Interview mit Adrian Benegas
16.06.2021 | 13:04Wer etwas mehr über ADRIAN BENEGAS erfahren möchte, über seine Ideen oder seine Gedanken, wenn er Texte schreibt und Musik komponiert, oder auch über seine Lebenseinstellung – nun, der hat hier die Gelegenheit dazu.
Vielleicht ist es dem einen oder anderen ja auch schon einmal so gegangen. Da schneit einem plötzlich eine CD ins Haus, von einem Künstler, von dem man bisher noch nichts gehört hatte, und schon beim ersten Hineinhören nimmt einen die Musik gefangen. So geschehen beim Debütalbum "The Revenant" von Adrian Benegas im November 2019, das bis heute für mich nichts von seiner Faszination verloren hat. Mal abgesehen davon, dass diverse bekannte Gastmusikerinnen und Gastmusiker darauf vertreten sind und dass die Scheibe rockt wie die Hölle, ist es besonders der kompositorische Aspekt, der mich so beeindruckt hat, zusammen mit dem Konzept, das hinter dem Album steckt. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch noch nichts von seinem eigentlichen Hauptprojekt TRAGUL, das lernte ich erst sehr viel später kennen und schätzen.
Jetzt, eineinhalb Jahre später, hatte ich TRAGUL zumindest gehört, aber als ich mich endlich mehr damit befassen wollte, kam im Mai 2021 die EP "Diamonds In The Dark" dazwischen, die ebenfalls wieder einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Nun wollte ich doch etwas mehr über den Menschen hinter den Projekten wissen - auch, um euch einen wirklich talentierten Musiker etwas näher zu bringen, der noch dazu so liebenswürdig, freundlich und humorvoll ist. Adrian kommt aus Paraguay, genauer gesagt aus Asuncion. Ich war überrascht, aber auch sehr erfreut, wie offen und ehrlich Adrian erzählt hat, angefangen bei seiner Jugendzeit.
"Ich habe zwar mit 15 angefangen, Keyboard zu lernen. Aber wenn ich darüber nachdenke, wann meine Liebe zur Musik tatsächlich angefangen hat, dann muss ich weit in meine Kindheit zurückgehen. Ich erinnere mich noch an den Tag, als mein älterer Bruder Aldo und ich eine ganze Sammlung Vinyls samt einem ziemlich alten Plattenspieler in einem Zimmer neben dem Schlafzimmer unserer Eltern fanden. Wir hörten uns stundenlang die Platten an und spielten mit dem Geschwindigkeitsregler. Dabei bildeten wir uns ein, aus der Stimme des Sängers Eichhörnchengequieke zu machen oder ihn zu einem riesigen Monster mutieren zu lassen, haha. Wir hatten tagelang, ja monatelang Spaß damit. Später entdeckten wir die Magie der Audiokassetten und wollten an jedem Geburtstag oder sonst einem speziellen Tag welche haben. Ich erinnere mich auch noch daran, dass wir im Schulbus DJs spielten", lacht er. "Wir setzten uns immer ganz vorne hin und baten den Busfahrer, unsere Kassetten während der Fahrt zur Schule abzuspielen."
Ich muss lachen, weil ich mir das gerade hier bei uns vorstelle... DEN Busfahrer möchte ich sehen, der hier sowas erlaubt hätte! "Ach, wir konnten das machen", meint Adrian, "außerdem waren wir die ersten Kinder, die abgeholt wurden, also waren wir die offiziellen DJs!" Er muss grinsen: "Man kann also sagen, dass ich von Musik schon seit meinen frühesten Jahren umgeben war."
Das hört sich toll an und anscheinend hattet ihr viel Spaß. Also hat sich schon damals irgendwie gezeigt, dass du für die Musik geboren bist, richtig?
"Oh ja. Einige Jahre später fing ich an, das Bedürfnis zu verspüren, Musik zu machen. Ich war damals ziemlich beeindruckt von einem Mitschüler, der zum Schuljubiläum Harfe spielte. Von diesem Moment an hatte ich tatsächlich das Gefühl, das ich das auch spielen wollte. Leider konnte ich es damals nicht lernen. Wie auch immer, als ich 15 wurde, haben mir meine Mom und mein älterer Bruder das beste Geschenk der Welt zum Geburtstag gemacht: eine Yamaha PSR-620! Seitdem begann das 'Monster' in mir zu wachsen, bis es mich komplett verschlungen hatte", lacht er. "Aus dieser Liebe zur Musik habe ich sogar die 'normale' Schule abgebrochen, ich wollte nur eines: spielen, spielen, spielen. Ich habe meiner Mom zwar etwas 'Verdruss' wegen der Schule bereitet, aber ehrlich gesagt, konnte ich mich nicht selbst betrügen und so hat sie mich nach vielen Diskussionen unterstützt und mich schließlich in einer Art 'Mittelschule' angemeldet. Jetzt hatte ich die nötige Zeit, mein Instrument alleine zu üben und letztendlich weiß ich, dass meine Mom jetzt stolz auf meine Wahl ist. Es war so wunderbar von ihr, meinen Wunsch zu respektieren und mich zu unterstützen. Ich weiß das sehr zu schätzen!"
Das war wirklich großartig von ihr, aber sie weiß jetzt sicher auch, dass es die richtige Entscheidung war. "Das glaube ich schon." Er lacht wieder. "Später habe ich dann eine Klavierakademie besucht, die ich allerdings nach sechs Monaten wieder abgebrochen habe. Ich konnte ihren 'strukturierten und veralteten' Plan nicht ertragen. Damals - und auch heute noch – glaubte ich, dass Musik oder allgemein Kunst nichts mit irgendwelchen Regeln zu tun hat. Man sollte frei sein, also fing ich an, meine Fähigkeiten als Autodidakt selbst zu entwickeln."
Wie bist du da vorgegangen? Hattest du Vorbilder, denen du nacheifern wolltest?
Er nickt. "Hatte ich. Zum einen gab es da einige Freunde, die mich unterstützten, es gab natürlich auch Bücher und ich konnte unheimlich viel von den großen Idolen meiner Jugend lernen, wie Jon Lord (DEEP PURPLE), Jens Johansson (u.a. STRATOVARIUS) und Alex Staropoli (RHAPSODY OF FIRE). Nach diesem Lernprozess habe ich mit einigen Freunden mein allererstes Projekt PERGANA gegründet und wir erlebten zum ersten Mal die 'magische Welt' der Produktion. Wir betraten ein Studio, arbeiteten mit einem Produzenten zusammen, mit einem Tontechniker und so weiter – es war wirklich 'magisch'! Immerhin sind aus diesem Projekt zwei EPs hervorgegangen. Die eine ist "The Mirror Of Silence", die andere "The Visit". Leider konnten wir die Band nicht am Laufen halten und ich beschloss, sie aufzulösen. Danach gründete ich noch ein Symphonic-Metal-Projekt namens ABRACADABRA und auch mit diesem veröffentlichten wir zwei EPs, "Forbidden Magic" und "Samhain Night"."
Wer sich einige dieser frühen Stücke anhören möchte, kann das übrigens auf deinem Youtube-Channel tun, unterbreche ich ihn.
Er nickt. "Und schließlich, nachdem sich leider auch dieses Projekt nicht fortsetzen ließ", erklärt Adrian, "habe ich TRAGUL gegründet. Ich habe jetzt tatsächlich also zwei aktive Projekte, TRAGUL und mein Soloprojekt ADRIAN BENEGAS."
Dein größter Wunsch war ja immer, Komponist zu sein, nicht wahr? Und mit diesen beiden Projekten kannst du diesen Wunsch weiterentwickeln.
"Das ist richtig", stimmt Adrian zu, "obwohl ich es liebe, Keyboard zu spielen, ist meine größte Leidenschaft doch das Songwriting. Ich liebe es einfach, Musik zu komponieren und wollte schon immer mehr Komponist als Keyboardspieler sein. Ich erinnere mich, dass ich seit meiner Schulzeit phantastische Geschichten geschrieben habe und nachdem ich mein Keyboard hatte, habe ich versucht, Lyrics und Musik miteinander zu verknüpfen."
Das ist dir ja inzwischen recht gut gelungen.
"Danke. Vom ersten Moment an, als ich angefangen habe, Musik zu schreiben - am Anfang noch nicht so besonders gut", er muss wieder lachen, "habe ich sehr hart daran gearbeitet, mich weiterzuentwickeln und zu lernen, wie ich das, was ich sagen möchte, mit Musik und in Texten ausdrücken kann. Für mich hat Komponieren etwas mit Magie zu tun! Es ist faszinierend - wie eine Art 'Superpower' - fähig zu sein, Gefühle quasi übersetzen zu können. So als würdest du etwas Ätherisches, etwas Ewiges in die Welt, ins Leben bringen..."
