ILLUMINATE: Interview mit Johannes Berthold
01.01.1970 | 01:00Nicht aus Faulheit, sondern weil es einfach stimmt greife ich hier noch mal die ersten Sätzte meiner „10x10“-Rezension auf:
Zehn Jahre existieren ILLUMINATE nun – von einigen als pathetisch und gefühlsdusselig belächelt, von anderen als ehrlich, leidenschaftlich und romantisch geliebt. Die Band mit ihrem Mastermind Johannes Berthold steht nicht mehr nur für eine „typische Einstiegsdroge“ in die dunkle Szene, sondern findet genreübergreifend Fans, die allen Lästerern zum Trotz auf gefühlsechte Musik stehen. Wie Johannes das sieht und was er sonst noch so denkt im folgenden.
Mathias:
Ihr seid sicherlich eine herausragende Erscheinung in der deutschen Szene. Was macht Deiner Meinung nach Eure Musik aus, warum seid Ihr eigentlich nicht mit anderen vergleichbar?
Johannes:
Ui...vielen Dank für die lobenden Worte. Ich weiß gar nicht, ob ich selbst so hoch greifen kann/darf/sollte?! Ob und wie wir mit anderen Künstlern vergleichbar sind, ist eine Frage, die ich Dir fast nicht beantworten kann. Das interpretiert jeder Hörer anders (auch ganz entscheidend, wo die musikalische Prägung des einzelnen liegt). Viele behaupten ja nach wie vor, dass wir nach LACRIMOSA klingen (absurd, wie ich meine); wieder andere haben uns schon mit Goethes Erben verglichen (noch absurder, wie ich meine)! Nichts gegen diese Acts – aber ich finde, dass wir relativ wenig gemeinsam haben, sieht man einmal vom Gebrauch der deutschen Sprache ab.
Ein ganz interessantes Phänomen ist diesbezüglich, dass mir – hier drehe ich den Spieß einmal um – im Bereich des „Nu Metal“ (mit dem ich nie so richtig warm werden konnte) fast auch eine Band wie die andere vorkommt. Ein Fachmann würde hier bestimmt jetzt auch sagen: „Stimmt gar nicht! Die sind alle ganz verschieden!“
Du siehst: Vergleichbarkeit ist ein ganz schwieriges Feld!
Mathias:
Eure Musik ist extrem emotional. Was ist Dein Antrieb, wie kommst Du dazu solche Musik zu machen, solche Lieder zu schreiben?
Johannes:
Ich bin ein sehr nachdenklicher und harmoniebedürftiger(-süchtiger) Mensch. Alles, was auch nur den Hauch von Oberflächlichkeiten besitzt, ist mir ein Graus! Nichts ist schlimmer, als 0815-Unterhaltung und belang- und aussagelose Musik und/oder Literatur! Das Leben ist sowieso schon so kurz – warum seine Zeit mit „Deutschland sucht den Superdepp“ oder ähnlichem Quatsch vergeuden?
Ich versuche, durch meine Arbeit bei den Hörern meiner Musik etwas zu berühren. Vielen ist das suspekt – dies äußert sich oft durch solch aussagekräftige Attribute wie „Gruft-Kitsch“ oder „schlagerartig“, wenn es um die Beurteilung ILLUMINATEs geht. Aber viele Menschen fühlen sich eben gerade durch diese Art des Ausdrucks bestätigt und/oder verstanden. Natürlich – das gebe ich ja gerne zu – verwende ich oftmals Metaphern oder Bilder, die scharf am Kitsch vorbeischrammen. Das ist aber auch immer eine Frage des Blickwinkels. So ist eben nun mal meine Art...!
Vielleicht habe ich mir auch einfach ein bisschen Naivität und Romantik bewahrt, die vielen Menschen schon abhanden gekommen ist?!
Mathias:
Während Euch viele für diese Emotionalität lieben, gibt es andere die darüber lächeln, so dass Ihr manchmal einem höherem Maß an Spott ausgesetzt seid als die meisten anderen Bands. Wie warum ist das so und wie geht Ihr damit um?
