Gruppentherapie: DUST BOLT - "Sound & Fury"

28.02.2024 | 14:46

Gelungener neuer Anstrich oder Vintage-Sound?

Im Februar-Soundcheck finden wir wieder einige Scheiben mit kontroverser Benotung. Über CHAPEL OF DISEASE haben wir schon gesprochen (zur Gruppentherapie von "Echoes Of Light"). Springen wir nun von Köln nach Landsberg am Lech. Von dort thrasht seit einiger Zeit DUST BOLT durch die weite Welt. Marcel deutet in seinem Hauptreview ja schon einen Richtungswechsel an. So etwas kann Neugierde anregen. Man kann alte Fans verprellen, aber auch neue gewinnen. Werden hier also die Ohren renoviert oder doch eher die Scheuklappen ausgefahren?



Ich gestehe, dass ich mich mit DUST BOLT bisher wenig beschäftigt habe, weil ich sie als eine weitere Thrash-Band abgehakt hatte. So dachte ich mir, ich nutze mal die Gunst einer Gruppentherapie um mir mit einer Tube frischem Old-School-Thrash den Staub aus den Ohren pusten zu lassen.

Aber was ist das denn? Ich höre keinen Thrash und nach alter Schule klingt hier erst recht gar nichts. Grundsätzlich ist das alles nicht schlimm, denn es gibt ausreichend viele Bands, die diese Schubladen befüllen, aber das, was mir hier serviert wird, spricht mich leider musikalisch überhaupt nicht an. Wenn ich mir das Hauptreview von unserem bockstarken Chefredakteur Marcel durchlese, finde ich mich bestätigt. Der Unterschied: Mich begeistert hier gar nichts, denn allein schon der fürchterliche Klampfensound, der unangenehm kratzig aus den Boxen kommt, sorgt dafür, dass ich mich ernsthaft durch das komplette Album kämpfen muss.

Beim plakativen 'I Am The One', das wahrscheinlich in einer Livesituation von einigen hundert durstigen Kehlen mitgesungen werden wird, bin ich kurz vor der Skip-Taste. Auch in anderen Nummern gibt es immer wieder unangenehme Groove-Passagen und wenn es dann mal flinker zugeht, überschreitet man meine innere Toleranzgrenze zum Metalcore. 'Sound And Fury' ist so eine Nummer, die vielversprechend eingeleitet wird, dann aber von völlig überflüssigen Fiepsgeräuschen zerstört wird.

Außerdem hasse ich den Wechsel zwischen Thrash und Emo-Core. Das ist gesanglich sicherlich anspruchsvoll, stößt mich aber immer wieder komplett ab. Dieser leidende Klargesang im Kontrast zu aggressivem Macho-Gebrülle lässt mich meine Scheuklappen ausfahren. Das ist sicherlich eine Generations-Problematik in Sachen Hörgewohnheiten und somit ist es auch richtig, dass Marcel das Hauptreview schreibt und nicht so ein Grummel-Kauz wie ich es bin, denn für mich ist das weder Fisch noch Fleisch. Ach, Prog übrigens auch nicht.

Note: 5,0/10
[Holger Andrae]

Als ich DUST BOLT vergangenes Jahr live gesehen habe, haben die Mannen schon den ein oder anderen neuen Song präsentiert. Ich war von der musikalischen Ausrichtung überrascht, wurde aber auch neugierig, wie sich die Band entwickeln würde. Denn dass "Sound & Fury" anders werden wird, daraus hat DUST BOLT wahrlich keinen Hehl gemacht. Nach vier Thrash-Alben hat das Quartett wohl einfach Lust auf Veränderung gehabt. Wer kann es den Jungs verdenken?

Nun heißt es weniger Thrash, weniger Tempo, dafür jedoch viel mehr Groove und eine deutliche Ausrichtung hin zum modernen Metal. Das Wort Metalcore würde ich als Beschreibung dennoch nicht in den Mund nehmen wollen. Erfreulich ist, dass die groovigen Riffs sitzen und direkt in den Nacken gehen und trotz aller Veränderungen die DUST BOLT-Trademarks nach wie vor im Sound erkennbar sind. Überraschend indes ist, dass man die auf dem Vorgänger "The Fourth Strike" angedeuteten Melodien deutlich ausbaut und dies auch noch sehr gut funktioniert!

Trotzdem empfinde ich einige Songs als unnötig lang. Die gelungenen Riffs werden manchmal bis aufs äußerste ausgedehnt. Ein bisschen mehr Kompaktheit und Kompromisslosigkeit im Songwriting sowie die ein oder andere wütende Thrash-Attacke hätten der Platte gut zu Gesicht gestanden. Aber am Ende haben sich bei mir doch einige Ohrwürmer eingeschlichen, sogar beim etwas merkwürdig anmutenden Track 'Disco Nnection'.

Note: 7,5/10
[Dominik Feldmann]

Auch für mich ist "Sound & Fury" der erste Kontakt mit DUST BOLT. Auch ich habe bisher die nähere Beschäftigung vermieden, da mir kaum eine Metalabprägung so auf die Nerven geht wie Thrash Metal (okay, Doom ist auch weit vorne). Da es hier nun aber durchaus etwas mehr zum Crossover tendiert, bin ich schon deutlich mehr interessiert.

Nun ja, Holger spricht die Achillesferse schon direkt an – die Gitarren klingen nicht nur erschreckend nichtssagend und dumpf, sondern sind so uninspiriert runtergeholzt, dass sie eigentlich in jedem Song nur als Fensterkitt für die eigentlich memorablen Elemente der Songs dienen sollen. DUST BOLT wird also von der bekannten Metalcore-Krankheit eingeholt, nämlich dass die Klampfen eigentlich nur noch Beiwerk sind. Nun hat aber nicht jeder Track einen Refrain wie 'Leave Nothing Behind', der die Kohlen aus dem Feuer holen kann.

Wenn ich tatsächlich mal Bock auf Thrash bekommen sollte, dann ist als Vergleich das letzte Album von GAMA BOMB dann doch eher die Platte, die ich bevorzugen würde. Bei "Sound & Fury" bin ich wieder voll bei Holger und seinem "weder Fisch noch Fleisch"-Fazit. Die 1,5 Punkte mehr ergeben sich wohl eher aus der Tatsache, dass ich mit den so genannten "Emo-Core-Refrains" mehr anfangen kann und einer generellen Poppigkeit immer sehr aufgeschlossen gegenüberstehe.

Note: 6,5/10 Punkte
[Stefan Rosenthal]

Schon seltsam. Immer wenn ich denke, ich treffe sowohl den Zeitgeist als auch den Geschmack der Redaktionskollegen, stellt sich gerade Letzteres wieder einmal als Trugschluss heraus. Mich hat DUST BOLT bisher stets am Rande interessiert. Eine der vielen neuen Thrash-Metal-Bands eben. Zwar eine gute, aber eben eine Combo von vielen guten Combos.

Beim Durchhören dieses vorliegenden Werkes macht sich nun einerseits Verblüffung und andererseits auch Freude breit. Ich mag "Sound & Fury", weil es mehr ist als ein weiteres Thrash-Metal-Album. Zwar entpuppen sich nach so manchen Durchläufen nicht alle Songs als Dauerbrenner, aber der überwiegende Teil der Tracks überzeugt mich allein durch die vielschichtigen Kompositionen, die Raum für einige Überraschungen bieten. Ganz besonders 'I Witness' und 'New Flame' machen mir persönlich viel Freude. Klar ist das kein lupenreiner Thrash Metal, dafür ist in diesem Jahr hauptsächlich wohl Kerry King zuständig. Doch für die Experimentierfreude und den Mut, manchmal auch einen etwas "platten" Refrain einzustreuen, hagelt es hier und jetzt einen ordentlichen Haufen Punkte.

Note: 9,0/10
[Frank Wilkens]

Mich hat die musikalische Neuausrichtung von DUST BOLT sehr überrascht. Mir hat zwar die letzte DUST BOLT-Platte sehr gut gefallen, jedoch führte das nicht unbedingt dazu, dass ich der Truppe großartig Aufmerksamkeit für ihre zwischenzeitigen Aktivitäten geschenkt habe.

