Shikoku - Rückkehr zur Insel der Toten
- Regie:
- Shunichi Nagasaki
- Jahr:
- 1999
- Genre:
- Horror
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Shikoku
1 Review(s)
11.04.2005 | 08:23Nach 15 Jahren kehrt Hinako wieder in in ihr Heimatdorf auf der japanischen Insel Shikoku zurück. Dort geschehen nach dem Unfalltod ihrer Freundin Sayori merkwürdige Dinge. Geistererscheinungen ängstigen die Dorfbewohner. Auch ihr Jugendfreund Fumiya weiß nicht, welche Bewandtnis es damit haben könnte.
Hinako findet heraus, dass sich Sayoris Mutter seit Jahren dem alten Sakauchi-Ritual widmet, das, so besagt die Legende, einen Verstorbenen wieder ins Leben zurückrufen kann. Sie will ihre Tochter zurückhaben, die im Alter von 16 Jahren im Fluss ertrank. An einer uralten Ritualstätte vollendet sich das Bemühen der Mutter. Der Bannkreis, den die Schamanen gegen das Totenreich errichtet haben, wird zerbrochen und das Tor zum Reich der Nacht geöffnet ...
Filminfos
O-Titel: Shikoku (Japan, 1999), DVD: 10.03.2005 (Leihversion)
FSK: ab 16
Länge: ca. 100 Min.
Regisseur: Shunichi Nagasaki
Drehbuch: Kunimi Manda & Takenori Sento
Musik: Satoshi Kadokura
Darsteller: Chiaki Kuriyama (Sayori), Yui Natsukawa (Hinako), Michitaka Tsutsui (Fumiya) u. a.
Handlung
Im ersten Drittel steht ganz klar Sayori (Chiaki Kuriyama) im Mittelpunkt. Auf der abgelegenen japanischen Insel Shikoku, was übersetzt "Insel der Toten" bedeutet, haben Schamanen, Hexen und Aberglauben überdauert. Die junge Sayori wird in ein von einer Schamanin des Totengottes Myo abgehaltenes Ritual verwickelt, um herauszufinden, ob sie vom Geist eines anderen besessen ist. Zufällig wird ihre Freundin Hinako (Yui Natsukawa) Zeugin dieser Beschwörung. Sayori verpflichtet sie zum Schweigen. Denn Sayori ist eine der Frauen der Hiuras, die alle übernatürliche Kräfte haben. Hierzulande würde man 'Hexe' dazu sagen.
Sayori, Hinako und der etwas ältere Fumiya sind unzertrennliche Kindheitsfreunde, doch Fumiyas ist Sayoris Freund, nicht der von Hinako. Sayori rettet einmal Hinakos Leben, als diese zu ertrinken droht. Doch obwohl sich Sayori immer wünscht wegzugehen, ist es zuerst Hinakos Familie, die wegzieht, nach Tokio.
Fünfzehn Jahre später kehrt Hinako in ihr Heimatdorf auf Shikoku zurück. Sie ist eine adrett gekleidete Städterin geworden. Doch als sie hört, dass Sayori im Fluss ertrunken sei, als sie 16 war, ist sie traurig. Im Haus der Hiuras macht zwar niemand auf, doch sie sieht den Geist Sayoris. Fumiya ist auch wieder nach Hause zurückgekehrt, um in der Verwaltung zu arbeiten. Es gelingt Hinako, seine Freundschaft und schließlich seine Liebe zu gewinnen. Das hat verhängnisvolle Folgen.
Denn seit Sayoris Tod hat sich ihre Mutter nicht mit ihrem Tod abgefunden und will dem Totengott Myo ihre Tochter entreißen. Jahr um Jahr hat sie seitdem fünfzehnmal das Sakauchi-Ritual ausgeführt: eine Pilgerfahrt über 88 Stationen um die Insel herum, allerdings in umgekehrter Richtung. Damit will sie den von Schamanen erichteten Bannkreis gegen die Rückkehr der Toten brechen.
