Gruppentherapie KATATONIA-"Dead End Kings"

26.08.2012 | 17:41

Mit dem mittlerweile neunten Album "Dead End Kings" verfeinern KATATONIA ihren Stil weiter in Richtung Modern-Prog und erreichen den dritten Platz im prominent besetzten August-Soundcheck. Meinungen und Eindrücke lest ihr in der Gruppentherapie.

Das Treppchen des August-Soundchecks wird von drei etablierten Bands besetzt, die schon mehr als zwanzig Jahre lang miteinander musizieren: THRESHOLD, TESTAMENT und KATATONIA. Letztere haben den Verfasser des Artikels so begeistert, dass er sich zur Höchstnote hat hinreißen lassen (zum Review). Andere Redaktionsmitglieder lobpreisen das "KATATONIA-Gefühl" (Oliver), trauern der Vergangenheit nach (Peter), freuen sich auf den Herbst (Marcel) oder hören sogar den Frühling (Holger). Lest selber.

Cover

Es war das wohl in der Redaktion am meisten mit Spannung erwartete Album in diesem Monat, "Dead End Kings" der Schweden KATATONIA. Und auch auf dem neunten, aktuellen Schaffenswerk wird es melancholisch und düster, authentisch und atmosphärisch, einfach durch und durch KATATONIA. War "Night Is The New Day" schon ein mehr als tolles Album, präsentiert man anno 2012 die konsequente Weiterentwicklung, auch fünf Jahre später klingen die Gitarren noch klagend brachial und diese herausragenden Melodien erreichen nun ein neues Level. 'The One You Are Looking For Is Not Here' spricht depressive Bände, 'The Racing Hearts' wird Fans gleichermaßen berühren und Stücke wie 'Leech' und 'Lethean' gefallen auf ganzer Ebene. Zwar passt diese emotionale Finsternis nicht zum immerhin jetzt sonnigen Wetterchen, aber jeder Sommer ist irgendwann mal vorbei und die kalten, schwarzen Tage übernehmen das Zepter des Gemüts. Soll ich nun weiterschreiben oder meine Zeit sinnvoller, also mit einem erneuten Rundgang von "Dead End Kings", nutzen?

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]

Als mittlerweile großer Fan der Band war ich nicht ungespannt, wie "Dead End Kings" nun tatsächlich klingen würde, hat der Song 'Dead Letters' mit seinen TOOL-Anleihen bei mir doch für leichte Verwirrung gesorgt. Aber um es direkt vorweg zu nehmen: Das achte Studioalbum der Schweden klingt vor allem nach einer Band, und zwar nach KATATONIA selber. Und das liegt gar nicht mal nur an Jonas Renkses bezaubernder Stimme, sondern einfach an der Gesamtstimmung, die die Platte über die volle Distanz von nicht ganz 49 Minuten verbreitet. Es stellt sich dieses wohlige, vertraute "KATATONIA-Gefühl" ein, in welches man sich gerne fallen lässt. Und dies tue ich besonders gerne bei 'The Racing Heart', 'Lethean' und dem oben bereits erwähnten 'Dead Letters' - wobei festzuhalten ist, dass der Qualitätsunterschied zwischen den einzelnen Tracks wirklich minimal ist. Warum ich dann keine höhere Note gebe? Ganz einfach: Ein bisschen mehr Abwechslung, vor allem im Vergleich zur eigenen Diskographie, hätte es dann doch sein dürfen. Ansätze dazu sind allerdings, wenn überhaupt, nur spärlich vorhanden ('The One You Are Looking For Is Not Here', 'Dead Letters') und werden dann auch nicht so stark ausgereizt, dass man den Eindruck gewinnen könnte, jetzt gerade wirklich etwas Neues zu hören. Vielleicht tut die Zeit aber auch noch ihre Wirkung. Derzeit bleibt unterm Strich ein "nur" sehr gutes KATATONIA-Album, welches mich, so viel steht fest, treu durch den Herbst begleiten wird. Denn genau dafür scheint diese Musik geschrieben zu sein.

Note: 8,5/10
[Oliver Paßgang]

Bandphoto von Facebook

Inhaltlich bin ich gar nicht weit von Olivers Meinung zu "Dead End Kings" entfernt. Wo es früher von Album zu Album deutlich hörbare musikalische Entwicklungen gab (hört mal nacheinander "Discouraged Ones", "Tonight's Decision", "Last Fair Deal Gone Down" und "Viva Emptiness"), haben die Schweden mittlerweile ihren Stil gefunden. Jetzt wird noch in der Tiefe verfeinert, aber die große Abwechslung bleibt ein wenig aus. Und das kann man Renkse und Nyström auch schwerlich vorwerfen. Eine eigene, absolut unverkennbare Handschrift zu haben, ist natürlich rundum positiv. Fakt ist aber, dass ich mit dieser Ausrichtung von Album zu Album mehr zu kämpfen habe und es der Band einfach nicht mehr gelingt, mich auch auf emotionaler Ebene so zu packen, wie es noch zu Zeiten von "Last Fair Deal Gone Down" und Songs wie 'The Future Of Speech' der Fall war. Auf mich wirkt alles ein bisschen verkopft, was bei solch eigentlich emotionaler Musik natürlich negativ ist. Aber im Grunde bin ich sicher, dass diese Wahrnehmung mehr mit Veränderungen beim Hörer als bei der Band zu tun hat. Wer die letzten drei Werke KATATONIAs liebt, wird hier auch rundum glücklich werden. Mir fehlt dieser entscheidende Kick. Leider.

Note: 7.5/10
[Peter Kubaschk]

photo2

Die absolute Euphorie bei einem neuen Album der fünf Schweden bricht bei mir schon seit "Viva Emptiness" nicht mehr aus. Vielleicht liegt es daran, dass mich die beiden Alben davor – '"Tonight's Decision" und vor allem "Last Fair Deal Gone Down" – so dermaßen beeindrucken konnten, dass es für die Band beinahe unmöglich war, diesen Standard in meinen Augen zu halten. So haben mich gerade die letzten Alben aufgrund ihrer Gleichförmigkeit beinahe etwas gelangweilt. Das ist bei dem aktuellen Werk anders. Von der emotionalen Tiefe in Kombination mit Überraschungsmomenten ist man zwar immer noch weit entfernt von der Klasse vergangener Tage, aber immerhin ist es dem Quintett gelungen, an diversen Stellen des Albums aus der Einheitsmelancholie auszubrechen. Dieses Mal gibt es kraftvolle Riffs, die aufrütteln und aus einem typischen Herbstalbum, wie man es von KATATONIA gewohnt ist, ein Frühlingsalbum machen. Sonnenstrahlen brechen durch den grauen Himmel und die herbstlich bunten Bäume leuchten anregend. Man höre nur 'Buildings' und weiß, wovon ich schreibe. Und in 'Undo Me' erhellt man die Seele mit mehrstimmigem Klargesang und zaghaften Pianoläufen zu beruhigenden Gitarrenklängen. Neuerungen, die positiv aufblitzen. Wie natürlich auch das überfliegende Abschlussbrett namens 'Dead Letters', welches mit einer erschreckenden Nähe zu TOOL um die Ecke knistert. Wenn man das als Hinweis auf zukünftige Musik werten darf, bin ich wieder gespannter.

Note: 8/10
[Holger Andrae]

Redakteur:
Thomas Becker

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