Sisters - Schwestern des Bösen
- Regie:
- Brian de Palma
- Jahr:
- 1972
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Sisters
1 Review(s)
27.04.2005 | 06:55In der Hoffnung auf eine heiße Nacht bringt ein junger Farbiger das Fotomodell Danielle Breton nach Hause im New Yorker Stadtteil Staten Island. Als er am Morgen in Danielles Apartment erwacht und nach ein paar Besorgungen zurückkehrt, wird er brutal niedergestochen und verblutet.
Die Stadtteil-Reporterin Grace Collier, 25, beobachtet den Mord vom gegenüber liegenden Fenster aus, doch die alarmierte Polizei ist mit Recht skeptisch: Sie findet keinerlei Spuren eines blutigen Gemetzels. Niemand will Grace glauben, schon gar nicht ihre besorgte Mutter.
Auf Bitten ihres Redakteurs engagiert sie einen Privatdetektiv, um Danielle zu beobachten und deren Apartment zu durchsuchen. Joe Larch wird prompt fündig: Danielle ist Teil eines berühmten Paars siamesischer Zwillinge! Doch als er der in einem Möbelwagen abtransportierten Couch folgt, in der die Leiche versteckt ist, bleibt Grace zurück. Sie nimmt die Spur der mysteriösen Danielle alleine auf - und gerät in eine Psycho-Hölle ...
Filminfos
O-Titel: Sisters (USA 1972)
DVD: 17.02.2005, Eurovideo, www.epix.de
FSK: ab 18
Länge: 90 Min.
Regisseur: Brian de Palma
Drehbuch: Brian de Palma, Louise Rose
Musik: Bernard Herrmann ("Psycho", "Vertigo", "Citizen Kane", "Fahrenheit 451", "Schwarzer Engel")
Darsteller: Margot Kidder (Fotomodell Danielle Breton), Jennifer Salt (Reporterin Grace Collier), Charles Durning (Privatdetektiv Joseph Larch) u. a.
Handlung
~ 1. Akt ~
Nach einer bereits suggestiven Titelsequenz werden wir unfreiwillige Voyeure einer merkwürdigen Szene: In einem Umkleideraum, der offenbar für Männer gedacht ist, staunt ein junger Farbiger - Phil Woode - nicht schlecht, als eine junge Frau - Danielle Breton - hereinspaziert und beginnt, sich bis auf die Haut auszuziehen. Sie hat einen Blindenstock und eine große Sonnenbrille auf. Soll er die Blinde auf ihren Irrtum aufmerksam machen oder sich vornehm zurückziehen?
GONG! Dies ist die TV-Show "Am Schlüsselloch" (Peeping Tom) und die Kandidaten haben zu entscheiden, welche Verhaltensweise ritterlicher ist. Leider empfiehlt niemand die richtige Methode - die zwei Darsteller gewinnen daher. Sie bekommt ein Messerbesteck und er eine Eintrittskarte für ein Dinner-for-two im berühmten Restaurant "African Room". Doch dort werden die beiden Darsteller unsanft gestört. Es ist Emil, der schon in der Liveshow saß: Danielle sagt, er sei ihr Ex-Gatte, da wird er auch schon hinausgeworfen.
Dass Danielle auf der Fähre nach Staten Island von ihrer verschwundenen Schwester erzählt, mit der sie eine enge Verbindung hatte, sollte Phil zu denken geben, tut es aber nicht: Er küsst sie. Als sie in ihrem frisch bezogenen Apartment ankommen, bemerkt Phil zu seinem Verdruss, dass der Ex-Gatte vor dem Haus Wache hält. Was soll das werden? Durch einen einfachen Trick werden sie den Aufpasser los. Es wird ein schöner Abend ...
~ 2. Akt ~
Nun geschehen verschiedene merkwürdige Dinge, obendrein auch noch gleichzeitig. Jetzt heißt es, scharf aufpassen!