... das klingt schön...
"Ja, das empfinde ich auch so. Außerdem hilft mir das Songwriting sehr, mit meinen eigenen Dämonen umzugehen, sie quasi für immer in einem Song einzusperren und sie dadurch aus meinem Kopf zu verbannen."
Das klingt noch besser. Aber es war trotzdem sicherlich nicht einfach, als junger Künstler Kontakte zu knüpfen, vor allem zu Beginn deiner Karriere.
"Ja, es war schon irgendwie schwierig. Ich meine, immer gegen den Strom zu schwimmen, auch jetzt noch. Aber ich glaube, ich habe so etwas wie ein 'Überschallauge' - das ist natürlich nur ein Scherz", sagt er und muss wieder grinsen. "Was ich damit meine ist, wenn ich eine Gelegenheit sehe und sie als richtig empfinde, stürze ich mich blindlings darauf." - Das musst du jetzt aber genauer erklären.
"Okay, dann will ich dir jetzt mal eine Geschichte erzählen, etwas ganz Besonderes, etwas, das mein Leben und meine Karriere für immer verändert hat. Als ich mit PERGANA anfing, konnte ich in Paraguay keinen Drummer und keinen Bassisten finden, den ich mochte. Lustig und seltsam, aber wahr. Da entdeckte ich die Ankündigung eines 'Helden' aus meiner Jugend. Der großartige Alex Holzwarth (u.a. Drummer bei RHAPSODY und AVANTASIA) gab Künstlern die Möglichkeit, ihn auf ihren Aufnahmen dabei zu haben. Viele Freunde sagten natürlich, "Du bist verrückt, er wird dir niemals antworten!" Aber, stur wie ein Panzer – wie ich eigentlich immer bin", jetzt muss er richtig herzlich lachen, "habe ich ihm eine Email mit einigen Demos geschickt. Sorry, Alex, falls du das lesen solltest, mit einigen qualitätsmäßig SEHR schlechten Demos! Zu meiner Überraschung antwortete er und sagte "Ja!" Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, dass einer meiner größten Einflüsse der Metal-World zustimmte, meine allererste EP aufzunehmen! Das war so unglaublich! Und damit nicht genug, als er hörte, dass ich auch keinen Bassisten hatte, hat er auch noch seinen Bruder Oliver Holzwarth (u.a. BLIND GUARDIAN) dazugeholt. Hach!! Kannst du dir vorstellen, wie glücklich ich war? Ich bin quasi geschwebt! Ich gebe es ganz ehrlich zu, ohne ihn und seinen Bruder wäre ich jetzt nicht an dem Punkt, an dem ich heute bin. Sie haben seither auf fast allen meiner Veröffentlichungen gespielt, sowohl bei PERGANA, ABRACADABRA, TRAGUL und zuletzt auf meinem Debütalbum "The Revenant". Ich würde schon sagen, dass Alex, Oliver und ich nach dieser jahrelangen Zusammenarbeit Freunde geworden sind."
Das ist ja eine ganz tolle Geschichte! Aber ich bin mir sicher, dass sie auch dein Talent erkannt haben. Und sie haben recht gehabt! Außerdem MUSS man so eine Gelegenheit einfach ergreifen und sollte sich von niemandem davon abhalten lassen. Wenn du NICHT gefragt hättest, hättest du dir sicher später überlegt, was gewesen wäre, WENN du gefragt hättest und hättest dich vermutlich über die verpasste Gelegenheit geärgert. Ich denke, das schlechteste, was hätte passieren können, wäre gewesen, dass er nein gesagt hätte, oder dass keine Antwort gekommen wäre. Also, was solls. Übrigens, das "Stur-Wie-Ein-Panzer-Gefühl" kenne ich auch von mir selbst – niemals aufgeben!
"Ja", fügt Adrian hinzu, "für diejenigen, die an Träume und Schicksal glauben, muss ich auch erwähnen, dass ich davon geträumt habe, dass es passieren würde. Auch wenn das jetzt etwas verrückt klingt. In meinem Traum wollte ich eine Brücke überqueren, aber die zerbrach und ich fing an, herunterzufallen. Aber plötzlich hielt mich eine Hand an meinen Armen fest und half mir hinüber. Als ich aufblickte, sah ich Alex vor mir, der mich anlächelte, und hinter ihm alle Bandmitglieder von RHAPSODY. Viel später, 2019 in Argentinien, hatte ich die Freude sie alle zu treffen. Alex selbst hatte mich eingeladen. Oh ja, für mich war das alles Magie! Ich glaube daran. Du auch?"
