Umrao Jaan
- Regie:
- J. P. Dutta
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Drama
- Land:
- Indien
1 Review(s)
14.12.2007 | 08:57Story
Als Dilawer Khan ein weiteres Mal mit den Gesetzeshütern aneinander gerät, schwört er Rache. Der schmierige Gauner entführt die Tochter seines Bruders und verkauft sie für einen stolzen Preis an das Bordell in Lucknow. Ameeran entwickelt sich hier alsbald zur populärsten Kurtisane und verführt die Männer der Stadt reihenweise mit ihrem Charme. Inzwischen hat die Leiterin des anrüchigen Anwesens das Mädchen auf den Namen Umrao Jaan getauft und es dem mächtigen Nawab Sultan Khan vorgestellt. Die beiden verlieben sich auf den ersten Blick und planen eine gemeinsame Zukunft. Doch Khans königliche Herkunft verbietet den Kontakt mit der Nobel-Dirne und droht, den jungen Mann aus dem Familienerbe entlassen. Werden der junge Prinz und die einst verschleppte Schönheit dennoch zueinander finden?
Persönlicher Eindruck
"Umrao Jaan" ist das Remake eines eher mäßig erfolgreichen Streifens aus den frühen Achtzigern, der wiederum auf der in Indien berühmten Buchvorlage von Mirza Muhammad Hadi Ruswa, einem Urdu-Philosophen der ersten Stunde, beruht. Die Geschichte ist dabei eine altbekannte, quasi "Romeo und Julia" in einem anderen, in diesem Fall weitaus kitschigeren Setting.
Dabei beginnt die Story sehr dramatisch; das junge Mädchen wird verschleppt, in die Prostitution verkauft und somit zumindest bis auf weiteres aller hehren Zukunftsaussichten beraubt. Obwohl es ihr in ihrer neuen Behausung recht gutgeht und man ihr genügend Gelegenheit gibt, den Reifeprozess angemessen zu erleben, ist sich das Mädchen nie wirklich sicher, ob es je wieder ihr Glück finden kann. Erst bei ihrer ersten Mujra-Aufführung wendet sich für die junge Umrao Jaan alias Ameeran das Blatt. Die edelsten Herrschaften Lucknows wohnen dieser Zeremonie bei und bewundern die Anmut und die tänzerische Leidenschaft der Unglückseligen. Umrao zehrt von ihrer plötzlichen Popularität, staunt aber dennoch nicht schlecht, als ausgerechnet der Prinz um die erste Nacht mit ihr wirbt. Nawab Sultan Khan bekommt schließlich den Zuschlag, verliebt sich in das wunderschöne Mädchen und läuft blindlings in ein großes, aber aussichtsloses Liebesabenteuer. Das Drama beginnt – und damit auch der Kitsch.
Abgesehen von der eher ausgelutschten Storyline ist "Umrao Jaan" eigentlich ein recht anständig inszenierter Film. Das Ambiente ist stimmig, die Besetzung ohne Makel und die Geschichte ganz ordentlich. Allerdings ist die Umsetzung Duttas recht langatmig und beinhaltet gerade im mittleren Part des Streifens einige anstrengende Längen, in denen der Regisseur maßlos ausschweift und den Fokus mehrfach von der eigentlichen Handlung hinweg richtet. Besonders die ersten Szenen mit dem Traumprinzen sind derart künstlich aufgebauscht, dass selbst Kitsch-Liebhaber ihre liebe Mühe haben werden, dies alles zu verkraften. Bisweilen ist es nämlich schon zu viel des Guten.
Zudem neigt Dutta auch bei der Inszenierung der Musik- und Tanzparts zu enormen Ausschmückungen. Kaum eine solche Szene vergeht, ohne dass der Initiator nicht ein opulentes Bühnenstück einschiebt oder die schmalzigen Liebeleien in eine Gesangs- und Tanzeinlage integriert. Dass die Handlung deswegen aber dennoch in aller Ausführlichkeit dargebracht werden kann, wird von der enormen Spielzeit gewährleistet. Mehr als drei Stunden erzählt der Regisseur die Originalgeschichte aus dem frühen 20. Jahrhundert in allen Details nach, bezieht selbst unwichtige Ereignisse in den Plot mit ein und hält sich scheinbar äußerst präzise an die Buchvorlage. Und seine Interpretation kann sich in gewissem Sinne auch sehen lassen, da hier die unterschiedlichsten Facetten zum Leben erwachen, die Dynamik trotz besagter Ausschweifungen im Rahmen bleibt und die Dramaturgie besonders im Schlussdrittel fantastisch inszeniert ist. Insofern ist die Kritik an der Länge des Streifens auch nur bedingt anzubringen, sicher aber ein Grund, über eine Anschaffung noch einmal nachzudenken. Fakt ist jedenfalls, dass der Film partiell unter die Schere gehört hätte und in einer kompakteren Fassung die bessere Alternative gewesen wäre. Aber da die aufgebauschte Detailfülle sich nur unwesentlich auf den Fortschritt der Story auswirkt und die träumerischen Szenen einen nicht gänzlich aus dem Strang reißen, kann man über diese kleinen Mängel gut hinwegsehen – sofern man auf betonten Kitsch im Hollywood-Format steht!
Die technische Aufarbeitung des Streifens ist beachtlich; das Bild ist farbenfroh und kontrastreich, der Ton immerhin beachtlich, wobei die Musikszenen gewohntermaßen herausstechen. Die Zusatzausstattung hingegen beinhaltet lediglich standardisierte Extras wie die Songauswahl, was bei der Laufzeit aber auch eher weniger verwunderlich ist. Gerade was die Arbeiten am Set sowie die Kreation der majestätischen Kostüme betrifft, hätte der Insider sicher gerne ein wenig mehr gesehen. Aber des einen zu viel, des anderen zu wenig – ganz recht machen kann "Umrao Jaan" es seinem potenziellen Publikum nicht.
Fazit
"Umrao Jaan" ist prinzipiell ein wunderschönes Hindu-Märchen mit dem Flair aus 1001 Nacht, aufgrund der langatmigen Inszenierung jedoch leider nicht ganz so überzeugend, wie man es angesichts der legendären Buchvorlage und der tollen Voraussetzungen hätte erwarten können. Für eine uneingeschränkte Empfehlung reicht es also nicht. Trotzdem sollten sich Bollywood-Liebhaber mal mit der neuen Variante des klassischen Stücks auseinandersetzen, weil die Figuren und das Setting schlichtweg fantastisch sind und zu gewissen Teilen die genannten Defizite wieder wettmachen können. Insofern mag "Umrao Jaan" zwar kein Top-Kino made in India sein, aber dennoch beste Unterhaltung für das einschlägige Publikum!
- Redakteur:
- Björn Backes