The Quiet Ones (Blu-ray)
- Regie:
- John Pogue
- Jahr:
- 2013
- Genre:
- Horror
- Land:
- Grossbritannien
- Originaltitel:
- The Quiet Ones
1 Review(s)
24.08.2014 | 17:26Der Dämon siegt: Poltergeist, komm raus!
England im Jahre 1974: Der erfolgreiche und unorthodoxe Professor Coupland (Jared Harris) ist für seine außergewöhnlichen Experimente bekannt. Seine neueste und recht ungewöhnliche Idee ist es, mit einer Gruppe seiner besten Studenten einen realen Poltergeist zu erschaffen. Unter der Annahme, dass negative menschliche Emotionen einen solchen hervorrufen, wird die junge Patientin Jane wissentlich in den Wahnsinn getrieben. Das, was dann folgt, hatte jedoch keiner der Teilnehmer erwartet... (Amazon.de)
Die Handlung basiert auf realen Begebenheiten des Jahres 1974.
Filminfos
O-Titel: The Quiet Ones (GB 2013)
Dt. Vertrieb: Ascot Elite
VÖ: 26.8.14
EAN: 7613059405134
FSK: ab 16
Länge: ca. 98 Min.
Regisseur: John Pogue
Drehbuch: John Pogue
Darsteller: Jared Harris (Joseph Coupland), Olivia Cooke (Jane Harper), Sam Claflin (Brian McNeil), Erin Richards (Krissi Dalton), Rory Fleck-Byrne (Harry) u.a.
Handlung
Oxford 1974. Die siebziger Jahre sind auch an der Uni Oxford eine Zeit, in der alles, was auch nur mystisch oder übernatürlich aussieht, interessant aussieht, denn alle lesen Carlos Castaneda. Aber Prof. Joseph Coupland fragt seine Studenten: "Was ist das Übernatürliche?" Er bereitet ein kleines, schlecht bezahltes Experiment an einem als hoffnungslos geltenden Fall vor.
Die achtzehnjährige Jane Harper ist durch so viele Waisenhäuser, Anstalten und Pflegefamilien gegangen, dass sie zu dem Experiment bereit ist. Krissi und Harry assistieren Coupland, der den Projektorbediener Brian O'Neill bittet, mit seiner Handkamera alle Phasen zu dokumentieren. Brian, der nicht mal ein Student ist, sagt dennoch zu. Die Sache klingt ungewöhnlich genug. Aber warum fragt ihn der Professor, ob er gläubig sei? Er weiß es selbst nicht.
Jane ist bleich, aber schön, findet Brian. Allein hockt sie in ihrem Zimmer im obersten Stock und spielt mit ihrer Puppe, die sie Evey nennt. Das an diesem Bild überhaupt nichts stimmt, findet Brian erst viel später heraus. Er ist vorsichtig, denn Jane gilt als besessen. Aber von was, kann keiner sagen. Jedenfalls soll es in ihren Pflegefamilien stets zu merkwürdigen "Vorfällen" gekommen sein. Jane selbst will ganz normal sein und wünscht sich, von Prof. Coupland geheilt zu werden. Coupland zitiert den jüdischen Talmud: "Wer nur eine Seele rettet, der rettet die ganze Welt." Dass er ganz persönliche Motive verfolgt, findet Brian erst später heraus.
Wegen Ruhestörung fliegt die Gemeinschaft aus der innerstädtischen Wohnung und muss ein leeres, renovierungsbedürftiges Haus auf dem Lande anmieten. Couplands Förderung wurde gestrichen, doch er macht weiter. Nun sind sie eine ihm verschworene Gemeinschaft. Eine "Familie" für Jane, wie er behauptet.
Evey
Dass Jane über telekinetische Fähigkeiten verfügt, wird nur vermutet. Coupland verabreicht ihr Drogen und hypnotisiert sie. Irgendwo in Janes Verstand vermutet Evey, Janes zweites Ich, und die soll raus kommen. Die Detektoren für das elektromagnetische Feld (EMF) schlagen aus. Nur mit ihrem Geist schlägt Jane/Evey dem Filmer die Kamera aus der Hand! Ha, was für ein Triumph - das wird begossen!
Aber das Jane eine junge Frau ist kann nicht ignoriert werden. Sie zieht sich für Brian aus, um es wie Krissi und Harry mit ihm zu treiben. Doch Brian wahrt noch seine Distanz. Enttäuscht reißt Jane ihrer Puppe alle Haare aus. Evey, das verborgene Ich Janes, will sich auch an Brian ran machen, doch auch sie wird davon abgehalten. Als Coupland Janes Arm mit einer Kerzenflamme verbrennt, geht Brian dazwischen: Offensichtlich hat er viel für sie übrig. Aber es trägt ihm einen scharfen Verweis von Coupland ein. Jane fragt Brian, ob Coupland wohl ein Seelenquäler sei?
