Gruppentherapie FORCES AT WORK-"Straight"

26.05.2012 | 16:37

Die dritte Kraft des Treppchen-Truimvirats im Mai-Soundcheck sind FORCES AT WORK mit dem irreführenden Albumnamen "Straight". Denn extrem vertrackter moderner Metal breitet sich wie ein dreidimensionales Kreuzworträtsel vor dem Hörer aus. Und er verzückt die Soundchecker. Lest in der Gruppentherapie, was dran ist an diesem besonderen Stück Musik!

Ein Monat der Extreme in unserem Soundcheck. Drei Sieger aus völlig unterschiedlichen Stilrichtungen, und zwei davon herrlich komplex und abgedreht in Potenz. Die metallischere der beiden Freakbands ist FORCES AT WORK, und ich muss vom Fleck weg zugeben, dass mich das Quintett aus Wuppertal zunächst einmal kräftig überfordert hat. Um in die rhythmische Achterbahnfahrt, in das gesangliche Facettenspiel und in die komplexen Songstrukturen richtig tief einzusteigen, fehlt mir momentan einfach die Muse und die Ruhe. So passiert es mir beim Hören von "Straight", das alles andere als "straight" ist, eben hin und wieder, dass mich die rhythmischen und stilistischen Irrungen und Wirrungen aus der Bahn kegeln und das eine oder andere Element zu nerven beginnt. Gerade wenn der Gesang ins Brüllwürfelige abdriftet, wenn die Gitarren zu fiepen beginnen oder wenn der rhythmische Groove zum Hüpfen einladen mag. Kommen dann aber ruhigere Momente zu ihrem Recht, ertönen die klaren Vocals oder spinnt die Gitarre wunderbare Leadmelodien, dann setzen die Arbeitskräfte doch ordentliche Widerhaken, die zum tieferen Eintauchen einladen. Von daher sind meine sieben Punkte lediglich eine Momentaufnahme, die dem Album insgesamt noch nicht gerecht werden können. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird das Album noch wachsen. Für Anhänger progressiver Härte und vertrackter Musik ist "Straight" eine sicherlich rundum spannende Sache.

Note: 7,0 /10
[Rüdiger Stehle]

 

Cover

Ja, auch ich habe beim Anblick unserer Treppchenkinder nicht schlecht gestaunt, so lässt sich aber mein Glaube manifestieren, dass gerade solche Besonderheiten den Braten erst richtig fett, unsere Arbeit erst schmackhaft machen. Und sicherlich kommen dementsprechend unterschiedliche Meinungen und Geschmäcker ans Tageslicht, die nicht überall auf Gegenliebe stoßen. Bestes Beispiel sind die Wuppertaler FORCES AT WORK, die mir mit ihrem verfrickelten, beinah undurchdringbaren Klangerlebnis so manches Haar einzeln raufen. Progressive Klänge der Extreme, Achterbahnen und Loopings der Gefühle, Impressionen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Geradlinigkeit  und Eingängigkeit werden auch anno 2012 klein geschrieben und dennoch gibt es Punkte, die mir auf "Straight" nicht allzu sauer aufstoßen: Die Wucht, die in Stücken wie '3 Logic Dead' aufkommt, die niemals aufkommende Langeweile, die vom beginnenden 'The Mind Slavery' bis zum finalen, wunderschönen 'Straight Into The Odd' im Keim erstickt wird, sowie das technische Know-How beeindrucken zutiefst und so sollte solch eine ordentliche Punktzahl von jemandem, der überaus sperrig und zwiespältig an Progressive-Metal-Veröffentlichungen herangeht, doch wohlwollend positiv aufgenommen werden.


Note: 7,0/10

[Marcel Rapp]


Nachdem ich im Vorfeld nur das ansprechende Cover kannte, mir die restliche Belegschaft aber nicht so recht sagen konnte, um was es geht, war die Neugier groß und der erste Schock größer. Was auf dem ersten regulären Album über den Hörer einbricht verlangt Mut, Zeit und Gummibänder. Da tummeln sich im Opener 'The Mind Slavery' noch CYNIC in den spacigen Momenten nur um Nanosekunden später von jazzigen Intermezzi unterbrochen, zerstückelt und zu fiesem Metalcore zusammengefügt zu werden. '3 Logic Dead' kommt dann fusionlastig daher, auch wenn mich dort der Klargesang immer wieder an alte Grungebands erinnert, allerdings mit Mathmetal als musikalischer Untermalung. Als wäre die musikalische Irritation, die sich mit schrägen Akkorden, wilden Riffs, Jazzläufen, Stakkato-Geballer und groovigen Parts ihren Weg bahnt nicht genug, macht mich der Gesang noch zusätzlich fertig. Sebastian Wischermann pendelt zwischen Clean und Brüllen, Keifen und Shouten, gelegentlich kommen noch lustige Audiosamples wie in 'Dharma' dazu, das ist schon hart an meiner Erträglichkeitsgrenze. Dennoch meistern FORCES AT WORK in meinen Ohren weitgehend den Spagat zwischen anstrengend und Überforderung ziemlich gut, nach und nach kristallisieren sich zum Glück genug Wiederhaken heraus um nicht komplett zu versanden. Trotzdem empfehle ich anfangs Gummibänder um die Nerven zusammenzuhalten.