So ein bisschen schon. Erinnerst du dich daran, was ich dir über die TRAGUL-Emails erzählt habe, die ich seit 2017 aufgehoben habe? Ich wusste, eines Tages würde ich darüber eine Rezension schreiben. Und das war lange bevor ich "The Revenant" oder "Diamonds In The Dark" oder dich überhaupt kannte. Bevor du mit deinem ersten Album "The Revenant" angefangen hast, begann deine Arbeit an TRAGUL, oder?
"Ja, das stimmt. Die erste Single von TRAGUL war 'Bennu', die im Juni 2017 herauskam. Ich bemerkte schon seit einigen Jahren, dass sich Teile der Musikindustrie zu verändern begannen und ich beschloss, das Risiko einzugehen und etwas Innovatives zu erschaffen. Etwas, das den Veröffentlichungen in der Metalszene ein neues und frisches Gesicht geben sollte. Obwohl wir schon viele Tracks produziert hatten, entschied ich mich, sie '1 zu 1' zu veröffentlichen, immer begleitet von einem Video, sei es jetzt ein Lyric-Video oder beispielsweise ein 360°-Video. Glücklicherweise gefiel das den Fans und so konnte TRAGUL weiterwachsen."
Gab es den Plan, alles "song-by-song" herauszubringen schon von Anfang an?
"Naja, es gab schon Leute, die nach einer LP oder EP fragten", erwidert Adrian, "wir sind dem gegenüber natürlich nicht verschlossen, aber solange wir unabhängig arbeiten, werde ich mich weiterhin dafür entscheiden, unsere Musik im 'song-by-song'-Format zu veröffentlichen."
Mal so ganz nebenbei, was bedeutet TRAGUL eigentlich? Ich konnte darüber nichts herausfinden.
"Hm, dieser Name... das ist noch so eine verrückte Geschichte", lacht er. "Um es kurz zu machen, ich habe ihn geträumt. Schon 2016, als ich nach einem Namen für mein neues Projekt suchte, habe ich tagelang darüber nachgedacht. Aus den Tagen wurden Wochen, aus den Wochen Monate. Ich habe nach einem besonderen, einzigartigen und originellen Namen gesucht. Es sollte kein 'normal' existierendes Wort sein. Auch wenn das jetzt wirklich seltsam klingt, eines Nachts habe ich von zwei Riesen geträumt, die vor mir standen und nur diese beiden Worte sagten: "Tragul" und "Will". Nach dem Aufstehen habe ich mir das notiert – ich schreibe mir übrigens immer meine Träume auf – und nachdem ich einen ganzen Tag darüber nachgedacht habe, war mir klar, dass der Name meiner Band TRAGUL sein würde. Schon ziemlich verrückt, oder?"
Das ist doch prima, so hattest du einen originellen Namen gefunden. Das erklärt natürlich auch, warum ich darüber nichts in Erfahrung bringen konnte. Also macht dich diese Art des Song-Releases ziemlich einzigartig im Bereich des Power Metals.
"Hm, ja und nein. Ich weiß, dass es selbst große Bands inzwischen genauso machen. Der einzige Unterschied zwischen solchen Bands und TRAGUL ist der, dass die Single-Releases dieser Bands später Teil von etwas Größerem sind, einer 'Special Edition', einer LP, einer EP oder was auch immer. Außerdem haben sie fast immer eine Diskografie vorzuweisen. TRAGUL hingegen hat von Anfang an bis jetzt ausschließlich Singles veröffentlicht. Also, ja, man kann an dieser Stelle sagen, dass TRAGUL etwas Besonderes, etwas Einzigartiges und Pionier mit diesem 'Song-by-Song'-Format in der Metal-Szene ist."
Gibt es denn auch ein bestimmtes Konzept hinter den TRAGUL-Tracks? Seit 2017 gibt es bisher zehn Tracks, die man auf deinem YouTube-Kanal anhören kann.
"Ja, jeder Song hat seine eigene Geschichte und sein eigenes Konzept", erklärt Adrian. "Sie stehen nicht miteinander in Verbindung, aber wie ich schon vorher gesagt habe, ich will mit meinen Songs immer eine Geschichte erzählen und es ist immer ein Stückchen von meiner eigenen Geschichte mit dabei. Übrigens kann man unsere Songs nicht nur bei Youtube finden. Unser gesamter Katalog ist auf den wichtigsten digitalen Plattformen wie Spotify, Deezer, iTunes usw. verfügbar."