Feuer
In den nächsten Sitzung verabreicht der Prof seiner "Patientin" die doppelte Dosis der Droge, damit er Evey befragen kann. Sie stellt sich Feuer vor, und es entzündet sich auf ihrer Haut. Bevor sie verbunden werden kann, nimmt Brians Kamera etwas Sonderbares auf: Eine lange rote Zunge schießt aus Janes Mund auf ihn zu und zieht sich gleich darauf wieder zurück. Einbildung - oder Wahrheit? "Nur Teleplasma", meint Coupland lapidar. Ein Kirlian-Foto von ihrem EMF beweist es: Da ist Evey. Wirklich?
Dann erscheint der Poltergeist. Geräusche auf dem Dachboden sind das erste, was die Gemeinschaft vernimmt. Wo ist nur Jane abgeblieben? Bei der Suche nach ihr erscheint ein unsichtbares Etwas und brennt allen Anwesenden sein Teufelszeichen in die Haut...
Mein Eindruck
Das Brandmal ist der erste konkrete Hinweis auf Eveys Herkunft, denn es hat ja eine Geschichte. Und endlich tut Brian mal was Vernünftiges: Er beginnt, in der Oxforder Bibliothek und in Couplands Zimmer zu recherchieren. Die Krankenakte Janes, Couplands Sohn, Janes wahre Identität - all dies hätte er eigentlich schon viel früher herausfinden können. Tja, wenn er etwas weniger autoritätsgläubig gewesen wäre und mehr an Jane geglaubt hätte.
So entdeckt er, dass Couplands Beziehung zu Jane schon viel länger besteht, als er vorgab. Vielleicht reichte sie sogar bis vor jenes Feuer zurück, als Jane noch Evey hieß und die einzige Überlebende eines mysteriösen Brandes war, der die gesamte Sekte, der sie angehörte, auslöschte. Es war eine Sekte, die jenes Teufelszeichen trug - und verehrte -, das nun auch Jane/Eveys neue "Familie" trägt. Und vielleicht wird sich das damalige Grauen aufs Neue wiederholen...
Vielleicht legt John Pogues Drehbuch ein wenig zuviel Wert auf den Begriff der Familie, den sein Prof. Coupland immer wieder thematisiert. Denn die zusammengewürfelte Familie ist auch dem Inzest ausgesetzt: Coupland küsst seine "Tochter" Jane vor Brians Augen, und Jane versucht, brian zu verführen. Die psychosexuellen Unterströmungen brechen durch, als Coupland Krissi zurückweist und diese eifersüchtig auf die neue Favoritin Jane macht. Das ganze Experiment droht auseinander zu brechen. Doch der Feuerdämon hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Es sind die tiefsten, unkontrolliertesten Emotionen, die den Feuergeist tätig werden lassen. zunächst wird er nur als Einbildung abgetan, genau so, wie sich niemand ohne Druck zu seiner Eifersucht bekennen würde. Der Feuergeist, den Coupland wie ein Zauberlehrling hervorrufen will, ist jedoch die sinnbildliche Verkörperung der psychosexuellen Beziehungen zwischen den am Experiment Beteiligten. Daher müssen alle das Teufelsmal erhalten.
Der Horror
Natürlich ist der einzige Grund, warum man einen Horrorfilm - zumal aus den berühmten Hammer Studios - ansehen will, der Horror. Darauf muss der Fan leider lange warten, denn dessen Erscheinen bzw. dessen Entstehung wird überaus sorgfältig vorbereitet. Sobald es mal soweit, dient die gesamte letzte Viertelstunde der Inszenierung des Übernatürlichen.
Coupland kennt keine Grenzen mehr, sondern setzt Jane/Evey rücksichtslos zu. Nun erscheint er als der klassische "mad scientist" in der Tradition eines Victor Frankenstein. Auffällige Jumpcuts unterstreichen seine unnatürliche Verhaltensweise. ("Jumpcuts" sind Schnitte, bei denen Bewegungsabläufe nicht aneinander anknüpfen, sondern sprunghaft. Der Grund sind weggelassene Bilder.)
Aber auch der Feuergeist kommt nun zu seinem Recht. Wie sehen eine verbühte Hand, ein Feuer fangendes Mädchen, eine Frau (Krissi), die durch die Luft gewirbelt wird - das ist alles ganz nett. Und dadurch, dass Brian bzw. seine Kamera all dies aufnimmt, entsteht eine Kombi aus "Found Footage" und "Mockumentary", ergänzt durch "objektive" Kameraaufnahmen, die den Zuschauer mitten ins Geschehen hineinzieht.