Als Hinako und Fumiya dies ungläubig herausfinden, belehrt sie ein Besuch bei einem Schamanen eines Besseren. Doch alle Gegenmaßnahmen kommen zu spät. Sayoris Mutter hat die 16. Pilgerreise vollendet und zelebriert das Sakauchi-Ritual erfolgreich: Sayori kehrt aus dem Totenreich zurück. Doch alles, was Sayori jetzt will, ist ihr früherer Geliebter Fumiya. Und der hat sich einer anderen versprochen.
Folglich kommt es zu einem Showdown mit einer Toten ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (Widescreen, anamorph)
Tonformate: D und Japanisch in DD 5.1 und D in DTS
Sprachen: D, Japanisch
Untertitel: D
Extras:
- 2 Originaltrailer (dt, jap.)
- Hinter den Kulissen
- Bio-Filmografien der drei Hauptdarsteller
- Interviews mit zwei Hauptdarstellern und dem Regisseur
Mein Eindruck
Regisseur Nagasaki hat den Film nach einer Erzählung gedreht, die das Legendenmaterial der Insel Shikoku auf ergiebige Weise verarbeitet. Ohne jemals den Boden des Hier und Jetzt zu verlassen, gelingt doch eine Rückkehr in ein Zeitalter, das man eher der Fantasy zuordnet. Diese Zeit ist nur an einem Ort zu finden, an dem eine uralte, heidnische Tradition aufrechterhalten wird. Eine Höhle mit einer schwarzen Säule davor, die in einem Teich steht - eine klassische Szenerie.
Dieser Ort sei schon lange nicht mehr besucht worden, heißt es, und er ist abgesperrt gewesen, doch jemand hat die Schutzsiegel zerbrochen. Dass dies die Mutter der toten Sayori war, liegt auf der Hand. Sie gebietet übernatürlichen Kräften, und dass sie ihre Tochter zurückhaben will, liegt nicht so sehr an ihrer Kindesliebe, sondern vielmehr daran, dass sie ihre Kräfte unbedingt in ihrer Familie weitervererbt wissen will - und das geht natürlich nur mit einer lebenden Sayori, die von einem Mann - Fumiya - ein Kind empfängt.
Der Zuschauer merkt also nach einer Weile, dass die Logik der Handlung durchaus Hand und Fuß hat: Es geht um das verderbliche Beharren auf einer schamanistischen Tradition - zumal auf einer weiblichen Tradition! -, die im modernen Japan keine Zukunft mehr hat. Diese Zukunft ist in Hinako verkörpert. Der Mann, Fumiya, steht gespalten zwischen den beiden Kräften Moderne und Tradition. Als seine tote Geliebte wieder erscheint und Anspruch auf ihn erhebt, muss er sich entscheiden. Wie, verrate ich nicht.
Dass die Rückkehr von Toten ins Reich der Lebenden für beide Seiten noch nie besonders gut ausgegangen ist, verdient kaum der Erwähnung. Der Zuschauer macht sich jetzt vielleicht Hoffnung auf ein zünftiges Blutbad à la George Romero oder wenigstens ein paar ordentliche Spezialeffekte, mit denen Hollywood jede noch so dröge Horrorstory aufpeppt.
Nichts dergleichen findet sich in "Shikoku". Das ist aber kein Manko. Vielmehr wirkt das wachsende Grauen ähnlich wie in den "Ring"-Filmen ("Shikoku" 1999 kam zur gleichen Zeit in die Kinos wie "Ring 2", das Original). Somit schwimmt "Shikoku" einerseits auf einer Genre-Welle mit, andererseits versucht es, Eigenständigkeit zu entwickeln, indem es die Legenden, sozusagen die "Akte X", seines Schauplatzes nutzt.
Shikoku ist sehr gebirgig, und einer der Berge ist heilig. Schamanen leben angeblich in dieser abgeschiedenen, ländlichen Region, und wer weiß - vielleicht gibt es hier noch verborgene Opferstätten und Ritualplätze aus vorbuddhistischer Zeit. Es ist ungefähr so wie die tiefen Wälder Maines, die H. P. Lovecraft in seinen Horrorerzählungen über die Großen Alten als Hintergrund für das Auftauchen schreckenerregender Wesen und Rituale verwendet hat.
