EXHORDER - Im Gespräch mit Kyle Thomas

07.03.2024 | 16:31

Nach zwei bockstarken Alben 1990 und 1992, sowie einer vielversprechenden Zukunft für EXHORDER, war kurz nach dem Release von "The Law" plötzlich Schluss. Nach einigen Jahren in der Versenkung und mehreren "Immer–mal-wieder"-Wiedervereinigungen, sind die Jungs aus New Orleans nun wieder dauerhaft am Start und versüßen uns den März mit dem Knaller "Defectum Omnium". Logisch, dass wir Sänger Kyle Thomas zum netten Plausch anfragten. Wir sprachen mit ihm über den Split, das neue Album, Gigs in Deutschland und das Leben in New Orleans, wobei sich Herr Thomas aber auch durchaus als Reiseleiter eignen würde.

(lacht) Heute ist ein wundervoller Tag hier in New Orleans. Aktuell ist es ein wenig kalt, da wir hier vor wenigen Tagen einen kurzen Wettereinbruch hatten. Aber jetzt ist es Frühlingswetter mit blauem Himmel, einfach schön. Du solltest auf jeden Fall einmal hier hinkommen. Nicht nur du, zumindest jeder Heranwachsende sollte einmal im Leben New Orleans gesehen habe. Es gibt tolle Musik und tolles Essen.

Wäre cool. Lass uns über das Album sprechen. Wie lange habt ihr daran gesessen?
Wir haben ernsthaft mit dem Schreibprozess in der Lockdown-Zeit angefangen. Wir waren mit OVERKILL auf Tour, hatten noch zwei weitere Shows, die dann aber leider gecancelt wurden, weil alles geschlossen wurde. Wir lebten damals alle in unterschiedlichen Bundesstaaten und fragten uns, was wir machen könnten. Warten, bis alles wieder seinen gewohnten Gang geht? Nein, wir haben uns entschlossen, zu arbeiten und an neuem Material zu schreiben. Um genau zu sein, hat der Entstehungsprozess des Albums im Frühling 2022 begonnen. Das Master war dann letzten Sommer fertig. Jetzt sitzen wir hier herum und warten darauf, dass das Album endlich released wird (lacht). Letztendlich hat es für uns auch keinen Sinn gemacht, ein Album zu veröffentlichen und nicht auf Tour damit zu gehen. Weshalb wir das Album erst jetzt veröffentlichen.

Denkst du, dass die Zwangspause auch ein Grund für die Vielschichtigkeit des Albums ist? Man kann eine Menge Facetten auf "Defectum Omnium" entdecken. Von hartem Thrash, über Punk und groovige Parts bis hin zu Black-Metal-Elementen. Eure Bandbreite ist schon enorm.
Interessante Sichtweise. Weißt du, wir haben uns bewusst dazu entschlossen, wieder mehr Punk-Einflüsse in unseren Sound aufzunehmen, da diese auf "Mourn The Southern Skies" nicht so präsent waren, wie wir es gerne gehabt hätten. Insgesamt wollten wir aber die grob eingeschlagene Richtung vom Vorgängeralbum beibehalten. EXHORDER war nie eine reine Thrash-Metal- oder Hardcore-Band. Wir haben schon seit jeher unsere eigenen Vorlieben bei verschiedenen Musikstilen. Wir wollten schon immer wir sein. Es gibt aber unzählige Zutaten zum EXHORDER-Sound, dass man die gar nicht alle aufzählen kann. EXHORDER hat ein Album gemacht, welches wir als Fans gerne hören würden.

