White Skin
- Regie:
- Daniel Roby
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Kanada
- Originaltitel:
- La peau blanche
1 Review(s)
28.08.2005 | 10:37Unheimlich: Die Geliebte mit der seltsamen Familie
Die kanadischen Studenten Thierry (weiß) und Henri (schwarz) sind die besten Freunde. Als die beiden nach einer durchzechten Nacht mit zwei Prostituierten im Stundenhotel landen, endet das Ganze für Henri beinahe tödlich, denn seine 'Auserwählte' dreht plötzlich durch und versucht, ihn zu töten. Nur mit der Hilfe seines Freundes kann er die Furie in die Flucht schlagen.
Der Vorfall ist fast schon vergessen, als Thierry an der Uni die geheimnisvolle Musikerin Claire kennen lernt und ihr regelrecht verfällt. Misstrauisch beäugt von Henri, der in der rothaarigen Schönheit eine menschenfressende Hexe wittert, kapselt sich das Liebespaar vom Rest der Welt ab. Als Thierry endlich Bekanntschaft mit Claires Familie macht, muss er feststellen, dass Henri mit seiner Vermutung gar nicht so Unrecht hatte ... (Klappentext)
Der Film erhielt den 1. Preis für das beste Debüt beim Toronto-Film-Festival 2004.
Filminfos
O-Titel: La peau blanche (Canada 2004)
Vertrieb: Sunfilm
ASIN: B0009WV3UA
Erscheinungstermin: 24. August 2005
FSK: ab 16
Länge: ca. 89 Min.
Regisseur: Daniel Roby
Drehbuch: Joel Champetier nach seinem gleichnamigen Roman, Daniel Roby
Musik: Martin Lord, René Dupéré
Darsteller: Marc Paquet, Frederic Pierre, Marianne Farley, Jessica Malka u. a.
Handlung
Sommer in Montréal, das Wetter ist sonnig, deshalb gehen die beiden Studenten Thierry (ein Weißer; M. Paquet) und Henri (schwarz; F. Pierre), die sich eine Bude teilen, an Thierrys Geburtstag in eine Bar. Dort gabeln sie zwei weiße Prostituierte auf und gehen mit ihnen in ein nahes Bordell. Weil Thierry sich von der weißen und fast durchsichtigen Haut der Rothaarigen (J. Malka) abgestoßen fühlt, wählt er die Schwarzhaarige. Weil er aber das Ganze doch nicht für eine tolle Idee hält, macht er einen Rückzieher.
Da hört er seinen Freund Henri schreien und bricht die Tür auf. Die Nutte hat Henri mit einem Messer den Hals aufgeschlitzt. Gemeinsam überwältigen sie die Furie, die daraufhin halbnackt über die Dächer flüchtet. Die Andere macht sich auch vom Acker, und die beiden Freunde sehen zu, dass sie den blutenden Henri ins Krankenhaus bringen. Aber sie wenden sich nicht an die Polizei.
Das findet auch Henris umfangreiche Familie etwas seltsam, die sich schon bald in seiner engen Wohnung einfindet und lamentiert, dass diese Missachtung durch die Polizei bei einem Weißen wie Thierry nicht vorgekommen wäre: typischer Rassismus. Henri lügt, dass vier Skinheads sie überfallen hätten. Der wahre Grund für Henris Verhalten ist seine Freundin Zandra: Sie soll nicht erfahren, dass er was mit einer Nutte hatte.
~ Mutationen ~
Sehr viel später, als sich sein Leben schon einer Krise nähert, vertraut sich Henri seiner Schwester Marie-Pierre (Jou Jou Turenne) an, einer superintelligenten Frau. Sie erzählt ihnen von einer Studie, wonach eine weltweite DNS-Untersuchung ergeben habe, dass die Schwarzen - also Menschen wie sie und Henri - den Weißen genetisch überlegen seien. Die Weißen und Asiaten seien genetische Mutationen. Das Thema Rassismus und Mutation durchzieht den ganzen Film.
In der Musikstudentin Claire Lefrancois (M. Farley) glaubt Thierry Monate später fast die geflüchtete Prostituierte wiederzuerkennen: Auch Claire ist rothaarig und hat sehr blasse Haut. Nach einer ersten gemeinsamen Nacht, die ihn einfach umhaut, will sie aber nichts mehr von ihm wissen. Er findet sie wieder und stellt sie zur Rede: Sie habe Probleme. In der folgenden Liebesnacht gesteht sie, Krebs zu haben. Henri meint, sie sehe aus wie ein Junkie.
