Tod trägt schwarzes Leder, Der
- Regie:
- Massimo Dellamano
- Jahr:
- 1974
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Italien
- Originaltitel:
- La polizia chiede aiuto
1 Review(s)
19.08.2005 | 07:41Dynamische Ermittlungen bei ehrenwerten Herren
Ein junges Mädchen wird erhängt aufgefunden. Commissario Valentini (Mario Adorf) glaubt nicht an Selbstmord. Mit der Staatsanwältin Vittoria Stori (Giovanna Ralli) kommt er einem Päderasten-Ring auf die Spur, in dessen Umfeld ein brutaler Killer sein Unwesen treibt. (Herstellerinfo)
Filminfos
O-Titel: La polizia chiede aiuto (Italien 1974)
DVD-Hersteller: Koch-Media 2005
DVD im Handel seit dem 05.08.2005
FSK: ab 18
Länge: 87 Min.
Regisseur: Massimo Dellamano
Drehbuch: Massimo Dellamano, Ettore Sanzo
Musik: Stelvio Cipriani
Darsteller: Mario Adorf, Giovanna Ralli, Claudio Cassinelli u. a.
Handlung
Commissario Valentini (Adorf) und die zweite Staatsanwältin Vittoria Stori (G. Ralli) werden nach einem anonymen Tipp zu einem Tatort in Mailand gerufen: Auf dem Dachboden hängt ein totes Mädchen nackt von der Decke. Doch dass sie sich erhängt hat, will Valentini nicht so recht glauben. Das Mädchen war erst 15, aber bereits im zweiten Monat schwanger, in Scheide und After findet sich Sperma. Das sieht mehr nach einer Prostituierten aus.
Ein Kollege namens Silvestri (Claudio Cassinelli) übernimmt den Fall und entdeckt im Nachbarhaus einen Spanner, der mit seinem Fotoapparat Aufnahmen von der nackten Leiche machen will: Der Mann heißt Paglia und wird verhaftet, später aber auf Geheiß des Oberstaatsanwalts freigelassen. Aber auf seinen Fotos sieht Silvestri, wie sich die Tote mit einem jungen Mann der Liebe hingibt. Schon wenig später ist sie identifiziert: Silvia Polvesi, Tochter reicher Eltern aus Mailand. Sie waren nach Afrika verreist, finden nun ihr Kind tot vor. Der Junge auf den Fotos, Marcello, hatte mit Silvia Schluss gemacht, weil sie ihm untreu war. Sie war ein Callgirl. Doch wer vermittelte sie?
Die Polizei findet die Wohnung, in der Silvia getötet worden sein muss. Pornomagazine, ein Spiegel an der Decke, ein leeres Tonbandgerät: ohne Zweifel das Liebesnest - und es wurde abgehört. Wo sind die Bänder? Im Bad findet sie eine blutige Sauerei vor: Es muss noch jemand getötet worden sein. Die Presse macht Druck und will endlich die Öffentlichkeit informieren. Auch der Polizeipräsident will Ergebnisse sehen. Silvestri kommt ins Schwitzen.
Die Mutter von Silvia Polvesi, die bei Silvia Verhütungspillen gefunden hatte, schaltete einen Privatdetektiv ein: Ruggiero Talenti. Den findet die Polizei erst nach einer längeren Suche im Kofferraum seines Wagens: enthauptet. Talentis Ex-Frau verweist auf dessen Geliebte, seine Sekretärin Rosa. Die liegt seit Monaten in einer teuren Privatklinik - wie konnte Talenti ihre Operationsrechnungen bezahlen? Hatte er jemanden erpresst? Vielleicht den Psychiater Prof. Beltrame, der Silvia (und einige andere Mädchen) psychologisch untersuchte, leider ohne Befund, wie er behauptet.
Rosa hat etwas Wichtiges verschwiegen: Sie hat Talentis Tonbänder versteckt. Als sie mitten in der Nacht bei der Polizei anruft, um dies auszusagen, befindet sich ein in schwarze Lederkluft (Titel!) und Bikerhelm gekleideter Killer mit einem Metzgerbeil bereits auf dem Weg zu ihrem Krankenzimmer. Kann Kommissar Silvestri rechtzeitig eintreffen und den Killer aufhalten?
Mein Eindruck: der Film
Das ist noch nicht einmal die Hälfte des dichten und langen Plots, der sich zu einem spannenden Finale steigert. Denn die Kardinalfrage besteht ja darin, wer denn die Kunden und der Rädelsführer des Callgirl-Rings waren, dem Silvia angehörte. Die Ermittlung birgt für Silvestri, Ralli und Valentini noch einige unangenehme Überraschungen. Offenbar sind fünfzehnjährige Mädchen eine äußerst bedrohte Spezies. Und was für die Ermittler das Allerhärteste ist: Sie können die ranghöchsten Kunden nicht einmal belangen!
