William Shakespeares Sommernachtstraum
- Regie:
- Adrian Noble
- Jahr:
- 1996
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- William Shakespeare's Midsummer Night's Dream
1 Review(s)
04.08.2005 | 07:30Schabernack mit Elfenpack
Ein Junge träumt das berühmte Shakespeare-Stück: Im alten Athen wackelt die Autorität. Hermia lehnt den vom Vater auserwählten Gatten rundweg ab, der Herzog unterstützt den Vater, die Herzogin aber stellt sich hinter Hermia. Demetrius, Papas Auserkorener, buhlt um Hermia, wird aber von Helena geliebt. Als sich Hermia und ihr Liebster in der nächsten Nacht im Wald treffen, verrät Helena dies Demetrius, um ihn für sich zu gewinnen.
Zur selben Zeit studieren Handwerker im Wald ein Schauspiel ein. Und dann sind da noch die Elfen: Zwischen König Oberon und Königin Titania kriselt es. Der Schelm Oberon greift zu Zauberei und sorgt dafür, dass Titania sich in einen Handwerker mit Eselsohren verguckt. Bevor Oberons Gehilfe Puck Ordnung ins amouröse Chaos bringen kann, läuft noch so einiges schief ...
Die renommierte 'Royal Shakespeare Company' interpretiert Shakespeares populärste Komödie hier bezaubernd, träumerisch und witzig.. Trotz der neu hinzugefügten Rahmenhandlung hält sich der Film eng an die Vorlage.
Filminfos
O-Titel: William Shakespeare's Midsummer Night's Dream (1996)
Vertrieb: 11.08.2005; http://www.epix.de
FSK: ab 12
Länge: ca. 99 Min.
Regisseur: Adrian Noble
Drehbuch: Adrian Noble
Musik: Howard Blake
Darsteller: Royal Shakespeare Company (siehe unten) u. a.
Handlung
Ein etwa zehnjähriger Junge (Osheen Jones) kann nicht schlafen und träumt das Shakespeare-Stück. Im Traum überwindet er jegliche Entfernung mühelos und ist stets für alle unsichtbar - außer für Puck.
Im alten Athen wackelt die Autorität. Herzog Theseus (Alex Jennings) bereitet mit seiner Gattin Hippolyta (Lindsay Duncan) eine Hochzeitsfeier für sich und zwei andere Paare vor: Vier Tage sollen die Feiern dauern. Doch Hermia (Monica Dolan) lehnt den vom Vater auserwählten Gatten Demetrius (Kevin Doyle) rundweg ab, alldieweil sie bereits bis über beide Ohren in Lysander (Daniel Evans) verknallt ist. Hermias Vater Egeus (Alfred Burke) besteht darauf, dass Hermia Demetrius heiratet - oder sie soll des Todes sein!
Der Herzog unterstützt den Vater Egeus, die Herzogin aber stellt sich hinter Hermia - und versetzt ihrem Verlobten eine Ohrfeige. Demetrius, Papas Auserkorener, buhlt um Hermia, wird aber von Helena (Emily Raymond) geliebt. Als sich Hermia und ihr Liebster, Lysander, in der nächsten Nacht im Wald, wo Athens Gesetz nicht gilt, treffen, um heimlich zu heiraten, verrät Helena dies Demetrius, um ihn für sich zu gewinnen. Ob das hinhaut?
Zur selben Zeit studieren Athener Handwerker im nahen Wald ein Schauspiel namens "Pyramus und Thisbe" ein, das sie zum Schluss vor dem versammelten Hofstaat zur Feier der Hochzeit zur Aufführung bringen werden. Peter Squenz ist der Anführer der Truppe, verteilt die Rollen und fungiert als Regisseur. Zettel / Nick Bottom (Desmond Barrit) erhält die wichtigste Rolle, die des tapferen und in Thisbe verliebten Pyramus. Die weiteren Rollen der Thisbe, der Wand, des Mondes und des Löwen verkörpern Tom Snout / Schnauz, Starveling / Schlucker, Francis Flute / Flaut und schließlich Snug / Schnock.
Doch da es die zauberische Mittsommernacht ist, walten auch die Elfen im Wald ihres Amtes. Doch zwischen König Oberon (Alex Jennings wieder) und Königin Titania (Lindsay Duncan wieder) kriselt es. Der Schelm Oberon greift zu Zauberei und sorgt per Zaubertrank dafür, dass Titania sich in den Handwerker Zettel verguckt, den er mit Eselsohren versieht. Auch die anderen Handwerker wurden verwandelt. Bevor Oberons Gehilfe Puck (Barry Lynch) Ordnung ins amouröse Chaos bringen kann, läuft noch so einiges schief ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformat: 1.66:1, 16:9
Tonformate: DD 2.0
Sprachen: D, GB
Untertitel: D, GB (Untertitel nicht ausblendbar)
Extras:
- Deutscher Trailer
- Englischer Trailer
- Über das Stück "Sommernachtraum" von 1596
- Die Geschichte der Royal Shakespeare Company 1875-200x
- Trailershow: Ich, Claudius; Thunderbirds; Blue Butterfly; Guten Abend, Herr Wallenberg; The big Empty; Der Tango der Rashevskis; Die letzte Nacht der 'Titanic'; Die roten Schuhe; Irrtum im Jenseits.
