DEBRIS INC.: Interview mit Dave Chandler & Ron Holzner

23.03.2005 | 16:02

Nachdem ich mich für einen großen SAINT VITUS-Fan halte, war ich natürlich sehr froh darüber, ein Interview mit DEBRIS INC., der neuen Band von Dave Chandler (ex-VITUS, im Foto rechts) und Ron Holzner (ex-TROUBLE, im Foto links) machen zu dürfen. Vielleicht war ich deswegen so aufgeregt, dass ich doch glatt VITUS-Basser Mark Adams in "Mike" umgetauft habe, was Dave dazu bewog, mir unter die Nase zu reiben, dass ich als großer SAINT VITUS-Fan doch eigentlich wissen müsse, wie ihr Basser hieße. Peinlich, peinlich...
Auch sonst wirkte Dave teilweise ein wenig gereizt, besonders wenn es um SAINT VITUS ging, aber das ist wohl so seine Art, während Ron entspannter rüber kam. Es war mir jedenfalls trotzdem eine Ehre, all meine Fragen über SAINT VITUS, TROUBLE und natürlich vor allem über beider aktuelle Band DEBRIS INC. beantwortet zu bekommen. Hier also das Interview mit Dave und Ron, die mit DEBRIS INC. auf sehr originelle Weise Doom und Punk verbinden.


Rüdiger:
Dave, die "Die Healing"-Tour von SAINT VITUS wurde teilweise abgesagt, und bald darauf hast du SAINT VITUS begraben. War es eine gewisse Perspektivlosigkeit?

Dave:
Nein! Ich habe die Band aus Mangel an Interesse und Geld aufgelöst. Zu lange und zu pleite wurde irgendwann zu viel zu lange und viel zu pleite. Die Tour wurde damals abgesagt, weil Scotty ausstieg und nach Hause flog (aus persönlichen, gesundheitlichen und beruflichen Gründen).

Rüdiger:
Danach hast du die Musik komplett aufgegeben? Wie lange hat es gedauert, bis du gemerkt hast, dass du die Musik brauchst, um glücklich zu sein?

Dave:
Zunächst einmal brauche ich die Musik nicht, um glücklich zu sein. Ich mache Musik, weil ich es tun will, und weil ich sie liebe, aber es gibt viele andere Dinge, die mich glücklicher machen. Ich habe die Musik nach VITUS wegen der damals beschissenen Szene und der Einstellung der Medien zu jener Zeit aufgegeben.

Rüdiger:
Ron, dein erstes Album mit TROUBLE war "Run To The Light" und das letzte "Plastic Green Head" im Jahre 1995. Danach wurde es sehr ruhig um TROUBLE. Was passierte danach mit der Band und wann bist du letztendlich ausgestiegen?

Ron:
Während der Tour zu "Plastic Green Head" ging alles den Bach runter. Während der Tour haben wir uns zur Hälfte aufgelöst. Dann haben Rick und ich ein paar Sachen zusammen geschrieben und aufgenommen. Bruce hat zusammen mit Doug von KINGS X seine SUPERSHINE-Platte gemacht. Später haben wir uns noch mal zusammengetan, mit Barry Stern zurück an den Drums und Kyle Thomas von EXHORDER als Sänger. Wir haben ein paar wirklich coole Shows gespielt. Eines Tages waren Rick und ich beim Konzert von Michael Schenker in Chicago und hörten, dass einer unserer Freunde eine Geburtstagsparty mit Bands und so gab. Wir beschlossen, einen Reunionauftritt mit Eric Wagner zu machen, der bei der Party wieder singen sollte. Jeff Olson spielte Schlagzeug und es lief alles super. Wir spielten noch vier oder fünf weitere Shows und der Reiz des Neuanfanges begann sich abzunutzen. Ich mochte weder das Gefühl, noch die Richtung, in die es ging. Ich wollte keine Akustikplatte machen, und ich kann die BEATLES nicht leiden. Das war eine seltsame Zeit für mich. Dann brannte auch noch mein Haus ab, also gönnte ich mir eine Auszeit.

Rüdiger:
Die Reunion bzw. das Comeback von TROUBLE findet mit Chuck Robertson am Bass statt. Hat man dich nicht auch gefragt, ob du mitmachen willst?