Johannes:
Vorweg: Der Hohn- und Spottfaktor ist bei relativ vielen Bands innerhalb der Szene recht groß! Ich finde das eine bedenkliche und traurig stimmende Situation! Leider ist das aber auch ein wenig ein deutsches Phänomen: Die Anerkennung von Leistung und Erfolg fällt vielen Leuten hier sehr schwer. Wenn ich also manchmal gefragt werde, ob es mir (wörtlich!) „nicht peinlich sei“, solche Musik zu machen, über die man doch „eh nur lachen kann“, entgegne ich immer: „Komischerweise gibt es über 100.000 Leute, die diese Art von lustiger Unterhaltung ganz gerne mögen!“ Damit nimmt man den Kritikern sehr schnell die Argumente weg!
Was ich damit sagen möchte: Ein Künstler, an dem man sich nicht reiben kann, hat seinen Beruf verfehlt! Gott bewahre mich vor Mittelmäßigkeit und dem Etikett, dass mich alle irgendwie mögen, aber auch keiner so wirklich etwas mit meiner Musik anzufangen weiß. Ganz ehrlich: Ich ertrage den Spott einiger ganz gerne, wenn der Lohn dafür der Dank vieler Menschen ist, die mir zeigen, dass ich ihnen etwas fürs Leben gegeben habe! Welcher Kritiker kann das schon von sich behaupten? Keiner! Also: Worüber sprechen wir hier überhaupt?
Ich denke mir, dass das Phänomen „Spott“ auch an der Wahl der deutschen Sprache liegt. Vielen ist das einfach zu direkt! Ohne der besten Band der Welt zu nahe treten zu wollen, aber: Übersetze einmal die Texte von DEPECHE MODE...da zieht es Dir vor lauter Plattitüden fast den Stecker raus! Aber...hier fällt es (sprachlich bedingt) kaum einem auf, dass die Band mit ordentlich Pathos und Klischees um sich wirft! Das Englische perlt einfach unkritischer am (deutschen) Hörer ab!
Mathias:
Ohne Euch musikalische Weiterentwicklung absprechen zu wollen seid Ihr Euerem Stil doch über die Jahre hinweg – durchaus positiv gemeint – sehr treu geblieben. Wenn man ein ILLUMINATE-Album kauft, hört man zwar neue Songs, neue Melodien, neue Themen, weiß aber stilistisch weitgehend, was einen erwartet. Warum ist das so, wie schaffst Du es diesem Stil so treu zu bleiben und immer neue Ideen hinein zu packen?
Johannes:
Puuhhh...wenn ich darauf eine allumfassende Antwort wüsste, wäre ich bestimmt schon Millionär! Im Ernst: Das „Sich-treu-Bleiben“ liegt natürlich auch an dem persönlichen Geschmack. Ich mache – in erster Linie – ja Musik zunächst einmal für mich selbst. Es ist sehr schön, dass dieser Geschmack dann von vielen Tausend Menschen geteilt wird – und darin liegt ja auch unser Erfolg!
Ich setze mich jedoch nicht ins Studio, um sklavisch das Ziel zu verfolgen, dem eingefahrenen Stil ILLUMINATEs treu zu bleiben. Wie ich oben schon gesagt habe, bin ich ein Mensch, der viel Wert auf Gefühle, Kontinuität und persönliches Befinden legt. An diesem „Wert“ ändert sich ja so schnell nichts – vielleicht bewegt sich deshalb meine Kunst auf dem immer gleichen (ähnlichen) Terrain?!
Da Du ja aber schon selbst sagt, dass diese „Entwicklung“ eher positiv zu sehen ist, bin ich ganz beruhigt! Schlimm wird es erst, wenn die Fans sagen: „Ja Mensch...das klingt ja wirklich bei jedem Album gleich! Macht doch endlich mal was neues!!!“
Mathias:
Was allerdings auffällt ist die thematische Weiterentwicklung. Am Anfang war da ja gewissermaßen eine Alben-Trilogie, danach hatte ich das Gefühl, dass es textlich etwas konkreter wurde, also nicht mehr so abstrakt wie z.B. auf „Erwachen“. Würdest Du dem zustimmen und warum ist das so?
