Doom Metal Front: Interview mit "Mourner" Sven Mihlan

10.12.2012 | 14:42

Gerade ist nach mühevoller Kleinstarbeit die neunte Ausgabe der Doom Metal Front als Printmagazin erschienen. Bisher hatte sich die Reihe vor allem online über den Blog der Doom Metal Front verbreitet. Weil er sich zwischen all den Konzertterminen auch mal Zeit für Reflexionen nehmen konnte, haben wir den umtriebigen Kopf und Macher des Magazins - Sven "Mourner" Mihlan - in Leipzig getroffen, der uns ausführlich über dieses Kleinod der Doomszene, seine Infizierung mit dem Genre und seine Weltsichten und Befürchtungen in Kenntnis setzte.

Sven

1) Hallo Mourner.
Schön, das Du Zeit findest. Woran arbeitest Du gerade? Was ist gerade Dein nächstes Projekt?
An der Doom Metal Front wird zwar langsam, dafür aber ohne Unterlass schwer weitergeschossen. Wir haben gerade erst unsere Zelte in Italien abgebaut und ziehen momentan an der Mittelmeerküste entlang weiter, um bisher unbekannte Slow-Stuff-Regionen zu erschließen. Unsere achte kostenlose Compilation wird akustisch Zeugnis von den neuen Eroberungen ablegen und per Download Code zusammen mit dem nächsten DMF erscheinen, an dem wir bereits akribisch werkeln. Ganz im Ernst, für andere Projekte ist überhaupt keine Zeit, weil es nach Europa noch den ganzen Globus einzunehmen und mittlerweile über sieben Milliarden Menschen zu doomianisieren gilt. Wir halten es, weniger messianisch zwar, aber sinngemäß wie die seeligen REVEREND BIZARRE und rollen behäbig weiter, um unsere Lieblingsmusik überall zu verbreiten.
2) Das DMF Nummer 9 ist ja gerade als Printausgabe erschienen. Bist Du vollends zufrieden?
Müßiggang folgt auf Zufriedenheit und beide bremsen jegliche Kreativität unweigerlich aus. Als grundpenibler Mensch finde ich immer etwas und sei es nur ein klitzekleines Detail, welches verbessert werden kann. Das fängt bei der terminlichen und inhaltlichen Planung an, geht mit der Artikel- und Fotoproduktion weiter und hört noch lange nicht mit den Layout- und Designfragen auf. Wenn du das neue DMF in den Händen hältst, blicken unsere Redakteure, um genau zu sein der Florian und ich, auf ein halbes Jahr nebenberuflich durchdoomter Nächte, rauchende Computer- und Fototechnik, kubikmeterweise Verpackungsmüll und Kopfschmerztablettenbeipackzettel zurück, von den aufgebrauchten Antifaltensalbendöschen, Antigrauhaartönungsfläschchen und Tränensäckespannern ganz zu schweigen. Das klingt nicht nur irre, das ist es auch. Mir ist nicht bekannt, dass es mittlerweile irgendeine Form der Doomtherapie gibt. Falls sich jemand damit auskennt,  melde dich bei mir. Bitte, bitte, bitte … !
3) Wie sind die Auswirkungen, die Reaktionen?
Meinst du die angesprochenen gesundheitlichen Nebenwirkungen oder ob wir ab sofort am Pool liegen und uns von Doomchicks die Cocktails reichen lassen können? (Lacht...hustet...lacht)
(E)re(a)ktionen hatte ich manchmal früh um fünf, wenn mich meine Prostata unweigerlich und hart daran erinnerte, dass ich, wie eigentlich jeder normale Mensch, um diese Zeit hätte wach werden müssen, anstatt das dreißigste oder vierzigste Albumreview einzutippen, ohne mit dem Kopf auf die Tischplatte gekracht zu sein. God save the doom and the coffein!
Richtig gerührt bin ich immer noch jedes einzelne Mal, wenn jemand ein DMF bestellt, egal ob aus Deutschland, Bulgarien, Italien, aus England, den USA oder aus Japan und anderswo, oder es mir direkt aus der Hand entgegennimmt. Denn es ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr, dass physische DIY-Produkte ihren Weg zum multimedialen „Massenkonsumenten“ finden oder es geschätzt wird, dass ein paar wenige Menschen etwas herstellen, an dem ihr Herzblut hängt. Davon können viele der von uns besprochenen Bands ein Liedchen singen. Wo bietet es sich mehr als im Doom Untergrund an, in welchem Kummer und Leid zum guten Ton gehören. Nur ganz nebenbei: Wir sind ausgesprochene Frohnaturen und glücklich, wenn sich jemand anderes freut. Das schönste, was ich bisher gesagt bekam, war ein kurzes wie aussagekräftiges „Dankeschön!“
Durch das DMF bin ich mittlerweile in der wirklich glücklichen Situation, viele gute Bands aus der ganzen Welt kennen zu lernen, die ich vorher vielleicht nie entdeckt hätte. Die Mailbox und unser Postfach quellen manchmal über mit Anfragen und Einsendungen, sodass ich schweren Herzens auswählen muss, was in das nächste DMF kommt. Wir versuchen irgendwie, alles unter zu bekommen, stoßen aber mittlerweile an unsere personellen und den Heftumfang sprengenden Grenzen. Es ist genauso spannend wie zwiespältig, dass bestimmte Labels, die uns vorher nie beachtet hatten, nun von alleine ihre Schützlinge feilbieten. Ein bisschen Traum ist für mich wahr geworden. Da bleibe ich ganz der kleine Metalfan von früher und wische mir auch mal ein Glückstränchen von der Wange, ganz ehrlich!
