großen Rätsel des Zweiten Weltkriegs, Die. Teil 2: Helden & Dilettanten
- Regie:
- Andrew Aitken, Dave Flitton
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- BRD / Großbritannien
1 Review(s)
13.05.2007 | 16:03Zwischen Dünkirchen und Wolfsschanze
Warum scheiterte das Attentat auf Hitler, das am 20.7.1944 stattfand und welche Folgen hatte es? Warum ließ Hitler das "Wunder von Dünkirchen" im Mai 1940 zu, als die Briten fast ihr gesamtes Expeditionskorps unbeschadet abziehen konnten? Antworten auf diese Fragen wollen die Dokumentationen auf dieser DVD liefern. Dabei greifen die Macher auf Material aus britischen, amerikanischen, deutschen und russischen Archiven zurück.
Filminfos
O-Titel: Die großen Rätsel des Zweiten Weltkriegs 2 (aus britischen Archiven; D 2006)
Produktion: Eagle Rock Entertainment
Dt. Vertrieb: e-m-s
FSK: ab 12
Länge: ca. 99 Min.
Regisseur: Andrew Aitken, Dave Flitton
Musik: Richard Cherns
Inhalte
"Helden & Dilettanten"
1) ~ Das Wunder von Dünkirchen ~
Warum befahl Hitler seinen Einheiten vor Dünkirchen zu halten und ermöglichte somit die Flucht der Engländer, obwohl der Sieg zum Greifen nahe war?
2) ~ Der Geheime Krieg ~
Noch Jahre nach Kriegsende umgibt ein undurchdringlicher Schleier die Tätigkeiten des britischen Geheimdienstes.
3) ~ Die Scheininvasion ~
Selbst als die Invasion in der Normandie bereits in vollem Gange war, weigerte sich Hitler anzuerkennen, dass es sich hierbei um die Hauptinvasion handelte. Wusste er von anderen Plänen?
4) ~ Attentat auf Hitler ~
Warum gelang es Hitler nie, die völlige Loyalität seines höchsten Generalstabes zu gewinnen und warum waren diese Generäle nie dazu in der Lage, Hitler erfolgreich zu beseitigen?
Mein Eindruck
Der Aufbau der Dokumentationen ist stets der gleiche, und er leuchtet sofort ein. Nach einer kurzen Einleitung zum jeweiligen Thema - Dünkirchen, Stalingrad usw. - folgt eine Liste offener Fragen. In den folgenden Abschnitten werden diese Fragen eine nach der anderen abgearbeitet und beantwortet. Allerdings können dann neue Fragen auftauchen - ein Anlass, weitere Antworten zu liefern.
Die Qualität der Antworten, auf die der Zuschauer gespannt, ist recht unterschiedlich. Da viele Einzelheiten der strengsten Geheimhaltung unterlagen, wie etwa Hitlers Gesundheits- und Geisteszustand, waren die Macher mitunter auf indirekte Aussagen von Zeugen und Wissenschaftlern angewiesen. Wichtige Zeugen wie Winston Churchill sind schon unter der Erde und können nur über ihr Tagebuch und ähnliche Dokumente zu uns sprechen. Was allerdings etwas unbefriedigend ist, wenn man berücksichtigt, dass manche Aussagen einerseits subjektiv sind, andererseits auch nicht alles verraten.
Fazit: Es wird niemals ein umfassendes Wissen über alle Rätsel geben und erst recht nicht vollständig zufriedenstellende Erklärungen für die offenen Fragen. Im Fall von Pearl Harbor etwa wurde bereits kurz nach dem Angriff damit begonnen, Dokumente zu vernichten bzw. zu fälschen, die eine Schuld der Führungsebenen an der Nichtaufdeckung der Angriffsvorbereitungen der Japaner belegten. Erste Soldatenpflicht: Sorge stets für Deckung für deinen Allerwertesten!
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D und Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras: keine
Mein Eindruck: die DVD
Die begrenzt gute Qualität von Bild und Ton ist natürlich historisch bedingt und muss den Dokumentationen nachgesehen werden. Doch das ausgewählte Archivmaterial, das in der Mehrzahl in Schwarzweiß vorliegt, ist von relativ hoher Qualität, denn es fehlen Streifen, Punkte, Kratzer und andere Artefakte. Offensichtlich haben die Macher Zeit gehabt, die Bilder digital zu bearbeiten, bevor sie diese auf DVD bannten. Wo immer es ging, wurde auf Farbaufnahmen zurückgegriffen. Der Ton liegt im Standard Dolby Digital 2.0 in Stereoton vor, so dass der Kommentarton moderne (bescheidene) Ansprüche erfüllt.