Polierte Oberfläche
Wir haben es also nicht mit einem Remake einer Vorlage aus den seligen fünfziger (Hammers Glanzzeit) oder siebziger Jahren (der amerikanischen Horror-Rebellion) zu tun, sondern mit einer modernen Weiterentwicklung. Die altgewohnten Mittel der Kamera scheinen ausgedient zu haben, denn nun werden die Bilder digital neu sortiert, eingefärbt, umgestaltet. Das alles bietet dem Auge jede Menge "eye candy" und Aha-Effekte, wusste mich aber nicht beeindrucken.
Der eigentliche Plot ist nämlich denkbar flach und einfallslos. Zwar behaupten die Macher des allgemein anerkannten Meisterwerks "Die Frau in Schwarz", dass "The Quiet Ones" mindestens so gut sei, aber das betrifft wohl nur die Oberfläche. Die Figuren entwickeln sich zwar rasch und deutlich weiter, was ich begrüßte, doch die Handlung selbst bietet wenig Überraschungen.
Distanz & Parodie
Natürlich liefert der Film die obligatorischen Schockmomente, aber sie berühren nicht. Wo bleibt der Schmerz der Vorausahnung kommenden Unheils in Janes Augen? Wo das Mitgefühl um ihren nahen Tod? Die beste Schauspielerin ist zweifellos Olivia Cooke, die Darstellerin der Jane/Evey. Brian, ihr Möchtegern-Liebhaber, wird stattdessen gegen Coupland in Gang gesetzt, um Jane zu schützen. Das ist zwar folgerichtig und sorgt für Action, doch diese Action wird dann so überkandidelt, dass sie wie eine Selbstparodie alter Hammer-Filme wirkt. Weniger wäre eindeutig mehr gewesen.
Die Pointe hingegen fand ich wieder witzig. Immer wieder hat Brian als Ersatz einer Klappe zwei Handflächen aufeinandergeschlagen, wodurch ein Knall entstand. Nun sitzt er allein in einem Vernehmungszimmer in der Kriminalpsychiatrie: Hat er nicht alle umgebracht und als einziger überlebt? Brian hebt die flachen Hände, wie um ein Klappezeichen zu schlagen, doch was diesmal zwischen seinen Handflächen erscheint, ist Rauch...
Die Blu-ray
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (anamorph)
Tonformat: DTS HD Master Audio 5.1 in Deutsch, DTS HD Master Audio 5.1 in Englisch
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
1) Featurette
2) Film Clip
3) B-Roll
4) Soundbites: Jared Harris, Sam Claflin, Erin Richards, Rory Fleck-Byrne, Olivia Cooke, John Pogue, Ben Holden, and Simon Oakes
5) UK Trailer, 2 US Trailer, TV Spots, Originaltrailer
6) Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-ray
Die hohe Qualität von Bild und Ton dokumentiert die vielfältigen Möglichkeiten der Digitaltechnik, die heutzutage bereits kostengünstig zu nutzen ist (wie schon bei Gordon-Levitts "Don Jon" deutlich dokumentiert wurde). Der Soudntrack besteht hauptsächlich aus Hits der Seveties, etwa von Slade, T.Rex und - als Abspannsong - "Silver Machine" von Hawkwind.
Etwas weniger beeindruckend ist die verstörende Tatsache, dass die Synchronisation massiv von den deutschen Untertiteln abweicht. Was das soll, ist mir schleierhaft. Wer des Englischen ausreichend mächtig ist, sollte daher zum Original greifen. Der O-Ton klingt auch immer viel besser.
EXTRAS
1) Featurette (2 min)
Der Trailer, gemischt mit zwei, drei Statements aus den Interviews.
2) Film Clip (00:44 min)
Ein Ausschnitt aus dem Film, im O-Ton mit Musik und Untertiteln.
3) B-Roll (2:12 min)
Unkommentierte Eindrücke von den Dreharbeiten, unterlegt mit Musik.
4) Interviews (ca. 20 min., OmU)
a) Jared Harris (Coupland; 3:22)
b) Sam Claflin (Brian McNeill, 4:20)
c) Erin Richards (Krissi Dalton; 1:00)
d) Rory Fleck-Byrne (Harry; 1:35)
e) Olivia Cooke (Jane/Evey; 1:30)
f) John Pogue (Regie/Skript; 4:15)
g) Ben Holden (Produzent; 2:15)
h) Simon Oakes (CEO von Hammer Films; 2:04)
Anhand der Laufzeiten der Interviews lässt sich leicht ablesen, wen die Macher für wichtig hielten und wen nicht. Die Nebenrollen von Erin Richards und Fleck-Byrne fallen in die "Unwichtig"-Kategorie, aber leider auch die Hauptdarstellerin Olivia Cooke. Das finde ich unfair.