Stimmt, das hätte ich beinahe vergessen! Jeder der zehn Songs hat ja ein eigenes Video, manchmal als wunderschönes Lyrik-Video - ich glaube, am besten gefällt mir 'The Hummingbird' - manchmal auch ein trauriges wie zu 'My Last Words', das mich samt Lyrics immer an ein gebrochenes Herz erinnert. Dann sind da die "richtigen" Videos, in denen Sängerin Zuberoa Aznarez die Hauptrolle spielt.
"Genau das ist der Grund, warum ich den Songs jeweils ihre eigenen Bilder und ihr eigenes Artwork hinzufügen will. Ich liebe das Zusammenwirken zwischen Kunst und Musik. Ich finde einfach, dass die Botschaft so stärker ist."
Hast du immer selbst die Ideen zu den Videos?
"Manchmal gebe ich meine Ideen und Visionen, wie ich mir das Video vorstelle, an die Künstler weiter, die die Videos erstellen, aber am Ende lasse ich sie einfach frei arbeiten, weil ich die Freiheit in der Kunst respektiere. Und ich mag es auch, viele Ideen von vielen verschiedenen Köpfen in den Projekten zu haben, weil es auf diese Weise eine größere Bandbreite gibt, alles ist viel energiegeladener."
Hast du auch ein Beispiel dafür?
"Na klar. Nehmen wir als Beispiel das letzte Video zu 'Poisoned Love – Animated Short'. Da haben Santiago und Elias die ganze Geschichte erschaffen, basierend darauf, was sie bei der Musik und den Lyrics empfunden haben. Als Santiago in mein Studio kam, um mir die ganze Geschichte und das "Warum" hinter den Bildern zu erzählen, sagte ich nur: "Mach weiter, es ist großartig!" Hätte ich das Konzept für das Video komplett alleine verantwortet, hätte es sicher anders ausgesehen, aber das ist das Tolle an Kunst und Ausdruck, was bei Teamarbeit herauskommt. Am Ende war ich vom endgültigen Ergebnis sehr positiv überrascht. Es ist so, als würde man seine eigene Kreation mit anderen Augen sehen. Es ist so cool! Wenn mir etwas nicht gefällt, sage ich das natürlich auch immer", lacht er.
Ich finde, dass viele Texte einen sehr persönlichen Eindruck hinterlassen oder dass du Begebenheiten aus deinem persönlichen Umfeld verarbeitet hast...
"Ja", nickt er, "für mich ist Musik ganz eindeutig die pure Katharsis. Sie hat mir auf jeden Fall das Leben gerettet."
Das habe ich schon öfter von einigen Musikern gehört.
"Deshalb glaube ich auch nicht an 'Inspirationsmomente', denn alles, was ich in meinem Leben lebe oder experimentiere, ist wie ein Treibstoff, um eine Geschichte zu machen. Es ist wie ein Bedürfnis, denn sonst würde es mich innerlich umbringen. Ich muss mich ausdrücken, ja sogar mal alles herausschreien. Aber es muss natürlich nicht immer etwas Negatives oder etwas Schlechtes sein, das mir passiert ist. Manchmal geht es auch um Liebe, um Licht oder darum, eine frohe Botschaft zu überbringen. Aber praktisch alles, was man von mir hört, trägt eine persönliche Botschaft von mir in sich. Und das geschah seit PERGANA, setzte sich in ABRACADABRA und TRAGUL fort und jetzt auch in meiner Solokarriere. Manchmal gibt es viele metaphorische Lyrics, manchmal sind sie direkter, genau wie in meiner neuen EP "Diamonds In The Dark"."
Apropos "Diamonds In The Dark". Diesmal war das ja etwas anders als bei "The Revenant". Sowohl Herbie Langhans als auch Sascha Paeth waren viel mehr in das Projekt eingebunden. Wie war das für euch? Kannst du noch ein bisschen über eure Zusammenarbeit erzählen?