Hochnäsigkeit ist hier völlig fehl am Platze und rächt sich alsbald - immer auf dem Boden der Tatsachen bleiben und an der Ausgangsidee festhalten! Wir bewegen uns immer noch in einer musikalischen Randnische, das darf keiner vergessen. Ob wir zur neuen „Doombravo“ verkommen würden, hatte mich einer wirklich und wahrhaftig gefragt. Eigentlich keine schlechte Idee finde ich, mit einer „Dr. Doom weiß Rat“ Rubrik oder einer „Doom Lovestory“, hehe!
4.) Wie müssen wir uns den Prozess vorstellen?
Als Herausgeber obliegt mir natürlich die Verantwortung für alles, was mit der Veröffentlichung und dem endgültigen Inhalt zu tun hat. Bei der Organisation, sprich bei der Planung und Ausführung greift mir Florian tatkräftig und mit seiner nicht immer konformen Meinung kritisch unter die Arme. Alles fängt, wie in einer großen Redaktion auch, direkt nach dem Erscheinen der letzten Ausgabe mit der Terminfestlegung bis zum Veröffentlichungstag des nächsten DMF an. Dann werden die Inhalte zusammengestellt, also die Bands, welche wir interviewen, die Konzerte und Festivals, auf denen wir Bericht erstattend anwesend sein werden und die Themen für die anderen Rubriken werden jedes Mal neu besprochen und gewichtet oder ob etwas ganz neues rein kommt bzw. rausfliegt. Die News und Live Termine werden ganz zum Schluss, also kurz vor dem Release eingefügt, wenn alle Reviews geschrieben und die Artikel im druckfertigen Layout bereits zusammengefügt wurden. Die erforderlichen Zwischenschritte, die Fotobearbeitungs- und Grafikgeschichten würden hier zu weit führen und mir Schweißperlen auf die Stirn zaubern. Es ist schier unglaublich, was vonnöten ist, um ein Heft wie das DMF herzustellen!
Ohne meinen treuen und zuverlässigen Fotografen Mike - den Inhaber des German Doom Metal Forums - und die freiwilligen Autoren wäre dieses Doom Mammut überhaupt nicht realisierbar.
Deshalb an dieser Stelle mein Aufruf: Wenn Ihr den Doom und seine benachbarten Genre liebt, Eure Meinung zu Albumveröffentlichungen und Konzerterlebnisse mit anderen teilen wollt und keine absoluten Neulinge im Metier seid, dann schreibt einfach eine E-Mail an info@doom-metal-front.de mit dem Betreff „DMF Redaktion“. Ich freuen mich riesig über jeden Doomiac, der sich meldet!
5) Welche Rubrik gefällt Dir selbst am meisten? In welcher steckt die meiste Arbeit und Zeit?
Besonders am Herzen liegt mir immer die Compilation, für die es jedes Mal heißt, den Atlas heraus zu kramen und unser topografisches und geografisches Wissen aufzufrischen, um ja kein Land zu vergessen. Wir schreiben jede Band persönlich an und bitten höflich um einen Song, der uns besonders gut gefällt. Es handelt sich sozusagen um eine persönliche Hitliste mit jeweils einem Song pro Band aus einer Region. Von der ersten Mail über die Klärung aller urheberrechtlichen Fragen, dem Finden eines Coverkünstlers bis zur endgültigen Zusammenstellung vergehen locker drei Monate. Zu guter Letzt geht es um die Musik, die wir als Fans lieben. Je mehr ich davon bekomme, umso glücklicher bin ich. Ich bin ehrlich gesagt richtig stolz auf alle sieben bisherigen Zusammenstellungen!
6) Wie kam die Idee mit den Compilations? War das zwangsläufig? Ist es so, dass die Musiker nun selbst nachfragen?
Da ich mich ungern mit fremden Federn schmücke, gilt der alleinige Dank für die „schwere“ Geburt dem Jan von BLACK SHAPE OF NEXUS, der anno dazumal an mich heran trat und mir leicht verzweifelt eine Zusammenstellung von über sechzig deutschen Bands präsentierte, mit der Bitte, das irre Projekt namend „Deutschland's Doomed“ irgendwie zu veröffentlichen. So eine geniale Idee lasse ich mir natürlich nicht entgehen, obwohl ich zum Zeitpunkt meiner Zusage überhaupt keinen Plan von der Materie hatte. Aber was man nicht kann, kann man lernen. Es gibt immer (legale) Mittel und Wege, um eine Idee zu verwirklichen. Zeit dafür gibt es im Doom zur Genüge.
7) Wie eigentlich war Deine musikalische Sozialisation?
Wenn man wie ich aus einer ostbrandenburgischen Provinzstadt nahe der polnischen Grenze stammt, in der Anfang der Neunziger alle Thrash, Death Metal und Grindcore hörten (oder weit verbreitet auch Nazi Dreck), dann ist es kaum verwunderlich, dass ich zum Doom wie die berühmte Jungfrau zum Kinde kam, nämlich ahnungslos und mit nachhaltiger, nicht rückgängig zu machender Auswirkung. Mit schätzungsweise vierzehn jungen Lenzen lief mir irgendein Typ, den ich cool fand, mit dem Shirt zur ersten EP von CATHEDRAL („In Memorium“, Rise Above, 1991) über den Weg. Zu meiner Überraschung drückte mir kurze Zeit später mein Nachbar, der so komisches langsames Zeug hörte wie SOLITUDE AETURNUS und LOUDBLAST zu jener Zeit das „Forest Of Equilibrium“ Überalbum von genau der Band auf dem Shirt des coolen Typen in die Hand. CATHEDRAL waren meine absolute Initialzündung, weil ich bis dahin nichts vergleichbares, nichts ausufernderes und langsameres gehört hatte, das trotz tiefster Traurigkeit und Verzweiflung so wahnsinnig heavy rüberkam.