Dass Jared Harris, der Darsteller des Prof. Coupland, viel zu sagen hat, habe ich erwartet, und auch Sam Claflin, dem Newcomer aus "Snow White and the Huntsman", wird viel Zeit eingeräumt. Schließlich sehen wir das Geschehen aus Brians Kamerablickwinkel (und dass die Kamera grundsätzlich immer lügt, dürfte schon bald klar sein). Brian ist der Außenseiter, der Chronist, schon klar. Aber macht das seine Darstellung weniger subjektiv? Immerhin ist er ja in Jane, das Objekt seiner Kamera-Aufnahmen, verliebt.
Dieses Darstellungs- und Wahrnehmungsproblem fasst John Pogue konzis zusammen. Es läuft auf die Frage hinaus, ob Jane etwas wirklich Okkultes ist oder doch nur etwas, was sich alle "Familienmitglieder" einbilden. Der Anklang an die Manson Family ist offenbar gewollt, und deren Mitglieder ermordeten ca. 1969 Roman Polanskis schwangere Frau Sharon Tate. (Manson lebt übrigens immer noch; zum Glück noch HINTER Gittern.)
Der Produzent Ben Holden und der Chef der Hammer Studios äußern ihre Ansichten, was sie wollten und wie gut es ihnen doch gelungen ist. Wenigstens klopfen sie sich nicht gegenseitig auf die Schultern.
5) UK-Trailer, 2 US-Trailer, TV-Spots, Originaltrailer
Jede Menge überflüssige Trailer, die man sich sparen kann.
6) Trailershow
a) Northmen
b) Am Sonntag bist du tot
c) Wer
d) The Pact 2
e) Snowpiercer
f) Proxy
g) 7th Floor
h) Rigor Mortis
i) Die Höhle
Unterm Strich
Am Anfang bemüht sich die Handlung, die auf einem authentischen Fall beruht, um Suspense und die Imitation der gruseligen Stimmung eines Schauerromans (Gothic à la Mary Shelley, "Monk" Lewis und Polidoris "Vampyr"). Aber der Charakter eines Experiments à la Frankenstein bleibt durchweg erhalten - und erweist sich als Täuschung, denn Prof. Coupland hat viel persönlichere Motive.
Diese Motive haben mit psychosexuellen Mechanismen zu tun. Die Distanz zwischen Wissenschaftler und Patient, Beobachter und Objekt werden sukzessive aufgehoben. Etwas viel Fundamentaleres verschafft sich Geltung: die psychosexuellen Beziehungen innerhalb einer Familie. Tatsächlich sind es Eifersucht, Begehren, Hass, Liebe, die sich Bahn brechen. Sind sie es, die den Dämon erschaffen - oder wartete der Dämon nur auf seine Erweckung? Die Erklärung ist einerlei, denn das Ergebnis bleibt gleich: Alle müssen sterben - außer einem, dem Chronisten, und der ist verrückt. Nennt ihn Ishmael (wie den Erzähler von "Moby Dick").
Es ist schon richtig, was der Produzent und der Regisseur sagen: Das ist weder ein Splatterfest noch ein Gewaltporno. Aber es bleibt auch nicht bei der gediegenen Gothic-Gruselstimmung nach dem Vorbild der Hammer-Studio-Klassiker, sondern kippt im Finale geradezu in eine Selbstparodie um, als Couplands "mad scientist" außer Rand und Band gerät. Hier hätte sich die Regie mehr Disziplin auferlegen und dem Mitgefühl mehr Geltung einräumen müssen. Weniger ist eben manchmal doch mehr.
Die Blu-ray
Die Qualität von Bild und Ton ist zwar erstklassig, wie das von einer Blu-ray erwartet werden darf. Doch das Bonusmaterial besteht hauptsächlich aus Werbung, die man getrost vergessen kann. Die Interviews bringen nur wenige Erkenntnisse.
Am schlimmsten fand ich jedoch die Diskrepanz zwischen deutscher Synchronisation und deutschen Untertiteln. Das erzeugt Misstrauen. Wer kann, sollte auf die O-Fassung ausweichen.
Warum dieser Film erst ab 16 Jahren freigegeben ist, will mir auch nicht einleuchten. Hier gibt es keinen Splatter, höchstens mal ein Brandzeichen.
Michael Matzer (c) 2014ff
- Redakteur:
- Michael Matzer