In der Gruppentherapie: IGNITOR - "The Spider Queen"
16.09.2009 | 16:53Die neue Scheibe der US-amerikanischen Power-Metaller IGNITOR, die sich mit WATCHTOWER-Frontröhre Jason McMaster verstärkt haben, hat unsere Redaktion gespalten wie lange kein Album mehr. Während sich die einen mit verzerrtem Gesicht abwandten, fanden die anderen die originelle Mischung aus traditionellem Metal und außergewöhnlichem Gesang anregend. Werdet also Zeuge, wie sich die POWERMETAL.de-Crew mal so richtig uneins ist.
Die Amerikaner IGNITOR hatten bislang immer einen Schwachpunkt, der ihre Alben nach unten zog: Sängerin Erika Swinnich gehörte sicher nicht zu den Aushängeschildern ihrer Zunft. Als sie nun durch einen Sänger setzt wurde, noch dazu durch Jason McMaster (WATCHTOWER, DANGEROUS TOYS), dachte ich: "Super, da kann nichts schief gehen." Wie habe ich mich geirrt! Bei Jason geht hier quasi alles schief, denn als ob er Erika nacheifern wollte, kreischt er kontinuierlich neben der Spur und nervt bereits im Chorus des ersten Songs. Gelegentlich versucht er sich an echten Melodien, nur um früher oder später wieder in sein eigenes Klanguniversum abzutauchen, das mit dem, was der Rest der Band spielt, überhaupt nichts zu tun hat. Nun war Erika schon das "Besondere" an IGNITOR, und Jason führt diese Tradition fort. Denn instrumental ist "The Spider Queen" nicht aufmerksamkeiterregend. Freunde der Band würden sagen traditionell, weniger feinfühlige Zeitgenossen wie ich nennen es schlicht langweilig. Das einzige Highlight auf dem ganzen Album ist der Ohrwurmchorus von 'The Games Begin', das Jason aber auch mit Inbrunst zu zerkreischen versucht, was er dann spätestens bei Minute zwei auch schafft. Merkt da keiner, dass Jason und der Backgroundchor überhaupt nicht harmonieren? Da möchte ich gleich in den Chor mit einstimmen: "Aaaaaaaaahhhhh." Und bei den Gitarren herrscht wieder gediegene Langeweile. Trotzdem wäre die instrumentale Seite von "The Spider Queen" mindestens zwei Punkte mehr wert, als ich dieser Scheibe geben kann, aber der Gesang macht das Album für mich völlig unhörbar. Und bevor mir einer mit dem Totschlagwort kommt: Das ist nicht Kult, das ist Mist.
Note: 3,0/10
[Frank Jaeger]
Jason McMaster gegen IGNITOR. Goliath gegen kleine Davids. Bis einer auseinanderfällt. Bis Blutfontänen in die Luft schießen. Der WATCHTOWER-Sänger jodelt, kiekst, wimmert und erschreckt, als wäre "The Spider Queen" "Energetic Disassembly" oder eine andere Gummizellenplatte mit Helmpflicht, während die unbedeutende Hintergrundkapelle nur ein hundsnormales, durchschnittliches Trad-Metal-Album runterleiert. Ein Missverständnis mit katastrophalem Resultat. Der Weltenzusammenstoß führt zu einem Knall, der die Trommelfelle Richtung Großhirn faltet. Hunde jaulen, Katzen schmeißen sich vor Autos und die Verwandtschaft von Gitarrist Batlord fällt tot von der Höhlendecke. Wenn es episch werden soll, plärrt McMaster einfach am Psychopathenlimit einen anderen Song und bittet die Freunde aus der Anstalt zum Ausdruckstanz. Dabei sind die Ecstasy-Vocals so laut, dass man die Instrumente kaum hört, was in Anbetracht des Schlagzeugs, das mit dem Groove einer ramponierten Stanzmaschine misshandelt wird, ein Geschenk des Himmels ist. Zwar hätte kein Reglerschieber der Welt aus diesen akustischen Totalschäden eine vernünftige CD destillieren können, aber die Demonstration konsequenten Aneinandervorbeischrattelns unproduziert mit übersteuertem Dilettanten-Sound auszuliefern, kommt einem letzten Anschlag auf die heitere Stimmung gleich. Hail, hail, jeder klatscht den arhythmischen Underground-Beat! Es wird Zeit, dass in einigen Winkeln des Nietenuniversums der Wecker klingelt...