Von Doom hatte ich noch nie etwas gehört, ich kriege heute noch eine Gänsehaut, wenn ich das Debüt der Briten höre und selbst jetzt, wo ich darüber rede. Im Rock Hard Death Metal Special Heft, glaube 1992 war das, wurde die Band noch in die Kategorie „Slow Death & Doomcore“ u.a. zusammen mit MY DYING BRIDE, PARADISE LOST und TIAMAT verfrachtet. Am genialsten wie skurrilsten finde ich mit einigem Abstand betrachtet die Umschreibung „Schlürfschlürfbretterbretterbellbell“ für diese damals als „neue Geräuschformel“ bezeichnete Musikrichtung. Mit Death Metal hatte das nur am Rande etwas zu tun, aber die Schublade war offen, Peaceville Records legten nach den aufgezählten Bands noch ANATHEMA mit ihrem genialen „Serenades“ Album nach und etablierten sich als allererstes Doom Label. Damals bedienten sie als einzige straight diese schräge Mischung aus Death und Doom. Deshalb und medien-indoktriniert fing für mich alles mit solchen Bands an, schön langsam, schwer und mit Gegrunze. Alles andere habe ich mir selbst erarbeitet und zusammen recherchiert. Fängst du erst einmal an, dich für eine Randspartenmusikrichtung zu interessieren, denn alle truen Metaller lachen heute noch über uns Slowheads, dann beschäftigst du dich richtig damit. Seit es das Internet gibt und mich meine Leipziger Universitätsdozenten zur Anschaffung eines Personalcomputers zwangen, eröffneten sich mir ganz neue Dimensionen der doomiastischen Weiterbildung. Danke dafür!
Das Ergebnis meiner Klangstudien liegt vor, weil es seit langer Zeit mein Ziel war, anderen Menschen das jahrelange Suchen nach guten Bands aus dem Doom Oliversum etwas zu erleichtern, zumindest eine kompaktere Möglichkeit der Informationsbeschaffung anzubieten. Ich lerne fast jeden Tag neue Doom Bands kennen und bin immer noch von der Kreativität und Quälität in diesem (noch) unkommerziellen Bereich fasziniert. Es gibt so viel zu entdecken bis in die Zeit der Allvorderen, und das war bevor es BLACK SABBATH mit ihrem genialen Debüt gab. Doom ist ein Kunstwort bzw. bezieht es sich auf „Epicus Doomicus Metallicus“ von CANDLEMASS aus dem Jahr 1986. Der Blues und das was heute als Retro- und 70's Bands verkauft wird, sind die eigentlichen Wurzeln und Trademarks Lieferanten dessen, was wir heute als Doom und Stoner bezeichnen. Ach es ist so unendlich und … was wolltest du wissen?
8) Was - hier mal inmitten des Tunnels - fasziniert Dich denn so am DOOM? Da gibt's ja kaum Licht...?Außerdem ist der Begriff DOOM ja dehnbar (siehe zum Beispiel mal die Bandbreite auf dem DOOM OVER LEIPZIG der letzten Jahre...)
Der Blues und emotional ergreifende Kompositionen faszinieren mich; der Doom ist nur die schwere, metallischere Schlussfolgerung aus der von Alltagsleid geprägten Gitarrenmusik von den als Sklaven in die Staaten verschleppten Schwarzafrikanern.
Den dunklen Tunnel sehe ich frühmorgens, wenn der Wecker klingelt und ich die Augen nicht auf bekomme. Wer hat eigentlich behauptet, dass Doom irgend etwas mit Dunkelheit, Depression und Lebensverneinung zu tun hat. Die ganzen Gothic-Karnevalisten sind schuld daran, dass wir Doomer ständig belächelt werden für etwas, mit dem wir soviel gemeinsam und zu tun haben wie mich der umfallende Reissack in China interessiert! Genauso steht es mit dieser ganzen Doom Over Irgendwo Geschichte. Jeder, der momentan angesagt sein will, verkauft ein Konzert als Doom, egal, ob da welcher drin ist oder nicht. Ich kriege einen Hals, wenn mir jemand langsamen Black Metal, der immer noch nicht mehr als einfach nur langsamer Black Metal ist, als Doom verkaufen will. Es gibt wirklich geniale Crossover Geschichten wie zum Beispiel ECHOES OF YUL aus Polen oder CROWN aus Frankreich, die es auf faszinierende Weise schaffen, schwere Doomriffs mit elektronischen Klängen und Samples zu kombinieren, dass mir die Kinnlade herunter klappt. Oder die ganzen Sludge Sachen, die eh und je Hardcore Elemente mit Punk und monströs schleppenden Riffs kombinieren. Ich liebe EYEHATEGOD und deren bessere weil langsamere Kopie NOOTHGRUSH aus den Staaten. Aber bei „Black Doom“ hört der Spaß für mich auf. Da werde ich zum kämpferischen Musikreaktionär. Sowas aber auch, wer denkt sich das denn aus, nicht mit mir!
9) Nenne mir mal drei Platten, die einen großen Einfluss auf Dein Leben haben...
