25 Jahre SOILWORK - Wir blicken zurück! - Part 1

22.08.2022 | 22:35

Wenn in den vergangenen Tagen mit "Övergivenheten" ihr mittlerweile 12. Studioalbum das Licht der Welt erblickt, markiert dieses Jahr auch den 25. Geburtstag von SOILWORK. Schritt für Schritt sind die Schweden aus dem großen Schatten solcher Pioniere wie IN FLAMES, AT THE GATES und DARK TRANQUILLITY herausgetreten und haben ihre ganz eigene, emotionale und gewaltige Version des Melodic Death Metals kreiert. Das nahmen wir - Tobias Dahs, Chris Staubach, Stefan Rosenthal und Marcel Rapp - zum Anlass, das bisherige Schaffen dieser Band Revue passieren zu lassen und zu ergründen, wie es zu den Großtaten der letzten Alben kommen konnte. Viel Spaß!

Zugegeben, die Band - damals bestehend aus Björn "Speed" Strid, Peter Wichers an der Gitarre sowie Bassist Carl-Gustav Döös und Jimmy Persson, die die Band allerdings recht schnell wieder verließen - existierte schon Ende 1995 als INFERIOR BREED, wurde allerdings 1997 in SOILWORK umbenannt. Noch vor Veröffentlichtung des Debüts schloss sich Langzeit-Bassist Ola Flink den Schweden an, und die Reise beginnt mit "Steelbath Suicide":

Ein Paradebeispiel des Sprichworts, dass jeder einmal klein angefangen hat. Und ja, Ende der 1990er Jahre herrschte ein großer Boom im Melodic-Death-Metal-Sektor, der mit IN FLAMES, AT THE GATES und DARK TRANQUILLITY auch amtliche Vertreter in seinen Reihen hatte. Und dann gab es noch eine recht junge Band, die den Großen ihrer Heimat nacheifern und mit auf den Zug aufspringen wollte. Richtig, SOILWORK macht auch 24 Jahre später auf dem "Steelbath Suicide"-Debüt handwerklich alles richtig, doch erstens war diese neue Band, die aus den INFERIOR BREED-Musikern hervorging, musikalisch schwer von ihren Paten abhängig und hatte zweitens einen zwar ambitionierten, aber noch recht ungeschliffenen Diamanten am Gesang, der erst einige Jahre später zu der Größe heranwachsen sollte, die wir bei Björn "Speed" Strid heutzutage schätzen. Leute, das Debüt hatte coole Songs, wirklich! 'Sadistic Lullabye', 'Wings Of Domain' und vor allem das knackige Titelstück rasieren auch Jahre später, aber die anderen Schweden im melodisch-tödlichen Bleibereich waren damals einfach konsequenter und genossen aufgrund ihres Alters einen Hauch mehr Aufmerksamkeit als SOILWORK mit "Steelbath Suicide". Trotzdem sollte man auch heutzutage den Erstling gerne antesten, um die Ursprünge dieser nun großen Band, und wie SOILWORK zu dieser Band herangewachsen ist, zu ergründen. Das Besetzungskarussell drehte fleißig die Runden, die Orientierung an anderen Bands war noch etwas zu deutlich, doch Schritt für Schritt – und dazu gehört auch "The Chainheart Machine" – wuchs dieser kleine Erststreich zu einer stattlichen Größe.

Note: 7.0/10
[Marcel Rapp]

Direkt im Anschluss verließ Jimmy Persson SOILWORK und an der Schießbude nahm Henry Ranta Platz. Mit ihm wurde "The Chainheart Machine" eingeprügelt, das zweite und letzte Album, das über das französische Label Listenable Records erschien, bevor die Jungs in Nuclear Blast ihre Labelheimat fürs Leben gefunden haben.

Kaum war "Steelbath Suicide" in manchen Melo-Death erprobten Ohren, gingen Speed und Co. gleich wieder ins Studio, um mit "The Chainheart Machine" die nächste Sprosse ihrer Karriereleiter zu erklimmen. Das gelingt zum Teil, orientiert sich verständlicherweise das Zweitwerk zwar arg am Debüt, doch einen Hauch konsequenter und durchdachter sind Stücke wie das fette 'Generation Speedkill', 'Bulletbeast' und 'Machinegun Majesty' trotzdem. Und mir als Liebhaber der ordentlichen Thrash-Metal-Schlagseite liegt das Album genau aus diesem Grunde auch eher als der Vorgänger. Das liegt vor allem am Reifeprozess, der durch die Tour mit KRISIUN, DARKANE und NAGLFAR doch deutlicher voranschritt. Wer den Schweden zu Beginn ihrer großen Karriere einen Hauch von Orientierungslosigkeit und mangelnder Härte vorwarf, wurde durch "The Chainheart Machine" eines Besseren belehrt. Melodisch und hymnisch hier, zackig, flink und agil dort, das hatte schon damals Hand und Fuß und gefällt mir trotz späterer Großtaten sogar so gut, dass ich "A Predator's Portrait" und "Natural Born Chaos" zumindest auf einer Stufe mit "The Chainheart Machine" stellen würde, auch wenn Speeds Gesang auf dem 2000er Album noch Luft nach oben hat. Dennoch gibt es allerlei Rohdiamanten auf diesem Album und die Instrumentalmannschaft hat obendrauf eine gewisse Steigerung durchleben dürfen. Es wird amtlich gebrettert und das gefällt mir, obwohl ich vor allem die Melancholie und hohe Emotionalität des heutigen Bandsounds ungemein schätze. Doch wo stünde SOILWORK heute, wenn "The Chainheart Machine" nicht vieles in Grund und Boden gesägt hätte?

Note: 8.0/10
[Marcel Rapp]

Nur ein Jahr später, genauer gesagt am 20. Februar 2001, erschien schließlich "A Predator's Portrait", das nach einer Tour mit CANNIBAL CORPSE, MARDUK und DEFLESHED und dem Wechsel nach Donzdorf, genau den Sound parat hatte, mit dem SOILWORK auch in den Folgejahren überzeugen konnte. Das zeigt schon der erneuerte Schriftzug auf dem Artwork.

Kurzer Exkurs: Was haben SOILWORK, SAVATAGE, AMORPHIS und DARK AT DAWN gemeinsam? Zum einen haben natürlich alle Bands im Frühjahr 2001 ein Album herausgebracht, zum anderen waren sie aufgrund dieser Tatsache mit jeweils einem Song auf dem ROCK HARD-Dynamit Sampler Vol. 25 vertreten. Lange vor den Streaminganbietern und YouTube war das eine großartige Möglichkeit neue Bands kennenzulernen. Und seit dem ersten Hördurchlauf und der ersten Konfrontation mit 'Like The Average Stalker' bin ich Fan der Arbeit von SOILWORK. Was für ein großartiger, ungewöhnlicher Song, welcher die Definition von Melodic-Death-Metal schon deutlich breiter anlegte als es damals üblich war. Also direkt das zugehörige Album besorgt und zeitnah seine beiden Vorgänger eingetütet. Und zwei Erkenntnisse haben bis heute Bestand – zum einen ist der Qualitätssprung in der Kürze der Zeit zu "The Chainheart Machine" beeindruckend und zum anderen ist den Jungs aus Helsingborg ein fantastisches drittes Album gelungen, welches mich auch 2022 noch begeistert. Mit der Kombination aus einer düsteren Grundatmosphäre, die mich leicht an AT THE GATES-Überwerk "Slaugter Of The Soul" erinnert und der ständig fließenden Kreativität im Geiste von EDGE Of SANITY knallt SOILWORK hier bereits Hit auf Hit in die Runde und hat mit Speed, welcher erstmalig auch Clean-Vocals einsetzt, einen Ausnahmesänger an Bord, der sich schon damals herausragende Gesangslinien aus dem Hut zaubert. Klar, das ist alles noch deutlich rougher und kerniger als 20 Jahre später, ändert aber nichts an der Tatsache, dass Lieder wie der ultrabrutale Opener 'Bastard Chain', der melodische Überhit 'Needlefeast' oder das Groovemonster 'Final Fatal Force' durch die Bank bockstarke Songs sind. Der heimliche Star von „A Predator’s Portrait“ ist allerdings Keyboarder Carlos Holmberg, der sich auf seinem letzten Album mit SOILWORK selbst übertrifft und jeden einzelnen Track veredelt. Wer eine Referenzklasse für geschmackvolle Keyboards im Melodic-Death-Metal sucht – das ist euer Album.

Note: 9,0/10
[Stefan Rosenthal]

Es ging Anfang der 00er-Jahre Schlag auf Schlag bei SOILWORK, was schon früh den Arbeitseifer Speeds zeigte. So hauten Nuclear Blast und die Schweden wiederum nur knapp 13 Monate später das "Natural Born Chaos"-Highlight heraus. Nach der Tour mit NEVERMORE und ANNIHILATOR, dem Amerika-Abstecher mit KILLSWITCH ENGAGE und HYPOCRISY sowie sehr wohlwollenden Worten eines gewissen ROB HALFORDs nahm Keyboarder Carlos den Hut und wurde durch Sven Karlsson von EVERGREY ersetzt. Für diesen bombastischen Sound konnte SOILWORK ein sehr prominentes Köpfchen gewinnen...

Markierte "A Predator's Portrait" wie vom Kollegen Stefan korrekt angemerkt, einen massiven Qualitätsprung im Vergleich zu den beiden Erstwerken, so ist "Natural Born Chaos" lediglich ein Jahr später eigentlich nur die logische Fortsetzung des mit dem Vorgänger eingeschlagenen Weges. Insbesondere Speed fühlt sich mit etwas mehr Erfahrung und einer Tour im Rücken noch einmal deutlich wohler am Klargesang, weshalb seine Gesangsmelodien hier auch nochmal inbrünstiger und mitreißender aus den Boxen schallen. Einen Anteil daran hat wahrscheinlich auch Maestro DEVIN TOWNSEND, der die Platte produzierte und Speed im unfassbar großartigen Megahit 'Black Star Deceiver' und bei 'Soilworker's Song Of The Damned' gesanglich zur Seite steht. Ebenso sorgte Townsend für einen deutlich moderneren und polierteren Sound im Vergleich zum Vorgänger, der aber der modernen und Keyboard-lastigen Interpretation des Melodic Death Metals wunderbar zu Gesicht steht. Doch nicht nur in Sachen Produktion ist der Schritt nach vorne noch einmal ordentlich, auch bei den Hooklines und der allgemeinen Komposition haben die Schweden eine Schippe draufgelegt, ohne ihr durchaus eigentümliches Händchen für den Songaufbau aus den Augen zu verlieren. Die Liste der Highlights ist entsprechend auch unheimlich lang. 'Follow The Hollow' etwa ist ein wunderbar melodischer und trotzdem knüppelharter Opener, 'As We Speak' ist zu Recht auch heute noch ein häufig gesehener Gast in den Setlisten des Sextetts und geht einem dank unwiderstehlicher Hookline einfach nicht mehr aus dem Ohr, und das Groove-Monster 'Mercury Shadow' sorgt dafür, dass auch der nächste Muskelkater im Nacken vorprogrammiert ist. Da man schlussendlich Ausfälle komplett vergebens sucht, ist "Natural Born Chaos" für mich auch das perfekte SOILWORK-Album, das den ungestümen jugendlichen Elan mit der melodischen Eingängigkeit späterer Werke verheiratet. Alles andere als 10 von 10 Punkten wäre also eine absolute Frechheit.

Note: 10/10
[Tobias Dahs]

Keine Zeit zum Durchschnaufen! Wieso auch? Die Kreativität sprudelte aus SOILWORK nur so heraus. "Figure Number Five" erschien im Frühling 2003, nachdem die Jungs mit PAIN und den Genre-Kollegen von IN FLAMES die Hallen zum Kochen gebracht hatten.

Wiederum nur ein Jahr nach "Natural Born Chaos" veröffentlichen die Schweden also ihr nächstes Album, das noch konsequenter der bandeigenen kommerziellen Songwritingformel folgt: Knackig kurze Songs ohne viel Aufbau und Firlefanz, dafür mit leichten elektronischen Spielereien, tiefen Stakkato-Riffs und auf ein Minimum reduzierte Soli. Hauptkomponist und Gitarrist Peter Wichers wirft noch mehr (aus seiner Sicht) überflüssigen Ballast von Bord und presst die elf Songs in ein eng vorgegebenes Korsett. Das Eröffnungsstück 'Rejection Role' beispielsweise ist nicht nur gleich einer der zahlreichen Höhepunkte des Albums, sondern geht auch als perfekte Blaupause für diesen verfolgten Songwritingansatz durch. Der bereits beim direkten Vorgänger eingeschlagenen Weg, ab vom klassischen Melodic-Death-Metal hin zum Modern-US-Groove-Metal, wird ebenfalls noch deutlicher beschritten, sodass "Figure Number Five" das erste wirkliche Werk ist, das die Fangemeinde nachhaltig spaltet. Mir persönlich gefällt die erneut von Fredrik Nordström fett produzierte Scheibe unglaublich gut, für mich machen die Herrschaften damit einen mächtigen Schritt nach vorne. Songs wie 'Light The Torch', 'The Mindmaker', 'Overload' oder das brachiale Titelstück sind Göttergaben vor dem Herrn, die mich noch gut 20 Jahre nach Veröffentlichung aus dem Sitz reißen. Den größten Qualitätssprung hat für mich jedoch Speed gemacht, der in den Strophen sehr akzentuiert und nachvollziehbar brüllt, während die Refrains durchgehend melodisch daherkommen. Und ja, noch fräst sich nicht jede Melodie in die Hirnwindungen, aber im Gegensatz zu früher, wo er gelegentlich hektisch und rhythmisch unausgegoren durch die Gegend geschrien hat, besitzt sein Vortrag auf Album Nummer fünf wirklich Hand und Fuß. Der große Nachteil dieses konsequent verfolgten Songmusters ist, dass sich irgendwann die Stücke auf hohem Niveau sehr ähneln und Unterschiede nur schwer auszumachen sind. Das kann im Laufe der angenehm kompakten und sich durchgehend auf hohem Energielevel bewegenden 40 Minuten durchaus zu Ermüdungserscheinungen und Abzügen in der Langzeitwirkung führen.