Note: 4,0/10
[Oliver Schneider]
Es ist interessant, wie untrüglich sicher die Kollegen bisweilen sind, dass ein Sänger neben der Spur liegt, obwohl er nur das tut, was an sich jeder Sänger machen sollte: nämlich einen unkonventionellen Weg gehen! Jason McMaster ist kein Anfänger und erhält von mir so viel Vorschuss an Vertrauen, ihm zu glauben, dass er weiß was er tut. Er zeigt auf "The Spider Queen" jede Menge Mut, indem er radikal mit den Konventionen des im traditionellen Metal üblichen Gesangsschemas bricht. Wir bekommen keinen sonoren Heldentenor und keine glockenhelle Epik, keine Luftschutz-Sirene und keine Glas schneidenden Screams, sondern abgedrehten, psychotischen, emotionalen und vor allen Dingen abwechslungsreichen Gesang, der IGNITOR auf ein Niveau hievt, das sie mit Vorgängerin Erika Swinnich niemals hätten erreichen können. Nicht weil die Sängerin schlecht gewesen wäre, sondern weil ihr Gesang zu bieder war und die unterhaltsame, aber ebenfalls recht biedere Musik die Texaner nicht aus dem Einheitsbrei heraus heben konnte. Durch Jasons extravagante Arbeit erhält der solide, aber rein instrumental nicht unbedingt herausragende Traditionsstahl aus der Schnittmenge zwischen MAIDEN, PRIEST und OMEN indes mehr Härte, genug Wiedererkennungswert und einen positiven Freak-Faktor, der IGNITOR im sechsten Jahr der Bandgeschichte endlich unverkennbare Konturen verpasst. Das freut den Gourmet für mutige Kunst und lässt den vermeintlich erhabenen Rest zurück, der lieber langweiligen und selbstgefälligen Neo-Prog-Loopingdrehern zuhört, die im Leben keine Faust hoch kriegen werden! Steht ihr auf Metal, auf abgedrehten Gesang und auf gereckte Fäuste? Dann gebt IGNITOR eine Chance und zieht euch mit 'Angels Descend' einen der bisher besten Songs des Jahres rein!
Note: 8,5 / 10
[Rüdiger Stehle]
Ich stehe auf Metal. Auf abgedrehten Gesang. Und manchmal auch auf gereckte Fäuste. Bei IGNITOR allerdings regt sich bei mir nix. Die Kompositionen sind biederer Standard und kommen fast vollkommen ohne Überraschungseffekte aus. Das ist nicht schlecht, aber eben auch nix Besonderes. Ist auch logisch, denn man verlässt sich auf seinen Vokalvorturner Jason McMaster. Denn der ist ja Kult. Allerdings passt sein abgedrehter Gesang nicht zu den Songs. Gar nicht. Nicht bei einem einzigen Song. Was bei WATCHTOWER funktioniert hat, weil die Musik genau so durch war wie der Gesang, ist bei IGNITOR ein nerviges und deplatziertes Zusammenspiel vom Biedermann mit dem Verrückten aus der Anstalt. Aufregend ist das gewiss. Zumindest anfangs. Positiv ist dieses Attribut allerdings nicht zu verstehen. Und nach einigen Durchläufen ödet die Chose auch einfach nur noch an. Und nicht trotz, sondern wegen des kalkuliert platzierten Freak-Faktors.
Note: 5,5/10
[Peter Kubaschk]
Ich hatte hohe Erwartungen an das neue IGNITOR-Album, denn die Ankündigung, dass Jason McMaster den Gesang beisteuert, ließ mich unweigerlich an das legendäre WATCHTOWER-Debüt "Energetic Disassembly" denken, auf dem Jason fabelhaft shoutete. Im Grunde genommen liefert er auch auf dem neuen IGNITOR-Rundling eine gute Performance ab. Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken: Nicht immer harmonieren die kauzig-hohen Vocals des Sängers mit den Riffs beziehungsweise den Liedstrukturen. Überaus eigenbrötlerisch agiert Jason McMaster am Mikro, so dass nicht alles auf diesem Album Gold ist. Auch das Songwriting, für das Gitarrist Batlord primär verantwortlich zeichnet, offenbart Schwächen. 'Evil Calling' wirkt in puncto Riffing lahm und einfallslos, genauso wie die Baldriparan-getränkte, weinerlich daher kommende Ballade 'I Never Knew', die erst gegen Ende im Uptempo-Part etwas in Fahrt kommt. Überaus seicht pätschert auch die Ballade 'My Heart Turns To Dust' am Hörer vorbei, ohne dass etwas im Ohr hängen bliebe. Produktionstechnisch liegen durchgehend die pappig klingenden Drums unangenehm in den Ohren. Doch nun genug mit der Meckerei. Denn mit dem coolen Titeltrack 'The Spider Queen' und dem überraschend intensiv riffenden 'Construct Of Destruction' hat "The Spider Queen" auch gutklassige Titel zu bieten, denen Jason eine schratige, aber für mein Gusto zumindest hier auch eine ansprechende Note verleiht. Selbiges gilt für den eingängigen Opener 'Magnus Opus' und 'Angels Descend'. Warum also zücke ich siebeneinhalb - wohlgemerkt sehr knappe – Zähler für dieses Werk? Nun: Ich mag die Vocals von Jason McMaster und trotz der angesprochenen Schwächen bereitet das neue IGNITOR-Scheibchen zumindest phasenweise Spaß. Zusammenfassend: "The Spider Queen" ist definitiv kein Kracher, aber auch kein Rohrkrepierer.
Note: 7,5/10
[Martin Loga]
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer