weiße Massai, Die
- Regie:
- Hermine Huntgeburth
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
08.09.2005 | 07:28Mit "Die weiße Massai" kommt ein auf wahren Begebenheiten basierender Film in die Kinos, der den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Grundlage hierfür ist das 1998 erschienene gleichnamige Buch von Corinne Hofmann, die sich auf einer Urlaubsreise in Kenia Hals über Kopf in den Massai-Krieger Lketinga verliebt hat, und sich daraufhin entschloss, bei ihm zu bleiben. Dass dieser Stoff früher oder später verfilmt werden musste, war klar, denn die nackten Zahlen sprechen für sich: Über zwei Millionen verkaufte Exemplare, Vergabe von insgesamt 19 Auslandslizenzen und darüber hinaus war das Buch von 1999 bis einschließlich 2001 in den Top 5 der Spiegel-Bestsellerliste zu finden. Ferner ist Corinne Hofmann in unzähligen Talkshows wie Boulevard Bio, 3 nach 9 oder Riverboat aufgetreten, weshalb der/die eine oder andere bestimmt schon davon gehört hat.
Aus dem Grund konnte man gespannt sein, ob die filmische Umsetzung dem Buch gerecht würde. Und um es vorweg zu nehmen: Sie ist absolut gelungen! Die Namen der Protagonisten wurden zwar geändert, aber ansonsten wird chronologisch die ganze Story erzählt. Und die verläuft folgendermaßen:
Am letzten Tag ihrer Urlaubsreise entschließt sich Carola Lehmann (Nina Hoss), mit ihrem Freund Stefan (Janek Rieke) einen Trip mit einer Fähre zu unternehmen. Dort begegnet sie Lemalian (Jacky Ido) und verliebt sich sofort in ihn. Am nächsten Tag lässt sie ihren Freund alleine zurück in die Schweiz reisen. Caroline macht sich daraufhin auf die Suche nach Lemalian, muss aber feststellen, dass er zurück in sein Dorf gegangen ist. Nach einer nicht enden wollenden Busfahrt findet sie in Marsoille Unterschlupf bei Elisabeth (Katja Flint), die seit ein paar Jahren mit einem Kenianer verheiratet ist. Von ihr erfährt sie einiges über die Rolle der Frau in Kenia, aber das hält sie nicht von ihrem Vorhaben ab. Eine Regel lautet, dass der Mann sich für die Frau entscheidet, und nicht umgekehrt. Nach zehn langen Tagen ist es soweit, Lemalian hat sie ausfindig gemacht und sie, wie ein Bock eine Ziege, begattet. Auch diese ungewohnte sexuelle Begattung hindert sie nicht in ihrem Entschluss, weshalb sie mit Lemalian in sein Dorf Barsaloi zieht. Zwar kann sie ihm einige neue sexuelle Praktiken wie Küssen, Schmusen und Kuscheln beibringen, doch es gibt genug andere Dinge und Verhaltensweisen, die er nicht akzeptieren will und kann. Im Dorf lernt sie auch Pater Bernardo (Nino Prester) kennen, der sie zuerst nicht akzeptiert, geschweige denn mit ihr in die nächste große Stadt fahren will, damit sie sich Lebensmittel und ähnliches besorgt.
Caroline ist "gezwungen", Lemalian zu heiraten, damit sie weiterhin in Barsaloi leben kann. Nicht ganz "unschuldig" an dieser Situation ist der Mini-Chief, ein korrupter Verwalter, der Carola mit einem Aufenthaltsverbot droht, falls sie Lemalian nicht heiratet. Aus dem Grund reist Carola zurück in die Schweiz und verkauft ihr Brautmodenatelier, um mit den Erlösen ihre Existenz in Kenia aufzubauen. Kaum zurück in Kenia, heiratet sie den Lemalian. Natürlich ist sie, wie könnte es auch anders sein, von ihm schwanger. Sie versucht ihr Glück mit einem Lebensmitteladen und schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen dient er dazu, sich nicht immer ausschließlich von Fleisch und schwarzem Tee mit Zucker zu ernähren, zum anderen will sie die Lebensbedingungen der Menschen im Dorf verbessern. Zwar verkauft sie viele Sachen, bekommt dafür aber kaum Geld zu sehen, da Lemalian Schutzgeld an den Mini-Chief abdrückt und ansonsten das ganze Dorf "anschreiben" lässt, da sie ja alle Freunde sind. Ferner darf Carola den Laden nur dann weiterführen, wenn sie den faulen und nichtsnutzigen Neffen des Mini-Chiefs bei sich arbeiten lässt. Aber auch so sind die kulturellen Unterschiede zu groß, weshalb sie sich z. B. nicht mit der Klitorisbeschneidung junger Mädchen anfreunden kann und ihr Mann zutiefst eifersüchtig ist, weil sie den Männern direkt ins Auge blickt, was unter den Massai missverstanden werden kann. Das Leben ist nicht gerade ein Zuckerschlecken, und obwohl sie sich sehr viel Mühe gibt und vielen Dingen gegenüber tolerant ist, sind die kulturellen Barrieren zu groß. Nach vier Jahren zieht sie einen endgültigen Schlussstrich und kehrt ihrem Mann und dem Dorf den Rücken, um mit ihrer Tochter ein "normales" Leben in der Schweiz zu führen.
Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Kenia, obwohl es für den Produzenten Günter Rohrbach und die Regisseurin Hermine Huntgeburth einfacher gewesen wär, den Film in Südafrika zu drehen, da dort eine bessere Infrastruktur und eine funktionierende Filmwirtschaft vorhanden wären. Dies hätte aber bedeutet, dass die Samburu umsiedeln müssen, was sie entwurzelt hätte. Ferner hätte die Authentizität des Films darunter gelitten. Eigens für das Filmteam wurde ein Basiscamp errichtet: Duschen unter freiem Himmel, Schlafen im Zelt, und das Team, das immerhin 150 bis 200 Leute umfasste, musste noch essenstechnisch verpflegt werden ...
Weiterhin überrascht es viele Außenstehende, warum gerade eine Frau die Regie bei "Die weiße Massai" geführt hat. Der Produzent Günter Rohrbach begründete seine Entscheidung damit: "(...) eine Frau hat vielleicht doch einen intimeren, genaueren Zugang zu der Mentalität, die uns hier gegenübertritt. Im Übrigen wollte ich immer schon einen Film mit Hermine Huntgeburth machen, die ich sehr schätze." Die Begründung, warum der Film in Kenia gedreht wurde, ist auch plausibel. Dazu Rohrbach: "Wir hätten unsere wunderbaren Samburus in Flugzeuge verfrachten und dorthin (Südafrika, d. Verf.) bringen müssen, und sie wären dort verloren gewesen. Es ist eine große Qualität des Films, dass er diese Wirklichkeit unverstellt wiedergibt."
Außerdem verwundert es, warum die Rolle des Lemalian nicht mit einem Massai besetzt worden ist. Doch die Antwort auf diese Frage ist genauso einfach wie plausibel, wie Hermine Huntgeburth erklärt: "Sie (die Samburus, d. Verf.) kennen kein Kino, kein Fernsehen, und haben einen ganz anderen Stil, ihre Beziehungen zu leben, als wir das tun. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Massai intime Liebesszenen spielt. (...) Deshalb haben wir uns nach langem Überlegen entschieden, die Rolle mit einem im Westen lebenden Schauspieler zu besetzen, der noch nicht so routiniert ist und der eine gewisse Unschuld mitbringt."
Zum Abschluss bleibt nur noch zu sagen, dass mich selten ein Film so sehr gefesselt hat wie dieser. Seien es die Besetzung, die schauspielerischen Fähigkeiten, die Landschaftsaufnahmen, die Filmmusik: Alles passt perfekt. Zudem ist er keine Minute langweilig, obwohl er knapp 130 Minuten lang ist. Eine echte Achterbahn der Gefühle. Es gibt Passagen im Film, die sind zum Schreien komisch, dann wiederum Stellen, bei denen man einfach nur wütend ist. Gerade der Konflikt zwischen Caroline und dem Massai ist sehr gut dargestellt und nimmt natürlich den größten Raum im Film ein.
Ich könnte noch seitenweise die positiven Seiten des Films hervorheben: Die kenianische Steppe, die Charaktere, die passende und sehr einfühlsame Filmmusik, für die übrigens Niki Reiser verantwortlich zeichnet, der u. a. auch schon "Nirgendwo in Afrika" oder auch "Alles auf Zucker" mit seiner Musik veredelt hat, wofür er mit dem Deutschen Filmpreis 2005 in der Kategorie "Beste Filmmusik" ausgezeichnet worden. Nach dem Genuss des Filmes weiß man auch wieso. Wer "Jenseits von Afrika" oder "Der englische Patient" zu seinen Lieblingsfilmen zählt, wird auch hier voll auf seine Kosten kommen. Prädikat: äußerst wertvoll!
http://www.dieweissemassai.film.de
- Redakteur:
- Tolga Karabagli