Gruppentherapie: ARMORED SAINT - "Punching The Sky"

16.11.2020 | 22:19

Nur eine Heavy-Metal-Band oder die beste Heavy-Metal-Band der Welt?

Der Oktober-Soundcheck war voller qualitativer Schwergewichte. Man muss also schon ein besonderes Kaliber sein, um diese Rangliste anzuführen. Doch jede Konkurrenz ist unfroh, wenn sie sich mit ARMORED SAINT messen muss. Und folgerichtig gewinnen die Gepanzerten. Gibt es dagegen irgendwelche Widersprüche?

Es fällt mir schwer, Peters Review noch etwas hinzuzufügen, denn ARMORED SAINT ist einfach eine Bank. Auch wenn ich seine Bezeichnung "beste Heavy-Metal-Band der Welt" etwas hochtrabend finde, weil es derer einfach zu viele ebenso tolle gibt, wird wohl niemand Argumente finden, ARMORED SAINT den Status als qualitatives Schwergewicht im Metalbereich zu entziehen. Es ist beeindruckend, wie ARMORED SAINT immer wieder Riffs und Melodien schreibt, die mitreißen und zu den metallischen Ur-Tätigkeiten wie den Kopf schütteln und die Fäuste recken animiert. Auch die nötigen Farbtupfer, die aus einem guten ein sehr gutes Album machen, sind vorhanden, auch mir fällt hier das meist ruhig gehaltene und brillant gesungene 'Unfair' am meisten auf. Aber da es die Band schon selbst anspricht, bin ich tatsächlich auch mal ein Stückchen unfair: Über das, was man eh von ARMORED SAINT erwarten konnte, geht "Punching The Sky" nicht hinaus. Für Peter geht es eh kaum besser. Die absoluten Topnoten vergibt aber keiner der anderen Soundchecker. Weshalb, das ist zumindest für mich schwer zu erklären, aber unfair formuliert könnte es sein, dass "Punching The Sky" eben nur "business as usual" ist? Ich hoffe, meine Kollegen geben mir derbe Saures für diese provokative Frage!

Note: 8,5/10
[Thomas Becker]

Es gibt sie, diese Bands, die ein Fan der harten Musik einfach kennen muss. Die Kalifornier gehören definitiv dazu. Und auch wenn dem geneigten Zuhörer das Dargebotene nicht unbedingt zusagt: Ein bisschen Diskografie und Hintergrundinformationen sind elementar, möchte man nicht beim nächsten Metal-Stammtisch ausgeladen werden - und vorsichtig: Nicht zu viel Kritik üben, denn hier ist der geneigte Fan höchst emotional und wenig kompromissbereit. Ich muss aber gestehen, so richtig mein Fall war ARMORED SAINT nie. Trotz hörbarer Klasse, wenig Ertrag für mich. John Bush singt herausragend, ohne aber ausreichend Ankerpunkte setzen zu können. Ein Frevel, ich weiß, kann es mir ja selbst kaum erklären. Das letzte Album "Win Hands Down" überraschte mich dann mit frischem und kraftvollem Sound. Diesen Weg setzen die Herrschaften auf dem aktuellen Werk zum Glück konsequent fort. Die Scheibe brilliert mit einer starken Produktion und ein paar echt coolen Nummern ('Standing On The Shoulders Of Giants', 'Do Wrong To None', 'Never You Fret' oder auch 'End Of The Attention Span'). Trotzdem haben sich aber auch wieder einige nette Mitläufer eingeschlichen, die bei mir keinen direkten Eindruck hinterlassen möchten ('Bubble', 'Fly In The Ointment', 'Unfair'). Vielleicht sind es eben auch die von Peter angesprochenen "La Raza"-Reminiszenzen, die mich nicht in ihren Bann ziehen - ein für mich eher schwächeres Werk. Wie auch immer, "Punching The Sky" gehört jedenfalls zu den stärkeren Alben ihrer langen Geschichte. Sollte man auf jeden Fall kennen. Band und Album.

Note: 8,0/10
[Chris Staubach]

Ich war ja ehrlich gesagt nie der große Fan von ARMORED SAINT. Obwohl ich immer einen großen Respekt vor der Truppe hatte und John Bush als Sänger gerne mag (kennengelernt habe ich ihn als Sänger von ANTHRAX), konnte mich die Band nie sonderlich mitreißen und wirklich überzeugen. Das ändert sich jetzt allerdings mit "Punching The Sky". Gleich vom ersten Moment an hat mich dieses Album nicht nur mitgerissen, es hat mich gefesselt und mich gleichzeitig nicht still sitzen lassen. Ich muss mich bei solchen Perlen und Ohrwürmern wie dem grandiosen 'Standing On The Shoulders Of Giants', 'End Of The Attention Span' oder 'Missile To Gun' einfach bewegen und mitsingen (was ich natürlich nicht ansatzweise so gut kann wie John Bush). Diese Songs sind so druckvoll und gleichzeitig so entspannt, dass es eine wahre Freude ist. "Punching The Sky" verschafft mir einfach durchweg gute Laune und dürfte es tatsächlich zu meinem Album des Jahres schaffen. Ganz groß!