~ Action ~
Nicht nur kriminalistische Spannung vom Feinsten bietet der Streifen, sondern auch rasante Action in Form von Verfolgungsjagden. Die Kamera steht einmal nur wenige Zentimeter von der Stoßstange eines schleudernden Autos entfernt! Auch das Stalking in einer Tiefgarage ist nicht ohne; die Szene, in der die Staatsanwältin Schutz in der Liftkabine sucht, verströmt geradezu Hitchcock'sche Klaustrophobie à la "Psycho". Durchgehend hervorragend ist der Schnitt von Antonio Siciliano, der diese Sequenzen optimal zur Geltung bringt.
~ Splatter ~
Der Zuschauer sei aber eindringlich vor einer Reihe von Gore- und Splatter-Effekten gewarnt, zu denen eine abgehackte Hand und meterweit spritzendes Blut gehören. Der Showdown mit dem Killer lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der in Teile zerlegte Körper des unglücklichen Privatdetektivs Talenti ist ebenfalls kein schöner Anblick. Seine sitzen gelassene, betrogene Ex-Frau ist nicht gut auf ihn zu sprechen, aber dieser Anblick bringt auch sie zum Schreien. In diesem Film hatten die Prothesenhersteller einiges zu tun.
~ Die Girls ~
Neben den oberflächlichen Schauwerten bietet "La polizia chiede aiuto" eindringliche Szenen, die ein entlarvendes Licht auf die Kinderprostitution und die Päderasten werfen (man achte auf die Untertitel!). Die Tonbänder von Talenti enthüllen Silvestri und Stori eine seltsame Welt der Scheinheiligkeit und Brutalität. Einer der Hurenböcke meint zu seinem Girl: "Nun treten wir ein in unsere glückliche Welt." Eines der abgebrühteren Girls meint zu seinem Freier: "Du kriegst nur ne halbe Stunde." Obwohl er für eine ganze Stunde bezahlt hatte. Wer hier wen missbraucht, ist eine verschwimmende Grenze. Der Hammer ist, dass die sieben fraglichen Mädels in eine Klosterschule gehen. Sie ist ganz am Anfang im Bild.
Die bewegendste Sequenz ist sicherlich jene, als Valentini (Adorf) entdecken muss, dass auch die Stimme seiner Tochter Patrizia auf einem Band zu hören ist. (Das hat Silvestri entdeckt.) Als Patrizia zur Rede gestellt wird, spiegeln sich in ihrem Gesicht sowohl das Kind als auch schon die erwachende Frau.
~ Die Dimension der Politik ~
In drei "Film im Film"-Szenen wird deutlich, dass der Fall von politischer Dimension ist. Bei einer Studentendemo, die von der Polizei gefilmt wurde und die Stori zu sehen bekommt, ist das Gesicht Silvia Polvesis zu sehen. Offenbar sind die Unruhen im Windschatten des Jahres 1968 immer noch nicht vorüber. Bei der zweiten solchen Szene handelt es sich um einen TV-Bericht über die jagd nach dem Killer. Und Nr. 3 zeigt die Beerdigung von Prof. Beltrame. Silvestri hat die Gäste ablichten lassen. Unter ihnen befindet sich ein weiteres weibliches Opfer, aber auch einer der Kunden: der Justizminister! (Dieser ist einmal kurz auf einem Foto im Kommissariat zu sehen.) Leider ist dieser Mann unantastbar. "Was wollen Sie, Silvestri - den Staat in die Luft sprengen? Sie sind doch Staatsdiener!", fragt der Oberstaatsanwalt am Schluss. Darauf hat Silvestri nur eine Antwort: "Va fanculo!", was in der deutschen Synchro als "Leck mich am Arsch!" bzw. in der englischen als "Go fuck yourself!" übersetzt wird.
~ Musik ~
Der Score von Stelvio Cipriani ist durchgehend optimal an die Handlung angepasst. Sicherlich: Die Instrumentierung ist eindeutig aus der Zeit des ersten "Emmanuelle"-Films und manchmal entsprechend sentimental. Aber die Actionszenen und Verfolgungsjagden könnten aus jedem beliebigen James-Bond-Streifen stammen. Die straffe Ökonomie im Rhythmus von Schnitt und Tempo treibt die Handlung ebenso voran wie die Inhalte.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (16:9)
Tonformate: DD 2.0
Sprachen: D, I, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- acht-seitiges Booklet von Christian Keßler
- Dt., ital. und engl. Original-Kinotrailer
- Bildergalerie mit Standfotos von 18 Szenen
Mein Eindruck: die DVD
~ Bild und Ton ~
Das Bild ist von einer erstaunlich hohen, gestochen scharfen Qualität, die es denkbar erscheinen lässt, es auch auf HD-Geräten wiederzugeben. Wer z. B. die lausige Qualität von "Emmanuelle 1" aus dem gleichen Jahr 1974 gesehen hat, wird umso dankbarer sein. Gleiches Lob kann man leider nicht dem Sound zollen. Obwohl er sicherlich aufbereitet wurde, sind doch auf meinem Equipment bei größerer Dynamik Unsauberkeiten in der Wiedergabe zu bemerken. Das ist zwar schade, aber bei DD 2.0 Mono-Sound wohl nicht anders zu erwarten.