Note: 8,5/10
[Simon Volz]

 

Wuppertal ist eine sehr schöne Stadt. Ich muss das wissen, denn ich bin dort geboren. Rein musikalisch war das Städtchen mit der Schwebebahn aber immer etwas verschlafen. Umso erstaunter bin ich über den ersten Silberling von FORCES AT WORK, dessen Titel "Straight" irreführender nicht sein könnte. Denn, auch wenn mir eine musikalische Beschreibung schwer fällt, ist eines sicher: straight ist auf diesem Album gar nichts. Vielmehr erinnert mich die Band an eine schwergewichtige Variante der fantastischen MEKONG DELTA. Allerdings, und diese Zutaten haben es mir anfangs schwer gemacht, "Straight" schnell ins Herz zu schließen, würzen die Kollegen ihren progressiven Schwermetall mit jazzigen Rhythmen, diversen Anleihen aus dem Mathcore und haben mit Sebastian Wischmann einen Frontmann in ihren Reihen, der nicht selten wie ein Dobermann auf Extasy klingt. Meine Core-Allergie dürfte ebenso bekannt sein wie meine Aversion gegen Brüllwurfel. Was unterscheidet FORCES AT WORK nun von anderen Bands, die ich aufgrund dieser Merkmale nicht mag? Ganz einfach: Das Quintett hat einfach den Bogen heraus, eine unwiderstehliche Hektik zu verbreiten, die mitreißt und die schon beim ersten Durchlauf völlig fesseln konnte. Für ungeübte Hörer gibt es in der Mitte mit dem brachialen Bombast-Bomber 'Keep Marchin' und dem anschließenden beinahe gradlingen Schädelspalter zwei Klammerohraffen. Mit diesen beiden Stützen im Hinterkopf wird der Wille, die Genialität des gesamten Albums zu erfassen, erfolgreich unterstützt. Und nach etlichen, gern auf sich genommenen Durchläufen, will man sich ein Leben ohne solch bekloppte Hausmannskost wie 'Dharma' gar nicht mehr vorstellen. Und während ich dies schreibe, wird mir bewusst, dass ich "Straight" eventuell zu wenig Punkte gegeben habe.

Note: 8,5/10
[Holger Andrae]

 

Im Grunde hat Kollege Holger bereits hervorragend seziert, was an "Straight" besonders ist. Jazzige Gitarren treffen Math- & Metalcore treffen cleane, latent melancholische Gesangslinien treffen eine gehörige Portion Irrsinn. Dass das eher Fans von ATHEIST, BETWEEN THE BURIED & ME, MEKONG DELTA, CYNIC oder WATCHTOWER als von MANOWAR & SABATON anspricht, sollte da verständlich sein. Die eigentliche Kunst der arbeitenden Kräfte ist aber, den Wahnsinn in halbwegs nachvollziehbare Songs zu packen und den ein oder anderen Enterhaken in den Trommelfellen auszuwerfen. 'Nowhere', 'Virtual Fuhrer' und 'Sickness' kann ich schon mitsingen. Und eine Band, die mit 'Dharma' auch noch "Lost"-Worshipping betreibt, ist sowieso sympathisch. Solltet ihr unterstützen.

Note: 8,0/10
[Peter Kubaschk]

 

 

Kollege Martin sagt schon in seinem Review, dass zarter besaitete Prog-Gourmets wohl Probleme mit der Combo bekommen könnten. Und ganz genauso ist es nun bei mir gekommen. Ich komme überhaupt nicht mit FORCES AT WORK klar und das liegt zuallererst am corigen Brüllgesang von Frontmann Sebastian, der mir überhaupt nicht gefällt. Und wenn ich mich beispielsweise bei der neuen AFFECTOR wohlig in jede noch so komplexe Frickelpassage versetzen kann, fällt es mir hier extrem schwer, in dieser kantigen Musik irgendeinen Ansatzpunkt zu bekommen. Überall bleibt man mit den Fingernägeln hängen, schürft sich das Schienbein auf, tritt in rostige Nägel oder man ballert mit dem Kopf gegen den Wandschrank. FORCES AT WORK-Hören macht mir einfach keinen Spaß. Dabei ist das alles technisch absolut top edge, die Gitarrensoli von Adrian Weiss sind am Limit der Technik, alles freakig und cool. Aber wenn dann wieder dieser Brüllwürfel mit seinem penetranten Organ dazwischenbrüllt und die Band mal wieder den Fluß im Gefrickel mit einer weiteren Stakkato-Hackorgie durchsetzt, dann zuckt der Finger an der Skiptaste. Ich habs versucht, aber nun bin echt froh, daß ich dieses Album nimmer hören muß. Nicht mein Prog, gar nicht!

Note: 5,5/10
[Thomas Becker]


Ehrlich gesagt staune ich nicht schlecht, dass "Straight" bei meinen Kollegen so gut ankommt. Denn die Mahlzeit, die FORCES AT WORK einem bereitet, liegt erst einmal schwer im Magen und will verdaut werden. Die Köche verwenden eine Menge Zutaten und schütten teilweise alles gleichzeitig in den Topf. Die Garzeit wird ebenso flexibel gehandhabt. Angerichtet ist das ganze jedoch sehr ansehnlich, und es bleibt festzuhalten: Der Spruch "Zu viele Köche verderben den Brei" trifft im vorliegenden Fall definitiv nicht zu. Das Gericht ist äußerst schmackhaft, wenngleich sich die Zunge möglicherweise erst an die Mischung aus Bekanntem und Exotischem mit dieser scharfen Würzung gewöhnen muss. Doch ist dies einmal passiert, dann wirkt die Zusammenstellung alles andere als zufällig und man erkennt den roten Faden der unterschiedlichen Gänge. Von etwas derartigem kann man sich zwar nicht durchgehend ernähren und es handelt sich hierbei auch sicher nicht um einen Snack für zwischendurch. Aber wenn man mal ausgiebig und in Ruhe speist, dann ist "Straight" sicher nicht die schlechteste Wahl - sofern man Lust auf "anders" und "mehr" hat.

Note: 8,0/10
[Oliver Paßgang]

Redakteur:
Thomas Becker

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