HACKETT, STEVE - Metamorpheus
Mehr über Hackett, Steve
- Genre:
- Neue Musik
- Label:
- Camino Records / Inside Out / SPV
- Release:
- 29.03.2005
- The Pool Of Memory And The Pool Of Forgetfulness
- To Earth Like Rain
- Song To Nature
- One Real Flower
- The Dancing Ground
- That Vast Life
- Eurydice Taken
- Charon's Call
- Cerberus At Peace
- Under The World ~ Orpheus Looks Back
- The Broken Lyre
- Severance
- Elegy
- Return To The Realm Of Eternal Renewal
- Lyra
Steve Hackett, zweifellos ein bekannter Name, als Meister des progressiven Gitarrenspiels bei GENESIS wie auch solo zugange gewesen, veröffentlichte unlängst mit "Metamorpheus" ein Werk, welches mit Progressive Rock so rein gar nichts mehr zu tun hat. THE UNDERWORLD ORCHESTRA, mit welchem er das Opus eingespielt hat, wartet darauf mit Cellos, Violine, Viola, Flöten, Horn und Trompete auf. Wer deswegen jetzt aber ein schwülstiges "Rock trifft Klassik"-Projekt Marke "S/M" erwarten würde, könnte kaum weiter danebenliegen.
Wie bereits die Titelliste ohne Umschweife verrät, handelt es sich um ein Konzeptalbum, falls man denn in solchen Kategorien denken mag; ob Letztere hier jedoch passend sind, darüber ließe sich eine wohl eben so langwierige wie langweilige Diskussion führen. Eine Diskussion darüber, ob man mit Pop-Begrifflichkeiten an ernste Musik herangehen kann, darf, sollte ... Eine langweilige Diskussion, weil derlei Grenzziehungen immer unscharf bleiben; vor allem aber, wenn es sich um die vorliegende Komposition handelt.
Am ehesten käme dieser nach meinem Empfinden wohl noch die Bezeichnung "Neue Musik" nahe, wobei ich mich in dem Genre nun auch nicht wirklich auskenne; meinethalben auch Programmmusik, doch da fängt die Bezeichnung auch schon an zu hinken ...
Ovids dem Album zugrunde liegende Geschichten der Metamorphosen - bzw. eben daraus die von Orpheus und Eurydike - möge man sich in stiller Stunde einmal selbst zu Gemüte führen; denn hier soll es in erster Linie um die Musik gehen, und da gibt die erwähnte Tragödie eben lediglich einen thematischen roten Faden vor. Zudem ist das Album zugleich eben auch ein Meta-Morpheus; mithin eines über Träume oder vielleicht auch das Träumen an sich, was wiederum auch als Metapher für das Komponieren verstanden werden könnte.
Doch nicht nur der Albumtitel öffnet sich mehreren möglichen Interpretationen; auch die Musik selbst bleibt undefiniert. Kommen wir also vom Wortspiel zur Spielmannskunst: Neben eher klassisch geprägten Strukturen finden sich in ihr auch impressionistische Tonmalereien und Stimmungsbilder, eingängige Fingerübungen und progressive Abstraktionen sowie atmosphärische Passagen und fast schon einlullende Elemente aus der Leichten Musik - alles mehr oder weniger eingehüllt im filigranen Gewand von Steve Hacketts Akustikgitarrenspiel.
Einfach zu fassen, vor allem in (meine) laienhafte(n) Begrifflichkeiten, ist diese Mischform keineswegs; aber auch schon im rein gefühlsmäßigen Erschließen durch Hören habe ich mich ziemlich schwer getan.
So plätscherte Titel für Titel zwar ein ums andere Mal wenig packend und stilistisch abwechslungsreich an mir vorbei, obgleich ich sie bei näherem Hinhören keineswegs als langweilig einstufen würde. Es handelt sich allerdings um Musik, welcher man deutlich mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen sollte als irgendwelchem Fahrstuhlgedudel: vorzugsweise abends zur Entspannung und zum Abtauchen zu hören.
Die einzelnen Themen sind durchaus verschiedenen Charakters, doch die ihnen zugrunde liegenden Stimmungen unterscheiden sich - und das macht die Scheibe in meinen Ohren zunächst weniger ansprechend - im Wesentlichen nur wenig; so sank ich selbst Abend um Abend, Woche um Woche regelmäßig in Morpheus' Arme, noch bevor ich auch nur die Hälfte meines Weges durch die bisweilen bleiche Unterweltdarstellung geschritten war. Das Album bot einfach recht wenig, was mich zum Umdrehen hätte veranlassen können: Ton um Ton, Ton in Ton ...
Sicherlich, dem ebenso sehnsuchtsvollen wie sagenhaften Thema angemessen, tönt es gerade gemessen getragen und meinethalben auch tragisch, genug; doch hätte ich mir jenseits - pardon: diesseits! - von Stücken wie 'Song To Nature' einige lebhaftere Elemente gewünscht, um eben auch das Sangestalent und die damit verbundene Bannkraft eines Charakters wie Orpheus noch stärker zur Geltung bringen. Dass dieser sich auch im Angesicht der Unterwelt noch seine Erinnerungskraft und liebevolle Vision zu erhalten imstande ist, macht Titel numero zehn dafür zwar recht gut deutlich. Doch mag in anderen, entsprechenden Titeln wie ’Eurydike Taken’ - welches bei Hackett & Co. eher plätschernd wirkt - die nötige Dramatik wiederum kaum aufkommen, sodass in der anfänglichen Kennenlernphase noch so manches Stück des Albums nahezu konturlos ins andere und der Rezensent des Öfteren in seiner Konzentration abdriftete …
'The Pool Of Memory And The Pool Of Forgetfulness' leitet das Album mit einem Wechselspiel aus ahnungsvollem Orchester und davon bewegter Gitarre ein; ’To Earth Like Rain’ malt eine mit griechisch-folkloristisch anmutenden Elementen durchsetzte Idylle; ’Song To Nature’ lässt ruhig fließende Streicher und milde gestrichene Gitarre um ein Thema kreisen und ’One Real Flower’ erklingt perlend und beruhigend, hat etwas Tänzerisches und klingt zugleich auch innerlich und höflich. Erst ’The Dancing Ground’ hebt sich etwas vom vorangegangenen Stil ab: Walzerartig und beschwingt, dabei sehr leicht tritt sein orchestrales Thema auf den Plan, welches von Hacketts sich darauf einlassender Gitarre lustig säuselnd umflirtet wird. Hier hält dann auch erstmals Dramatik Einzug, erst in filmreifer Vorausdeutung, dann immer kälter und schließlich auch dunkler werdend. ’That Vast Life’ wartet mit einem gleitenden Zusammenspiel von Orchester und Gitarre auf, bietet reiche Töne und wieder einige scheinbar an griechische Traditionen anknüpfende Elemente dar, welche in schönelnde Harmonien eingebettet sind; Steves Gitarrenspiel klingt hier mitunter beinahe harfengleich. Zwar ist das Stück recht langatmig gestaltet, doch ist eine Entwicklung hin zum Sinfonieartigen nicht von der Hand zu weisen. Bei diesem Eindruck der ersten Halbzeit möchte ich es hier schon belassen, jedoch nicht ohne als Glanzlicht noch ’Severance’ herauszuheben, wo das Unterweltorchester dann doch noch einmal dräuend zum Einsatz kommt. Beschlossen wird das Album vom schwelgerischen ’Lyra’, welches verschiedene Qualitäten der vorangegangenen Stücke in sich vereint und so einen würdigen Abschluss setzen kann.
Als dramatisch erzählte, akustisch packende Inszenierung geht "Metamorpheus" also nahezu fehl. Ob dies aber überhaupt die Absicht ihres Urhebers war, bleibt jedoch fraglich. Und spätestens hier muss ich mich - wider meine eingangs verlorenen Worte - dann doch umdrehen, um einen Blick zurück auf die möglichen Interpretationen des Titels zu werfen: Es scheint mir nun nämlich fast so, als hätten sich Hacketts Träumereien - lediglich von der Grundstimmung des Themas ausgehend - über den Stoff selbst erhoben und ein entsprechendes Eigenleben entwickelt, welches stellenweise zwar ebenso spannungs- und blutarm und jenseits der Zeit stehend wie die Gefilde des Thanatos selbst ist, für einige wenige aber gerade ob seiner chimärenhaft idealisierten Abstraktion in orchestraler Gitarrenmusik vielleicht eben doch so schön sein mag, dass sich der Abstieg lohnt. Persönlich kann ich nach längerer Einhörzeit dem Werk doch deutlich mehr abgewinnen, als der erste Eindruck suggerierte.
Vermutlich ist der über alle Kritik erhabene Hackett ohnehin mittlerweile im Jenseits jeglicher Maßstäbe angekommen, sodass er als Über-Progger sich ein ebenso spezielles wie minderheitenzielgruppenträchtiges Werk wie den Meta-Morpheus locker leisten kann.
Wer sich gerne einige Wochen lang einhört, um ruhig auch etwas klassischer gestaltete Musik so richtig genießen zu können, mag an deren leichter Version bei STEVE HACKETT & THE UNDERWORLD ORCHESTRA einiges zu entdecken finden. Wer dagegen Sensation oder gar Bombast sucht, ist hier völlig falsch. Zum Antesten im Plattenladen seines Vertrauens sollte man daher besser einiges an Zeit und Muße mitbringen und sich mehrere Stücke komplett sowie eventuell mehrmals anhören. Denn "Metamorpheus" wird – je nach Standpunkt und Geschmack der werten Hörerschaft – wohl entweder von bleibendem oder aber von keinerlei Wert sein. Insofern mag man mir (hoffentlich) verzeihen, dass diese Rezension erst mit einigen Wochen Verspätung erscheint. Gut Ding will eben Weile haben.
Anspieltipps:
The Pool of Memory and the Pool of Forgetfulness,
To Earth Like Rain,
That Vast Life,
Severance,
Lyra.
- Redakteur:
- Eike Schmitz