Tiefseetaucher, Die
- Regie:
- Wes Anderson
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Komödie
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Life Aquatic with Steve Zissou
1 Review(s)
05.10.2005 | 07:19Wes Anderson hat wieder mal zugeschlagen. Nach seiner starbesetzten und verschrobenen Komödie um einen Familienclan – "The Royal Tenenbaums" (2001) – beglückt er uns nun mit einer Hommage an die Filme des Unterwasserforschers Jacques-Ives Cousteau. Und die ist nicht minder verschroben und starbesetzt – auch hier sind wieder Bill Murray, Angelica Huston und Owen Wilson mit von der Partie; und zusätzlich noch so hochkarätige Darsteller wie Cate Blanchett, Jeff Goldblum und Willem Dafoe. Aber da Stars schließlich nicht alles sind, wagen wir einmal einen näheren Blick auf diesen Film.
Steve Zissou (Bill Murray) konnte sich einen Namen als Meeresforscher und Dokumentarfilmer machen, obwohl seine Fähigkeiten in beiden Bereichen wohl eher als beschränkt beschrieben werden können. Nur seit einiger Zeit haben ihn das Glück und auch der Erfolg verlassen. Sein letzter Film ist alles andere als ein Kassenschlager, sein bester Freund wird während der Dreharbeiten von einem ominösen Jaguarhai getötet, an dessen Existenz niemand außer Zissou selbst glaubt, dann laufen ihm auch noch seine Geldgeber und seine Frau (Anjelica Huston) – auch eine Art Geldgeber – weg. Und zu allem Überfluss taucht auch noch ein gewisser Ned (Owen Wilson) bei Zissou auf, der sich als sein unehelicher und bisher auch unbekannter Sohn vorstellt.
Doch Zissou ist zu starrsinnig, um sich von solchen Schicksalsschlägen aufhalten zu lassen. Er bricht zu seiner nächsten Expedition auf. Mit an Bord sind neben der üblichen Crew (Willem Dafoe u. a.) unter anderem die schwangere Reporterin Jan (Cate Blanchett), die eine Titelstory über ihren Held der Jugend schreiben möchte, und Ned, dessen Anwesenheit Zissou für eine Vater-Sohn-Beziehung im nächsten Film ausschlachten möchte. Ziel der Expedition ist das Aufsuchen des Jaguarhais – allerdings nicht, um ihn zu erforschen, sondern um sich an ihm zu rächen.
Doch die Reise verläuft nicht ganz nach Plan: Es kommt zu Spannungen innerhalb der Besatzung und allerlei Verwicklungen, und eine Gruppe schwer bewaffneter Piraten und Zissous Erzfeind Alistair Hennessey (Jeff Goldblum) sorgen für einige Probleme.
Irgendwie wirkt jeder Wes-Anderson-Film ein wenig schräg, und "Die Tiefseetaucher" ist dabei – zum Glück – auch keine Ausnahme. Ein eigenes kleines Universum hat Anderson geschaffen, das zum Teil wirkt wie die Wirklichkeit, die wir kennen, zum Teil aber auch nicht. In gewisser Weise geht es bei dem Film auch ums Filmemachen; und die Mannen um Steve Zissou tragen gerne einmal dick auf, wenn es um die filmische Darstellung der 'Heldentaten' der Forschergruppe geht. Folglich verschmelzen auch in diesem Film-im-Film, der dem Zuschauer auch in Ausschnitten gezeigt wird und der wegen seines kaum gelungenen Umgangs mit dem Medium immer wieder für Erheiterung sorgt, Realität und Dichtung – hier allerdings für den Zuschauer offensichtlich, dem auch das Drumherum gezeigt wird. Ebenso wie die Filmwelt an sich zweifellos nur eine Phantasiewelt sein kann, was vor allem die skurrilen im Computer entstandenen Aufnahmen allerlei herrlich schräger und garantiert nicht-existenter Meerestiere zeigen.
Und so soll wohl an der Mediengläubigkeit des Zuschauers gerüttelt werden, der vielleicht ein ähnlich hohes Vertrauen gegenüber journalistischen Arbeiten an den Tag legt wie Zissou. Der wird in einer Szene gefragt, wie er denn von der Existenz seines Sohnes erfahren hat, und er antwortet: "Aus der Zeitung". Tja, und wenn es da steht, muss es wohl stimmen.
Allerdings sind gerade in der Film- und Fernsehbranche zumindest leichte Modifikationen der Realität längst gang und gäbe. Da werden die Wohnzimmer von Interviewten umgeräumt, damit sie auf Film besser wirken oder damit die Lichtverhältnisse günstiger sind, Sachverhalte werden nachgestellt und als authentisch präsentiert und kleine Änderungen an tatsächlichen Gegebenheiten vorgenommen, um eine bessere Dramaturgie zu erzielen. Alles keine Besonderheiten, und doch wird das wenigste davon vom Konsument bewusst wahrgenommen.