SEPULTURA mit „Arise“, NAPALM DEATH's „Harmony Corruption“ und CATHEDRAL mit „Forest Of Equilibrium“. Darf ich BOLT THROWER, ASPHYX und die ganzen „Slow Death“ Alben aus den frühen Neunzigern aufzählen? Na so viele waren es ja nicht. Ach, da fällt mir noch das Debüt von THE GATHERING ein, wissen viele gar nicht, dass die Holländer mit symphonischem Death Doom angefangen hatten, mit Gegrunze und ohne trällernder Heidelärche.
10) Was wünschst Du Dir als "Vertrauter" von der Doom - und Stoner-Szene? Welche Erwartungen hast Du?
Hört sich wie Vertrauenslehrer an, haha. Ich wünsche mir und erwarte, dass sich die nachwachsende Doom Generation weniger an Hypes und Trends orientiert, sondern sich selbst die Frage stellt, ob sie ELECTRIC WIZARD cool finden, weil es der Kumpel auch macht oder weil sie diese Musikrichtung fühlen und wie wir alte Doombratzen ein ganzes Lebensgefühl in dieser für mich schönsten aller Musikrichtungen wieder finden.
11) Auf was kannst Du dabei gern verzichten?
Definitiv auf Nuclear Blast Records, die Bands wie ORCHID, die ich übrigens wahnsinnig genial finde, in den Mainstream Metal locken, um sie Zwangsarbeit leisten zu lassen, bis sie nur noch True Metal spielen, weil sie so viel Geld bekommen, dass ihnen die Fans egal werden. Ich habe schon immer diese „Doom becomes mainstream“ Alpträume, der eine oder andere ist leider war geworden.
Und die ganzen bereits erwähnten Möchtegernhypedoomsters, die sich mit möglichst viel Patches von Doom Bands auf ihrer Kutte schmücken, um zu zeigen, wie dagegen und unmetallisch sie doch sind, darauf kann ich verzichten. Und auf Black Metal, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte.
12) Das Internet ist ja für solche Kleinszenen wie die global versprengte Doomszene ein absolutes Hilfsmittel! Wäre es auch ohne die Vernetzung so weit und intensiv gekommen? Was denkst Du?
Definitiv hätte das heutige World Wide Doom Web (kleines Wortspiel) nicht die Ausmaße, wenn man überhaupt von Größe sprechen kann. Denn zu guter Letzt haben das Internet und großunternehmerische, als Social Networks deklarierte Börsenmagnaten eine, wie du sagst, „versprengte Doomszene“ nur etwas näher zusammenrücken lassen, im elektronischen verbreitungspraktischen Sinne. Es ist aber faszinierend, wie viele Bands in ihrer verdienten Freizeit Doom, Stoner oder Sludge u.s.w. spielen, früher waren das Prog-, Grind-, Punk- und Death- Sachen, die aus den Garagen und Kellern schallten, dass sich Oma Ursel beim ABV (AbschnittsBeVollmächtigter: Angehöriger der Volkspolizei der DDR, der sich um „sein“ Revier kümmern musste. Die Red.) beschwerte. Ohne das WWW würde es die DOOM METAL FRONT nicht geben, ich würde nicht einmal an sie denken und immer noch „Forest Of Equilibrium“ von CATHEDRAL für das einzige gute „Slow Death“ Album halten, das jemals heraus gekommen ist. Wahrscheinlich würde ich nicht mal mehr Musik hören ohne das Internet, aber dann würde es wahrscheinlich den klassischen Musikmedien insgesamt besser gehen. Da lobe ich mir meine spät nachgerüstete Vinyl Ecke. Plaste fetzt einfach!
Du müsstest doch die SprelaCart Werke kennen, die das wunderbar abwaschbare und hygienisch reine Oberflächenmaterial für die retroschönen Ostmöbel hergestellt hatten. Wahrscheinlich habe ich als Kind einfach zu viele Poly(vinyl)ethylen Gase eingeatmet. Ich konnte es mir nicht aussuchen, quasi neben der Fabrik aufzuwachsen, ein Braunkohlegaskombinat gleich um die Ecke. Dagegen sind Psychedelika nichts und Koks war noch nie weiß gewesen!
13) Wen willst Du unbedingt mal treffen und
a) aus einer dunklen Ecke heraus einfach nur anglotzen
Hab' ich schon gemacht, ihren Namen verrate ich dir aber nicht!
b) ein langes Gespräch führen
Der Wunsch ist jetzt gerade in Erfüllung gegangen.
c) so richtig die Meinung geigen?
Das mache ich ständig, das ist ja gerade mein sozialintegratives und psychohygienisch betrachtet bedenklichstes Alltagsproblem. Doom macht einsam, haha! Beziehungsweise hören komische Menschen schräge Musik, zumindest in diesem Ausmaß scheint das angeblich höchst bedenklich sein. Aber das ist mir egal, weil die anderen alle komisch sind. Ich habe gelernt, dumme Sprüche zu ignorieren. Randspartenexistent ist kein Zuckerschlecken, aber macht glücklicher als duckmäuserische Anpassung. Da gab es letztens einen klugen Spruch im Fratzenbuch: „Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein“. Das klingt ketzerisch, ist es aber nicht, sondern nur eine unbestätigte, für mich aber feststehende Tatsache.
14) Mourner, wohin geht die Reise? Wann gibt es ein neues Fanzine?
Wir sehen uns im unendlichen Doomiversum wieder. Das DMF Nummer 10 erscheint am siebten Tag des ersten Lenzmonats anno 2013, zumindest behauptet das mein Terminkalender.
15) Danke für Deine ehrlichen Antworten? Willst Du noch was loswerden?
Doom Over The World! Hallo Mourner.
Hallo Mourner! Schön, dass Du Zeit findest. Woran arbeitest Du gerade? Was ist gerade Dein nächstes Projekt?