"Oh ja, die Zusammenarbeit war einfach perfekt! Herbie und Sascha haben nicht nur ihre Instrumente aufgenommen, sondern dem Ganzen auch noch tolle Arrangements hinzugefügt. Herbie hat mit den Vocals einen tollen Job gemacht, während Sascha Bass, Gitarren und Schlagzeug 'genagelt' hat. Und nicht zuletzt haben wir als Songwriter und Arrangeure gemeinsam zum Song 'Adrenaline' beigetragen. Ich habe die Texte geschrieben und wir drei haben Melodien beigesteuert. Es war wirklich ganz tolles Teamwork und ich denke, das kann man an den Ergebnissen sehen. Während des gesamten Arbeitsablaufs war ich mir total sicher, dass es eine großartige Platte werden würde! Sie sind großartige Künstler, deshalb war es mir eine große Freude, mit ihnen zusammenzuarbeiten!"
Dem kann ich nur zustimmen! Ich habe beide ja schon viele Male live gesehen und es war jedesmal großartig. Außerdem finde ich deine Musik und deine Arrangements besonders. Manchmal kommen mir Vergleiche zu anderen Bands in den Sinn, wenn ich eine Rezension schreibe. Mal abgesehen davon, dass ich grundsätzlich ungern solche Vergleiche ziehe, sind mir für deine Musik keine eingefallen, was ich gut finde.
"Oh, vielen Dank! Obwohl ein Künstler 'originell oder einzigartig' klingen kann, glaube ich, dass wir alle Einflüsse haben, die sich auf unseren endgültigen Sound mit einer extra 'Zutat' niederschlagen und, was das wichtigste ist, auch auf unser Wesen. Das ist es, was letztendlich den Unterschied zwischen Künstlern ausmacht."
Welche Musiker hast du denn da im Sinn? Da du ja Klavier und Keyboard gelernt hast, gibt es auch klassische Musiker, die dich beeinflusst haben?
"Oh ja, bis heute hat klassische Musik einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen. Ich bewundere die Musik der großen Meister wie Beethoven, Mozart, Bach oder Chopin – um einmal meine Favoriten zu nennen. Aber es gibt noch andere Künstler, die mich von Anfang an irgendwie beeinflusst haben. Zum Beispiel ENYA, Luca Turilli, RHAPSODY im 'Original', STRATOVARIUS mit Timo Tolkki, SONATA ARCTICA, ebenfall im 'Original', NIGHTWISH mit Tarja, DEEP PURPLE, DIONYSUS, Ozzy Osbourne, CRIMSON GLORY, HERMETICA, RATA BLANCA, AVANTASIA - Tobias Sammet ist fantastisch!"
Einige höre ich auch sehr gerne! Aber HERMETICA (Argentinien, 1987 – 1994), DIONYSUS (deutsch-skandinavische Power-Metal-Band, 1999 - 2008) und CRIMSON GLORY (US-Power-Metal-Band, 1982) - ich glaube, die sind nicht mehr aktiv - es sind Bands, die nicht mehr existieren. Ich hab mir die mal kurz angesehen, CRIMSON GLORY war stark. RATA BLANCA aus Argentinien (1985 – 1998) hatte eine Reunion. Gibt es die Band noch?
"Leider sind DIONYSUS, HERMETICA und CRIMSON GLORY nicht mehr länger aktiv, aber ihr Vermächtnis besteht imer noch. HERMETICA hatte sich in zwei Bands aufgeteilt, ALMA FUERTE und MALON, aber ich habe HERMETICA immer vorgezogen, die ganze Band zusammen war einfach magisch! Ich mochte ALMA FUERTE wegen Ricardo Iorio, er war der Hauptkomponist und Gründer von HERMETICA. DIONYSUS hatte drei wundervolle Alben mit einem sehr starken Konzept in den Lyrics. Ich mag alles von ihnen, genau wie von CRIMSON GLORY, die ja auch nicht mehr aktiv sind. RATA BLANCA gibt es noch, das letzte Album erschien 2015 und war ziemlich heiß! Es heißt "Tormenta Eléctrica". Ich bewundere und erkenne den Geist, der hinter diesen Songs steckt. Walter Giardino, der Gründer der Band, ist ein unglaublicher Gitarrenspieler, für mich der beste in Südamerika, und ein ebenso großartiger Komponist. Leider ist der zweite Mitbegründer, Bassmann Guillermo Sanches, 2017 gestorben."
Um wieder auf dich zurückzukommen. Wie war das mit TRAGUL und "The Revenant"? Hattest du das "Revenant"-Musikkonzept sozusagen schon im Hinterkopf oder daran gearbeitet, während du die TRAGUL-Musik veröffentlicht hast?