Ron:
Ja, ich habe gehört, dass sie die "Reunionshows" nach meinem Ausstieg weiter durchzogen. Chuck ist für sie ein guter Basser. Ich wünsche ihnen nur das Beste. Nein, gefragt wurde ich nicht.

Rüdiger:
Im aktuellen TROUBLE-Line-up finden sich vier Gründungsmitglieder. Sean McAllister gehört nicht dazu. Weißt du, warum nicht? Was macht er heutzutage?

Ron:
Sean ist damals im Streit ausgestiegen. Ich glaube, er hat schon lange nicht mehr gespielt. Ich habe erst kürzlich seine Telefonnummer bekommen und habe vor ihn demnächst mal anzurufen.

Rüdiger:
Noch was zu deiner ehemaligen Band: Hast du noch Kontakt mit den anderen Jungs von TROUBLE und interessierst du dich für ihre neuen Sachen und für ihre Shows?

Ron:
Nein, ich habe keinen Kontakt mit ihnen, und sie keinen mit mir. Das war schon so, als ich das letzte Jahr in der Band war. Wir haben zusammen eine Menge guter Songs geschrieben. Das Zeug war wirklich gut und heavy. Live habe ich sie bisher nicht gesehen, aber das würde ich gerne mal nachholen. TROUBLE ist niemals wirklich weg gewesen.

Rüdiger:
Ihr zwei seid schon lange Freunde, nehme ich an. Wer hatte die Idee zu DEBRIS INC.?

Dave:
Ich war schon mit Ron befreundet, bevor er bei TROUBLE spielte. Ron hat mich dazu überredet, wieder mit der Musik anzufangen, aber dafür hat er sehr lange gebraucht.

Ron:
Ich wollte unbedingt, dass Dave wieder anfängt zu spielen. Irgendwann sagte er dann zu, wollte dann aber nur für eine Punkband singen, in der ich spielte. Ich war damit einverstanden, und wir fingen an, Punksongs zu schreiben. Irgendwann machten wir dann mit Rock- und Doomstücken weiter.

Rüdiger:
Neben viel VITUS und ein bisschen TROUBLE gibt es bei DEBRIS INC. auch Punk-Einflüsse. Woher habt ihr die?

Dave:
Meine Punk-Einflüsse kommen aus der Frühzeit von VITUS bei SST (ihrem damaligen Label - Anm. d. Verf.). Damals spielten wir nämlich nur auf Punk-Konzerten. Die Punks mochten uns und die Metaller hassten uns.

Ron:
Hey, ich war Metaller und ich mochte euch!

Rüdiger:
Ich finde, dass der Mix aus Doom und Punk überraschend gut funktioniert, obwohl die Genres an sich doch recht weit von einander entfernt sind. Ihr seid in dieser Hinsicht ziemlich einzigartig. Ihr seid demnach inmitten beider Szenen aufgewachsen?

Ron:
Wenn du dir mal "Wheels Of Confusion" von BLACK SABBATH anhörst, dann ist der Song Doom, mit einem punkigen Mittelstück. Für mich ist diese Mischung also ganz natürlich.

Dave:
Ich glaube, dass es deshalb funktioniert, weil heutzutage die beiden Genres eh verflochten sind. Wir wollen mit unserer Musik mehr als nur eine spezifische Szene ansprechen.

Rüdiger:
Dave, hat Henry Rollins bzw. SST Records eine Rolle für deine Affinität zum Punk gespielt?

Dave:
Ich mochte Punk schon, bevor ich jemanden von SST kennen gelernt habe.

Rüdiger:
Hast du noch Kontakt mit Henry?

Dave:
Ich rufe ihn manchmal an, nur um ihm auf die Nerven zu gehen.

Rüdiger:
Ihr zwei seid der Kern von DEBRIS INC. Wer war denn sonst noch an den Aufnahmen beteiligt?

Dave:
Keine Ahnung... Ich trinke einfach und wische mir den Hintern ab.

Ron:
Ein paar Freunde haben auf dieser Scheibe mitgemacht. Greg Rogers, Barry Stern (im Foto in der Mitte - d. Verf.), Tony Costanza und Joe Nunez spielten alle das Schlagzeug zu verschiedenen Stücken. Karyn and Afzaal von CRISIS machten mit, ebenso Keith Pastrick von WICKERMAN. Sie sorgten für zusätzliche Gesangs- und Gitarrenpassagen.