~ Die Untertitel ~
Eine genauere Untersuchung der DVD fördert einige Merkwürdigkeiten zutage. Die deutschen Untertitel weichen erheblich von der deutschen Synchronisation ab, weil sie sich an das italienische Original halten, welches wesentlich expliziter ist. Was einmal als "Was für ein Theater um vier Schläge auf den Arsch" übersetzt wird, heißt in den Untertiteln "Was für ein Theater um viermal ficken!".
Jede Tonspur muss vor dem Filmstart separat ausgewählt werden. Wer in der deutschen Tonfassung englische Untertitel wie angeboten sehen möchte, wird sie lange suchen müssen: Sie erscheinen erst im letzten Bild, als Übersetzung eines italienischen Epilogs. Der Rest ist Leere. Und was noch seltsamer ist: Sie tauchen in der englischen Fassung nicht auf. Dort muss man sich mit Englisch in amerikanischem Akzent - und noch dazu zensiert (s. o.) begnügen.
~Die Extras ~
Die drei Trailer unterscheiden sich voneinander. Setzt der deutsche Trailer auf Action, Gewalt und Grauen, so legen die identischen italienischen und englischsprachigen Trailer mehr Wert auf Psychologie, woraus das Grauen entsteht, welches sich dann wiederum in Action entlädt. Wer der angegebenen Zeitlinie folgt, bemerkt, dass die Aufklärung des Falles von 1972 bis 1974 dauert, also mindestens anderthalb Jahre. Der Plot wurde also erheblich verdichtet.
~ Das Booklet ~
... enthält eine Filmrezension von Christian Keßler, der sich enthusiastisch über den Film auslässt. Dankbarerweise hat er auch eine Biografie des Regisseurs Dellamano (1917-76) beigefügt. Allerdings redet Keßler von einer "toten Vittoria", er meint aber die aufgebahrte Silvia (Polvesi). Welche Fassung hat er gesehen? (Die einzige Frau, die Vittoria heißt, ist die Staatsanwältin, aber sie überlebt.) Das Booklet enthält einige der Fotos aus der Bildergalerie in Vierfarbdruck: ein angenehmer und nicht billiger Service.
~ Verpackung ~
Die CD steckt in einer aufklappbaren Pappbox, in deren Innenseite das Booklet eingesteckt ist. Diese Box wiederum steckt in einem Schuber, der ebenfalls vierfarbig bedruckt ist.
Mehr Infos: http://www.dvd-klassiker.com.
Unterm Strich
"Der Tod trägt schwarzes Leder" bietet spannende Unterhaltung, jede Menge Action und blutige Effekte, aber auch anrührende Szenen und eine politische Anklage. Alles in allem eine Menge Aspekte, doch wirkt der Streifen keineswegs überladen oder gar prätentiös, sondern stets zielbewusst und überzeugend. Kamera, Musik und Schnitt bilden eine harmonische Einheit, die dem Film einen faszinierenden Rhythmus liefert. Die Darsteller können nicht viel falsch machen, und das tun sie auch nicht. Silvestri ist der charmante Dynamiker, der völlig unterrepräsentierte Mario Adorf gibt den braven Commissario und Familienvater, die Galli ein seriöseres Abbild von Sophia Loren. Die Mädchen sind nicht so wichtig, ebenso wie die Kunden.
Die DVD, die erstmals die ungeschnittene Fassung bietet, erstaunt mit einem gestochen scharfen Bild, wirkt aber beim Ton nicht immer überzeugend. Die Untertitel sollte man zur Synchronisation stets dazuschalten, weichen sie doch erheblich davon ab. Das Bonusmaterial ist nicht berauschend, denn es besteht in der Hauptsache aus dem Booklet.
Insgesamt ist das eine gute Leistung von Kochmedia, wenn man von einigen Ecken und Kanten absieht. Die DVD sollte jede Sammlung von Mario-Adorf-Filmen komplettieren. FSK 18 beachten!
- Redakteur:
- Michael Matzer