letzte Zug nach Durango, Der
- Regie:
- Mario Caiano
- Jahr:
- 1967
- Genre:
- Western
- Land:
- Italien / Spanien
- Originaltitel:
- Un treno per Durango
1 Review(s)
03.03.2009 | 14:18Zwei Glücksritter in den Wirren der Revolution
Während der Revolution versuchen die beiden Glücksritter Gringo (Anthony Steffen) und Luca (Enrico Maria Salerno), den Geldschrank eines mexikanischen Generals zu klauen. Auf ihrer Jagd nach dem Objekt der Begierde hilft ihnen ein Amerikaner namens Brown (Mark Damon), der lieber mit dem Auto als auf dem Pferd unterwegs ist - und nicht nur in Sachen Manieren und Waffen-know-how wie ein James Bond des Wilden Westens daherkommt. (Verleihinfo)
Die DVD bietet die digital überarbeitete und restaurierte Fassung als weltweite DVD-Erstveröffentlichung. Es ist die Nummer neun in Koch Medias "Western Collection".
Filminfos
O-Titel: Un treno per Durango (Italien / Spanien 1967)
Vertrieb: Koch Media Home Entertainment
Veröffentlichung: 11.07.2008 [Kauf-DVD]
FSK: ab 12
Länge: ca. 96 Minuten
Regisseur: Mario Caiano
Drehbuch: Jose Gutierrez Maesso, Mario Caiano, Duccio Tessari
Musik: Carlo Rustichelli
Darsteller: Anthony Steffen, Aldo Sambrell, Roberto Camardiel, Dominique Boschero, Manuel Zarzo, Jose Bodalo, Mark Damon, Enrico Maria Salerno u. a.
Handlung
Um 1910: Die beiden Glücksritter Gringo (Anthony Steffen) und Luca (Enrico Maria Salerno) kehren von einem Abenteuer in Guatemala zurück, als sie in Mexiko auf einen ganz besonderen Zug stoßen: Darin wird ein Geldschrank transportiert. Von ihrem letzten Peso kaufen sie Fahrscheine. Während es Luca auf den Tresor abgesehen hat, macht sich der smarte Gringo an eine blonde Schönheit heran, die er beim Besteigen der ersten Klasse erspäht hat (Dominique Boschero). Er erleichtert sie auf der Fahrt um ihr metallenes Zigarettenetui. Das Etui erweist sich als sein Lebensretter, als die Revolutionäre den Zug überfallen und auf ihn schießen.
Weil Luca sich auf der Zugtoilette versteckt hat, kommt auch er mit dem Leben davon. Fortan haben die beiden nur noch den Tresor und das entführte Mädchen, die französische Journalistin Hélène, im Kopf. Des Duos Einsatz im Spiel der Mächte: die zwei Schlüssel, mit denen sich der Geldschrank öffnen lässt. Im Tresor befindet sich Geld für einen mexikanischen General, der Waffen kaufen will, rund 20.000 Dollar.
Doch die Revoluzzer haben sich in drei Banden aufgeteilt. Zunächst müssen die beiden Glücksritter den ersten Bandenchef dazu bringen, ihnen zu helfen. Der Halunke hintergeht sie, doch ein geschniegelter Amerikaner hilft ihnen aus der Patsche: dem Lebendigbegrabensein. Er nennt sich Mr. Brown, offensichtlich ein Pseudonym. Seltsamerweise verlangt er nichts für seine Dienste. Das hätte sie auf jeden Fall stutzig machen sollen.
Nachdem sie mit seiner Hilfe den Unterschlupf der beiden anderen Banden gefunden haben, peilen sie erst einmal die Lage. Den Revolutionären gelingt es nicht einmal mit einer Kanone von anno Asbach, den Tresor zu knacken. Luca und Gringo kontaktieren Hélène, die einen Vorteil wittert, und schließen mit ihr und Mr. Brown einen Deal ab. Die durchtriebene Französin will ihnen helfen, indem sie den einen Bandenchef gegen den anderen aufhetzt. Tatsächlich gelingt der Plan, und die Banditen dezimieren sich gegenseitig, mit kräftiger Unterstützung seitens Mr. Browns.