"Nein, es kam separat. Ich habe mich immer zu 100% auf eine Sache konzentriert. Von 2017 bis 2019 waren meine Gedanken auf TRAGUL gerichtet. Als ich dann das Bedürfnis verspürte, mein Soloprojekt zu kreieren, begann ich, mich allein darauf zu konzentrieren, und während dieser Monate tauchte ich ganz in die Geschichte von "The Revenant" ein. Es war das gleiche mit meiner neuen EP. Während der Pandemie saß ich beispielsweise in meinem Heimstudio und arbeitete ausschließlich an allen Ideen für "Diamonds In The Dark". Nachdem die EP fertiggestellt und der Produktionsprozess gestartet war - also Aufnahme, Mischen, Mastering usw. - begann ich, neue Musik für TRAGUL zu schreiben, die in Kürze erscheinen wird. Aber ich zwinge mich nicht dazu, das zu tun. Es ist einfach für mich etwas Natürliches, es ist wie ein Schalter", sagt Adrian nachdenklich. "Beide Sachen können nicht gleichzeitig nebeneinander bestehen, weil sie völlig unterschiedliche Stimmungen haben. TRAGUL ist etwas vollkommen anderes, als mein Soloprojekt. Beides gibt mir die Balance, die ich brauche, wie Ying Yang."
Ich kann mir aber auch vorstellen, dass du viele Ideen hast und diese sammelst, bis irgendwann neue Songs daraus entstehen.
"All meine Musik ist irgendwie frisch", antwortet Adrian. "Klar, ich schreibe immer, aber die Stücke, die es schaffen, sind eigentlich immer die, die ich auch hintereinander beende. Viele sind auch nur 'Skizzen', um zu lernen und zu üben, oder um irgendetwas in Bezug auf die Produktion zu entwickeln. Ich experimentiere ständig mit Dingen, aber wie gesagt, nur wenige schaffen es am Ende."
Okay, also hast du doch ganz viele Ideen, sonst könntest du ja nicht so kreativ sein. Du hast Ideen, du arbeitest hart – hat es immer lange gedauert, die Zusagen von Gastmusikern zu bekommen?
"Nicht wirklich, sie waren immer sehr professionell. Ich habe noch nie ein "NEIN" als Antwort bekommen, zum Glück waren alle Sänger und Musiker, die ich eingeladen habe, immer offen für eine Zusammenarbeit mit mir. Das ist großartig, denn ich mache das aus Freude. Es ist großartig, die Chance zu haben, dass Künstler, die man bewundert, das singen und spielen, was man schreibt. Ich habe gehört, dass einige Leute und Kritiker mich beschuldigen, 'Musiker anzuheuern, um den Verkauf anzukurbeln'. Darüber kann ich einfach nur lachen. Es ist meilenweit von der Wahrheit entfernt und 'warum' ich das tue. Letztendlich glaube ich, dass ich ein sehr gesegneter Mensch bin, ich kenne nicht so viele Menschen, die das tun können, was sie wollen, wie sie es wollen und mit wem sie es wollen. DAS bedeutet für mich Glück und Frieden. Ich habe mich nie verkauft und werde es nie tun, und noch weniger für Geld."
Ich habe etwas auf deiner Facebookseite gelesen und möchte einen kleinen Auszug davon zitieren:
"Mein größter Traum war es, ein Songwriter/Musiker zu werden, und ich habe ihn mir erfüllt, nicht so, wie ich es mir als Teenager vorgestellt hatte, aber nach vielen Jahren bin ich stolz auf das, was ich bin, und habe aufgehört, zu erzwingen, was ich nicht bin. Ich habe Jahre gebraucht, um dies zu erkennen. Wie auch immer, ich muss gestehen, dass es viele Aspekte und Ziele gibt, die ich gerne erreichen würde, aber von nun an genieße ich einfach die Fahrt, mache das, was ich will, so, wie ich will, und denke nicht zu viel nach. Ich fließe einfach! Ich habe endlich verstanden, wie wichtig es ist, unsere eigene Welt, unseren eigenen Weg zu erschaffen, und ja, es ist manchmal nicht einfach, alleine zu gehen, aber es hat etwas Herrliches, das zu tun, was man will, ohne die manische Suche nach der Zustimmung eines anderen. Glaube mir, wenn du einmal den süßen Wein der Einzigartigkeit probiert haben, gibt es kein Zurück mehr."