Johannes:
Das ist schwierig zu beantworten, da ich ja schlecht Dein subjektives Empfinden diesbezüglich beurteilen und/oder sogar negieren kann! Es ist mir schon immer viel wichtiger gewesen, was die Hörer von meinen Texten denken oder in selbige hineininterpretieren, als die „Auflösung“ des ganzen von meiner Warte aus!
Um aber doch etwas auf Deine Frage zu antworten: Die Trilogie war tatsächlich eine sehr metaphorische Geschichte (mit realem Hintergrund!), in welcher ich meine damalige Situation – die (seelisch) keine glückliche war! – verarbeiten musste. Die Zusammenhänge und das ganze Drumherum waren derart verworren, komplex und bedeutend für mich, dass ich große Mühe hatte, mein Herz auch verständlich auf die Zunge zu legen. Das ist es vielleicht, was Du mit „weniger konkret“ in Bezug auf die folgenden Alben meintest?!
Als die Trilogie (und damit die unglückliche Liebesgeschichte in meinem Leben) komplett abgeschlossen war, ging es mir viel besser. Nun konnte ich auch gewisse Dinge beim Namen nennen und endlich Tabula rasa machen! Ich denke auch, dass man das in den Texten hören kann!
Mathias:
Sind Deine Texte eher positiver oder eher negativer geworden und warum?
Johannes:
Wie eben gesagt: Die Texte sind nach der Trilogie eher positiv geworden! Ich muss aber dazu sagen, dass ILLUMINATE-Texte noch nie negativ sein sollten! Wir sind – seit jeher – Vertreter und Propagandisten der Lebensbejahung! Wenn tatsächlich einmal vom Tod die Rede bei uns ist, so meinen wir stets die Metapher (ähnlich wie im Tarot) für eine psychische Veränderung (und nicht für den physischen Tod!)!
Mir geht es im Moment sehr gut: Ich bin glücklich verheiratet, werde bald Papa und habe eine gut gehende Firma. Meine Band wird gerade 10 Jahre alt und ich kann von meiner Kunst gut leben! Zeige mir einen Menschen, der unter diesen Voraussetzungen leiden würde und negative Gedanken bekäme...ein klarer Fall für die Klapsmühle, meinst Du nicht auch?!
Mathias:
Eines dieser meiner Meinung nach „konkreteren“ Lieder ist ÌNur für Dichì, immer noch eines meiner Lieblingslieder, da es für mich wie kein anderes das Gefühl von Zerrissenheit in der Liebe darstellt. Was kannst Du uns zu diesem Lied sagen, wie ist es entstanden, was sagt es aus?
Johannes:
Sorry...wie vorhin schon angemerkt, ist es nicht wichtig, was ich mir gedacht habe, als ich das Lied geschrieben habe, sondern was Du beim Hören empfindest! Es wäre schade, wenn ich jetzt eine Interpretation meiner Texte abgebe, und Du (oder andere Leser) müssten feststellen, dass die Ausführungen total nichtig oder uninteressant wären!
Deine Interpretation von der Zerrissenheit und der Verzweiflung sind schon ganz passend! Dem kann ich (fast) nichts mehr hinzufügen!
Mathias:
Woher nimmst Du ansonsten Deine Ideen, Deine Motivation etc. Was treibt Dich an?
Johannes:
Meine Ausdrucksform ist und bleibt nun mal die Musik! Andere Menschen sind sehr begabt, ihre Eindrücke in Bildern festzuhalten; wieder andere sind begnadete Fotografen oder schreiben hervorragende Romane.
Alles, was ich intensiv erlebe und was mich prägt, verarbeite ich in meinen Texten und – noch wichtiger! – in der Musik! Antriebe hierfür finde ich eigentlich jeden Tag! Ganz wichtiger Aspekt hierbei ist und bleibt, dass ILLUMINATE sehr stark mit meinem persönlichen Seelenleben verknüpft ist. Das heißt, dass ich meine Inspiration nur schlecht aus Filmen, Büchern oder sonstigen Geschichten nehmen kann. Der Antrieb muss also schon „von innen“ kommen! Da besteht glücklicherweise noch kein Defizit...!
Mathias:
Wie würdest Du eigentlich Euren Musikstil nennen? Pop, Rock, Wave, Gothic, Neoklassik o.ä.?
Johannes:
Wieder so eine schwere Frage! [Sorry, so bin ich halt;-) – d. Verf.]
Da mich viele Verwandte und Bekannte jedoch – die allesamt wenig bis nichts mit der Szene zu tun haben – auch ständig nach der Einordnung des Stils meiner Band fragen, habe ich mir so einen Standartsatz zurechtgelegt: „Traurige, nachdenkliche, deutschsprachige Popmusik mit Tiefgang – nicht unbedingt für jeden Anlass und jeden Hörer geeignet!“
Mathias:
Du bist sicherlich der uneingeschränkte Mastermind von ILLUMINATE. Haben Deine Mitstreiter irgendeinen Einfluss auf die Musik, wenn auch nur als Inspiration, oder ist ILLUMINATE nicht doch mehr oder minder ein Ein-Mann-Projekt?
Johannes:
Irgend etwas dazwischen! Ich lege zwar großen Wert darauf, dass wir bei ILLUMINATE eine Band sind, aber sehr großen Einfluss auf Musik und (vor allem) Texte haben meine Mitstreiter nicht! Wichtig: Das schmälert jedoch keinesfalls die Berechtigung und den Einsatz meiner Mannen (und Frauen)!
Ich bin – was das kreative Arbeiten anbelangt – ein großer Dickkopf und nur schwer zu überzeugender Mensch. Wenn mir persönlich etwas gefällt, so setze ich das meistens gegen jede Kritik (oder jeden noch so gut gemeinten Vorschlag) von außen durch! Man muss mir dabei zugute halten: Bislang hatte ich mit meinem Konzept – das zeigen der Erfolg und die tollen Verkaufszahlen - anscheinend recht!!! Daher: Never change a winning team!
Mathias:
Warum hast Du eigentlich den Namen ILLUMINATE gewählt und was bedeutet er? Geht es dabei um Erleuchtung, um Illuminaten oder ist es einfach nur ein gut klingender lateinischer Name?
Johannes:
Letzteres! Es hat weder etwas mit den dubiosen „Illuminaten“ zu tun, noch mit dem Hype um die „23“, der vor einigen Jahren ja aufgeflammt ist (rein kabbalistisch gesehen ist die Zahl 23 übrigens relativ bedeutungslos!) . Ich habe – ohne Quatsch jetzt – das Latein-Wörterbuch durchgeblättert, bis ich bei „illuminate“ hängen geblieben bin! Die Intention hinter diesem Adverb – nämlich „strahlend“ und „hell“ – hat mir sofort für meine Musik und die Texte gefallen! Hier wären wir auch wieder bei den positiven, lebensbejahenden Attributen!
Mathias:
Kommen wir zu „10x10“, und dabei zunächst zum offensichtlichen: Warum zwei Alben, warum „Black“ and „White“?