Sogar das Gold können Gringo und Luca "sicherstellen". Gringo träumt bereits vom schönen Leben in Europa, als Mr. Brown wieder auf den Plan tritt. Er heiße in Wahrheit Samuel Bartlett und gehöre zu einer amerikanischen Spezialeinheit des Militärs, die das Gold wiederbeschaffen will. Na, ob das wahr ist? Jedenfalls gucken unsere Goldjäger in die Röhre. Weit kommt Mr. Brown oder Bartlett ebenfalls nicht. Die mexikanische Armee ist hinter ihm her - und unsere drei Glücksritter ebenfalls. Es folgen noch weitere Überraschungen. Wer wird am Schluss der lachende Dritte sein?
Mein Eindruck
Der 1967 gedrehte Italo-Western ist eine der ersten gelungenen Westernkomödien überhaupt, wenn man dem Essay-Autor Wolfgang Luley glauben darf. Regisseur Mario Caiano alias "William Hawkins" (alle Mitwirkenden mussten sich auf Wunsch der Produzenten amerikanisch klingende Namen zulegen, nur "Hélène" nicht) und sein Drehbuchautor Duccio Tessari ließen sich von diversen Schelmenromanen inspirieren; zusammen kreierten sie so einen Vorläufer der späteren Bud-Spencer-&-Terence-Hill-Komödien.
~ Gesichtsentgleisungen ~
Anthony Steffen, sonst auf das steinerne Poker-Gesicht des einsamen Rächers à la Django abonniert (er verkörperte ihn sechsmal), darf diesmal tatsächlich seine Gesichtszüge entgleisen lassen. Und dabei macht er seine Sache wirklich gut. Mark Damon, der Darsteller des Mr. Brown, erzählt im Interview, er habe Steffen erst einmal beigebracht, wie man die Miene verzieht. Vor solchen Komödien hatten Revolverhelden nur zwei Gesichtsausdrücke: mit und ohne Hut (Zitat von Rod Cameron).
~ Amerika und die Revolution ~
Steffen spielt einen tumben Amerikaner, der sich mit dem Mexikaner Luca, der ebenfalls keine Leuchte ist, zu allen möglichen Abenteuern verleiten lässt, wie etwa die Platinsuche in Guatemala und dergleichen Scherze. Nun geraten sie in die Wirren der mexikanischen Revolution von ca. 1910 und können sich praktisch heraussuchen, bei welchem General sie unter die Räder kommen wollen: Zapata, Pancho Villa oder Porfirio Diaz.
Jede Revolution hat bekanntlich einen schwankenden Frontverlauf, was zu allerlei Wirrungen Anlass gibt. Einmal schlagen sich mexikanische Soldaten mir nichts, dir nichts auf die Seite von Zapata. Ein anderes Mal werden den Glücksrittern die Pferde und Waffen von armen Peones abgenommen.
Das ist die einzige Szene, in der der Regisseur seine Sympathien für die Kommunisten offen zu erkennen gibt. Der Produzent war hingegen ein Tortellini-Fabrikant, der vom Filmgeschäft null Ahnung hatte, wie Caiano erzählt. Trotzdem wären linke Ansichten dem Kassenerfolg einer Western-Komödie nicht gut bekommen, weshalb sich Caiano diesbezüglich zurückhielt. Ist eine Revolution in Italien überhaupt möglich? Vielleicht nur, wenn man Silvio Berlusconi heißt.
~ Balance ~
Das perfekte Gegengewicht zu den zwei tumben Glücksrittern bilden die zwei durchtriebenen "Ausländer": die Französin Hélène - ihr Part wird später gerne von diversen B(l)usenschönheiten wie Brigitte Bardot oder Salma Hayek übernommen - und der schlaue Amerikaner Mr. Brown alias Bartlett alias MacPherson. Die beiden gehören irgendwie zusammen, merkt der Zuschauer, und am Ende sind sie das dann auch. Mr. Brown ist ein Strippenzieher, wie er im Buch steht. Kein Wunder, dass Gringo nichts Besseres einfällt, denn sonst würde er Mr. Brown nicht auf den Leim gehen. So aber ist er stets der Gelackmeierte.