An der Doom Metal Front wird zwar langsam, dafür aber ohne Unterlass schwer weitergeschossen. Wir haben gerade erst unsere Zelte in Italien abgebaut und ziehen momentan an der Mittelmeerküste entlang weiter, um bisher unbekannte Slow-Stuff-Regionen zu erschließen. Unsere achte kostenlose Compilation wird akustisch Zeugnis von den neuen Eroberungen ablegen und per Download Code zusammen mit dem nächsten DMF erscheinen, an dem wir bereits akribisch werkeln.
Ganz im Ernst, für andere Projekte ist überhaupt keine Zeit, weil es nach Europa noch den ganzen Globus einzunehmen und mittlerweile über sieben Milliarden Menschen zu doomianisieren gilt. Wir halten es, weniger messianisch zwar, aber sinngemäß wie die seeligen REVEREND BIZARRE und rollen behäbig weiter, um unsere Lieblingsmusik überall zu verbreiten.

Das DMF Nummer 9 ist ja gerade als Printausgabe erschienen. Bist Du vollends zufrieden?

Müßiggang folgt auf Zufriedenheit und beide bremsen jegliche Kreativität unweigerlich aus. Als grundpenibler Mensch finde ich immer etwas und sei es nur ein klitzekleines Detail, welches verbessert werden kann. Das fängt bei der terminlichen und inhaltlichen Planung an, geht mit der Artikel- und Fotoproduktion weiter und hört noch lange nicht mit den Layout- und Designfragen auf.
Wenn du das neue DMF in den Händen hältst, blicken unsere Redakteure, um genau zu sein der Florian und ich, auf ein halbes Jahr nebenberuflich durchdoomte Nächte, rauchende Computer- und Fototechnik, kubikmeterweise Verpackungsmüll und Kopfschmerztablettenbeipackzettel zurück, von den aufgebrauchten Antifaltensalbendöschen, Antigrauhaartönungsfläschchen und Tränensäckespannern ganz zu schweigen.
Wino macht Werbung
Das klingt nicht nur irre, das ist es auch. Mir ist nicht bekannt, dass es mittlerweile irgendeine Form der Doomtherapie gibt. Falls sich jemand damit auskennt,  melde dich bei mir. Bitte, bitte, bitte...

Wie sind die Auswirkungen, die Reaktionen?

Meinst du die angesprochenen gesundheitlichen Nebenwirkungen oder ob wir ab sofort am Pool liegen und uns von Doomchicks die Cocktails reichen lassen können? (Lacht, hustet, lacht)
(E)re(a)ktionen hatte ich manchmal früh um fünf, wenn mich meine Prostata unweigerlich und hart daran erinnerte, dass ich, wie eigentlich jeder normale Mensch, um diese Zeit hätte wach werden müssen, anstatt das dreißigste oder vierzigste Albumreview einzutippen, ohne mit dem Kopf auf die Tischplatte gekracht zu sein. God save the doom and the coffein!
Richtig gerührt bin ich immer noch jedes einzelne Mal, wenn jemand ein DMF bestellt, egal ob aus Deutschland, Bulgarien, Italien, aus England, den USA oder aus Japan und anderswo, oder es mir direkt aus der Hand entgegen nimmt. Denn es ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr, dass physische DIY-Produkte ihren Weg zum multimedialen "Massenkonsumenten" finden oder es geschätzt wird, dass ein paar wenige Menschen etwas herstellen, an dem ihr Herzblut hängt. Davon können viele der von uns besprochenen Bands ein Liedchen singen. Wo bietet es sich mehr als im Doom-Untergrund an, in welchem Kummer und Leid zum guten Ton gehören. Nur ganz nebenbei: Wir sind ausgesprochene Frohnaturen und glücklich, wenn sich jemand anderes freut. Das Schönste, was ich bisher gesagt bekam, war ein kurzes wie aussagekräftiges "Dankeschön!"
Durch das DMF bin ich mittlerweile in der wirklich glücklichen Situation, viele gute Bands aus der ganzen Welt kennen zu lernen, die ich sonst vielleicht nie entdeckt hätte. Die Mailbox und unser Postfach quellen manchmal über mit Anfragen und Einsendungen, sodass ich schweren Herzens auswählen muss, was in das nächste DMF kommt. Wir versuchen irgendwie alles unter zu bekommen, stoßen aber mittlerweile an unsere personellen und den Heftumfang sprengenden Grenzen. Es ist genauso spannend wie zwiespältig, dass bestimmte Labels, die uns vorher nie beachtet hatten, nun von alleine ihre Schützlinge feilbieten. Ein bisschen Traum ist für mich wahr geworden. Da bleibe ich ganz der kleine Metalfan von früher und wische mir auch mal ein Glückstränchen von der Wange, ganz ehrlich!
Hochnäsigkeit ist hier völlig fehl am Platze und rächt sich alsbald - immer auf dem Boden der Tatsachen bleiben und an der Ausgangsidee festhalten! Wir bewegen uns immer noch in einer musikalischen Randnische, das darf keiner vergessen. Ob wir zur neuen "Doombravo" verkommen würden, hatte mich einer wirklich und wahrhaftig gefragt. Eigentlich keine schlechte Idee finde ich, mit einer Rubrik "Dr. Doom weiß Rat" oder einer "Doom Lovestory", hehe!
Eric Wagner von TROUBLE
Wie müssen wir uns den Prozess vorstellen?

Als Herausgeber obliegt mir natürlich die Verantwortung für alles, was mit der Veröffentlichung und dem endgültigen Inhalt zu tun hat. Bei der Organisation, sprich bei der Planung und Ausführung greift mir Florian tatkräftig und mit seiner nicht immer konformen Meinung kritisch unter die Arme. Alles fängt, wie in einer großen Redaktion auch, direkt nach dem Erscheinen der letzten Ausgabe mit der Terminfestlegung bis zum Veröffentlichungstag des nächsten DMF an. Dann werden die Inhalte zusammengestellt, also die Bands, welche wir interviewen, die Konzerte und Festivals, auf denen wir Bericht erstattend anwesend sein werden und die Themen für die anderen Rubriken werden jedes Mal neu besprochen und gewichtet oder ob etwas ganz Neues rein kommt bzw. rausfliegt. Die News und Live-Termine werden ganz zum Schluss, also kurz vor dem Release, eingefügt, wenn alle Reviews geschrieben und die Artikel im druckfertigen Layout bereits zusammengefügt wurden.
Die erforderlichen Zwischenschritte, die Fotobearbeitungs- und Grafikgeschichten würden hier zu weit führen und mir Schweißperlen auf die Stirn zaubern. Es ist schier unglaublich, was vonnöten ist, um ein Heft wie das DMF herzustellen!
Ohne meinen treuen und zuverlässigen Fotografen Mike - den Inhaber des German Doom Metal Forums - und die freiwilligen Autoren wäre dieses Doom Mammut überhaupt nicht realisierbar.
Bobby
Deshalb an dieser Stelle mein Aufruf: Wenn Ihr den Doom und seine benachbarten Genres liebt, Eure Meinung zu Albumveröffentlichungen und Konzerterlebnissen mit anderen teilen wollt und keine absoluten Neulinge im Metier seid, dann schreibt einfach eine E-Mail an info@doom-metal-front.de mit dem Betreff "DMF Redaktion". Ich freue mich riesig über jeden Doomiac, der sich meldet!

Welche Rubrik gefällt Dir selbst am meisten? In welcher steckt die meiste Arbeit und Zeit?

Besonders am Herzen liegt mir immer die Compilation, für die es jedes Mal heißt, den Atlas heraus zu kramen und unser topografisches und geografisches Wissen aufzufrischen, um ja kein Land zu vergessen. Wir schreiben jede Band persönlich an und bitten höflich um einen Song, der uns besonders gut gefällt. Es handelt sich sozusagen um eine persönliche Hitliste mit jeweils einem Song pro Band aus einer Region. Von der ersten Mail über die Klärung aller urheberrechtlichen Fragen, dem Finden eines Coverkünstlers bis zur endgültigen Zusammenstellung vergehen locker drei Monate.
Zu guter Letzt geht es um die Musik, die wir als Fans lieben. Je mehr ich davon bekomme, umso glücklicher bin ich. Ich bin ehrlich gesagt richtig stolz auf alle sieben bisherigen Zusammenstellungen!

Wie kam die Idee mit den Compilations? War das zwangsläufig? Ist es so, dass die Musiker nun selbst nachfragen?

Da ich mich ungern mit fremden Federn schmücke, gilt der alleinige Dank für die "schwere" Geburt dem Jan von BLACK SHAPE OF NEXUS, der anno dazumal an mich heran trat und mir leicht verzweifelt eine Zusammenstellung von über sechzig deutschen Bands präsentierte, mit der Bitte, das irre Projekt namens "Deutschland's Doomed" irgendwie zu veröffentlichen. So eine geniale Idee lasse ich mir natürlich nicht entgehen, obwohl ich zum Zeitpunkt meiner Zusage überhaupt keinen Plan von der Materie hatte. Aber was man nicht kann, kann man lernen. Es gibt immer (legale) Mittel und Wege, um eine Idee zu verwirklichen. Zeit dafür gibt es im Doom zur Genüge.
Deutschland Doomed
Wie eigentlich war Deine musikalische Sozialisation?

Wenn man wie ich aus einer ostbrandenburgischen Provinzstadt nahe der polnischen Grenze stammt, in der Anfang der Neunziger alle Thrash, Death Metal und Grindcore hörten (oder weit verbreitet auch Nazidreck), dann ist es kaum verwunderlich, dass ich zum Doom wie die berühmte Jungfrau zum Kinde kam, nämlich ahnungslos und mit nachhaltiger, nicht rückgängig zu machender Auswirkung. Mit schätzungsweise vierzehn jungen Lenzen lief mir irgendein Typ, den ich cool fand, mit dem Shirt zur ersten EP von CATHEDRAL ("In Memorium", Rise Above, 1991) über den Weg.
Zu meiner Überraschung drückte mir kurze Zeit später mein Nachbar, der so komisches langsames Zeug hörte wie SOLITUDE AETURNUS und LOUDBLAST zu jener Zeit das Überalbum "Forest Of Equilibrium" von genau der Band auf dem Shirt des coolen Typen in die Hand. CATHEDRAL waren meine absolute Initialzündung, weil ich bis dahin nichts Vergleichbares, nichts Ausufernderes und Langsameres gehört hatte, das trotz tiefster Traurigkeit und Verzweiflung so wahnsinnig heavy rüberkam.
Von Doom hatte ich noch nie etwas gehört, ich kriege heute noch eine Gänsehaut, wenn ich das Debüt der Briten höre und selbst jetzt, wo ich darüber rede. Im Rock Hard Death Metal Special Heft, glaube 1992 war das, wurde die Band noch in die Kategorie "Slow Death & Doomcore" u.a. zusammen mit MY DYING BRIDE, PARADISE LOST und TIAMAT verfrachtet. Am genialsten wie skurrilsten finde ich mit einigem Abstand betrachtet die Umschreibung "Schlürfschlürfbretterbretterbellbell" für diese damals als "neue Geräuschformel" bezeichnete Musikrichtung.
Kirk Windstein von CROWBAR
Mit Death Metal hatte das nur am Rande etwas zu tun, aber die Schublade war offen, Peaceville Records legten nach den aufgezählten Bands noch ANATHEMA mit ihrem genialen Album "Serenades" nach und etablierten sich als allererstes Doom Label. Damals bedienten sie als einzige straight diese schräge Mischung aus Death und Doom. Deshalb und medien-indoktriniert fing für mich alles mit solchen Bands an, schön langsam, schwer und mit Gegrunze. Alles andere habe ich mir selbst erarbeitet und zusammen recherchiert. Fängst du erst einmal an, dich für eine Randspartenmusikrichtung zu interessieren, denn alle truen Metaller lachen heute noch über uns Slowheads, dann beschäftigst du dich richtig damit. Seit es das Internet gibt und mich meine Leipziger Universitätsdozenten zur Anschaffung eines Personalcomputers zwangen, eröffneten sich mir ganz neue Dimensionen der doomiastischen Weiterbildung. Danke dafür!
Das Ergebnis meiner Klangstudien liegt vor, weil es seit langer Zeit mein Ziel war, anderen Menschen das jahrelange Suchen nach guten Bands aus dem Doom-Universum etwas zu erleichtern, zumindest eine kompaktere Möglichkeit der Informationsbeschaffung anzubieten. Ich lerne fast jeden Tag neue Doom-Bands kennen und bin immer noch von der Kreativität und Qualität in diesem (noch) unkommerziellen Bereich fasziniert. Es gibt so viel zu entdecken bis in die Zeit der Altvorderen, und das war bevor es BLACK SABBATH mit ihrem genialen Debüt gab. Doom ist ein Kunstwort bzw. bezieht es sich auf "Epicus Doomicus Metallicus" von CANDLEMASS aus dem Jahr 1986. Der Blues und das was heute als Retro- und 70's Bands verkauft wird, sind die eigentlichen Wurzeln und Trademark-Lieferanten dessen, was wir heute als Doom und Stoner bezeichnen. Ach es ist so unendlich und ... was wolltest du wissen?

Was - hier mal inmitten des Tunnels - fasziniert Dich denn so am Doom? Da gibt's ja kaum Licht... Außerdem ist der Begriff Doom ja dehnbar, siehe zum Beispiel mal die Band- und Stilbreite auf den Doom Over XXX-Festivals der letzten Jahre...

Der Blues und emotional ergreifende Kompositionen faszinieren mich; der Doom ist nur die schwere, metallischere Schlussfolgerung aus der von Alltagsleid geprägten Gitarrenmusik von den als Sklaven in die Staaten verschleppten Schwarzafrikanern.
Den dunklen Tunnel sehe ich frühmorgens, wenn der Wecker klingelt und ich die Augen nicht auf bekomme. Wer hat eigentlich behauptet, dass Doom irgend etwas mit Dunkelheit, Depression und Lebensverneinung zu tun hat. Die ganzen Gothic-Karnevalisten sind schuld daran, dass wir Doomer ständig belächelt werden für etwas, mit dem wir soviel gemeinsam und zu tun haben wie mich der umfallende Reissack in China interessiert!
Genauso steht es mit dieser ganzen Doom Over Irgendwo Geschichte. Jeder, der momentan angesagt sein will, verkauft ein Konzert als Doom, egal, ob da welcher drin ist oder nicht. Ich kriege einen Hals, wenn mir jemand langsamen Black Metal, der immer noch nicht mehr als einfach nur langsamer Black Metal ist, als Doom verkaufen will.
Es gibt wirklich geniale Crossover-Geschichten wie zum Beispiel ECHOES OF YUL aus Polen oder CROWN aus Frankreich, die es auf faszinierende Weise schaffen, schwere Doomriffs mit elektronischen Klängen und Samples zu kombinieren, dass mir die Kinnlade herunter klappt. Oder die ganzen Sludge-Sachen, die seit eh und je Hardcore-Elemente mit Punk und monströs schleppenden Riffs kombinieren. Ich liebe EYEHATEGOD und deren bessere, weil langsamere Kopie NOOTHGRUSH aus den Staaten. Aber bei "Black Doom" hört der Spaß für mich auf. Da werde ich zum kämpferischen Musikreaktionär. Sowas aber auch, wer denkt sich das denn aus, nicht mit mir!

Nenne mir mal drei Platten, die einen großen Einfluss auf Dein Leben haben...

SEPULTURA mit "Arise", NAPALM DEATH's "Harmony Corruption" und CATHEDRAL mit "Forest Of Equilibrium". Darf ich BOLT THROWER, ASPHYX und die ganzen "Slow Death"-Alben aus den frühen Neunzigern aufzählen? Na so viele waren es ja nicht. Ach, da fällt mir noch das Debüt von THE GATHERING ein, wissen viele gar nicht, dass die Holländer mit symphonischem Death Doom angefangen hatten, mit Gegrunze und ohne trällernder Heidelärche.

Was wünschst Du Dir als "Vertrauter" von der Doom- und Stoner-Szene? Welche Erwartungen hast Du?

Hört sich wie Vertrauenslehrer an, haha. Ich wünsche mir und erwarte, dass sich die nachwachsende Doom-Generation weniger an Hypes und Trends orientiert, sondern sich selbst die Frage stellt, ob sie ELECTRIC WIZARD cool finden, weil es der Kumpel auch macht oder weil sie diese Musikrichtung fühlen und wie wir alte Doombratzen ein ganzes Lebensgefühl in dieser für mich schönsten aller Musikrichtungen wieder finden.

Auf was kannst Du dabei gern verzichten?

Definitiv auf Nuclear Blast Records, die Bands wie ORCHID, die ich übrigens wahnsinnig genial finde, in den Mainstream Metal locken, um sie Zwangsarbeit leisten zu lassen, bis sie nur noch True Metal spielen, weil sie so viel Geld bekommen, dass ihnen die Fans egal werden. Ich habe schon immer diese "Doom becomes mainstream"-Alpträume, der eine oder andere ist leider wahr geworden.
Und die ganzen bereits erwähnten Möchtegernhypedoomsters, die sich mit möglichst viel Patches von Doom-Bands auf ihrer Kutte schmücken, um zu zeigen wie dagegen und unmetallisch sie doch sind, darauf kann ich verzichten. Und auf Black Metal, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte.

Das Internet ist ja für solche Kleinszenen wie die global versprengte Doomszene ein absolutes Hilfsmittel! Wäre es auch ohne die Vernetzung so weit und intensiv gekommen? Was denkst Du?

Definitiv hätte das heutige World Wide Doom Web (kleines Wortspiel, hihi) nicht die Ausmaße, wenn man überhaupt von Größe sprechen kann. Denn zu guter Letzt haben das Internet und großunternehmerische, als Social Networks deklarierte Börsenmagnaten eine, wie du sagst, "versprengte Doomszene" nur etwas näher zusammenrücken lassen, im elektronischen verbreitungspraktischen Sinne. Es ist aber faszinierend, wie viele Bands in ihrer verdienten Freizeit Doom, Stoner oder Sludge usw. spielen, früher waren das Prog-, Grind-, Punk- und Death-Sachen, die aus den Garagen und Kellern schallten, dass sich Oma Ursel beim ABV (AbschnittsBeVollmächtigter: Angehöriger der Volkspolizei der DDR, der sich in ständigem Direktkontakt mit den Bürgern um "sein" Revier kümmern musste - die Red.) beschwerte.
Mike von EYEHATEGOD
Ohne das WWW würde es die Doom Metal Front nicht geben, ich würde nicht einmal an sie denken und immer noch "Forest Of Equilibrium" von CATHEDRAL für das einzige gute "Slow Death"-Album halten, das jemals herausgekommen ist. Wahrscheinlich würde ich nicht mal mehr Musik hören ohne das Internet, aber dann würde es wahrscheinlich den klassischen Musikmedien insgesamt besser gehen. Da lobe ich mir meine spät nachgerüstete Vinyl-Ecke. Plaste fetzt einfach!
Du müsstest doch die SprelaCart-Werke kennen, die das wunderbar abwaschbare und hygienisch reine Oberflächenmaterial für die retroschönen Ostmöbel hergestellt hatten. Wahrscheinlich habe ich als Kind einfach zu viele Poly(vinyl)ethylen Gase eingeatmet. Ich konnte es mir nicht aussuchen, quasi neben der Fabrik aufzuwachsen, ein Braunkohlegaskombinat gleich um die Ecke. Dagegen sind Psychedelika nichts und Koks war noch nie weiß gewesen!

Wen willst Du unbedingt mal treffen und...
a) aus einer dunklen Ecke heraus einfach nur anglotzen?

Hab' ich schon gemacht, ihren Namen verrate ich dir aber nicht!

b) ein langes Gespräch führen?

Der Wunsch ist jetzt gerade in Erfüllung gegangen. (Bitte. Danke.)

c) so richtig die Meinung geigen?

Das mache ich ständig, das ist ja gerade mein sozialintegratives und psychohygienisch betrachtet bedenklichstes Alltagsproblem. Doom macht einsam, haha!
Saint Vitus
Beziehungsweise hören komische Menschen schräge Musik, zumindest in diesem Ausmaß scheint das angeblich höchst bedenklich zu sein. Aber das ist mir egal, weil die anderen alle komisch sind. Ich habe gelernt, dumme Sprüche zu ignorieren. Randspartenexistenz ist kein Zuckerschlecken, aber macht glücklicher als duckmäuserische Anpassung. Da gab es letztens einen klugen Spruch im Fratzenbuch: "Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein." Das klingt ketzerisch, ist es aber nicht, sondern nur eine unbestätigte, für mich aber feststehende Tatsache.

Mourner, wohin geht die Reise? Wann gibt es ein neues Magazin?

Wir sehen uns im unendlichen Doomiversum wieder. Das DMF Nummer 10 erscheint am siebten Tag des ersten Lenzmonats anno 2013, zumindest behauptet das mein Terminkalender.

Danke für Deine ehrlichen Antworten! Willst Du noch was loswerden?

Doom Over The World!
mourner

Redakteur:
Mathias Freiesleben
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