Mein Eindruck
Für den Shakespeare-Experten Harold Bloom gibt es keine Shakespeare-Komödie, die ähnlich vollkommen ist wie "Sommernachstraum". Hier kommen nämlich etliche sehr disparate Elemente zusammen und doch schafft es der Autor, alle Teile auszubalancieren und einen vollkommen harmonischen Effekt zu erzielen.
Das sind zum einen die beiden Sphären, die in der besagten magischen Nacht einander beeinflussen: die Sphäre der menschlichen Realität und die der Fantasie, verkörpert in den Elfen. Die menschliche Gesellschaft wiederum ist deutlich unterteilt in die hochwohlgeborenen Adligen am Hofe des Herzogs. Hierzu gehören auch die beiden Liebespaare. Diesem Hof stehen die fünf braven Handwerker gegenüber, die sich vorgenommen haben, an diesem Hof ein kleines antikes Stück aufzuführen. In ihrem Kreis tritt die Liebe nur imaginär auf: in Form des Stückes und in den Rollen, die sie annehmen.
Alles ändert sich, als die Kräfte der Liebe und der Magie walten. Wie König Oberon leicht zu demonstrieren vermag, ist Liebe lediglich ein weiterer Wahn, der sich mit einfachsten Mitteln manipulieren lässt. Das gelingt seinem Puck zwar nicht immer nach Wunsch, aber eine Korrektur oder zwei sind ein Klacks. Die Liebe stellt die Adligen auf eine Stufe mit allen anderen Opfern dieses Wahns. Dessen prominentestes Opfer ist Königin Titania, die Puck ebenfalls mit einem Zaubertropfen behandelt hat.
Um Titania bloßzustellen, lässt Oberon den braven Zettel in einen Esel verwandeln, der sprechen und denken kann. Ob er scharf auf die Elfenkönigin ist, ist stets der Interpretation des jeweiligen Regisseurs überlassen. Diesmal darf es Zettel mit Titania nach Herzenslust treiben - was allerdings nur etwa eine Sekunde lang zu sehen ist. Manche Kritiker interpretieren deshalb Shakespeares Stück als eine Art Softporno mit einer moralisch subversiven Botschaft. Der "Schwan von Straford" würde im Grab rotieren.
Sei's drum, doch wie bei jedem Theaterstück liegt mindestens die Hälfte der Wirkung im Auge des Betrachters, und solche Interpretationen sagen mehr über die Fantasie der Kritiker aus als über das Stück. Die Feen scheinen ein wildes Völkchen zu sein, das sehr die Sinne anspricht und seine Lüste auszuleben versteht. Spielverderber ist leider stets Oberon als eine Art Control-Freak. Da macht sogar der arme Puck eine schiefe Miene.
Doch das Stück hat eine eindeutige Funktion - sowohl außer- als auch innerhalb: die eines Epithalamions. Das ist ein Hochzeitsgedicht. Ein hoher Lord hat das Stück in Auftrag gegeben, zu genau jenem Zweck, den auch das Stück der braven Handwerker erfüllen soll: die Hochzeit als Vermählung der Geschlechter und Feier des Friedens zu zelebrieren.
Aber statt den Hofadel um Herzog und Herzogin mit allem Pomp zu diesem Anlass eine dröge Show abziehen zu lassen, dürfen die ebenso gewitzten wie komisch anzusehenden Handwerker die Liebesdramödie "Pyramus und Thisbe" aufführen - inklusive Wand, Mond und Löwe. Sie machen das mit tragischem Gusto und komischer Sensibilität, so dass der Hofstaat durchaus Gelegenheit hat, sich sowohl zu amüsieren als auch mitzufühlen. Merke: Die Macht der Fantasie, angeregt vom Theater, ist ebenso stark wie die Fantasie, die von der Liebe angeregt ist. Beide bringen Hoch und Niedrig, Adel und Handwerker auf einer Stufe zusammen. Eine Utopie der Kunst? Wer weiß.
