THEORY IN PRACTICE - Colonizing The Sun
Mehr über Theory In Practice
- Genre:
- Progressive Death Metal
- Label:
- Listenable Records
- Release:
- 25.02.2002
- Colonizing The Sun
- Conspiracy In Cloning
- The Psycomantum Litany (Chronicle Excerpt)
- Shapeshifter
- Asken Apocrypha
- The Clockwork That Counts Aeons
- Illuminati
- Replica Dawn
- This Town Ain't Big Enough For Both Of Us
THEORY IN PRACTICE. (Musik-)Theorie in die Praxis umgesetzt. Und hier ist der Bandname wirklich Programm. Also: Wer Songs mit mehr als einem Solo nicht abkann, auf gerade Takte steht, Melodien nur als solche identifiziert, wenn sie wohlklingend sind, und bei schrägen Tönen Gänsehaut bekommt - weiter zum nächsten Review bitte.
Was die Schweden von THEORY IN PRACTICE auf ihrem mittlerweile dritten Longplayer bieten, gehört wirklich in Richtung Sonne. Oder am besten noch in eine andere Galaxie. Wer WATCHTOWER oder SPASTIC INK. nicht krank, sondern genial findet, der sollte hier genau richtig liegen. Vorausgesetzt derjenige kommt mit den Death Metal-Vocals von Drummer Henrik klar, die der Chose einen zumindest einigermassen aussergewöhnlichen Anstrich verleihen. Parallelen mit WATCHTOWER sind mit Sicherheit vorhanden, durch die omnipräsenten Keyboards erinnert das Material allerdings auch ein wenig an die frühen Progressive Death Metal-Helden von NOCTURNUS. Nur klingen die im direkten Vergleich mit THEORY IN PRACTICE geradezu schlicht und einfach gestrickt. Man stelle sich somit einen Bastard aus der Elite der Frickelbands aus allen stilistischen Lagern vor, was THEORY IN PRACTICE in etwa nahe kommen dürfte.
Ebenso schwierig wie eine Stilbeschreibung gestaltet sich auch die Besprechung der einzelnen Songs: Diese sind mit dermaßen vielen Drehungen und Wendungen ausgestattet, dass man sich wohl in diesen verlöre, versuchte man, die geistigen Ergüsse des Quartetts genauer zu durchleuchten. Der Titeltrack und Opener legt die Marschroute in etwa fest: deutlich dissonante Keyboardklänge untermalen eine Gitarrenarbeit, die in ihrer Ausführung und Ideengrundlage eigentlich kaum noch von dieser Welt sein kann. Die Taktwechsel habe ich dann nicht mehr gezählt, aber deren gesamte Anzahl dürfte sich wohl auf dem kompletten Album im dreistelligen Bereich aufhalten. "The Psycomantum Litany" beginnt geradezu eingängig, um den erfreuten Hörer dann im Mittelteil mit einer völlig schrägen Akustikeinlage wieder aus dem sicher geglaubten Gleichgewicht zu reissen.
Krank. Definitiv krank. Das ist das Wort, welches mir im Zusammenhang mit dieser Platte am meisten in den Sinn kam - und es trifft zu. Wer auf die Idee kommt, fieses Death Metal-Riffing mit wirren Gitarrenabfahrten und dann plötzlich auftauchendem Klassik-Gefiedel auf dem Keyboard zu kreuzen ("Shapeshifter"), der hat musikalisch gesehen definitiv einen an der Klatsche. Aber gehörig.
Und genau das ist es, was - für mich - THEORY IN PRACTICE zu etwas ganz besonderem macht. Die Songs haben, trotz aller genannten und unsäglichen Ideen der Herren Musiker, stets ordentlich Power, und selbst zu den schrägsten Takten kann man noch einigermaßen angemessen bangen. Und was die technische Seite betrifft - hier kann man der Band nur zum Songwriting und den handwerklichen Fähigkeiten gratulieren und sich vor der heimischen Anlage daran erfreuen. Abgesehen davon war es in letzter Zeit in Sachen Musik recht rar, was besondere Innovation betraf. Exakt dies bieten die Schweden - sicherlich nicht leichtverdaulich, schon ganz und gar nicht für den Ottonormal-Metalhead. Aber dafür mit Herz und einem ordentlich abgedrehten Verstand.
Wer also bis zu dieser Stelle gelesen hat und noch nicht das Gesicht angewidert verzieht: Kaufen, anhören, abgehen, anbeten!
Anspieltipps: Colonizing The Sun, Shapeshifter, Illuminati
- Redakteur:
- Rouven Dorn