Danielle erwacht mit einem Kater und schluckt eine von den roten Pillen. Weil Phil Stimmen hört, erwacht er und steht auf. Zwei Frauen streiten sich. Woher kommt die zweite Stimme? Es ist Dominique. Doch die Kamera zeigt sie nicht, bewegt sich aber durch den Raum, so als wäre die Eigentümerin der Stimme unsichtbar. Dominique beschwert sich eifersüchtig über die Anwesenheit eines Mannes im Bett ihrer Zwillingsschwester. Phil geht dem Streit aus dem Weg und zieht sich an. Unabsichtlich wischt er die restlichen Pillen, auf die Danielle angewiesen ist, in den Abfluss.
Als er neue Pillen kauft, bemerkt er eine Bäckerei. Weil das Geschwisterpaar Geburtstag hat, will er noch eine Torte besorgen. Das dauert, denn der Schriftzug muss frisch angefertigt werden. Unterdessen - im kontrastierenden Gegenschnitt - sehen wir, wie sich Danielle in körperlichen Qualen auf dem Boden des Badezimmers windet und schließlich erstarrt.
Ist es wirklich Danielle, die Phil mit der frischen Torte am Bett überrascht? Das Tortenmesser liegt griffbereit, und Danielle (?) sticht ohne zu zögern zu. Phil bricht blutend zusammen. Als er zur Tür kriecht, sticht ihn die Frau von hinten in den Rücken. Er kriecht zum Fenster und schreibt mit Blut "HELP".
~ 3. Akt ~
SPLITSCREEN
Zur gleichen Zeit beobachtet Grace Collier, die Reporterin, vom gegenüberliegenden Fenster sowohl den Mord als auch die Entstehung des blutigen Hilfeschreis. Sie ruft die Polizei, die aber eine ganze Weile auf sich warten lässt. Während sie wartet, taucht Emil, der Ex-Gatte auf. Doch wir sehen nicht eine Frau im Bett, sondern eine erwachende Danielle auf dem Boden des Badezimmers.
SPLITSCREEN Ende
Emil verwischt alle Spuren, nachdem er mit Danielle die Leiche versteckt hat. Sie macht sich frisch, woraufhin er die Kleider des Opfers aufsammelt und sie samt Putzzeug in einen Plastiksack steckt. SPLITSCREEN. Als er den Korridor hinuntergeht, um das Haus zu verlassen, rennt er fast Grace und den Polizisten in die Arme. Um ein Haar wäre der Plan misslungen ... SPLITSCREEN Ende.
Da sich keine (verwertbaren) Spuren finden, ist für die Bullen der Fall klar. Für Grace aber auch: Sie glaubt, dass die Bullen Rassisten sind und einen Mord, den eine Weiße an einem Schwarzen begangen hat, unter den Teppich kehren wollen. Doch sie ist politisch engagiert und sympathisiert mit Studenten und Bürgerrechtlern.
~ 4. Akt ~
Da die Redaktion ihre Story haben will, engagiert sie einen Privatdetektiv. Joe Larch dringt in Danielles Wohnung ein und findet das Dossier über die Blanchions, die berühmten Siamesischen Zwillinge aus Kanada. Danielle ist eine davon, doch wo ist Dominique? Ist sie nur "verschwunden", wie Danielle behauptet, oder bei der Trennungsoperation gestorben?
Während Joe den Möbelwagen nach Kanada verfolgt, in dem sich die Couch mit der Leiche befindet, bleibt Grace daheim und wartet auf Nachricht von ihm. Als diese ausbleibt, besucht sie das LIFE Magazine in New York City. Ein Jahr zuvor hat Arthur MacLennen einen Artikel über die Blanchion-Zwillinge veröffentlicht. Die einzigen Siamesischen Zwillinge Kanadas wurden sogar auf einem Videoband dokumentiert, das MacLennen Grace vorführt. Darauf sieht sie zum zweiten Mal jenen geheimnisvollen Mann an Danielles Seite: Emil Breton, den Chirurgen, der vor einem Jahr die Zwillinge trennte. Welche Rolle spielt er in dieser Sache?
~ 5. Akt ~
Grace bleibt Danielle Blanchion und Emil Breton auf den Fersen. Sie hätte auf ihre Mutter hören sollen. Es gibt ein neuartiges Irrenhaus in der Nachbarschaft, und dort macht Grace auf sehr unangenehme Weise Bekanntschaft mit dem Geheimnis der Blanchion-Zwillinge ...
Mein Eindruck: der Film
Man muss den Film mehrere Male aufmerksam ansehen, um zu verstehen, was im 5. Akt passiert und was Emil Grace und Danielle antut. Jedenfalls ist die Polizei - der stets skeptische Detective Kelly - am Ende ziemlich frustriert und erstaunt. Wir sollten es eigentlich besser wissen, doch auch wir, der Voyeur als Publikum, können uns nur unter Schwierigkeiten einen Reim auf das Gezeigte machen. Deshalb werde ich keinen Deutungsversuch unternehmen. Das würde auch bedeuten, alles zu verraten, und davor werde ich mich hüten.
~ Die Hitchcock-Hommage ~
Vielmehr ist ziemlich offensichtlich, dass Brian de Palma eine hervorragende und packende Hommage an sein großes Vorbild Alfred Hitchcock gelungen ist. Das Ergebnis mag brutaler sein als das vielfach zu sehende "Dressed to kill", doch es ist einen intensiven Blick wert. Roland Kruse liefert eine umfassende Analyse, die ich hier nur skizzieren kann.
Ein perfekter Mord wird begangen: Es gibt eine Leiche, aber sie verschwindet buchstäblich spurlos. Die Durchsuchung des Apartments erinnert an "Cocktail für eine Leiche", und in der Tat wollte de Palma die Szene ebenso in nur einer Einstellung drehen, aber ebenso wie beim Vorbild klappte das nicht ganz. Dass Grace die Mordwohnung beobachtet, ist eine Reminiszenz an "Fenster zum Hof", in dem James Stewart den Beobachter spielt. Dass ihre Mutter Grace kein Wort glaubt, erinnert an "Der unsichtbare Dritte", wo Clark Gable seiner Mutter vergeblich zu erklären versucht, dass man ihn umbringen will.
Dass Dominique unsichtbar ist, ist ein Zitat aus "Psycho", in dem Norman Bates ständig mit seiner "Mutter" spricht. Szenen aus dem 5. Akt sind Verweise auf die Klassiker "Das Cabinett des Dr. Caligari" (1919), "Freaks" (1932) und "Rosemarys Baby" von Roman Polanski (1968). Die Szene im Restaurant "African Room" weist Reminiszenzen an "King Kong " (1932/33) auf und charakterisiert Danielle als eine von Monstern (Männern?) umkämpfte (weiße, unschuldige) Frau.
~ Look & Listen! ~
Dass "Sisters" trotz einiger blutiger Szenen aussieht wie eine teure Großproduktion, liegt einerseits an der sehr sorgfältigen Ausleuchtung der Szenen und andererseits an den trickreichen Stilmitteln der Optik. Fernglas-Optik wird durch eine entsprechende Linsenmaske imitiert.
Die schon 1970 aus der Mode gekommene Splitscreen-Technik (vgl. "Woodstock") wird von de Palma sehr effektiv eingesetzt, und zwar nicht nur dann, wenn die Schauplätze verschieden sind, sondern auch, wenn es sich um ein und denselben handelt - so etwa an der Tür zu Danielles Apartment. Die Wirkung ist natürlich wieder ein Verweis auf das Zwillingsthema und die trügende Oberfläche: haben wir es gerade mit der sanften Danielle oder der wütenden Dominique zu tun?
Im 5. Akt setzt de Palma eine Vielfalt von Optiken ein, so etwa die jenes Videobands, das Grace beim LIFE Magazine vorgeführt wurde. Nur um dann in die Realität eines Beobachtungsraums überzugehen. Diese Szene ist zudem unterlegt mit einem starken Halleffekt, der suggeriert, dass Grace, deren Erleben wir teilen, schwer unter Drogen steht. Die Schnitttechnik unterstützt den Eindruck eines Alb-Traumes, den Grace offenbar hat. In ihrem Traum taucht plötzlich auch Joe Larch auf sowie das ominöse Messer-Besteck ...
~ Der Vorspann ~
... ist ein kleines Kunstwerk für sich. Er bereitet den Zuschauer mit unheilvoller Musik auf das Horrorthema vor: die Folgen der Trennung von eineiigen siamesischen Zwillingen. Zunächst sehen wir nur einen kleinen Fötus, der uns durch ein schwarzes Auge zu beobachten scheint. Am Schluss sind aus dem einen Fötus unvermittelt zwei Föten geworden.
~ Die Musik ~
Die wahrscheinlich für den Erfolg des Films wichtigste Komponente ist allerdings Bernard Herrmanns fabelhafte Musik. Man denke an die eindringlichsten Momente in "Psycho" und "Vertigo", aber mit weniger romantischen Geigen, sondern fast durchweg dräuenden Holz- und Blechbläsern, die mitunter sehr tief erklingen (was Angstzustände hervorrufen kann). In den Schockerszenen setzt der Komponist auch Synthesizer ein - das jaulende Theramin dürfte damals bereits aus der Mode gekommen sein, denn der Synthi liefert gleichwertige Klänge.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph, Widescreen)
Tonformate: DD 2.0 Mono
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D; Englisch (mit nicht ausblendbaren Untertiteln)
Extras:
- "Sisters" auf dem Seziertisch: Anatomie eines Filmes (Texte mit Szenen-Links)
- Brian de Palma: Porträt des Filmemachers
- Original-Artworks: alternative Filmposter
- Animiertes Hauptmenü mit Musik
- Trailershow mit acht Trailern von www.epix-video.de
Mein Eindruck: die DVD
Während die Bildqualität durchaus erträglich ist, kann eigentlich niemand so recht mit der Tonwiedergabe in Mono zufrieden sein. Gerade die eindringliche Musik Bernard Hermanns - man denke an "Psycho" - erfordert doch eine optimale Ausarbeitung des Sounds. Diese ist unterblieben, was ich sehr schade finde. Immerhin kann man sich den Sound anhören, ohne Qualen zu leiden.
Ebenso unbefriedigend ist die Umsetzung der Dokumentationen: Es handelt sich um Texttafeln, die über den Rand des Bildschirms hinauslaufen, so dass man links und rechts rätseln muss, welche Wörter dort stehen.
Die "Anatomie eines Films" hat ein kenntnisreicher Journalist namens Roland Kruse auf der Grundlage von Interviews aus dem Jahr 1973 geschrieben. Seine Ausführungen wurden mit Links zu den jeweiligen Szenen versehen, die das Geschriebene illustrieren und belegen. Das funktioniert gut. Inhaltlich gibt auch das Regisseurporträt einiges her, und es ist auf dem aktuellen Stand von 2005. Der letzte aufgeführte Film ist "Black Dahlia", der bei uns noch nicht angelaufen ist.
Auf die alternativen Filmposter hätte ich gut verzichten können. Eine Bildergalerie wäre sinnvoller gewesen. Von der im Pressetext aufgeführten Doku "Hinter den Kulissen" konnte ich nichts entdecken.
Ebenfalls nicht optimal ist der Aufbau der Menüs, insbesondere des Tonmenüs. Natürlich ist auch hier Überbreite festzustellen, aber ärgerlicher ist der Umstand, dass für jede Tonspur ein separater Menüpunkt anzuwählen ist: Deutsch mit / ohne Untertitel für Hörgeschädigte, Englisch mit / ohne Untertitel für Hörgeschädigte (nicht ausblendbar). Während des Films sind die Untertitel nicht per Fernbedienung zuschaltbar, sondern der Zuschauer ist gezwungen, ins Menü zurückzugehen und die jeweilige Tonspur auszuwählen. Der Film beginnt dann nochmals von vorne.
Unterm Strich
Insgesamt, so bleibt festzuhalten, ist "Sisters - Schwestern des Bösen" kein billiges B-Movie, sondern ein ausgetüftelter und mit ausgeprägtem Formwillen gestalteter Psychothriller, der auf ein Happyend absichtlich verzichtet. Hier übte de Palma für Meisterwerke wie "Dressed to kill" und "Die Unbestechlichen". Es ist zu hoffen, dass noch weitere seiner vielen frühen Werke - wie etwa "Phantom im Paradies" (1974) - auf einer DVD zugänglich werden. Die vorliegende DVD-Realisierung lässt allerdings viele Wünsche offen.
- Redakteur:
- Michael Matzer