Zissou geht ähnlich vor, um seinen Film dramatischer zu machen: So lässt er eben mal seinen vermeintlichen Sohn Ned im Wasser absaufen, um Aufnahmen von seiner Wiederbelebung machen zu können. Auch seine persönliche Beziehung zu Ned wird für den Zissou-Film verbraten, allerdings wirkt diese immer sehr distanziert und unecht – sehr zur Freude der Zuschauer des Anderson-Films, die über die Unfähigkeit Zissous, diese Beziehung geschickt in Szene zu setzen, ausgiebig lachen können.
Doch leider hat ein Dokumentarfilmer wie Zissou nicht immer alles im Griff, und gerade das, was aus dem Ruder läuft, sorgt in Komödien ja für gewöhnlich für die Unterhaltung. Leider wird er nämlich im Gegensatz zu den Machern vollkommen fiktiver Filme doch immer wieder von der Realität eingeholt. Das gilt schon für den anfänglichen Tod seines besten Freundes, der leider alles andere als inszeniert ist. Auch der Piratenüberfall – so medienwirksam er auch sein mag – ist alles andere als im Sinne Zissous. Tja, und schließlich entwickelt sich auch noch eine echte Vater-Sohn-Beziehung zwischen ihm und Ned. Wirkliche Menschen lassen sich eben doch schlechter lenken als Schauspieler.
Und diese wirklichen Menschen werden von dem anfangs erwähnten Star-Ensemble auch auf faszinierende Weise ins Leben gerufen. So fällt es nicht schwer zu glauben, dass die Rolle des kauzigen und eigensinnigen Steve Zissou dem grandiosen Bill Murray auf den Leib geschrieben wurde. Ich könnte mir kaum jemand anderen in dieser Rolle vorstellen. Aber auch die anderen Schauspieler stehen dessen Leistung in nichts nach. Jemanden hervorzuheben, ist dabei keine leichte Aufgabe, denn irgendwie trägt jeder seinen Teil zum Zissouschen Mikrokosmos bei, der trotz der erwähnten Überspitzung der Realität immer seine Glaubwürdigkeit behält – sei es nun die hochschwangere Cate Blanchett als Reporterin, die gerne auch mal unangenehme Fragen stellt, Willem Dafoe als Crewmitglied Klaus mit dem deutschen Akzent (bzw. in der deutschen Fassung mit schwäbischem Dialekt), der eine merkwürdige Beziehung zu Zissou unterhält, oder Jeff Goldblum als arroganter Schnösel, der sich gerne in großen Posen inszeniert.
Das allein macht den Film schon zu einer Empfehlung, aber er hat noch mehr zu bieten. Neben dem verschrobenen Humor begeistern vor allem einige abgedrehte Szenen, die schon fast surreal anmuten, wie etwa eine Aktion, in der eine Geisel aus den Klauen der Piraten befreit wird. Und das Ganze kommt noch mit einem einzigartigen Set-Design – hier sei vor allem die Ausstattung des Forschungsschiffs Belafonte hervorgehoben – daher, das für leichtes Befremden sorgt und damit das Spiel zwischen Realität und Über-Realität, das Anderson betreibt, noch unterstreicht.
Wer auf Filme mit verschrobenem Humor steht, die eine etwas alternative Sichtweise auf den Lauf der Dinge darstellen, kann bei "Die Tiefseetaucher" gar nichts falsch machen. Wes Anderson ist wieder einmal ein grandioser Film gelungen, der erneut durch dessen ureigenen Stil begeistert und durch seine Überhöhung der Realität auch einen Kommentar über das Filmemachen selbst abgibt. Eine klare Empfehlung von meiner Seite.
Die DVD von Buena Vista Home Entertainment präsentiert den Film in Englisch, Deutsch und Türkisch mit einer Vielzahl optionaler Untertitel. Das Bild wird im Format 1:2,35 und anamorph abgetastet. Als Extras gibt es ein kurzes Featurette mit den üblichen lobhudelnden Schauspieler-Statements, eine Reihe von Deleted Scenes, die man im Film nicht wirklich vermisst, und einen informativen Audiokommentar von Wes Anderson und Co-Autor Noah Baumbauch, bei dem aber seltsamerweise immer der Name "Cousteau" als Inspirationsquelle überpiept wurde. Anscheinend ist wohl die Cousteau Foundation nicht ganz so begeistert von dem Film.
- Redakteur:
- Andreas Fecher