Besitz zu bringen. Prekär hierbei: Der Meisterdetektiv selber hat unfreiwillig dafür gesorgt, dass diese wieder in Umlauf gekommen ist, nachdem er selber sie erst gerade sichergestellt hat.
Die Story entwickelt sich schließlich stringent vorwärts und läuft schnörkellos auf die Zielgerade, wo den Zuseher nur wenige wirkliche Überraschungen erwarten. Damit ist "Die Perle der Borgia" vielleicht derjenige Teil dieser Box, der am wenigsten spektakulär ist, andererseits aber nach wie vor ein astreiner Krimi mit einem fantastisch aufgelegten Nigel Bruce alias Dr. Watson.
In "Das Haus des Schreckens" siedelt Regisseur Neill schließlich endgültig ins Horror-Genre über. Das Szenario scheint auch nach heutigen Standards perfekt für eine diesbezügliche Story und wird auch dementsprechend umgesetzt. Parallelen zu vielen nachfolgenden Filmen mögen daher auch nicht rein zufällig sein, gerade was die merkwürdigen Briefe mit den Orangenkernen oder überhaupt die Vorgehensweise der Mitglieder im 'Club der Kameraden' betrifft. Aufgrund der zahlreichen Wendungen und des äußerst unsteten, daher aber umso spannenderen Verlaufs handelt es sich folgerichtig auch um das absolute Highlight der Kollektion. Nie zuvor fieberte man so intensiv mit den Helden mit, und in keinem der vorherigen Parts war man bis zum Schluss in diesem Maße ratlos, was die Verdächtigung des Täters betrifft. Andererseits hat man auch hier den Humor nicht außer Acht gelassen, und wiederum ist es Watson bzw. Nigel Bruce, der für die sympathischen Pointen so manch aufregender Szene sorgt. Insofern liefert "Das Haus des Schreckens" alle Facetten des Holmeschen Kosmos: Witz, Eleganz, Spannung, Mysterium und Geist. Daher auch jede Wette, dass selbst den noch so begeisterten Holmes-Kenner hier der regelrechte Fanatismus packt – was im Übrigen auch für das Gesamtkunstwerk gilt, das diese Box darstellt.
Aufarbeitung
Die Aufarbeitung wiederum ist klassisch opulent; die Bildqualität mag zwar nicht die beste sein, und es gesellen sich gerade im dritten Teil eine Reihe enormer Unschärfen hinzu, doch darf man hier wegen des Entstehungsjahrs ein Auge zudrücken. Außerdem ist die Rekonstruktion der alten Bänder nach wie vor glänzend. Beim Ton muss man indes Abstriche machen, unter anderem auch, weil bei allen Filmen keine komplette Synchronisation vorliegt. Speziell in "Die Perle der Borgia" werden viele elementare Abschnitte lediglich in der Originalvariante angeboten, was in dem Sinne unverständlich ist, als sich die Handlung ohne diese Passagen ein wenig anders darstellt. So mancher aufschlussreicher Fakt ist damals im Schnitt hängengeblieben und findet erst heute den Weg zurück auf den hiesigen Bildschirm. Allerdings ist es mitunter anstrengend, wenn die Sprache während eines einzigen Dialogs mehrfach wechselt, was in besagtem zweitem Teil der Sets stets der Fall ist. Bei den übrigen Streifen kann man die durchaus dezenteren Wechsel hingegen leicht verschmerzen, da sie zumeist ganze Szenen abdecken. Davon abgesehen ist der Ton aber in erster Linie klar verständlich und transparent – die Hauptsache, wie man meinen mag!
Das Bonusmaterial beschränkt sich indes im Wesentlichen über das informative 24-Seiten-Booklet. Hier erfährt der Interessent einiges über die Hintergründe der Filme und ihre Erstausstrahlung. Außerdem ist ein Special über den Titelhelden im Radio angefügt, welches durch drei Hörspiele im englischen Original auf Disc 2 noch sehr schön ausgeweitet wird. Keine Frage, hier wurde das Mögliche herausgeholt!
Fazit
Es ist die beste der ersten drei Boxen, so viel steht definitiv fest. Der dritte Part der "Sherlock Holmes Collection" umfasst ausschließlich Höhepunkte des Genres und widerlegt auf jeden Fall die nicht selten vertretene Meinung, die Streifen um Rathbone und Bruce seien lediglich der B-Movie-Sparte zuzuordnen. Die Filme, ganz besonders "Die Kralle" und "Das Haus des Schreckens", sind über alle Maße spannend und präsentieren außerdem die beiden Hauptdarsteller in ihren besten Momenten bislang. Vor allem Nigel Bruce kommt immer mehr zur Geltung und stellt seinen stets aufgeweckten Kollegen trotz dessen unheimlicher Spürnase so manches Mal in den Schatten, meist in einer Form von Humor, die auch nach sechs Dekaden nichts von ihrem ursprünglichen Charme verloren hat. Die makellose Präsentation des Stoffes sowie die weitaus deutlichere Annäherung zu Doyles Ausgangsideen machen das Ganze schließlich zum unverzichtbaren Krimi-Event, den keiner, aber wirklich niemand, der Krimis mag, verpassen sollte. Hier trifft der Begriff 'Klassiker' vollauf zu.
- Redakteur:
- Björn Backes