Gruppentherapie: HEXVESSEL - "Polar Veil"

30.09.2023 | 18:24

Das Soundcheck-Team ist überstimmt! Hier kommt der Soundchecksieger der Herzen!

CODE, BEASTMILK, GRAVE PLEASURES, das sind alles Bands, bei denen Mat "Kvohst" McNerney mitwirkt oder mitgewirkt hat. Alle haben ihre besonderen Momente. Ganz wunderbar ist auch das stilistische Chamäleon HEXVESSEL, das aber noch nie jedermanns Sache war. Auch im September-Soundcheck (Platz 13 für "Polar Veil") reden manche von "Schlafwagen-Musik", während andere sich ganz frisch verliebt haben. Allerdings bleibt die Suche nach kritischen Stimmen für diese Gruppentherapie erfolglos, eine Schar Schmetterlinge findet sich aber in den Bäuchen einiger Redakteure wieder. So ist Susannes 9,0 von der Hauptrezension hier nicht einmal die höchste Note! Soundcheck-Team: Ihr seid überstimmt!

Es gibt Alben, die zerreißen dir das Herz, so sehr fühlt man sie. "Polar Veil" ist so eines und, ganz ehrlich, das hätte ich in dieser Form nicht erwartet. Ich liebe den zurückgenommenen, aber hochemotionalen Gesang von Mat McNerney. Dieser, filigran verwoben mit dem 90er-Black-Metal-Soundgerüst, kreiert einen musikalischen Nebel, der sich nicht schöner in die dunkle nordische Nacht erheben und im sternenklaren Himmel verklingen könnte. Nach Ausflügen in den Forest Folk und in die Frühphase der Rockmusik, spürt der Songwriter McNerney mit seiner Mannschaft den eigenen musikalischen Wurzeln nach und überlässt uns dabei seine Interpretation des nordischen Black Metals der zweiten Generation, allerdings entrückt und dekonstruiert. Dabei säbeln sich die Gitarren genauso fies in die Gehörgänge wie anno dazumal - und dennoch klingt das Album nicht unmodern oder gar falsch produziert, sondern am ehesten old school. Für mich, als Fan von Retro-Sounds - bzw. der Originale aus den 1960ern und 1970ern - und der genreschaffenden Bands aus Norwegen, wird hier ein perfektes Album geboten, bis an die Schmerzgrenze meines musikalischen Herzens, so sehr umfasst es zumindest mich emotional. Ganz, ganz toll.

Note: 10/10
[Julian Rohrer]

 

Wie soll ich denn bitte treffender meine Gefühle zum Ausdruck bringen als es Kollege Julian geschafft hat? Nein, zur Höchstpunktzahl hat es für "Polar Veil" zwar nicht gereicht, aber ich weiß, dass mich dieses Album über die kommenden Monate noch häufig begleiten und inmitten des Herbsts und Winters in ein wunderbares Klangkleid einbetten wird. Herrlich. Dieses Album ist der Inbegriff jener Werke, die von Atmosphäre und einer ausgeprägt dichten Aura leben. Zwei verschiedene, aber gleichermaßen naturmystische Genres - Folk Rock auf der einen, Black Metal auf der anderen Seite - gehen hier Hand in Hand Richtung Sturm und kulminieren - dabei eine nahezu perfekte Symbiose bildend - in einem Wirbelsturm!

Artwork, Sound, Songs, Stimmung - meine Güte, ist das stimmig und entwickelt sich über eine Spanne von 41 Minuten zum bis dato besten HEXVESSEL-Album. Seit "Kindred" haben die Mannen noch einmal einen ordentlichen Schub erfahren, und es ist gar nicht auszudenken, wohin die Reise noch gehen könnte. Damit die Band allerdings noch einen kleinen Ansporn hat, kratzt "Polar Veil" nur an der Höchstnote, die für HEXVESSEL in Zukunft aber definitiv zu erreichen ist.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

 

 