Note: 10,0/10
[Mario Dahl]

Eine neue ARMORED SAINT kommt aus den von Peter bezeichneten Gründen ja gerne mal recht unverhofft, aber dafür genügt sie eigentlich immer den hohen Qualitätsansprüchen der Fans. Seit "Punching The Sky" hier aufgeschlagen ist, lief das gute Stück regelmäßig, und am Ende komme ich zur Erkenntnis, dass ich jeden der Vorredner ein bisschen verstehen kann. Bei aller Hochachtung war ich nämlich auch nie der ganz große Fan der Band, denn der erdige, rock'n'rollige Heavy Metal mit fettem Groove spielte bei mir fast immer die zweite Geige hinter dem epischen und theatralischen Fach. Aber, das habe ich schon früh erkannt, wenn jemand mich mit warm groovender Mucke erreichen kann, dann ist das auf jeden Fall ARMORED SAINT, denn die Rhythmusfraktion aus Gonzo Sandoval und Joey Vera zaubert schon einen wunderbar eigenen, geschmeidig anzufühlenden, rockend roten Teppich für die flammenden Gitarren von Phil Sandoval und Jeff Duncan. Über John Bushs Organ noch viele Worte zu verlieren, erübrigt sich nach dem Lob der Vorredner schon beinahe, doch es sei dennoch gesagt: Der Mann bringt einfach so viel ehrliches, erdiges, rockiges Flair mit, dass es einem schwer fällt, ruhig sitzen zu bleiben. Einen kleinen Wimpernschlag bleibt die neue Scheibe für mich hinter dem Vorgänger zurück, klingt sie für mich doch stilistisch, kompositorisch und produktionstechnisch einen kleinen Tick moderner, weniger traditionell metallisch, doch sie kann gleichwohl auf ganzer Linie überzeugen, denn die Hooklines passen immer wieder wie die Faust aufs Auge, vor allem bei 'Do Wrong To None' mit Joey Veras tollen Bassspielereien und seinem königlichen Refrain. Und überhaupt, wer einem wie mir den Groove gefährlich nahe bringt, der hat ein ganz besonderes Talent. Wären noch mehr Brecher wie 'Missile To Gun' am Start, dann wäre noch mehr drin gewesen.

Note: 8,5/10
[Rüdiger Stehle]

Wie Chris und Mario war ich nie der Vorsitzende des ARMORED SAINT-Fanclubs. Aber dank entsprechender Jubelarien von Peter oder auch Holger kam ich an "Win Hands Down" 2015 nicht vorbei, und letztlich wurde das Album nicht nur mein Album des Jahres; auch die dazu gehörende Tour gehörte wohl zu den besten Konzerten meines bisherigen Konzert-Lebens. Jetzt steht also "Punching The Sky" im Regal und rotiert regelmäßig, und ich musste mich am Anfang erst mal etwas hineinarbeiten in den neuen Silberling. Mittlerweile ist das Album aber fraglos eines meiner Jahreshighlights geworden. Das hat mehrere Gründe: John Bush ist natürlich der erste, der einem einfällt. Kaum zu glauben, dass er auch manche eher mittelklassige ANTHRAX-Scheibe eingesungen hat - wenn er bei ARMORED SAINT das Mikrophon in die Hand nimmt, werden auch die wenigen mittelmäßigen Gesangslinien pures Gold. Durchschnittliche Melodien finden sich auf diesem Dreher aber kaum. Das meiste Material läuft vom Songwriting her (Grund Nummer zwei) weit über dem Durchschnitt über die Ziellinie und ist wirklich großartig. 'Fly In The Ointment', 'Unfair' oder 'End Of The Attention Span' sind echte Hits, und der Quasi-Titeltrack 'Standing On The Shoulders Of Giants' muss sich nicht hinter 'Win Hands Down' verstecken. Dazu ist (Grund drei) die Produktion wieder absolut genial geworden, hier knallt es ordentlich, und gleichzeitig klingt alles warm und nachvollziehbar. Der unglaubliche Livesound der Amis scheint aufs Band gebannt worden zu sein. Trotzdem verliert "Punching The Sky" bisher gegen den Vorgänger, denn die Hits brauchen länger um zu zünden, sind nicht ganz so zugänglich. Das ist nicht schlimm. Die meisten Bands würden töten für diese Hitdichte, und kaum eine namhafte Metalband der Achtziger produziert heute noch Alben auf dem Niveau von "Punching The Sky". Im bandeigenen Kontext ist es aber nur eine gute Platte. Und, Rüdiger - sonderlich modern ist das hier wirklich alles nicht. Und das ist auch gut so.

Note: 9,0/10
[Jonathan Walzer]

Redakteur:
Thomas Becker

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