Rüdiger:
Ihr teilt euch den Gesang auf der Scheibe, wobei Dave das Meiste übernimmt. Wie geht ihr bei der Aufteilung der Parts vor? Wer passt besser zu welcher Art des Gesangs?

Dave:
Du solltest dir die Scheibe kaufen, wenn sie rauskommt. Die enthält alle Informationen, die man sich vorstellen kann. Ich übernehme die meisten Leadgesang-Passagen, einfach deshalb, weil ich es tun will. Ich passe zu allem! Ron macht auch ein wenig Leadgesang und die meisten Backingvocals und so'n Scheiß.

Rüdiger:
Bei SAINT VITUS hast du niemals mehr gesungen, als höchstens einen Song pro Scheibe. Warum hast du vor DEBRIS INC. nie ein ganzes Album selbst eingesungen?

Dave:
VITUS war immer eine Vierertruppe mit Sänger, im Stile von BLACK SABBATH. DEBRIS ist eine Dreierband, weil ich die Schnauze voll habe von L.S.D. (lead singer disease).

Rüdiger:
Unter dieser seltsamen Krankheit litten laut Angaben von ihren Bandkameraden ja schon viele Sänger. Ich habe euch vor drei Jahren in Wacken gesehen. Damals war so viel ich weiß Barry an den Drums. Wer wird euch in Zukunft auf Tour begleiten?

Dave:
Wer auch immer Zeit hat für die Tour. Wir haben schon ein paar Jungs im Kopf.

Rüdiger:
Für mich war der Wacken-Gig wirklich eine tolle Erfahrung. Sehr intensiv und ehrlich. Sicher eines meiner Highlights damals. Was habt ihr für Eindrücke aus Wacken mitgenommen?

Dave:
Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, weil vor dem Auftritt alles so hektisch war. Alles flog nur so an mir vorbei. Aber ich kann mich an den Ansturm und an die Heuschlacht erinnern.

Rüdiger:
Da ich beim With Full Force leider nicht dabei sein konnte, würde mich interessieren, wie du die beiden Reunion-Gigs mit Wino, Armando und Mark (M.a.r.k.!!!) empfunden hast? War es schön noch mal gemeinsam eine Bühne zu teilen?

Dave:
(...) Natürlich waren die Reunionshows großartig. Alle Künstler werden nach ihrem Ableben populärer!

Rüdiger:
Spielte ein gewisser Herr Kühnemund eine Rolle bei der VITUS-Reunion? Nach einigen Interviews im Rock Hard vor einigen Jahren könnte man fast den Eindruck haben. (Anm. d. Verf.: Götz hatte in RH 11+12/2002 zuerst Dave und dann Wino interviewt und beide auf eine Reunion angesprochen, die damals noch in weiter Ferne schien. Ein halbes Jahr später beim With Full Force fand die Reunion dann schließlich doch statt.)

Dave:
Ich weiß nicht, worüber du sprichst. Ich rief Wino an und die Sache kam ins Rollen. Wir sind erwachsene Leute und können anständig miteinander umgehen. Ron war der einzige, der vermittelt hat, von dem ich wüsste.

Rüdiger:
Was macht Scott Reagers heute? Ich habe gehört, dass er in einer christlichen Glaubensgemeinschaft aktiv ist.

Dave:
Scotty ist wiedergeborener Christ. Er arbeitet und kümmert sich um seine Familie.

Rüdiger:
Du kannst es wahrscheinlich nicht mehr hören, sorry, aber als großer VITUS-Fan muss ich natürlich fragen: Gibt es eine Chance, dass SAINT VITUS irgendwann noch einmal zusammen auftreten?

Dave:
Es wird keine VITUS-Reunion mehr geben, das war eine einmalige Angelegenheit. Ich konzentriere mich jetzt auf DEBRIS.

Rüdiger:
Wie wär's, wenn DEBRIS INC. und THE HIDDEN HAND gemeinsam auf Tour gingen und die eine oder andere gemeinsame Session einlegen würden? Ich denke, das würde viele VITUS-Fans sehr glücklich machen, die niemals die Chance hatten VITUS live zu sehen.

Dave:
Da es mir egal ist, mit wem wir auf Tour gehen, kann man das nie wissen!

Rüdiger:
Zurück zu DEBRIS INC.: Euer Album war seit Jahren angekündigt. Warum hat es so lange gedauert es fertig zu stellen?