Dementsprechend war ich zunächst beim Anblick des Artworks erstaunt, da es untypisch für Band und Genre ist, und dann natürlich erst Recht über die musikalische Neuausrichtung. Denn ehrlich gesagt ist es für mich auch nach mehreren Durchläufen etwas befremdlich, bei den Songs eher an STONE SOUR als an Thrash Metal zu denken.

Aber befremdlich ist ja nicht gleichzeitig schlecht. Denn wenn man mal die Bandhistorie vergisst, ist "Sound & Fury" eine Platte voller Ohrwürmer und gelungener Songs. Persönlich gefällt mir die Entwicklung letztlich sehr gut, so dass ich den Jungs zukünftig vermutlich doch mehr Aufmerksamkeit schenken dürfte.

Note: 8,5/10
[Mario Dahl]

Was für ein passendes Album für eine Gruppentherapie: Am einen Ende des bisherigen Bewertungs-Spekrums macht Holger im übertragenen Sinne (fast) einen Haufen drüber, in entgegengesetzter Richtung überhäuft Frank "Sound & Fury" von DUST BOLT mit 9 Punkten! Wo sortiere ich mich da jetzt am Besten ein? Wohl eher irgendwo zwischen Stefan, Dominik und Mario und doch deutlich unter Frank und dem ebenfalls eine 8,5-Punkte-Lobpreisung aussprechenden Hauptrezensenten Marcel.

Das Kind fällt für mich im Falle dieses, aufgrund der stilistischen Veränderung in Richtung Groove Metal, recht wichtigen Albums für die Band tragischerweise sehr tief in den Soundbrunnen! Von vorne bis hinten klingt das neue Erzeugnis der Bayern mumpfig dumpf, und Kollege Andrae ist trotz fortgeschrittener Hörerfahrung keinesfalls "doshäred", wie so mancher Süddeutsche sagen würde, also nicht schwerhörig: Die Gitarren klingen auch für mich zu hell, kratzend und, ja tatsächlich manchmal unangenehm.

Was ihr Songwriting angeht, schöpfen die Landsberger motiviert aus dem Vollen. Der mitreißende, an die Thrash-Wurzeln anknüpfende hochmelodiöse Album-Opener 'Leave Nothing Behind' zieht mich trotz der angesprochenen immensen Soundproblematik sofort in seinen Bann, und ich muss Mario beipflichten: Hier reiht sich größtenteils Ohrwurm an Ohrwurm und die Qualität der Songs an sich ist gut. So schafft die Band es - bei doch immer vorhandener metal- und oft thrashorientierter Klang- und Riffbasis - auch neu-metallisch Anmutendes, wie den Titeltrack 'Sound And Fury' oder das anschließende 'Love & Reality', musikalisch ansprechend über die Ziellinie zu bringen.

DUST BOLT schien die Luft im hart umkämpften Thrash-Bereich zu dünn zu werden, daher darf in dem bunten Experimental-Potpourri natürlich ein mit derzeit angesagten stumpfen Dance-Beats verpackter Versuchsballon namens 'Disco Nnection' auch nicht fehlen. Was allerdings den Schlusstrack 'Little Stone' angeht, liegt Marcel in meinen Öhrchen falsch: DUST BOLT hat natürlich auf dem Schirm gehabt, dass auf den kommerziell erfolgreichen Groove Metal-, Crossover- und Was-weiß-ich-Alben der 90er-Jahre immer auch eine tolle, fabelhaft gesungene Ballade dabei war. Deshalb hat man alles gegeben und dieses wirklich recht wohlklingende Ohrenbalsam-Liedchen zustande gebracht. Wäre da nur nicht dieser furchtbare Vintage-Sound...

Note: 7,0/10
[Timo Reiser]

Fotocredits: Niklas Niessner

[Anm. d. Red: In einer vorherigen Version des Artikels haben wir einen Begriff verwendet, der historisch belastet ist. Diesen haben wir ausgetauscht und möchten uns hierfür entschuldigen. Allerdings möchten wir uns auch bei allen bedanken, die uns darauf aufmerksam gemacht haben. - MR]

Redakteur:
Thomas Becker

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