~ Peacemaker ~
Eine der witzigsten Szenen ist das Pseudo-Duell am Schluss. Wie in einem klassischen Showdown gehen Gringo und Mr Brown aufeinander zu und blicken einander drohend in die Augen, als ob sie den anderen gleich über den Haufen knallen würden. Der Haken dabei: Die Pistolen der beiden enthalten keine Patronen mehr - sie können nur bluffen. Als der Bluff aufzufliegen droht, ergeben sie sich fast gleichzeitig. Natürlich werden sie Partner. Die Botschaft ist klar: Make peace, not war!
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: Widescreen (2.35:1 - anamorph)
Tonformate:
Dolby Digital 2.0 (Stereo) in Deutsch
Dolby Digital 2.0 (Stereo) in Italienisch
Sprachen: Deutsch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Extras:
1. dreiseitiger Essay
2. Interview mit Mario Caiano, Regisseur
3. Interview mit M. Damon
4. Italienischer Trailer
5. Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild ist von überraschend guter Qualität, ich habe keine Artefakte festgestellt, und die Farben kommen gut zur Geltung. Der Ton ist auf das Niveau des Standards DD 2.0 angehoben worden, was besonders der Musik zugute kommt. Sie erklingt ohne Scheppern in den Obertönen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist das Orgelspiel bei einem Western.
Da es sich um eine restaurierte Fassung handelt, gibt es Szenen in der Originalsprache, die untertitelt sind. Erfreulicherweise liegen die Untertitel in Englisch und Deutsch vor, so dass man die Synchronisation gut damit vergleichen kann.
1. 3-seitiger Essay
Wolfgang Luley stellt kenntnis- und faktenreich den Hauptdarsteller Anthony Steffen (1929-2004) dar, der in zehn Jahren nicht weniger als 26 Hauptrollen im Italowestern spielte. Er trat zudem noch in weiteren Actionfilmen des B-Levels auf.
Luley geht noch auf die komödiantischen Szenen dieses Films ein und auf die zwölf Minuten, die in dieser Fassung ergänzt wurden, insbesondere die Szenen mit dem Kanonier Gonzalez. Auf Caiano und Damon verschwendet er allerdings kaum ein Wort. Deshalb sind auch die beiden Interviews höchst willkommen.
2. Interview mit Mario Caiano (alias "William Hawkins"), Regisseur (15:22, mit Untertiteln)
Caiano wollte 1968 ganz andere Helden als Leone zeigen und nahm seine Vorbilder aus dem Schelmenroman, also zeigte er zwei Halunken, die einander nicht ausstehen können (wie Leone dann in der "The Good, the Bad, and the Ugly"). Allerdings sind beide Schelmen viel zu naiv für die schlechte und/oder hinterhältige Gesellschaft, in der sie sich bewegen.
Caiano, so Mark Damon, der Darsteller des Mr. Brown, ist ein Sympathisant der Kommunisten. Caiano sagt, er habe seine linksgerichteten Ansichten nur in einer Szene kundgetan, nämlich als die aufständischen Peones (Landarbeiter) den drei Glücksrittern die Pferde und Waffen rauben - die bräuchten sie selbst für die Revolution.
Ansonsten tun Caiano und Damon ihre Meinung über diverse Darsteller kund. Damon nennt Dominique Boschero eine "Giftspritze" mit einem höllischen Mundwerk, und einmal habe sie richtig zugeschlagen, so dass er eine Beule davontrug. Sie wurde Bürgermeisterin ihres Heimatortes. Caiano nennt Klaus Kinski "hinterhältig, feige und heuchlerisch" und lässt kein gutes Haar an ihm. Kinski habe ihn sogar in einem Gerichtsprozess verleumdet.