Die Inszenierung entspricht dem Niveau der weltberühmten Theatertruppe. Und doch stellt sich nach einer gewissen Zeit ein Unbehagen ein, so als ob hier die zwei Medien Film und Theater aufeineinderträfen, ohne dass das eine im anderen die optimale Ergänzung fände. Wiederholt ist zum Beispiel eine Aufnahme von einem stummen Darsteller im Bild, während sein Gegenüber gerade deklamiert (natürlich im Deutsch des 18. oder 19. Jahrhunderts). Eine stumme Figur ist so aufregend wie ein blauer Fisch, nämlich gar nicht. Hier scheint die Schnitttechnik nicht ganz optimal verlaufen zu sein.
Zum anderen gibt es wieder brillante Einfälle, wie etwa den Motorrad fahrenden Zettel, der à la E.T. vor dem riesigen Vollmond hin und her fährt. Hinzukommen zahlreiche Schirme und Glühlampen, "magische" Türen, die aus dem Boden fahren (vgl. "Die Monster AG") und ein Sonnenaufgang über dem Meer, in welches Oberon versinkt. Das ist Bühnenmagie pur, und so lässt man sich gern unterhalten. En miniature wird dieser Bühnenzauber auch von den Handwerkern bei "Pyramus und Thisbe" bewerkstelligt, allerdings mit einer sehr komischen Note. Magie gibt's in der kleinsten Hütte.
Die DVD
Bild und Ton sind nicht optimal, wie mir scheint. Lag es an der Aufnahmetechnik oder dem Filmmaterial, die Wiedergabequalität des Bildes ist jedenfalls weit entfernt von High-Definition, aber auch nicht so schlimm wie in den siebziger Jahren. Schließlich entstand diese Aufführung 1996 fürs britische Fernsehen. Und fürs TV gelten andere Standards als fürs Kino. Das betrifft offenbar auch den Sound, bei dem von Surround-Effekten keine Rede sein kann.
Die Extras bestehen neben Werbetrailern vor allem aus zwei Textdokumentationen: über das Stück und über die Theatertruppe. Beides ist für den Theater- und Shakespeare-Liebhaber interessant, insofern als hier ein paar Infos über die Entstehungszeit und die Eigenarten des Stücks vermittelt werden. Warum hier der Mittsommervorabend auf den 23. Juni statt auf den 21. oder 20. Juni verlegt wird, ist mir ein Rätsel.
Ebenso informativ ist der Text über die RSC: 1875 geplant und 1879 in einem neu erbauten Theatergebäude in Stratford-upon-Avon untergebracht, erhielt sie bereits 1925 ob ihrer Verdienst eine Royal Charter, ein königliches Statut. 1926 brannte das alte Haus ab und wurde erst 1932 durch ein neues Gebäude ersetzt. Bis 1961 spielten hier Laurence Olivier, Vivien Leigh, Richard Burton und viele andere Berühmtheiten. In den Sixties räumte Peter Hall mit einigen alten Zöpfen auf und ließ auch andere Autoren zu. Adrian Noble, der Autor und Regisseur der vorliegenden Aufführung, führte die Truppe von 1991 bis 2003, bis sein Assistenzregisseur Michael Boyd übernahm. Interessant - und nicht nur für Touristen - ist das angrenzende Schauspielhaus "The Swan", das im Stil von Shakespeares Zeit aufgebaut worden ist. Hier wirken die Stücke noch authentischer. Einen Vorgeschmack vermittelt der Spielfilm "Shakespeare in Love".
Unterm Strich
Es gibt, wenn ich meinem Gewährsmann Harold Bloom glauben darf, sicher schlimmere Inszenierungen als diese von Adrian Noble. Blooms Buch "Shakespeare - Die Erfindung des Menschlichen" erschien im Jahre 1998, geht aber nicht auf diese Inszenierung ein. Man muss sich also schon selbst einen Eindruck zusammendeuten. Das habe ich oben versucht.
Wer sich nicht an dem veralteten Theaterdeutsch stört und mit den Augen des kleinen Jungen den Vorgängen folgt, hat sicher seinen Spaß an den Verrücktheiten des "Sommernachtstraums". Die DVD verschafft uns wieder einen modernen Zugang zu dieser Aufführung. Mag sein, dass der Spielfilm von 1999 etwas professioneller und "amerikanischer" ist, doch die britische Theatertruppe weiß durchaus mit ihren Qualitäten zu überzeugen: brillante visuelle Einfälle, text- und rollensichere Schauspieler, die nicht überzogen wirken - allen voran Zettel / Bottom, über den Bloom geradezu ins Schwärmen gerät.
Die DVD ist bescheiden ausgestattet, sowohl im Bonusmaterial als auch, was Ton und Bild angehen. Für Fernsehniveau ist dies aber allemal tauglich, und ich würde mir eine Ausstrahlung des Films im Free-TV wünschen. Leider war die Mittsommernacht bereits. Aber die nächste kommt bestimmt.
- Redakteur:
- Michael Matzer