Ron:
Wir haben uns beeilt! In Wirklichkeit mussten wir das verdammte Ding erst mischen und uns dann nach einem Plattenvertrag umsehen.

Rüdiger:
Seid ihr zufrieden, dass ihr bei Lee Dorrians Rise Above Records, also auf dem Label eines "Brother in Doom", gelandet seid?

Dave:
Ja, weil ich mein Geld investiert habe, in anzurufen, und davon zu überzeugen. Bisher das einzige Geld, das ich ausgelegt habe. Ron hat alles andere bezahlt. Außerdem weiß ich, dass Lee uns anständig behandeln wird.

Rüdiger:
Viele eurer Texte drehen sich um Drogen, Alkohol und den Morgen danach. Siehst du Alkohol als Problem? Sowohl persönlich, als auch gesellschaftlich?

Dave:
Ich habe kein Problem mit Alkohol... Ich trinke, werde betrunken, falle um... kein Problem! Ich rauche die Droge meiner Wahl... kein Problem! Wenn die Gesellschaft das nicht mag, dann kann sie mich mal!

Rüdiger:
Okay, jedem das seine. Gibt es eine Message hinter euren Lyrics, oder sind es nur persönliche Dinge, die keine Werte vermitteln sollen?

Ron:
Wir kotzen uns nur über dies und das aus.

Dave:
Ich verkünde keine Werte! Man sollte nicht versuchen Dinge in etwas reinzulesen, die nicht vorhanden sind.

Rüdiger:
Warum habt ihr ein Cover von 'I Love Living In The City' aufgenommen?

Dave:
Weil es unheimlich ROCKT!!!

Ron:
Wir waren damals noch in unserer geistigen und kompositorischen Punk-Rock-Verfassung. Ich mag FEAR sehr gerne. Wir waren eines nachts betrunken und dieser Song ist dann dabei rausgekommen.

Rüdiger:
Was haltet ihr vom derzeitigen Zustand der Doom-Szene?

Dave:
Ich finde es cool, dass es eine Doom-Szene gibt, aber die heutigen Doombands sollten mal die Scheuklappen ablegen, und sich aus dem "Käfig" dieser einen Sache befreien. Die Gitarristen müssen unbedingt lernen, Leads zu spielen. Es ist nicht Doom, einfach nur zwei sich wiederholende Akkorde über eine Spielzeit von zehn Minuten zu strecken!

Rüdiger:
Hast du die finnische Band REVEREND BIZARRE schon gehört? Ziemliche VITUS-Fans und stilistisch sehr nahe an deiner alten Band.

Dave:
Tut mir leid, von denen habe ich nie gehört. Gib mir doch eine CD, wenn wir bei euch auf Tour sind!

Rüdiger:
Mit wem würdet ihr denn gerne auf Tour gehen?

Ron:
Wir touren mit jedem, den uns unser Booker aufs Auge drückt. Beim nächsten Mal können wir uns das vielleicht aussuchen. Eine Tour durch Skandinavien wäre irgendwann mal cool.

Dave:
Ich möchte für eine Band eröffnen, welche genug Leute zieht. Mir ist dabei egal, wer es ist.

Rüdiger:
Darf man sich auf eine kleine (oder große?) Europatour freuen? Stehen auch Festivalauftritte an? Vielleicht mal beim Doom Shall Rise?

Ron:
Die Tour wird ca. einen Monat lang und ein paar Festivals enthalten. Ich weiß aber im Moment keine Details. Im Winter wollen wir noch mal rüberkommen, danach sollen dann Festivals im nächsten Jahr folgen.
Ich habe dem Typen vom Doom Shall Rise-Festival ein paar Mal eine e-Mail geschickt, aber er hat nie geantwortet. Ich schätze, wir sind nicht Doom genug.

Rüdiger:
Na ja, mir seid ihr Doom genug. Danke für das Interview. Sonst noch was? Irgend welche Pläne?

Dave:
Besauft euch, genehmigt euch 'ne Bong und kommt zu unseren Shows! Es wird euch gefallen.

Ron:
Bier!!

Rüdiger:
Das mit dem Bier und der Bong überlass ich lieber den Experten, aber die nächste DEBRIS INC.-Show werde ich mir ebenso wenig entgehen lassen, wie das am 4. April erscheinende Album. Ich bin mir sicher, dass man beides auch nüchtern genießen kann.

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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