Im Rückspiegel: AMORPHIS (Teil 3 - "Eclipse" - "Skyforger")

26.04.2018 | 08:40

Neuer Sänger, neues Glück!

Einen Teil verpasst?
Teil I ("The Karelian Isthmus" - "Elegy")
Teil II ("Tuonela" - "Far From The Sun")

Die zweite Hälfte der Diskographie beginnt gleich mit einem Paukenschlag, denn mit Tomi Joutsen gibt es einen Besetzungswechsel am Gesang zu vermelden. Im Nachhinein betrachtet hat sich diese Verpflichtung als absoluter Glücksgriff herausgestellt, denn Tomi brachte nicht nur neue Impulse in die Band ein, sondern auch sein Gesang ist über jeden Zweifel erhaben. Er beherrscht gleichermaßen gutturalen und klaren Gesang und kommt auch mit den Songs aus älteren Tagen wunderbar zurecht. Bis heute ist das übrigens der letzte Wechsel im Lineup, was hoffentlich auch noch möglichst lange so bleibt.

Doch wie wirkt sich der Wechsel des Frontmannes musikalisch aus? Vor allem Fans der ersten Phase dürfte die Situation feuchte Augen bereitet haben, denn die Musik von AMORPHIS wurde wieder härter und auch der gutturale Gesang wurde wieder ein fester Bestandteil der Songs. Die musikalischen Experimente hingegen fielen nicht mehr so gravierend aus, wie noch in den Jahren zuvor, vielmehr wurden die bisher verwendeten Einflüsse zu einem eigenen Stil verwoben. Hat die Band etwa endlich nach all den Jahren den eigenen Stil gefunden?

Eclipse (2006)


Der Einstand von Tomi Joutsen auf Albumlänge markiert außer der neuen Personalie noch einige weitere Premieren in der Geschichte der Band. So konnte sich die Scheibe außer in Finnland und Deutschland nun auch zum ersten Mal in Österreich in den Charts platzieren, auf Platz 69. In der eigenen Heimat Finnland konnte sich sowohl die Single 'House Of Sleep' als auch "Eclipse" auf der Pole Position platzieren, das gab es vorher auch noch nie. In Finnland wurde die Scheibe auch mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Bei der Presse und bei den Fans waren die Reaktionen auf das Album fast durchweg positiv, denn mit dem neuen Mann am Mikrofon kehrten auch die Growls wieder als fester Bestandteil in die Songs zurück. Generell ist "Eclipse" deutlich härter als die zugegebenermaßen etwas softeren letzten drei Alben. Dabei wurden jedoch die Psychedelic-Rock-Einflüsse der letzten Scheiben nicht komplett über Bord geworfen, sondern durch andere Einflüsse aus früheren Jahren sinnvoll ergänzt. Auch die Texte befassten sich nun wieder mit dem finnischen Nationalepos Kalevala, wie schon zu "Tales From The Thousand Lakes"-Zeiten.

Damit reiht sich AMORPHIS in die (kurze) Liste der Bands ein, die es schaffen, aus einem so gravierenden Wechsel im Lineup noch Kapital zu schlagen und den bisher erreichten eigenen Erfolg sogar noch zu toppen. Dass es auch anders laufen kann, hat die Metalwelt gute 10 Jahre zuvor gesehen, als "The X-Factor" von IRON MAIDEN veröffentlicht wurde, das erste Album mit dem damals neuen Frontmann Blayze Bayley. Tomi Joutsen war glücklicherweise ein anderes Schicksal bestimmt, denn er ist heute im Jahr 2018 noch immer der Sänger von AMORPHIS und mittlerweile sogar der, der die meisten Alben eingesungen hat. Absolut zu Recht, wie ich finde, einen besseren Mann für diese Position gibt es meiner Meinung nach nicht. Die positiven Reaktionen auf "Eclipse" gehen auch mehr als in Ordnung, denn es ist einfach eine richtig gute Scheibe mit einigen Ohrwürmern an Bord (u.a. 'House Of Sleep', 'Two Moons' und 'Perkele (The God Of Fire)').

Silent Waters (2007)


Bereits ein Jahr später wurde mit "Silent Waters" der Nachfolger zu "Eclipse" veröffentlicht, der stilistisch in eine ähnliche Kerbe schlägt und wieder mit einigen Querverweisen auf die eigene Vergangenheit aufwarten kann. So zeigt das Artwork beispielsweise den Schwan von "Tuonela" und auch die Texte stammen wieder aus dem Kalevala. Obwohl in keinem Land Platz 1 erreicht wurde, konnte "Silent Waters" in Finnland erneut eine goldene Schallplatte abstauben. Zum ersten Mal überhaupt wurde auch eine Chartplatzierung in der Schweiz erreicht (52). Die gleichnamige Single konnte sich in Finnland eine gute zweite Position sichern.