Eigentlich sollte ich HEXVESSEL bestenfalls interessant finden. Psychedelic Rock, Ritual Folk, BURZUM-Schwarzwurzelgemüse - für all das habe ich ansonsten viel Anerkennung übrig, spüre aber keine enge Verbindung oder gar Liebe. Für den Soundcheck musste ich mich dann doch näher mit "Polar Veil" befassen - zugegeben, anfangs etwas widerwillig - bedeutungsschwangerer Pathos über schrammelig-verwaschenen Gitarrengeräuschen, I couldn't care less. Aber dann ist eines Abends irgendwas passiert mit mir, ich weiß nicht genau, was es war, aber plötzlich konnte ich die würdevolle Schönheit und magische Erhabenheit dieser Musik erkennen und tatsächlich fühlen. Und das war kein emotionaler Unfall, am nächsten Tag war es genauso und am übernächsten auch. Inzwischen genieße ich "Polar Veil" regelmäßig in vollen Zügen, versinke in den hypnotischen Klangteppichen und bittersüßen Gesängen mit Leib und Seele. Noch immer sind mir die Songs, in denen ein bisschen mehr passiert, am liebsten - in diesem Falle sei das grandiose Doppel aus 'A Cabin In Montana' und 'Eternal Meadow' erwähnt. Aber auch die meditativeren Momente entfalten ihren beachtlichen Reiz, manchmal fühle ich mich an die ruhigen Passagen von ATLANTEAN KODEX-Songs erinnert. Ganz wunderbar finde ich auch den energetischen Rausschmeißer 'Homeward Polar Spirit', der in der Tat wie 1990er Black Metal mit "richtigem" Gesang klingt. Ich kann Euch nur dringend empfehlen, offen und unvoreingenommen an diese Platte heranzugehen und auch dann mal in Ruhe reinzuhören, wenn ihr mit dem Genre eigentlich nicht viel anfangen könnt. HEXVESSEL verströmt einen ganzen besonderen Zauber, der auch mich in seinen Bann geschlagen hat. Ich bin jedenfalls froh und glücklich, dass ich diese Band und diese Platte für mich entdecken durfte. Enuff said.


Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]

 

Es ist schon sagenhaft, dass auch nach mehreren Häutungen HEXVESSEL immer sofort leicht zu identifizieren ist, die Klangideen scheinen sich immer wie ganz von selbst der jeweiligen Thematik eines Albums anzupassen. Auch ich kann mich dem bereits gespendeten Lob nur anschließen. Martin schreibt hier ganz richtig von der würdevollen Schönheit und magischen Erhabenheit der Musik von "Polar Veil". So höre ich es auch. Die Klangästhetik ist durch und durch stimmig. Bei manchen Stücken gibt es zwar so eine Art Kontrast zwischen den Gesangslinien und den Black-Metal-Gitarren, aber das ist so angelegt, dass sich ein interessanter Spannungseffekt ergibt. Für eine ganz hohe Note reicht es bei mir allerdings nicht, da ich Mat McNerneys Stimme "pur" am liebsten mag. So bleibt für mich "All Tree" das Maß aller Dinge. Die Effekte, die dem Gesang etwas Verwaschenes und Distanziertes verleihen, sind auf dem aktuellen Langspieler natürlich sehr gut auf das Gesamtkonzept abgestimmt, und das macht "Polar Veil" zu einer Art Gesamtkunstwerk. Da wir gerade beim Thema Kunst sind: Das wunderschöne Artwork wird in diesem Jahr vermutlich von keiner anderen Veröffentlichung zu übertreffen sein.

Note: 8,5/10
[Jens Wilkens]

 

 

Ach, ist das schön. Jetzt bekommt diese kleine Perle im Rahmen einer eigenen Gruppentherapie doch noch die Wertschätzung, welche ihr unser Soundcheck irritierenderweise verwehrt hat. Da sieht man einmal, wie unterschiedlich Ergebnisse ausfallen können, wenn das Team anders zusammengestellt ist. Das ist doch wunderbar und eine weitere Lobeshymne eigentlich obsolet. Warum ich trotzdem noch etwas ergänzen möchte, ist dem Grund geschuldet, dass ich mich als Follower der Band bezeichnen würde, sie schon mehrmals zu verschiedenen Stadien ihrer musikalischen Entwicklung live sehen durfte und somit die Perspektive des Fans der ersten Stunde ziemlich gut einnehmen kann.

Es gibt wenige Künstler, welche so wahnwitzig von Konzept zu Konzept springen und den Bewunderern des letzten Albums immer wieder eine neue Aufgabe stellen, die es zu lösen gilt. Ja, Mat McNerney und der "AC/DC-Effekt" grüßen sich wahrscheinlich nicht mal auf der Straße. Ob nun 'When I'm Dead', 'Wilderness Spirit' oder 'A Cabin In Montana', jeder dieser Songs klingt unglaublich unterschiedlich, funktioniert aber für sich allein und im jeweiligen Albumkontext grandios. Es ist also nicht selbstverständlich, dass jeder Fan diese Genre-Sprünge so mitgeht, auch wenn überall eindeutig der Stempel HEXVESSEL draufsteht. Ich kann aber auch in diesem Fall es jedem Freund der letzten Alben nur empfehlen, denn neben der fantastischen Lyrik, dem erneut erstklassigen Gesang bietet auch "Polar Veil" dieses entrückte Melodieverständnis und das altbekannte Händchen für stimmige Klangästhetik, welches die Band über Jahre zu perfektionieren scheint.

Dieses Mal klingt es halt nur mehr nach PRIMORDIAL statt THE DOORS oder STEELEYE SPAN. Wenn jetzt noch die Tage kürzer werden, wird sich meine Note vielleicht sogar noch weiter nach oben entwickeln und dann mit "All Tree" und "When We Are Death" gleichziehen.

Note: 9,0/10
[Stefan Rosenthal]

Redakteur:
Thomas Becker
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