ARKONA: Interview mit Masha Arhipova

24.07.2011 | 11:13

"Ich bin der zweite Frosch" - Nach der Veröffentlichung der EP und kurz vor dem kommenden Album haben wir Masha zu einerm persönlichen Gespräch gebeten.

ARKONA sind eine Instanz im Pagan Metal. Und damit ist tatsächlich die Allgemeinheit dieses Genres gemeint, obwohl die Band aus Russland langezeit ein Geheimtipp im nicht-slawischen Europa war. Spätestens mit "Goi, Rode, Goi" (2009) und dem Deal mit Napalm Records ist die Band in hiesigen Gestaden angekommen. Kopf und Aushängeschild der Band ist Masha Arhipova. Sie zeigt sich als eine Frau, die zwischen der Gegenwart und der heidnischen Urgeschichte Russlands steht. Mit einem messerscharfen, schmerzhaften Blick auf die entnaturalisierte Realität. Mit der EP "Stenka Na Stenku" melden sich die Russen nun zurück, bevor es im Sommer mit "Slovo" ein neues Album geben wird.


Was bedeutet "Stenka Na Stenku"?

Am besten übersetzt kann es mit "Wall gegen Wall" werden – es ist ein historisches Männerspiel und kann von einer beliebig großen Gruppe jedes Alters gespielt werden. Es gibt zwei Gruppen (Wälle). Sie stehen sich gegenüber und beginnen einen freundschaftlichen Faustkampf. In alten Zeiten wurden so aus Männern starke Krieger. Vergleichbar mit der "Wall Of Death" der Fans bei Live-Shows.

Was ist der lyrische Hintergrund der Songs?

In meinen Texten drücke ich meine Sicht auf die Welt aus – das Heidentum in der modernen Welt. Es basiert auf Ablehnung und Zurückweisung der modernen Lebensrealität. Es ist einfach so, dass negative Ereignisse den größten Einfluss für meine Texte ausmachen, andererseits ist es natürlich auch so, dass ich Metal, also aggressive Musik spiele. Aber es gibt auch fröhliche Texte wie in 'Stenka Na Stenku' oder 'Yarilo'. Da geht es um lustige Traditionen oder nette Erfahrungen.

Gibt es wieder Gastmusiker auf dem Album?

Natürlich, wir haben immer welche dabei! Es gibt Chöre, ein Streichorchester und zwei verschiedene Akkordeonspieler. Teile der Folk-Instrumente wurden von Vladimir Volk eingespielt, der aber mittlerweile teil unseres Line-Ups ist. Der berühmteste Gast ist allerdings Meri Tadic, meine gute Freundin von Eluveitie, die die Violinparts einspielte.

Ein Song entstammt einer Zusammenarbeit mit der in letzter Zeit stark kritisierten Band VARG – mal ganz im ernst: Haben sie dir den dümmlichen Text ("hau weg die Schei*e, hau weg die Schei*e...") eigentlich erklärt?

Sagen wir so: Die Pagan-Fest-Tour, der Nightliner mit VARG, eine Menge Alkohol – dieser Song entstand während dieser Zeit und erzählt eine Menge über die Atmosphäre dort. Ich mag diese deutsche Textzeile sehr gerne und wollte etwas wie eine Hymne kreieren. Ich hoffe, dass das Resultat nicht allzu grob ist und die Leute das mit Humor nehmen (grinst).

Hörst du auch nicht-slawischen Folk?

Ich präferiere slawischen Folk, aber manchmal höre ich auch die Musik anderer Länder, dann aber vor allem moderne Interpretationen. Zur Zeit mag ich DONIS aus Litauen und FEJD aus Schweden sehr gerne, aber mein absoluter Favorit in diesem Genre ist "Zobena Dziesma" von SKYFORGER.

In einem anderen Interview hast du mir erzählt, dass die Menschheit ihre Verbindung zur Natur verloren hat – wie kann sie diese lebenswichtige Verbindung wieder herstellen?

Das ist alles vor mehr als einem Jahr, ja, mehr als einem Jahrhundert passiert. Deshalb wird der Umkehrungs-Prozess nicht weniger lange dauern. Die Menschheit hat die Verbindung zur Natur nicht von einem moralischen Standpunkt her verloren, sondern auch auf einem biologischen Level. Es ist der größte Irrtum der großen Religion wie Judentum, Christentum oder Islam, die Welt als etwas temporäres wahrzunehmen, das lediglich auf dem Weg zum ewigen Leben nach dem Tod passiert werden muss. Wie soll der Respekt da groß sein, wenn die Welt lediglich als Picknick abseits der Strasse wahrgenommen wird, die man sowieso nie wieder passieren wird? Eine Restoration der Natur, der heiligen Essenz der Menschheit, kann vielleicht nur mit dem Ende dieser drei großen Moloche stattfinden. Um dann wieder zu einem Weltverständnis und der Natur zurückzufinden, der paganen Natur aller lebenden Kreaturen auf dieser Welt.

Du bist zweifache Mutter: Verstehen die Kinder etwas von deinem spirituellen und deinem künstlerischen Leben?

Sie sind noch zu klein, erst zwei und fünf Jahre alt. Aber sie kennen schon viele von meinen Songs und erkennen sie als etwas Besonderes unter vielen anderen. Ich fühle, dass sie meine Musik mögen, vielleicht, weil sie sie durch mich auch auf einem biologischen Level gefühlt haben. Beide waren in mir auf einer Menge Shows und sogar auf Tour. Und man weiß bekanntlich, dass Kinder im Bauch ihrer Mutter Dinge um sie herum hören können. Mein spirituelles Leben verstehen sie mit ihrem klaren, kindlichen Kopf: Ich versuche ihnen einiges zu erklären und vielleicht wird ihr Weg einst richtiger als der meine sein – ich würde es so wollen.

Du redest sehr oft darüber, mit den Umständen leben zu müssen. Andererseits erlebe ich dich als eine sehr starke Frau – wie entscheidest du, ob du den Weg des "damit leben könnens, weil man ja nichts ändern kann" oder den Weg des "ich ergreife die Chance, etwas ändern zu können und kämpfe dafür" einschlägst?

Das ist möglicherweise ein Übersetzungsproblem: Ich glaube immer daran, dass ein Mensch sein Leben nach eigenen Vorstellungen leben kann und die Umstände sekundär sind. Aber da fällt mir eine alte russische Fabel ein: Zwei Frösche fielen in ein Gefäß mit Sauercreme und begannen zu versinken. Sie versuchten beide, herauszukommen, aber der Ton des Gefäßes war zu rutschig. Der eine Frosch, der an die Umstände glaubte, schwamm ein wenig und dachte dann: "Es ist egal, ich komme hier nicht mehr heraus. Warum soll ich es dann versuchen? Nur um vergeblich zu leiden. Besser ist es, gleich unterzugehen." Und er ging unter. Der zweite Frosch glaubte nicht an das Schicksal: "Besser ich schwimme. Wer weiß, vielleicht finde ich etwas und komme raus." Er kämpfte und strampelte, bis sich ein fester Grund unter seinen Füßen bildete. Mit seiner Leidenschaft zu leben und der Energie machte er die Creme zu Butter. Ich bin dieser zweite Frosch (lächelt).

Redakteur:
Julian Rohrer

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