Extras gibt es keine, denn was sollten das für Extras sein? Das Making-of einer Serie von Geschichtsdokumentationen interessiert letzten Endes nur jene Leute, die sich darüber aufregen, welche Geheimnisse ihnen - auf welche Weise auch immer - entlockt wurden. Der Zuschauer will jedoch nur das Ergebnis der Recherchen wissen, nicht auch noch die Antwort auf die Frage, wie diese Antworten zustande gekommen sind. Diese Frage wird nämlich in den Dokumentation selbst befriedigend beantwortet, indem laufend Belege für dieses und jenes Detail geliefert werden.
Warum die Serie dann aber auf drei separate DVD-Boxen aufgeteilt wurde statt sie in eine gemeinsame 3er-DVD-Box zu stecken, ist eine Frage, die man dem deutschen Verleih stellen muss. Hierbei dürften Vermarktungsüberlegungen eine Rolle gespielt haben. So aber zahlt der Käufer dreimal für die gleiche Thematik, will er alle "Rätsel des Zweiten Weltkriegs" gelöst sehen.
Unterm Strich
Ob die hier gelieferten historischen Dokumentationen einen befriedigenden Eindruck hinterlassen, liegt zwar letzten Endes an den individuellen Erwartungen des Zuschauers, vor allem an dessen Kenntnisstand, aber es gibt auch allgemeingültige Standards für Geschichts-Dokumentationen: Sind sie vollständig, aktuell und wertungsfrei?
(Besonders letzteres Kriterium ist keineswegs selbstverständlich, denn nur in einer freiheitlichen Demokratie lassen sich wertungsfreie Beurteilungen von geschichtlichen Vorgängen vornehmen. Wer das nicht versteht, der lese bitte noch einmal "1984" von George Orwell.)
A) Vollständigkeit: Das präsentierte Archivmaterial wurde multimedial aufbereitet und mit modernen Darstellungstechniken verknüpft. Dass dieses Material vollständig ist, wird nirgends zugesichert. Dies wird auch nie geschehen, denn den Zeitpunkt, wann etwas "vollständig" ist, wird jeder anders festlegen. Die richtige Frage lautet also: Ist das Material für den Zweck ausreichend? Anhand der hier präsentierten Beweisketten würde ich zu einer positiven Antwort neigen, denn weitere offene Fragen entstanden selten.
B) Aktualität des Materials: Es ist davon auszugehen, dass sich die Macher um größtmögliche Aktualität des Materials und des damit präsentierten Wissensstandes bemühten. Ich selbst bin kein Historiker und kann diese Frage nicht gültig beantworten. Auffällig ist die häufige Wiederverwendung bestimmter Kampfszenen (angreifende Panzer usw.) in mehreren Teilen der Serie.
C) Wertungsfreiheit: knifflige Frage, schwierige Antwort. Wenn man bedenkt, dass aufgrund manchen Materials schwere Anschuldigungen gegen Winston Churchill und leitende Stellen in den Geheimdiensten der Briten und Amerikaner erhoben werden, dann spricht die Präsentation für Wertungsfreiheit. Gleichzeitig werden kaum Anschuldigungen gegen die Russen erhoben.
Welche Verbrechen dort begangen wurden, lässt sich nur durch Angaben wie etwa durch Vergleich der Zahlen der in Stalingrad gefangen genommenen deutschen Soldaten (mehrere Hunderttausend) und der zurückgekehrten Soldaten (nur wenige Zehntausend) erschließen. Immerhin wird nicht verhehlt, dass Stalin die Seite der Alliierten bewusst im Dunkeln gelassen hat, was seine eigene Truppenstärke betrifft (vgl. Beitrag "Stalins geheime Armee").
Was die deutsche Seite betrifft, so ist eine große Faszination der Macher mit dem Innenleben des Nazi-Reiches festzustellen. Das mag an der von jeher großen Verbundenheit der Briten mit den Deutschen herrühren (Königin Viktoria und Kaiser Wilhelm II. waren enge Verwandte). In meiner Zeit als Hilfslehrer an einer englischen Schule anno 1983/84 musste ich zu meinem Leidwesen feststellen, dass der bekannteste Deutsche Adolf Hitler war. Und die Briten lieben es bis heute, eine völlig veraltete Vorstellung vom tumben Deutschen zu pflegen, insbesondere in ihren Filmen. Wenigstens dieses Bild wird hoffentlich durch diese Dokumentationen korrigiert. Ob ein Bild von Perverslingen wie Hitler, Himmler, Goebbels und Heydrich dem Bild von tumben Frontsoldaten, den "Krauts", vorzuziehen sei, ist allerdings eine andere Frage.
- Redakteur:
- Michael Matzer