Johannes:
Wir wollten ja keine Best-Of im eigentlichen Sinne veröffentlichen (sprich: die - subjektiv - besten Hits unbearbeitet auf eine CD bannen...wie interessant!), sondern zum 10-jährigen Jubiläum die "Klassiker" von heute und damals ganz neu interpretieren. Hierbei sollte - so kam es dann auch zu dem "Farbkontrast" - die Dualität ILLUMINATEs ein wenig unterstrichen werden. Die Auswahl der Songs hat sich natürlich an den (objektiv) beliebtesten und erfolgreichsten Titeln orientiert; wir wollten aber auch ganz klar jenen Stücken eine Chance geben, die auf den ersten Blick vielleicht nicht zu den „TopTen“ unseres Schaffens zählen, die es – von der Intention her – aber trotzdem wert sind, geremixt zu werden. Manche Titel (wie z.B. 'Der Torweg') können ja prinzipiell nur auf eine Art überarbeitet werden; demnach fiel die Entscheidung bei vielen Songs nicht ganz so schwer, wie und auf welchem Album sie nun in neuem Gewand erscheinen sollen. Im Prinzip wollten wir halt die harten, derben Remixe auf die Schwarze packen und die zarten Songs auf die Weiße - im großen und ganzen stimmt das jetzt auch so (Ausnahmen bestätigen die Regel)! Man darf das aber auch nicht zu sklavisch sehen!
Mathias:
Was erhoffst Du Dir von den Alben bzgl. Erfolg, neuer/alter Fans etc?
Johannes:
Das ist eigentlich so eine Sache, über die ich mir nie den Kopf zerbreche!
Natürlich hofft man, dass die Fans die neuen Outputs gut annehmen (man ist ja auch geschmeichelt, wenn eine neue CD gelobt wird – ganz klar!), und dass die Kosten – ich habe für die „10 x 10“ so eben einmal rund 50.000.-EUR Vorleistung getätigt – auch wieder eingespielt werden...wäre schlecht, wenn das nicht wieder reinkommt! Na ja...vielleicht gäbe es dann ja bei McDoof noch einen Job für mich am Grill...?! Spaß beiseite: Ich denke, dass bei "Schwarz" und "Weiß" für jeden Geschmack etwas dabei ist. Genau aus diesem Grund haben wir die beiden "10 x 10"-Alben ja auch voneinander getrennt, damit sich jeder Fan aussuchen kann, welche Seite ihm besser an uns gefällt: die harte, treibende, düstere oder die zarte, klassische, romantische!
Ich glaube, dass die "Hardcore-ILLU-Fans" die weiße Scheibe etwas mehr mögen, wohingegen diejenigen, die mit uns vielleicht bislang (noch) nichts anfangen konnten, die schwarze in ihr Herz schließen könnten!
Mathias:
Gott bewahre Dich vor oben genanntem Schicksal. Meinst Du nicht, dass durch die Veröffentlichung von zwei Alben zwar einerseits der kommerzielle Erfolg bei Fans höher ist, aber die Möglichkeit einer höheren Chartplatzierung geringer ist? Oder kommt es Dir darauf nicht an?
Johannes:
Das mit der Chartplatzierung ist mit solch einem „Doppelalbum“ natürlich ganz ohne Chance! Das war uns auch von vornherein klar!
Ich muss aber dazu sagen, dass wir mit ILLUMINATE bislang noch nie groß in den Media-Control aufgetaucht sind (bis auf die Trendcharts natürlich – da liegen wir stets bei neuen CDs im guten Mittelfeld); trotzdem verkauften sich die Alben immer im deutlich fünfstelligen Auflagen-Bereich! Das ist mir viel wichtiger, als vielleicht einen Top-50 Hit, der dann aber finanziell ein Flop ist (auch das gibt es sehr oft!)!
Mathias:
Ihr werdet musikalisch wie textlich nicht selten in einem Atemzug mit LACRIMOSA genannt. Kennt Ihr Euch, habt Ihr Euch vielleicht sogar irgendwie gegenseitig beeinflusst und was hältst Du von LACRIMOSAs stilistischer Entwicklung?
Johannes:
Wir kennen uns und ich respektiere Tilos Arbeit. Mehr kann und möchte ich zu diesem Thema aber nicht mehr sagen!
Mathias:
Wie schätzt Du die Bedeutung ILLUMINATES für die deutsche „Szene“ ein? Habt Ihr andere Bands beeinflusst, habt Ihr die Szene beeinflusst? Ich spiele darauf an dass Ihr zusammen mit, ich nenne noch mal LACRIMOSA oder auch L’AME IMMORTELLE manchmal als „typische Einstiegsdroge“ (natürlich musikalisch gemeint) bezeichnet werdet. Woran liegt das? An der Eingängigkeit Eurer Musik oder vielleicht daran, dass Ihr damit so vielen Menschen aus der Seele sprecht?
Johannes:
Ja, ich denke schon, dass die „Eingängigkeit“ dieser Bands eine ganz entscheidende Rolle spielt! Auch ich sehe das übrigens nicht negativ – ganz im Gegenteil! Es ist oftmals viel schwieriger, einen eingängigen Szene-Hit zu komponieren, als ein zähes (aber anspruchsvolles) Konzeptalbum, das nur ganz wenige elitäre Ohren zu überzeugen weiß!
Ich glaube schon, dass ILLUMINATE (in bescheidenem Rahmen) einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Alternative-/Wave-Szene ausgeübt hat. Unser Outfit in alten Tagen (wo Rüschen und Spitzen eher verpönt waren) wurde damals – gerade in Zeiten der Performance bei uns – oft kopiert und gerne als Stilmittel übernommen. Natürlich haben wir keine Trends erfunden, aber viele Dinge einfach vielleicht wieder reanimiert! Es gibt etliche Bands, die sich ganz bewusst auf ILLUMINATE als musikalische und thematische Vorbilder berufen. Natürlich ist das schön und schmeichelhaft – aber man muss mit dieser Rolle und der damit einhergehenden Verantwortung auch dementsprechend gut umzugehen wissen!
Mathias:
Nochmals zum Thema „aus der Seele sprechen“: Ich habe in meinem Review zu „10x10“geschrieben: „Und die hervorragende Titelauswahl, die nahezu alle Facetten des menschlichen Gefühlslebens abdeckt, könnte die Scheibe für viele zum Soundtrack des eigenen Lebens werden lassen“, und ich glaube/weiß, dass das für manche Fans tatsächlich so ist. Würdest Du dem zustimmen, bzw. ist das vielleicht auch ein gewisser Anspruch den Du an Deine Kompositionen hast?
Johannes:
Wow...Mathias! Jetzt muss ich erst einmal trocken schlucken bei so viel Lob! Da kann ich ja fast gar nichts darauf erwidern!!!
Solch einen Anspruch (der meiner Meinung nach sogar vermessen wäre) habe ich natürlich nicht! Wenn ILLUMINATE für viele Fans tatsächlich ein „Soundtrack des Lebens“ werden könnte (und ich weiß anhand vieler Leserbriefe zu den alten Alben, das dem so ist), so ist dies natürlich ein gigantisches Lob für meine /unsere Arbeit und ein riesiger Ansporn, diese Arbeit gewissenhaft und verantwortlich weiterzuführen!
Mathias:
CD-Kritiken sind bei aller journalistischen Distanz und Objektivität immer auch Meinungsbilder des Kritikers, und ich denke das legitimiert auch, offen zu sagen, wenn man etwas richtig Sch…, aber eben auch wenn man etwas richtig gut findet. Außerdem krieg ich ja auch ab und zu mal elektronische Leserbriefe, auf die ich meine „Thesen“ stützen kann. Aber zu einem anderen Thema: Wo sind Eure Wurzeln, welche Bands haben Euch beeinflusst und gibt es vielleicht doch Bands mit denen Du Euch am ehesten vergleichen würdest?
Johannes:
Hmmm...bewusst fällt mir als direkter Einfluss keiner ein. Natürlich gab es Bands innerhalb der Szene, die ich sehr bewundere, und die mich bestimmt – in irgendeiner Art und Weise – beeinflusst haben. Jetzt aber konkret zu sagen „Dieser Künstler war der Stein des Anstoßes!“, fällt mir schwer!