Ist das auch der Grund, warum die Songs so sehr in ihrem Stil variieren auf "Defectum Omnium"? Im Gegensatz zu früher enthält das aktuelle Album weniger straighten Thrash Metal. Ich denke, das ist der hauptsächliche Unterschied zu den anderen Platten. Würdest du da mitgehen?
Ich denke, das hat andere Gründe. Als wir mit den Aufnahmen zu "Slaughter In The Vatican" anfingen, gab es keinen Song, der in den Neunzigern entstanden ist, sondern in den Mittachtzigern bis Ende der Achtziger. Wir waren damals alle noch Kids. Die Songs von "The Law" sind dann alle in einem Kontext entstanden und man kann durchaus einen Fortschritt heraushören. Der letzte Song '(Cadence Of) The Dirge' von "The Law" ist ein gutes Beispiel hierfür. Wir wären unter Garantie auch weiter in diese Richtung gegangen, wären wir weiterhin zusammengeblieben. Ich habe es bereits gesagt, EXHORDER war nie eine reine Thrash-Metal-Band, auch wenn wir in unseren Anfangstagen sehr thrashy waren. Wenn wir über reine Thrash-Metal-Bands sprechen, reden wir über Bands wie EXODUS oder DEATH ANGEL und Konsorten. Wir hatten natürlich die gleichen Vorbilder, aber vielleicht liegt es auch an dem geografischen Unterschied, New Orleans und die San Francisco Bay Area liegen nicht wirklich in der Nachbarschaft (lacht). You are what you eat, wenn du verstehst, was ich meine. Es gibt hier viel Blues und Funk in der Gegend. Dieses Vorhandensein von natürlichen Ressourcen prägt dich als Musiker ganz anders, wenn du damit aufwächst. Unser erster Drummer war ein Jazz-Drummer, kannst du dir das vorstellen?

Klingt auf jeden Fall spannend, ja. Du hast auch Punk und Hardcore als Einflüsse genannt. Ich denke, das kommt am stärksten bei einem Song wie 'Forever And Beyond Despair' gut zur Geltung. Einfache Riffs, die aber dennoch auf die Zwölf drücken.
Ja, das hast du richtig erkannt. Als EXHORDER anfing, wollte niemand aus der Heavy-Metal-Szene etwas mit uns zu tun haben. Ganz anders als die Punks, die haben uns eingeladen bei ihnen zu spielen. Unser erster Gig war tatsächlich mit NOFX.

Cool...
Ja, aber so hat es angefangen. Da kommen wir her und vergessen das auch nicht. Vermutlich sind deshalb auf den Alben von uns so viele Punk-Elemente vorhanden. Auf dem neuen Album ist es vielleicht noch ein Stück weit ehrlicher und hat schon Tribute-Charakter, letztendlich muss es aber passen und das tut es meiner Meinung nach auch.

'Taken By Flame' ist auch ein Beispiel für die Vielschichtigkeit von "Defectum Omnium". Auf der einen Seite zeigt die Nummer die Groove-Metal-Band von heute und andererseits auch den knüppelharten Thrash von damals. Würdest du da zustimmen?
Ja, klar. Das ist der Song, der eigentlich zwei in einem ist, mit seinem langsamen aber tonnenschweren Intro. Das Ganze hat mich an 'Desecrator' (von "Slaughter In The Vatican" - cb) erinnert, welches wir 1987 geschrieben haben. Seitdem hatten wir keinen Song mehr, der ähnlich langsam und heavy war. Es fühlte sich richtig an, in der Zeit zurückzugehen und einen vergleichbaren Song wie eben 'Desecrator', der auch von seiner Heavyness lebt, zu schreiben. Wenn dieser langsame Part sich dann öffnet und zu diesem komplexen Thrash-Song wird, hat man durchaus das Gefühl, es handle sich um zwei Stücke. Das haben mir auch einige Leute so gespiegelt. Ich habe kein Problem damit, mir verschiedene Meinungen anzuhören, bin aber nach wie vor der Meinung, dass das in diesem Fall ganz gut funktioniert.

Absolut. Ich habe jetzt eine Frage, die dich vermutlich eher ärgert, als fröhlich stimmt, will sie in diesem Kontext dennoch stellen. Siehst du EXHORDER eher als Groove-Metal-Band, wie in einigen Medien kolportiert, oder schon noch als Thrash-Band?
Puh... du fragst Sachen. Da habe ich aber gar keine Präferenz, ehrlich gesagt. Das ist eher so ein Ding von Seiten den Fans. Die können das gerne entscheiden. EXHORDER war nie eine reine Thrash-Band, aber auch keine reine Punk-Band. Und Groove? Weiß ich nicht. Das ist auch nur ein Titel, der erfunden wurde, weil etwas Neues herauskam und niemand etwas damit anfangen konnte. Diese ganzen Subgenres und Sub-Sub-Genres machen mich eher konfus, als dass sie mir helfen würden. Es geht doch nur um Musik, nicht um Wissenschaft.

Verstehe ich total, Kyle. Groove-Metal ist für mich auch eher mit Bands wie LIFE OF AGONY behaftet und nicht mit EXHORDER.
Yeah, ich weiß, wie du das meinst. Musik ist Kunst. Du startest mit nichts, addierst einige Bausteine hinzu und zum Schluss kommt ein Song dabei heraus. Das ist Kunst. Es gibt aber keine Formel für einen bestimmten Song, es gibt unzählige Arten vorzugehen. Das kannst du alleine schon daran sehen, wenn EXHORDER einen Song schreibt, dann unterscheidet er sich in der Herangehensweise komplett von der bei TROUBLE (Kyle singt auch bei TROUBLE - cb).

Ist ja auch logisch. Ich habe vorhin Black-Metal-Elemente erwähnt, da ich finde, dass der Anfang von 'Year Of The Goat' so klingt. Die Nummer hört sich an, als hättet ihr mit Black Metal angefangen und herausgekommen ist 'Year Of The Goat'.
(lacht) Du meinst den Effekt am Anfang, richtig? Ja, das sollte sich so anhören, als würde eine Band in einer Garage proben. Vielleicht liegt es aber auch an den Blastbeats, ich weiß es nicht. Mir haben auf jeden Fall schon einige Leute gesagt, dass sich der Anfang sehr nach Black Metal anhört.

Wie stehst du denn zu Diensten wie Spotify? Gut für die Bands oder der Tod für die Musik?
Ich habe da, ehrlich gesagt, gemischte Gefühle diesbezüglich. Auf der einen Seite ist der technologische Fortschritt nicht mehr aufzuhalten und die Kids nutzen Medien heute anders als früher, auf der anderen Seite geht dabei, meiner Meinung nach, der Bezug zu physischen Tonträgern verloren, da immer mehr Kids anscheinend nur noch auf Playlisten zugreifen und sich nicht mehr die Mühe machen, ein Album komplett anzuhören. Ich wünschte nur, die ganzen Streaming-Milliardäre würden uns Künstler endlich einmal fair bezahlen. Es ist doch einfach lächerlich uns Künstler mit einem Penny pro abgespielten Song abzufertigen. Das geht doch zu Lasten aller.

Jetzt muss natürlich noch eine Frage nach eurem Split kommen. Warum habt ihr nach damals aufgelöst, nachdem ihr zwei sehr starke Alben veröffentlicht habt und die Zeichen eigentlich auf Sturm standen?
(lacht) Ja, das sieht nach außen hin so aus, aber EXHORDER hat sich schon in den Achtzigern mehrmals aufgelöst und wieder zusammengefunden. Für mich war es immer frustrierend zu sehen, wie viel Potential diese Band hat. Aber wir waren damals alle zu dickköpfig, stur und kamen nicht wirklich miteinander klar zu dem Zeitpunkt. Wir waren einfach zu jung, um eine gemeinsame Richtung anzusteuern. Wenn die Leute keine gemeinsame Vision haben und nicht an das gemeinsame Ziel glauben, dann wird es schwierig für eine Band. Zudem war die Zeit als "The Law" herauskam, so geprägt von der aufkommenden Death-Metal-Welle, dass Thrash auf dem absteigenden Ast war und sich kaum jemand noch dafür interessierte. Das war schon ein frustrierendes Ereignis, plus die ganzen privaten Querelen. Wir waren einfach nicht reif genug, mit so einer Situation umzugehen. Das Positive ist aber, dass EXHORDER nun eine Einheit ist. Mit Menschen, die sich respektieren und gemeinsam am großen Ganzen arbeiten. Wir sind jetzt seit 2017 zusammen und haben eines der harmonischsten Line-ups in der Geschichte von EXHORDER. Ich denke, dass dieses Rezept das Beste ist, das man haben kann. EXHORDER hat sich zusammengefunden und es entsteht etwas Großartiges mit der Band, und das ist, was letztlich zählt.


Fotocredits: Erik Hernandez

Redakteur:
Colin Büttner

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