Wer also Horror à la "Ring" sucht, wird zwar nicht ganz fündig, liegt aber nicht weit daneben. Immerhin aber lässt sich der Film nicht auf das Niveau des Schülerinnen-Horrors herab, der in Japan zur Zeit so erfolgreich ist (man beachte die Trailershow). Zwei der drei Hauptfiguren sind bereits in den Zwanzigern, nur die arme Sayori ist immer noch beziehungsweise schon wieder süße, schaurige sechzehn. Das angepeilte Publikum sind also keine Teenager, sondern reifere Personen, die etwas über Tradition und Moderne wissen.
Die DVD
Der DTS-Sound ist einfach wunderbar! Er erzeugt mit Leichtigkeit eine gruselige Stimmung, wo es nötig ist, und zwar vor allem mit den sehr tiefen Bässen. Um den Horror auszugleichen, weist der Film aber zahlreiche Melodien und einen Schluss-Song auf, die mit weichen Tönen und Harmonien die Nerven beruhigen. Dieser Rhythmus aus Besänftigung und Angsterzeugung ist virtuos gehandhabt und funktioniert von Anfang bis Ende.
Was in optischer Hinblick zunächst verblüfft, ist der häufige Einsatz der Handkamera. Die entsprechend verwackelten Bilder sollen den Eindruck der Authentizität vermitteln. Das ist ungefähr so, wie wenn man in einem Erzähltext plötzlich ins Präsens fallen würde: Das klappt nur bei spannenden oder emotional intensiven Szenen. Und mich hat dieses Stilmittel der Handkamera gestört.
Die Schauspieler sind nicht ganz unbekannt. Tatsächlich ist Chiaki, die die Sayori spielt, ein bekanntes Model in Japan und hat zudem in Tarantinos Film "Kill Bill Vol. 1" die Rolle der Teen-Killerin Gogo gespielt. Die schöne Yui Natsukawa war bei uns in "Zatoichi - Der blinde Samurai" zu bewundern. Diese Angaben lassen sich in den Bio-Filmografien nachschlagen. Seltsam, dass es diese für den Regisseur nicht gibt.
Nagasaki hat nämlich einiges zu sagen, das gar nicht dumm klingt. Er sieht aus, als wäre er schon fünfzig und muss einiges geleistet haben. Als ich die Doku "Hinter den Kulissen" sah, dachte ich, ich kann meinen Augen nicht trauen. Die Showdown-Szene an der Ritualsäule hat sage und schreibe 205 Takes! Das glaubt man erst, wenn man diese enorm wichtige Szene analysiert und sich ansieht, wie sie aufgebaut ist. Ein Wessi würde den Darstellern allerdings nicht gerade große Schauspielkunst bescheinigen, doch der Regisseur äußert sich zutiefst zufrieden. Merkwürdig - hier treffen offenbar westliche und japanische Sensibilitäten aufeinander.
Der Rest der DVD besteht aus Werbung, und die übergehe ich geflissentlich.
Unterm Strich
Die Story für "Shikoku" ist dicht und besteht aus entgegengesetzten Impulsen und dem Konflikt zwischen Tradition (Sayori) und Moderne (Hinako), zwischen denen sich ein Mann (Fumiya) letztlich entscheiden muss. Dass bei der Rückkehr einer Toten das Leben der ihr Begegnenden ein allzu frühes Ende findet, ist leider nur zu bekannt, doch wird hier auf plakative Splattereffekte verzichtet, sondern auf Grusel à la "Ringu" gesetzt.
Wenn die Produktion mehr Geld gehabt hätte, wäre ein prima Film daraus entstanden - so wie aus dem Mini-Budget-"Highlander", den Russell Mulcahy ursprünglich drehte, durch zusätzliche Aufnahmen, klangvolle Namen (Sean Connery!) und exzellente Ausstattung ein richtiger Kultklassiker gemacht wurde. Vielleicht erfährt "Shikoku" als US-Remake noch diese Ehre. Verdient hätte er es.
- Redakteur:
- Michael Matzer