Mein Musikgeschmack ist sehr weit gefächert, und momentan gibt es innerhalb der Szene auch nicht wirklich viele Bands, die mich sehr inspirieren oder vom Hocker hauen würden. Ich höre momentan auch eher die alten Metal-Klassiker und Bands wie Pink Floyd und Kraftwerk!
Mathias:
10 Jahre ILLUMINATE. Was haben wir von Euch in Zukunft noch zu erwarten? Ist für die nähere Zukunft was geplant, Touren, neue Alben etc?
Johannes:
Die Tournee zu „10 x 10“ habe ich – aufgrund meiner baldigen Vaterschaft – in die ersten Monate des nächsten Jahres verlegt. In diesem Jahr gibt es nur noch eine Möglichkeit, uns live zu sehen: Auf dem obligatorischen „Weihnachtskonzert“ in Leipzig am 25.12.!
Auch am Nachfolgealbum zu „10 x 10“ arbeite ich schon seit einigen Monaten. Es ist aber definitiv noch zu früh, jetzt schon eine Prognose zu stellen, in welche Richtung (thematisch und musikalisch) das ganze gehen wird. Ich kann Dich aber beruhigen: Wir bleiben uns treu!!!
Mathias:
Wie würdest Du den Menschen Johannes Berthold in einigen Worten und Charaktereigenschaften beschreiben?
Johannes:
Ich bin ein Mensch, der genauso Probleme und Ängste hat, wie jeder von Euch! Ich kann ein sehr loyaler Freund sein, der auch gerne zuhört. Jedoch spreche lieber ich – eine meiner großen Schwächen! In vielen Dingen bin ich zu ungeduldig und pedantisch – jedoch bin ich sehr sorgfältig, wenn es um wirklich wichtige Entscheidungen (im Beruf, wie auch im persönlichen Leben) geht!
Mein Herz trage ich (oftmals zu sehr) auf der Zunge; und ich vertraue zu blauäugig Menschen, die das Vertrauen und die Verantwortung, die ich ihnen übertrage, oftmals mit Füßen treten! Da bin ich auch wahnsinnig empfindlich!
Mein Lebensmotto lautet: „Was Du nicht willst, das man Dir tu’...“ – frei nach der Devise: „Leben und leben lassen!“
Mathias:
Hast Du ein spezielles Lebensmotto? Oder gibt es ein bestimmtes Zitat – vielleicht von Dir selbst, aus Deinen Texten – dass besonders gut auf Dein Leben passt?
Johannes:
Ja. Aus dem Song ÌStern der Ungeborenenì: „Und wenn dann jemand nach mir fragt, sag’ einfach, dass Du mich nicht kennst! Du wirst schon seh’n, wie recht Du damit hast!“
Mathias:
Du bist für einen Tag der Herr der Welt. Was ändert sich?
Johannes:
Au weih...ich will gar nicht der Herr der Welt sein! Muss ich wirklich...???
Na gut: Alles wird besser. Es gibt keine Kriege, keine Seuchen und keinen Hunger mehr! Alle Menschen leben glücklich und zufrieden in Harmonie und Gesundheit friedlich nebeneinander. Und am nächsten Tag – wenn ich wieder abdanken muss - platz die Welt dann aus allen Nähten!!!
Merkst Du was...?
Mathias:
Schon klar. Deswegen lass ich die Leute ja auch immer nur einen Tag Herren der Welt sein.;-) Ansonsten etwas das Du schon immer loswerden wolltest?
Johannes:
Bleibt wie und was Ihr seid! Lasst Euch nicht von den Medien für blöd verkaufen und lasst Euch Euren Geschmack nicht von einigen wenigen Aposteln vorschreiben! IHR seid die Szene!!!
Vielen Dank für das nette Interview und die Zeit, die Ihr Euch genommen habt, es zu lesen!
Mathias:
Ich danke Dir, wünsche Dir alles Gute für die Zukunft, vor allem für’s baldige Daddy-Sein, und mir und allen Fans noch viele gute ILLUMINATE-Alben.
- Redakteur:
- Mathias Kempf