Zum Abschluss noch eine persönliche Anmerkung: Es ist auch nicht immer ratsam, wenn der jeweilige Songtitel stets irgendwo in den Strophen versteckt wird. Somit beraubt man sich bewusst des Wiedererkennungswertes, was es dem einfachen Konsumenten nicht unbedingt leichter macht, einen Zugang zu finden. By the way.

Note: 8,5/10
[Chris Staubach]

Für ihr sechstes Album haben sich die SOILWORK-Jungs nun etwas mehr Zeit gelassen, erschien "Stabbing The Drama", für viele Fans einer der Höhepunkte ihrer Lieblinge, im Februar 2005. Es folgten Auftritte auf dem BLIND GUARDIAN-Open-Air, mit CHILDREN OF BODOM, ARCH ENEMY, CHIMAIRA sowie CALIBAN und MNEMIC.

Ich habe mich ja ein paar Absätze weiter oben weit aus dem Fenster gelehnt und "Natural Born Chaos" als das perfekte SOILWORK-Album bezeichnet. Nun, angesichts von "Stabbing The Drama" aus dem Jahr 2005 muss man diese Aussage fast noch einmal überdenken, denn wenn überhaupt, zieht die Scheibe nur minimal den Kürzeren im Vergleich zum auf natürlichem Wege geborenen Chaos. Ebenso wie 'Black Star Deceiver' hat nämlich auch "Stabbing The Drama" mit dem grandiosen Titeltrack einen Überhit zu bieten, der aus der Setliste der Schweden einfach nicht wegzudenken ist. Und auch das übrige Material ist erneut nicht zu verachten, bietet mit 'Nerve' eine weitere Melodie-Keule, die ihresgleichen sucht, mit 'One With The Flies' und 'Stalemate' gibt es erneut zwei brutale und dennoch melodische Abrissbirnen und 'Fate In Motion' ist ein eher melancholischer Groover, der Strids Klargesänge wunderbar in Szene setzt und mit einem leichten Gothic-Touch auch nochmal eine neue Facette im Sound des Sextetts offenbart. Gerade nach dem in meinen Ohren doch etwas experimentelleren und nicht so starken Vorgänger "Figure Number Five" war "Stabbing The Drama" für mich daher im Jahr 2005 eine sehr willkommene Rückkehr zu bekannter Form und ist auch bis heute neben "Natural Born Chaos" und "Verkligheten" mein meistgehörtes Album der Schweden. Natürlich wurde die Platte beim Release auch von einigen Kollegen dafür kritisiert, dass hier wenig Neues geboten wird. Doch wenn eine Band ihr Erfolgsrezept gefunden hat, kann man es ihr auch nicht übel nehmen, wenn sie dieses mit nur wenigen Kurskorrekturen zelebriert. Schon gar nicht, wenn das Songmaterial so stark ist wie auf diesem Silberling. 9,75 Punkte wären in Relation und der Linie meiner Worte zu "Natural Born Chaos" treu bleibend wahrscheinlich angebracht, doch das gibt unsere Notenskala nicht her, und daher runde ich sehr gerne auch auf 10 volle Punkte auf!

Note 10/10
[Tobias Dahs]

Nach der Tour warf Songwriter und Gründungsmitglied Peter Wichers das Handtuch, sodass wir die Chance haben, einmal durchzuschnaufen und an dieser Stelle einen Cut zu machen. Denn anstatt Trübsal zu blasen, schnappen sich Speed und Co. Daniel Antonsson von DIMENSION ZERO und machen sich direkt an die Arbeiten zum "Stabbing The Drama"-Nachfolger. Dazu mehr im zweiten Teil unserer SOILWORK-Rückschau.

Redakteur:
Marcel Rapp

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