CRIPPER: Interview mit Britta Görtz

18.06.2007 | 21:42

Der Thrash-Underground lebt! Es scheint so, als sei das Interesse an schnellen Beats, schneidenden Gitarrenriffs der Marke Bay Area und aggressiven Shouts im Moment besonders groß. Während sich viele Bands aktuell eher am schwedischen Melodic Death orientieren, scheint gerade in Deutschland eine Rückbesinnung zum ursprünglichen Thrash Metal stattzufinden. Keine Ausnahme bilden da die Hannoveraner CRIPPER, die uns vor ein paar Wochen mit ihrer ersten selbst produzierten Scheibe "Freak Inside" einen ziemlichen Hassbrocken um die Ohren gehauen haben. Die Besonderheit an diesem Quintett ist jedoch, dass sich mit Britta Görtz eine Sängerin in ihren Reihen befindet, die mit ihren tiefen Growls nicht nur in einem Atemzug mit beispielsweise Sabina Classen oder Angela Gossow genannt werden muss, sondern auch den einen oder anderen männlichen Kollegen in dieser Hinsicht ziemlich alt aussehen lässt. Mein im Review genannter Vergleich passt ihr aber nicht so sehr...


Britta:
Deinem Vergleich mit Gus Chambers (ex-SQUEALER A.D., ex-GRIP INC.) kann ich nur bedingt folgen - ehrlich gesagt hab ich mich mit diesem Sänger bisher aber auch wenig befasst. Ich setze meine Stimme schon anders ein als er - ich bölk und grunz viel mehr rum. Ich wurde bisher zwar oftmals für einen Mann gehalten, beziehungsweise es kommt der Satz "klingt wie ein Mann, ist aber ne Frau" oder so, aber eigentlich vergleichen mich fast alle ausschließlich mit den (eher wenigen) Damen im Grunzmetal - meist also Angela oder Sabina. Generell ist es für mich schwer, meine Stimme mit den Stimmen anderer zu vergleichen, da ich einfach zu nahe an meiner eigenen dran bin. Man nimmt sich selbst ja oft ganz anders wahr als es Außenstehende tun.

Chris:
Schade, ich finde den Vergleich immer noch passend, obwohl ich zugeben muss, dass du deine Stimme natürlich deutlich tiefer einsetzt als Gus, aber sei's drum. Fasse doch lieber mal kurz eure Bandgeschichte zusammen, da CRIPPER für die meisten unserer Leser noch ein eher unbeschriebenes Blatt sein dürften.

Britta:
Jonathan und Christian kennen sich schon ein paar Tage vom Studium her (beide werden mal hoch dotierte Grafikdesigner, wenn's mit dem Rockstar nicht klappt ;-) ) Die beiden haben sich dann zu zweit in einen Proberaum eingemietet und erstmal Riffs geschreddert - das war 2004. Ich stieß dann Ende 2004 dazu; Dennis und unser erster Bassist Erik Anfang 2005. Dann konnte es endlich richtig losgehen und wir schrieben die ersten sechs Tracks, die auf der "Killer Escort Service" erschienen sind. Im September 2005 hatten wir unseren ersten Gig und zwei Wechsel am Bass. Der Nachfolger von Erik war Thomas, der leider nach kurzer Zeit wieder ausstieg. Unser aktueller Bassist heißt Sören und komplettiert uns seit Oktober 2006.

Chris:
Kommen wir mal zum aktuellen Album "Freak Inside": Die Songs sind alle in bester Bay-Area-Manier gehalten. Wo genau liegen eure Einflüsse?

Britta:
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass wir in unserer Musik sicher beeinflusst werden durch Bands wie TESTAMENT, EXODUS oder auch THE HAUNTED. Darüber hinaus erstrecken sich unsere musikalischen Geschmäcker und somit auch beeinflussenden Strömungen weit über Thrash Metal hinaus. Dennis zum Beispiel hört gern Musik von DIE ÄRZTE oder auch mal BLUMENTOPF. Bei Sören findest du neben Bands wie OPETH auch CDs von TOOL oder ALICE IN CHAINS im Plattenschrank. Christian braucht seine regelmäßige Ladung HELGE SCHNEIDER und Jonathan hört sehr gern Sixty-Rock. Bei mir reicht die Bandbreite von beispielsweise NEVERMORE bis hin zu poplastigem Kram wie PEEPING TOM. Klar, nicht jede der genannten Bands findet direkten Einfluss in CRIPPER, trägt aber zum musikalischen Ideenreichtum der einzelnen Musiker bei.

Chris:
Für diese vielen unterschiedlichen musikalischen Vorlieben ist "Freak Inside" aber ein sehr geradliniges Album geworden. Speziell bei den ersten beiden Thrashattacken 'Shortcut' und 'Sun:Colour:Black' holt ihr mächtig die Keule aus dem Sack. Gegen Ende hin baut ihr auch mal den einen oder anderen Moshpart mit ein. Wie weit würdet ihr aber selbst eure Musik zu Gunsten der Abwechslung dehnen?

Britta:
"Dehnen" ist aber ein komischer Ausdruck dafür. ;-) Sören ist Däne, musst du mal den Fragen ... ;-) Ehrlich gesagt kann man das so gar nicht beantworten. GENAU sind die Grenzen nämlich eigentlich nicht abgesteckt beziehungsweise erfassbar. Wir schreiben Songs, die sich für unsere Ohren gut anhören. Dabei versuchen wir, einer 100%igen Zufriedenheit möglichst nahe zu kommen - gelingt uns sicher nicht immer oder wenn überhaupt, dann nur für einen bestimmten Zeitrahmen. Mit der konkreten Beantwortung deiner Frage müssen wir, glaube ich, noch so lange warten, bis wir mal vor der Frage stehen, ob wir ein Konzeptalbum schreiben wollen oder nicht. Oder zumindest, bis wir mal eine erfolgreiche Platte aufnehmen, die wir danach selber musikalisch übertreffen wollen.

Chris:
Eure Musik wird stark von fetten Riffs dominiert. Was ist denn deiner Meinung nach wichtiger: ein starkes Riff oder ein guter Song?

Britta:
Das sind Kriterien, die sich schwer voneinander trennen lassen. Okay, ein fettes Riff ergibt nicht logischerweise einen guten Song und ein "guter" Song muss nicht zwangsläufig die fettesten Riffs enthalten. Am besten ist aber, wenn man fette Riffs zu einem guten Song verknüpft.

Chris:
Auf "Freak Inside" findet man rein gesanglich keine klar gesungenen Melodien oder Chöre. Warum habt ihr euch so dagegen gewehrt?

Britta:
Niemand von uns hat sich auf "Freak Inside" dazu berufen gefühlt, klare Melodien zu singen, sonst hätten wir es ja gemacht. ;-) Aber hör dir mal das vorangegangene Demo "Killer Escort Service" an, da gab es das noch. Insofern waren und sind diese Ideen schon vorhanden, nur hat es sich hier einfach nicht ergeben, klare Gesangsparts einzubauen. Außerdem entspricht mein Können auf diesem Gebiet zur Zeit noch nicht ganz meinem Anspruch, obwohl sich da schon einiges getan hat seit dem letzten Demo.

Chris:
Gesanglich passt du ja sowieso eher in die härtere Ecke, aber träumst du nicht manchmal auch davon, wie eine Elfe singen zu können? Oder warst du schon immer der Rebell, der mit schwarz angemalten Fingernägeln und ausgestrecktem Mittelfinger durch die Gegend gelaufen ist?

Britta:
Ich war schon immer ein Rebell, ja - wenn auch nicht so plakativ wie du es gerade angesprochen hast. Lustig aber die Frage mit der Elfe, denn in einem aktuellen Review werde ich nämlich stimmlich mit einem Ork verglichen. :-) Letztendlich würde ich gesanglich gern alles singen können, was es gibt. Eine große Bandbreite zu beherrschen, kann nicht schaden, denke ich. Wir haben neulich einen Gig mit ORPHAN HATE zusammen gespielt, deren Sängerin Sina Niklas hat wunderschöne Growls und auch eine sehr gut passende klare Stimme. Allerdings klingt sie dabei zum Glück nicht wie eine Elfe, das würde auch gar nicht passen. ;-) Meine Leidenschaft gehört eben den harten Vocals - ich kann mir nicht vorstellen, NIGHTWISH-like oder so zu singen (oder singen zu wollen).

Chris:
Auf dem Album sind auch keine Soli (mal von einigen Melodiesoli abgesehen) drauf - eigentlich ganz untypisch für den Sound der Bay Area. Warum gibt es bei CRIPPER keine Kerry King- oder Alex Skolnick-Soli zu hören?

Britta:
Kerry King ist zu stumpf, Skolnick zu schwierig. ;-) Nee, ernsthaft ... Unsere beiden Gitarristen setzen eher auf Mehrstimmigkeiten. Sie sind beide auch keine klassischen Sologitarristen. Na ja, und soo sololos (wie klingt das denn bitte?!) sind unsere Songs ja nun auch nicht. Die Soli binden sich eben mehr in die Songs ein, anstatt sich zu krass davon abzusetzen. Wenn man es genau nimmt, haben Jonathan und Christian jeweils zwei Soli auf der Scheibe, nur eben keine frickeligen Bastelparts. Wir sind der Meinung, Soli sollten songdienlich sein. Das bot sich auf "Freak Inside" im klassischen Sinn einfach nicht an.

Chris:
Großartiges Artwork übrigens. Wer war dafür verantwortlich und was steckt dahinter?

Britta:
Danke! Die Idee zum Artwork haben wir gemeinsam als Band entwickelt. Auch die nächtliche Bastelrunde haben wir zusammen hinter uns gebracht. Die Umsetzung danach bis zum fertigen Booklet begann mit gefühlten 1 Millionen Fotos, die ich im improvisierten Fotostudio in meinem Wohnzimmer aufgenommen habe. Da möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf unser Profi-Handmodell verweisen - der Arm auf der Rückseite der CD gehört nämlich Dennis' Papa. ;-) Danach geht alles auf die Kappe von Jonathan und Christian, die es mal wieder geschafft haben, alles CRIPPER-mäßig fett umzusetzen.

Chris:
Kann man so stehen lassen, aber auch der Sound ist angenehm fett für eine Eigenproduktion. Wo habt ihr die Scheibe denn aufgenommen? Gibt es irgendeine lustige Anekdote dazu?

Britta:
Das Album haben wir in den Waveland-Studios aufgenommen, hier bei uns in Hannover. Lustige Anekdoten gibt es natürlich eine Menge, sind aber alles Insider und somit für Außenstehende eher uninteressant. Das Studio und das Team waren echt spitze, wir hatten viel Spaß!

Chris:
Wie steht ihr grundsätzlich zum leidigen Studiothema "Triggern"?

Britta:
"Triggern" braucht man genau dann nicht, wenn man gutes Equipment benutzt und Leute hat, die sich damit auskennen. Wir hatten zum Glück beides im Studio. Ist ja auch eine Frage der Authentizität - deshalb haben wir auch keine Trigger benutzt.

Chris:
"Freak Inside" wurde anschließend von Andy Classen gemastert. Wie kam es dazu?

Britta:
Das war ganz unromantisch. Sein Name ist in unserem Genre ja bekannt, da haben wir einfach mal auf seine Page geschaut, die humanen Preise entdeckt, und mal locker angefragt, ob er denn Zeit und Bock hätte, unseren "Freak" zu mastern.

Chris:
Hat er zum Glück auch gehabt, denn das Endergebnis ist enorm druckvoll, aber à propos Classen: Eigentlich wäre doch "Armageddon Music" ein passendes Label für euch. Da gibt es doch bestimmt schon Kontakte?

Britta:
Klar, das ist naheliegend. Schauen wir mal, HOLY MOSES werden ja auf dem "Battle Of Metal" auch spielen, vielleicht treffen wir uns da mal zu einem Gespräch...

Chris:
Gibt es denn grundsätzlich schon irgendwelche Reaktionen von Seiten der Plattenfirmen?

Britta:
Nein, bisher nicht - wir haben aber auch noch nicht den Kontakt gesucht. Mal schauen, was sich durch die bisher durchweg positiv ausfallenden Reviews und die Festivals noch so ergibt.

Chris:
Welche Art von Label wäre denn für euch interessant, oder fühlt ihr euch sogar im Undergroundbereich wohler?

Britta:
Schwer zu sagen, man hört ja immer viel und von uns selber hatte noch keiner einen Plattendeal. CRIPPER funktioniert bisher in Eigenregie sehr gut. Wir haben neben den musikalischen und grafischen Kreativparts auch die Preispolitik, die Merchproduktion und unsere Live-Auftritte zu 100% in eigener Hand. Das erlaubt uns viele Freiheiten und nicht zuletzt die Umsetzung der Band nach einzig und allein unseren Vorstellungen. Langsam stoßen wir mit unseren Möglichkeiten an Grenzen, was zum Beispiel den Vertrieb unserer CDs angeht oder auch das Booking von Festivals. Auf die meisten Hauptbühnen kommst du gar nicht erst rauf ohne einen Deal oder einem Label im Rücken. Wir würden jedenfalls keinen Vertrag unterzeichnen, der uns in unserer kreativen Arbeit lenkt oder uns da etwas abnimmt. Interessant wäre da somit wohl eher ein Label mit Vertrieb, so dass wir unsere CDs in die Läden stellen können und jemand die Werbung dafür bezahlt. ;-) Der Nachteil daran ist natürlich immer, dass mehr Leute an den Gewinnen beteiligt sind und somit die Preisgestaltung nicht mehr in unserer Hand liegt - schon blöd, wir verkaufen unsere CD nämlich gern für nur 8 Euro.

Chris:
Sehr lobenswerte Einstellung, aber wahrscheinlich auf Dauer nicht haltbar - leider. Ihr habt sogar gerade eine eigene kleine Tour unter dem Banner "Triple Thrash Treat" durchgezogen. Erzähl mal was darüber.

Britta:
Die Idee hatte Mätty (Sänger und Gitarrist bei SPECTRE DRAGON). Auf dem "Metalcamp 2006" haben wir glaube ich das erste Mal darüber gesprochen. Bevor HATRED als dritte Band mit an Bord waren, sollten erst noch zwei andere Bands mitfahren, aber daraus wurde mangels Interesse nichts. Zum Glück muss man mittlerweile sagen, denn dieses Dreierpackage hätte meiner Meinung nach nicht besser funktionieren können.

Chris:
So ein Unternehmen bedeutet viel Arbeit, viel Fleiß und einen Haufen Kohle. Wo habt ihr Abstriche gemacht, so dass es am Ende doch irgendwie gepasst hat?

Britta:
Abstriche haben wir eigentlich keine gemacht, unsere Erwartungen waren von Anfang an aber auch nicht überhöht. Wir hätten gern mehr Gigs an Land gezogen, klar. Auch, dass wir aufgrund unserer Jobs nur an Wochenenden spielen konnten, war schade. Man kann sich zum Teil gar nicht vorstellen, was das für eine Arbeit macht und was es für weltfremde Veranstalter gibt. Da sagt dir ein Veranstalter einen Gig zu, im nächsten Moment wieder ab ... das kann schon nerven. Die Organisation und das Risiko konnten wir uns mit HATRED und SPECTRE DRAGON ja zum Glück unter drei Bands aufteilen. Der Spaß wurde allerdings mit drei multipliziert, so dass unsere Lachmuskeln und Lebern am Ende doch arg strapaziert waren. ;-) Wir haben übrigens unglaublicherweise so gut geplant und kalkuliert, dass wir unsere Kosten wieder hereinbekommen haben und auf Null herausgekommen sind! Wir haben ja keine Gagen bekommen oder so. Mit den Veranstaltern haben wir Spritgeld vereinbart und ein paar Euro kamen auch über unsere Tourshirts rein.

Chris:
In der letzten Zeit habe ich verstärkt Thrash Metal aus Hannover bekommen...

Britta:
Oh, dann gute Besserung. :-)

Chris:
... ähm, ja. Wie sieht denn die Szene in Hannover diesbezüglich so aus?

Britta:
Die Szene in Hannover ist auf jeden Fall besser, als ihr Ruf - das gilt aber für die allgemeine Metal-Szene in Hannover, nicht speziell für den Thrash-Bereich. Angebot und Nachfrage sind vorhanden, von daher fühlen wir uns sowohl als Band, als auch als Fans in Hannover sehr wohl.

Chris:
Wo wird der Weg von CRIPPER hinführen? Hat die Band ein klares Ziel vor Augen oder lässt man sich einfach treiben?

Britta:
Tja, das wird sich zeigen, wo der Weg hinführt. Wir haben alle Bock auf Rock'n'Roll. Wenn wir es schaffen, immer mehr Leute von uns zu begeistern, wäre das wirklich toll. Treiben lassen kann man das nicht nennen, dafür tun alle von uns täglich zu viel für die Band. Aber wir sind mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo wir selber nicht mehr so weit in die Zukunft schauen können. Wir wünschen uns, zu wachsen und arbeiten hart dafür. Oberstes Ziel, wenn man so will, ist dabei jedoch, weiter Musik zu machen, besser zu werden, Spaß zu haben und ordentlich die Kuh fliegen zu lassen!

Chris:
Viel Spaß auf jeden Fall dabei. Abschließend noch ein paar nette Worte an eure Fans ...

Britta:
Rockt schön und sauft nicht zu viel. ;-)

Redakteur:
Chris Staubach

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