Ich glaube, dazu muss man nicht viel sagen. Es sagt viel über dich als Mensch und deine Arbeit aus. Ich bin mir sicher, dass du auf diesem Weg noch weit kommen wirst. Herzlichen Dank, dass du mir und unseren Lesern die Gelegenheit gegeben hast, dich besser kennenzulernen. Und bitte, bleib weiterhin "stur wie ein Panzer".
"Dieses Interview hat mir sehr viel Spaß gemacht! Es ist das Beste, was ich je gemacht habe! Ich hatte viel Spaß beim Beantworten der Fragen, die mir viele Erinnerungen zurückgebracht haben. Aber was mir am meisten gefallen hat, dass überhaupt keine allgemeinen, gewöhnlichen Fragen dabei waren.
You rock! Danke!"
Zum Abschluss - quasi als P.S. - sind hier vier Personen, die Adrian gerne noch persönlich etwas mitteilen möchten.
Oliver Holzwarth:
Über viele Jahre habe ich mit Adrian Benegas zusammengearbeitet. Was mich dabei sehr beeindruckt hat, war die musikalische Entwicklung, die Adrian genommen hat, als neugieriger und lernwilliger junger Mensch mit Ehrgeiz und Visionen. Durch die mittlerweile doch zahlreichen Projekte, die er als Komponist und Arrangeur verantwortet, habe ich ihn sehr gut kennen- und vor allem auch schätzen gelernt. Ich würde ihn heute als einen Freund bezeichnen, was er hoffentlich auch so sieht. ;-)
Aus meiner Sicht muss er sich heute überhaupt nicht hinter den vermeintlich großen Namen der Genres, die er bespielt, verstecken. Im Gegenteil, ich traue ihm noch Großes zu. Und hoffe, ihn irgendwann wieder auf einem Stück des Weges zu begleiten, etwa auf einer Tour in einer Welt nach Covid-19 und seiner Mutanten. Darauf trinke ich und sende Adrian meine herzlichsten Grüße!
Alex Holzwarth:
Als Adrian mich und meinen Studiopartner Bernhard kontaktierte, haben wir nicht lange gezögert mit ihm zusammenzuarbeiten. Hatten wir doch damals genau diese Service Idee auf den Weg gebracht: Drum Recordings für talentierte Musiker/Projekte weltweit zu ermöglichen, die zu der Zeit keine feste Band oder Musiker hatten, um das Produkt vernünftig fertigzustellen.
Die Songs für Adrians Projekte machten uns auf Anhieb hellhörig! Da mussten wir einfach mitmischen. ;-)
Die Zusammenarbeit ging über viele Jahre und ich denke immer sehr gerne an die Recording Sessions zurück!
Viel Erfolg weiterhin an Adrian, ich wünsche ihm nur das Allerbeste auf seinem weiteren musikalischen Werdegang.
Beste Grüße von uns beiden. :-)
Herbie Langhans:
Das erste Mal als Adrian mich gefragt hat, auf seinem ersten Album zu singen, war es noch so ein klassischer Studiojob für ein Projekt mit mehreren Sängern. Ich fand die Qualität und die Songs gut, also hatte ich zugesagt.
Dieses Mal [bei "Diamonds In The Dark" - d. Verf.] wollte Adrian nur Sascha und mich im Team haben und so kam es, dass es sich mehr nach etwas Eigenem angefühlt hat. Die Zusammenarbeit mit Adrian ist mega entspannt und er ist sehr großzügig mit Worten, wenn es darum geht seine Dankbarkeit und Zufriedenheit zu zeigen. Im Prinzip kann man sogar sagen, dass Adrian Sascha und mich das erste Mal auf einer Produktion zusammengeführt hat, an der wir beide produzieren (danke Adrian). Ich habe zwar schon viel mit Sascha zusammengearbeitet und wir kennen uns schon seit 20 Jahren (und er zählt zu meinen besten Freunden), doch so richtig vereint auf einer gemeinsamen Produktion hat uns erst Adrian. Bin schon gespannt und warte mit offenen Armen auf die nächsten kreativen Ideen und Pläne von ihm. Adrian, YOU ROCK!!!
Sascha Paeth:
Ich kann nur sagen, dass es besonders einfach und nett war, mit Adrian zu arbeiten, da er einem wirklich viele Freiheiten lässt und es liebt, überrascht zu werden. Es ist immer super, wenn man sich als Musiker mit seiner Persönlichkeit einbringen kann und ich glaube, dass es auch das ist, wonach er sucht. Er ist einfach ein mega netter und umgänglicher Typ!
- Redakteur:
- Hannelore Hämmer