3. Interview mit Mark Damon (15:04, ohne Untertitel)
Mark Damon hat eine ziemlich bewegte Darstellerkarriere hinter sich. Der Amerikaner arbeitete an der Uni von Los Angeles, als er für den Film entdeckt wurde. Er arbeitete zunächst für die Amis, dann für die italienischen Regisseure Sergio Leone ("Für eine Handvoll Dollar"), Sergio Corbucci ("Der kürzeste Tag"), Antonio Margheriti und Mario Bava. Er vermittelte das Engagement Eastwoods durch Leone. Eastwood war bis dahin nur der Star der Fernsehserie "Rawhide" gewesen, nun durfte er in einem Spielfilm auftreten: für 15.000 Dollar.
Nach dem Ende der Italowestern-Welle stieg Damon ins Verleihgeschäft ein und vermittelte Independet-Produktionen aus Italien in die USA. Auch in Deutschland wurde er tätig, so etwa bei "Das Boot" (er nennt den Titel nicht) und "Die unendliche Geschichte". An Germany hat er nur gute Erinnerungen. Aber er musste ja auch nicht mit Kinski arbeiten.
Obwohl mein DVD-Spieler anzeigte, es wären englische und deutsche Untertitel dafür vorhanden, konnte ich weder die einen noch die anderen aktivieren. Es wäre bedauerlich, wenn auch bei anderen Zuschauern beide Untertitel fehlen würden. Dann wäre das Interview nur für Zuschauer verständlich, die Englisch gut verstehen. Damon hat wenigstens eine deutliche Aussprache.
4. Italienischer Trailer
Der Trailer ist fast vier Minuten lang, digital überarbeitet, aber ohne deutsche Untertitel nur für Italienischsprecher verständlich.
5. Bildergalerie
In der Galerie findet der Filmfreund internationale Filmplakate und deutsche sowie italienische Aushangfotos in Farbe und Schwarzweiß. Filmhefte fehlen diesmal.
Unterm Strich
Die wendungsreiche Geschichte der beiden Glücksritter Gringo und Luca sorgt für eine Menge Unterhaltung. Eigentlich bricht der Spannungsbogen dann zusammen, wenn sie den Tresor geöffnet und das Gold geraubt haben. Doch der Film geht noch munter weiter, denn wie in so vielen Auseinandersetzungen gibt es noch ein überraschendes Nachspiel. Also bitte munter weitergucken!
Das Drehbuch und der Regisseur ergriffen die Gelegenheit, um jede Menge Kommentare zu jeder Art von Freiheitskampf abzugeben. Man bedenke, dass anno 1967 sich die Studentenunruhen des Jahres 1968 zusammenbrauten und auch in Deutschland die Studenten schon auf die Straße gingen, so etwa gegen den Schahbesuch. Viele Italo-Western, etwa von Sollima, sind Kommentare auf die Revolution (vgl. "Der Gehetzte der Sierra Madre").
Es war daher besonders schade (oder bezeichnend), dass die ursprüngliche deutsche Fassung zwölf Minuten aus dem Film kürzte, und zwar ausgerechnet jene Szenen, in denen der Kanonier Gonzalez sich um die Sache der Revoluzzer verdient macht, aber dafür bei einer Art Russischem Roulette mit dem Leben bezahlt. Schon damals war also den Machern klar, dass die Revolution ihre Kinder frisst. Und auch Dario Argento stellte in "Die Halunken" 1973 die gleiche Sicht der Ereignisse von 1968 verschlüsselt dar. Umso willkommener ist daher, dass die vorliegende DVD die gekürzten zwölf Minuten wieder enthält.
Das Bonusmaterial ist ausgezeichnet: Zwei Interviews, eine Bildergalerie und der Originaltrailer sowie der Essay über den Brasilianer Anthony Steffen liefern einen umfassenden Überblick über diesen Film und einen der meistbeschäftigten Darsteller des Italo-Westerns. Ich hätte mir von Luley noch mehr Infos über den Regisseur und eine Interpretation des Films gewünscht, aber diese Infos liefern ja die zwei Interviews.
- Redakteur:
- Michael Matzer