~ Sukkubus ~
Als sie sich relativ merkwürdig benimmt, weil sie keine Schwarzen mag, beobachtet Henri sie. Sie isst Thierrys Sperma, und das bringt Henri auf einen schrecklichen Verdacht. Er ist ein Fan von Horrorfilmen - je blutiger sie sind, desto besser (zu sehen ist ein Ausschnitt aus Cronenbergs "Rabid"). Eine Suchmaschine informiert ihn über Sukkuben. Das ist eine Art weiblicher Dämonen, die sich ihrer Opfer bemächtigen und sie manchmal fressen. (Die männliche Variante heißt Inkubus.) Allmählich kriegt Henri die Paranoia.
Im Krankenhaus lernt Thierry auch Claires Familie kennen: Die Mutter ist sehr streng und will, dass Claire die Chemotherapie abbricht und nach Hause zurückkehrt. Claires Schwestern sind Isabelle und Marquise. In Marquise, die jetzt schwarze Haare trägt (J. Malka), erkennt Thierry sofort die Schlitzerin aus dem Stundenhotel wieder. Wenige Tage später warnt sie ihn äußerst handgreiflich, seine Finger von Claire zu lassen oder er würde es bereuen. Diese Warnung gibt Thierry an Henri weiter, welcher seine Befürchtungen bestätigt sieht.
~ Ungebete Besucher ~
Er bricht mit Thierry in Claires Wohnung ein, während sie im Krankenhaus liegt: Hier hat nie jemand gelebt. Als sie mit zerstochenen Autoreifen wegfahren, glauben sie, Marquise überfahren zu haben, aber da ist niemand zu sehen. Claire ist aus dem Krankenhaus verschwunden, keiner weiß, wohin, und Thierry kennt die Adresse ihrer seltsamen Familie nicht.
Am nächsten Tag kommt Isabelle Lefrancois (Julie Lebreton) in die Uni, um Thierry abzuholen, damit er sich um Claire kümmert, die jede Nahrungsaufnahme verweigert. Unterdessen bekommt Henri, der sich eine Pistole gekauft hat, einen ungebetenen Besuch. Marquise will ihm nicht nur an die Wäsche. Sie will viel mehr ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (16:9 anamorph)
Tonformate: DD 5.1, Deutsch auch in DTS
Sprachen: D, F
Untertitel: D
Extras:
- Audiokommentar von Regisseur/Ko-Autor Daniel Roby und Ko-Autor Joel Champetier
- Deleted Scenes (5)
- Trailer
- Trailershow: Immortal; Kontroll; Code 46; Das Erbe; Machuca, mein Freund; Some (Südkorea).
Mein Eindruck
Der Film ist völlig realistisch aufgenommen, es gibt keinerlei Spezialeffekte, nicht einmal visueller Art. Doch dann beginnen einige rätselhafte Details aufzutauchen, und als Isabelle und Marquise auftauchen, wird die Sache relativ fantastisch. Dennoch bleibt die Optik realistisch, und auch die Musik gaukelt keine bevorstehenden Bedrohungen vor, wie das in Genrefilmen so üblich ist.
Zu dem authentischen Eindruck tragen nicht nur die Außenaufnahmen vom winterlichen Montréal bei, sondern auch die ganz natürlich aufspielenden Darsteller. Besonders zwischen den zwei Hauptdarstellern Paquet und Pierre stimmt die Chemie, wohingegen sich zu Marianne Farley eine ungewisse Spannung ergibt. Genau deshalb bringt sie die Story voran. Als sich bei Henri die Paranoia entwickelt und Claire verschwindet, sorgt er für die Dynamik der Handlung. Bis zu den überraschenden Konsequenzen.
Dies ist kein Film des Kanadiers David Cronenberg, keine Genrefilm. Und doch verbindet die Story Elemente von Krimi, Horror, Fantasy (Sukkuben), Science-Fiction (Mutation) und die gute alte "verhängnisvolle Affäre". Ich finde, die Story ist mehr der Phantastik zuzuordnen. Dass der Buchautor Champetier am Skript mitgeschrieben hat, war sicher nicht verkehrt. Dennoch endet der Film ganz anders als das Buch. (Mehr dazu im Abschnitt "Audiokommentar").
Doch was hat es nun mit Claires sonderbarer Familie auf sich? So, wie nach Marie-Pierres Ansicht die Weißen eine Mutation der Schwarzen darstellen, so verhalten sich Claire und ihre - rein weibliche - Familie zu den Weißen: Eine "überlegene Rasse", die keine Männer mehr braucht, um sich fortzupflanzen. Sie ernähren sich von Körperteilen und offenbar auch Blut, eventuell auch von Sperma. Leider gibt der Film keinerlei pseudo-wissenschaftliche Erklärungen in dieser Richtung.
