blaue Grenze, Die
- Regie:
- Till Franzen
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland/Dänemark
1 Review(s)
26.12.2006 | 12:48Hintergrund
Fällt der Begriff „Norddeutschland“, denkt der Sport begeisterte Mensch höchstwahrscheinlich als erstes an den diese Bundesligasaison großartig aufspielenden SV Werder Bremen oder die Fußball-Kellerkinder vom Hamburger SV. Sieht man vom Sport ab, drängen sich dem Nicht-Norddeutschen die üblichen Klischees auf: Fischerei, die Küste, Wortkargheit und der typische nordische Humor. "Die blaue Grenze" spielt genau in dieser Kulisse. Regisseur und Drehbuchautor Till Franzen beschäftigt sich intensiv mit seiner Heimatstadt Flensburg und dem deutsch-dänischen Grenzland und bemüht dabei die Schönheit der deutschen Nordküste.
Handlung
Der Tod eines Angehörigen ist immer ein Schlag. Dies muss auch Momme Bief (Antoine Monot Jr.) schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Nach dem Tod seines Vaters sucht er sofort seinen Großvater auf, um ihm die traurige Botschaft zu übermitteln. In Flensburg angekommen, sträubt sich dieser, die traurige Botschaft zu akzeptieren. Unvorbereitet zieht er nach Dänemark, um „dem Gestank, den der Tod hinterlässt“ zu entfliehen.
Noch am selben Tag stolpert Momme in eine Gartenfeier, auf der er die junge, hübsche Lene (Beate Bille) trifft. Bei beiden ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch wie es das Schicksal will, verschlägt sie ihre erste gemeinsame Nacht nicht ins Schlafzimmer, sonder ins Polizeirevier. Am nächsten Tag bricht Lene nach Dänemark auf, um ihre Großmutter zu pflegen.
Parallel dazu feiert Kommissar Poulsen (Dominique Horwitz) seinen letzten Tag im Revier. Ohne sich mit seinem neuen Leben angefreundet zu haben, sucht er nach einem Ventil, um seine überschüssige Energie loszuwerden. In Person seiner mysteriösen Nachbarin (Hanna Schygulla) hat Poulsen zudem noch ein letztes Rätsel zu lösen.
Kritik
Das deutsche Kino hat in den letzten Jahren ein wahres Hoch erlebt. Anspruchsvolle Produktionen wie "Das Wunder von Bern", "Die fetten Jahre sind vorbei" oder auch das NS-Drama "Der Untergang" feierten sowohl hierzulande als auch international große Erfolge. Doch auch Blödel-Komik ("Traumschiff Surpirse", "7 Zwerge") lockte Millionen in die Kinos.
Till Franzens Debüt "Die blaue Grenze" versucht diesen Trend weiterzuführen. Er bedient sich dabei der klassischen Mittel Romantik und Tragik, reichert diese aber mit einer Prise Mystik an und erweitert das Ganze um seine nordische Mentalität. Das Ergebnis erinnert stellenweise durchaus an die 90-er Jahre Kultserie "Twin Peaks". Alltagsgegenstände sind mehr als sie scheinen, das Diesseits und das Jenseits scheinen nicht so streng voneinander abgegrenzt wie wir meinen, und das Schicksal ist die stärkste Kraft in unserem Leben. Franzen stellt die wichtigsten Eckpfeiler des menschlichen Lebens in den Mittelpunkt, nämlich das Leben, die Liebe und den Tod. Der Filmtitel beschreibt den schmalen Grad, der zwischen dem Diesseits und dem Jenseits ist, die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten. Es geht um die kurzen Momente, die unser Leben radikal verändern: der Tod eines Angehörigen, das Begegnen bestimmter Personen, schicksalshafte Entscheidungen.
Angereichert durch den typisch nordischen Humor und die wunderschönen Landschaftsaufnahmen des deutsch-dänischen Grenzlandes, ergibt sich ein schöner, phasenweise zauberhafter Film, der mit seiner Ruhe und Gelassenheit die wesentlichen Aspekte unseres Lebens zusammenfasst und bildlich festhält. Dass dabei einige Handlungsmomente konstruiert und willkürlich wirken, kann getrost außen vor gelassen werden. Die beiden Handlungsstränge, die nur marginal zusammenhängen, rücken viel mehr Situationen in den Mittelpunkt als das Leben der Protagonisten. Dadurch geraten die Figuren in eine Position, die es dem Zuschauer leicht macht, ihr Schicksal stellvertretend für die jeweilige Situation anzusehen. Im Ergebnis zeigen sich keine tief gezeichneten und weit entwickelten Charaktere. Sie alle durchlaufen eine tiefe Sinnkrise, an deren Ende für jeden einzelnen der Blick auf das wesentliche steht.