Auch die Kritiken für die Scheibe fielen sehr positiv aus. Es hatte tatsächlich den Anschein, als ob AMORPHIS den eigenen Stil endlich gefunden hat. Diesen zu kategorisieren ist jedoch schwer, da er sich aus vielen verschiedenen Elementen zusammensetzt, eben alles was AMORPHIS jemals verwurstet hat, zu unterschiedlichen Anteilen kombiniert. Dass die stilistischen Änderungen zum Vorgänger diesmal vergleichsweise gering ausfallen, liegt sicher auch daran, dass erneut mit dem gleichen Aufnahme- und Produktionsteam gearbeitet wurde wie schon bei "Eclipse". Die Änderungen sind eher in den Details auszumachen, sowie in der Gewichtung der verschiedenen Einflüsse innerhalb der Songs. Ob jetzt "Eclipse" oder "Silent Waters" die bessere Scheibe ist, das ist sicherlich Geschmackssache, mir gefallen beide sehr gut. Ein schlechtes Album hat AMORPHIS aber ohnehin nie veröffentlicht.

Skyforger (2009)


Kommen wir nun zu meinem persönlichen Favoriten dieses Dreierpacks, "Skyforger". Auch hier wurde der Stil der beiden Vorgänger weiter verfeinert, was die Scheibe für mich zur ausgereiftesten der drei macht. Die Mischung aus Melodic Death, Folk und Progressive Rock/Metal passt nicht nur perfekt zu AMORPHIS, sondern hat sich über die Jahre auch zu einem unverkennbaren eigenen Stil entwickelt, den man so von keiner anderen Band zu hören bekommt. Für mich kommt noch erschwerend hinzu, dass "Skyforger" mit 'Sky Is Mine' und 'Silver Bride' gleich zwei meiner absoluten Lieblingssongs von AMORPHIS enthält. In Finnland wurde erneut sowohl eine goldene Schallplatte und eine Doppeleins in den Charts (Album und "Silver Bride"-Single) erreicht. Natürlich konnte "Skyforger" auch in der DACH-Region wieder in die Albumcharts einsteigen.

Wie die beiden Vorgänger ist auch "Skyforger" ein Konzeptalbum, dessen Texte aus dem Kalevala stammen, jedoch basiert es zum ersten Mal auf verschiedenen Teilen aus unterschiedlichen Episoden. Auch die Songstrukturen sind noch abwechslungsreicher gestaltet als zuvor und vor allem die verschiedenen Stimmungen der Tracks machen den Genuss der Scheibe zu einer wahren Achterbahnfahrt der Gefühle. Für mich ist "Skyforger" die insgesamt stärkste Veröffentlichung seit "Elegy" und eines meiner absoluten Highlights in der sehr guten Banddiskographie. Dass AMORPHIS so gut wie keine Aufmerksamkeit aus den Reihen der Progressive-Rock-Fans zuteilwird, habe ich nie verstanden, vor allem die drei Alben aus dem letzten Teil sollten doch vor allem dort auf große Gegenliebe stoßen. Aber vielleicht lesen ja einige Fans hier mit und lassen sich inspirieren, diese Scheiben mit etwas Verspätung noch zu entdecken.

Weniger stilistische Veränderungen als bisher, dafür umso mehr Erfolg als vorher hatte diese Phase für AMORPHIS zu bieten. Der Sängerwechsel entpuppte sich zu einem wahren Glücksgriff und brachte auch viele Fans zur Band zurück, die wohl schon nicht mehr damit gerechnet hätten, dass das noch jemals passieren wird. Auch live ist Tomi Joutsen über jeden Zweifel erhaben, davon konnte ich mich vor allem auf der "Tales From The Thousand Lakes"-Tour im Jahr 2014 selbst überzeugen, als das Meilensteinalbum in voller Länge gespielt wurde, natürlich mit Tomi am Gesang. Was soll ich sagen? Er hat es tatsächlich geschafft, dass einige Songs sogar noch besser geklungen haben, als auf dem Album.

Im vierten und (vorerst) letzten Teil der AMORPHIS-Rückspiegel-Reihe gibt es dann auch wieder etwas mehr Veränderungen im Sound der Band zu vermelden als dieses Mal. Außerdem wurde kein Geringerer als Peter Tätgren (HYPOCRISY, PAIN) für die Produktion einer Scheibe verpflichtet. Ich hoffe, dass ihr in genau einer Woche wieder mit dabei seid. Bis dahin viel Vergnügen mit "Eclipse", "Silent Waters" und "Skyforger".

Redakteur:
Hermann Wunner

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