Und so bleiben etliche Fragen offen: Warum zum Beispiel Claire keine Schwarzen mag, aber Marquise, ihre Schwester, nichts dabei findet, Henri anzuknabbern. Zugegeben: Marquise ist etwas aus der Art geschlagen, aber trotzdem wird ihre Tat von ihrer Mutter (Lise Roy) gebilligt und überwacht, als wäre sie eine Löwin, die ihr Junges auf der ersten Jagd beschützt. Aber warum schreiten dann Isabelle und Claire gegen das Treiben dieser beiden ein? Nur um Thierrys Freund zu helfen? Mitleid ist unwahrscheinlich bei solchen Wesen.
Die DVD
Die DVD beeindruckt mit einem hervorragenden Sound, sowohl in DD 5.1 als auch in DTS. Die möglichen Surroundeffekte werden genutzt und klingen ausgezeichnet. Auch die Bildqualität stellt sehr zufrieden, obwohl häufig aus Kostengründen mit der Handkamera gedreht wurde. Die Deleted Scenes bringen nicht allzu viel Erhellendes und sind mitunter nur die Erweiterung einer im Film gezeigten Szene.
~ Der Audiokommentar ~
Der Kommentar ist über die Menüoption Sprachen/Ton auszuwählen und zwar nur für Französisch. Das macht aber nichts, denn vom Dialog hört man sowieso kaum etwas, weil die beiden Kommentatoren meistens darüber hinwegsprechen.
Regisseur/Ko-Autor Daniel Roby und Ko-Autor Joel Champetier, der auch die Buchvorlage schrieb, kommen stets auf den Punkt und sprechen über die jeweilige Szene. Hier wird nicht wie unter Altstars rumpalavert, sondern es werden Fakten geliefert.
Die Fakten sind: Das Mini-Budget betrug lediglich 800.000 Dollar, was kaum für die wichtigsten Locations, Kostüme und Technikgeräte ausreichte. Fakt ist, dass mitunter bei Temperaturen um die 30 Grad UNTER Null gedreht wurde, also kalt genug, um Wasserrohre platzen zu lassen - von empfindlicher Hitech ganz zu schweigen. Nur zwei Tage drehte man im August.
Im Buch ist Thierry ein Franzose und neu in Montréal, im Film ist er Kanadier, der vom Lande kommt. Daniel Roby wollte den Eindruck vermeiden, dass es sich um eine kanadisch-französische Koproduktion handle. Der Schluss weicht völlig vom Buch ab. Im Buch befindet Thierry sich praktisch im Besitz der Familie Lefrancois, den Mutanten, und niemand fragt nach dem armen Henri. Da ist mir die (frei erfundene) Version des Films wesentlich lieber: Vergeltung und Sühne stellen den Zuschauer weitaus mehr zufrieden. Außerdem bleibt Thierry bei Claire - mit gewissen Begleiterscheinungen.
Unterm Strich
Aber auch die beiden Ko-Autoren bleiben uns die Antwort auf die Frage schuldig, was der Film eigentlich aussagen soll. Eine realistisch dargestellte Phantasie über genetische Mutanten ist ja schön und gut, aber was hat das mit uns zu tun? Eine mögliche Antwort habe ich schon gegeben und ist sehr einfach: Die Mutanten betrachten uns als schwache und minderwertige Rasse, so wie leider immer noch viele Weiße die Schwarzen oder die Schwarzen die Weißen als minderwertig betrachten.
Rasse als eine mögliche Form der Mutation und folglich auch Rassismus scheinen mir die Hauptthemen zu sein. Man stelle sich nur einmal vor, in einer rein weißen Gesellschaft würde Thierry nicht eine Mutantin, sondern eine Schwarze lieben. Das Ergebnis wäre ziemlich ähnlich. Nur dass in dieser Hypothese die Schwarzen nicht auf die Weißen losgehen würden, um sie als Nahrung zu nutzen. Wie man es auch betrachtet, so ist doch Daniel Roby ein interessanter Film gelungen, der die Aufmerksamkeit des Zuschauers durchweg aufrechtzuerhalten vermag.
Die DVD liefert gute Qualität, besonders was Sound (DTS) und Bild angeht. Das Bonusmaterial enthält zwar keine Dokus, aber einen nützlichen Audiokommentar.
- Redakteur:
- Michael Matzer