Trotz dieser lobenden Worte, ist "Die blaue Grenze" nur schwer greifbar und dürfte für den „normalen“ Filmkonsumenten unbrauchbar sein. Der poetische Einschlag, die Mystik und der filmische Anspruch richten sich eher an Liebhaber von David Lynch, als an die Dramen erprobten Augen der Fans des deutschen Films. Zudem offenbart sich die wahre Schönheit wohl nur dem norddeutschen Geiste - aus der Sicht eines Westfalen waren für mich sowohl das Verhalten als auch die Mentalität der Charaktere nur schwer greifbar. Die meisten der als komisch angelegten Szenen erschlossen sich mir nicht, was wohl an meinem bergischen Gemüt liegt.
Außerdem dürften viele die gezeigten Bilder als Kitsch abtun, ohne die Wirkung des Gezeigten nachzuvollziehen. Als letzen Kritikpunkt sollte man auch die musikalische Untermalung nennen, die stets treffend und atmosphärisch geraten ist, sich stellenweise aber zu arg in den Vordergrund drängt.
Die DVD
Das Bild liegt nicht, wie angegeben, im Originalformat von 2.35:1 vor, sondern lediglich in 1.78:1. Dennoch ist das Ergebnis als gelungen zu bezeichnen. Die Farben sind natürlich, der Kontrast sehr gelungen und der Schwarzwert weiß auch zu gefallen. Leider leistet sich die Bildschärfe vereinzelt Schwächen; Dropouts und ein störendes Bildrauschen sind zudem zu vernehmen.
Der Ton (Deutsch DD5.1 & DD2.0) dringt eher durchwaschen aus den Boxen. Auf Grund der Machart des Films, kann schon im Vorfeld von keinem tonalen Feuerwerk ausgegangen werden. Trotzdem wäre eine größere Räumlichkeit sehr erstrebenswert gewesen. Das Geschehen beschränkt sich fast komplett auf die Front, wobei die Dialoge sauber aus dem Center tönen. Ganz selten sind Effekte im Rearbereich zu vernehmen, viel zu selten dringt der Score aus allen Lautsprechern. Der Bass hat relativ wenig zu tun, unterstützt die Filmmusik aber ab und an ein wenig.
Die Tonschwächen werden durch das Extra-Paket aber komplett ausgeglichen. Kernstück bildet ein 46-minütiges Making Of, das neben einem schönen Blick hinter die Kulissen auch einige humorvolle Stellen zu bieten hat. Die nötigen Informationen um die filmische Intention liefert Regisseur Till Franzen höchstpersönlich in einem 25-minütigen Interview. Zudem befinden sich auch noch ein Audiokommentar, das Titellied und diverse Deleted Scenes auf der Disc. Der Kinotrailer, verschiedene Biografien und die hauseigene Epix Trailershow runden das sehr gute Paket ab.
Fazit
"Die blaue Grenze" ist poetisch, romantisch und mystisch zugleich. In schönen, für einige wohl kitschigen Bildern erzählt Regisseur Till Franzen mit seinem Debütfilm eine Geschichte um die wirklich wichtigen Dinge im Leben, um Schlüsselentscheidungen und die unveränderliche Kraft des Schicksals. Die Mystik dient der Tragik-Komödie ebenso als ergänzendes Element wie die nordische Kultur. Auf Grund dessen ist der Film vor allem Norddeutschen zu empfehlen, die in der 102-minütigen Handlung viel von sich selbst wieder finden werden. David Lynch-Fans können hier ebenfalls einen Blick riskieren, mit der Einschränkung, dass sie dem deutschen Film gegenüber aufgeschlossen sein sollten. Wer weder zu den Erst-, noch zu den Zweitgenannten gehört, lässt sich bei diesem Film auf ein Experiment ein.
- Redakteur:
- Martin Przegendza