Interview mit Jennifer Haben von BEYOND THE BLACK: "Den Metal-Umlaut haben wir uns nicht getraut!"

18.07.2020 | 14:59

Metal im Zeichen von Covid-19 ist schwierig. Vor dem Auftritt der Band auf dem Stuttgarter Live-Sommer am Flughafen treffe ich Jennifer Haben, die locker über das neue Album, die Pandemie und positive Gedanken in schwierigen Zeiten plaudert.

Das vierte Album in der Bandgeschichte ist gerade erschienen, aber die Gesamtsituation ist natürlich alles andere als ideal. Aktuell sind alle Konzerte verschoben oder abgesagt, es fühlt sich an, als hätte jemand die Pause-Taste gedrückt und die Musikwelt einfach mal angehalten. Schon nach kurzer Zeit fehlen den Fans die Konzerte und einer ganzen Industrie die Einnahmen. Es sind ja nicht nur die Bands, sondern auch Konzertagenturen, Veranstalter, Hallen, die Crews und Roadies und natürlich alle, die damit zu tun haben, von Marek Lieberberg bis zum Soundmann oder der Aushilfe am Tresen des Spectrum in Augsburg. BEYOND THE BLACK hat übrigens eine tolle Aktion initiiert, indem die Band ein spezielles T-Shirt im Bandshop verkauft (siehe nebenstehendes Bild), von dem ein großer Anteil an die Live-Crew geht, die ja keinerlei eigene Einnahmen mehr hat.

Was also kann man tun? Nun, die Einen spielen eben Konzerte ohne Publikum und streamen das Ganze, Andere machen Home-Editions und Split-Screen-Videos und wieder Andere spielen eben vor Autos. Jennifer nickt: "Mal sehen, wie das wird, ich bin echt gespannt. Wir haben ein paar Elemente fürs Auge eingebaut, mehr Theatralik, wie du siehst, habe ich auch ein krasseres Make-Up aufgelegt. Mal schauen, ob das klappt, es ist ja für alle neu."

Ich kann im Nachhinein sagen, dass es besser ist als Nichts, aber natürlich das echte Konzertgefühl nicht ersetzen kann. Aber man muss sich arrangieren, immerhin ist das neue Album "Horizons" nicht verschoben worden wie so viele andere. "Am Anfang war das Problem, dass die Leute neue Alben gar nicht kaufen konnten, weil die Shops zu waren. Jetzt ist das Problem, dass man keine Tour hat. Das wird bei uns auch so sein, mal sehen, wie wir das dann wieder angeschoben bekommen. Aber das Album ist so positiv, dass ich gesagt habe, lasst es uns raushauen. Positives Denken hilft mir auch zu Hause, ich höre momentan viel Disney, gerade jetzt in der Krise, also haben wir es veröffentlicht, auch um den Leuten etwas Neues zu hören zu geben, etwas, das ihnen vielleicht hilft. Bei diesem Album haben wir uns auf die Fahne geschrieben, dass man sein Leben leben sollte, wie man möchte, denn am Ende bist du es, der davongeht! Außerdem ist das Album BEYOND THE BLACK von heute, wer weiß, wie wir in einem Jahr fühlen."

Wobei natürlich noch gar nicht abzusehen ist, was in einem Jahr sein wird. Die Tour mit AMARANTHE ist jedenfalls erstmal verschoben. "Wir haben an den Ticketverkäufen gemerkt, dass die Leute sich unwohl gefühlt haben", bestätigt Jenny, "aber es scheint, als ob es nächstes Jahr wieder losgehen könnte, doch planen kann man nicht. Wir fühlen uns auch wohler, wir wären ja in ganz Europa unterwegs gewesen und man wusste gar nicht, ob man überhaupt von einem ins andere Land kommen würde. Viele haben auch Sorge, rauszugehen, und unser Publikum ist auch nicht das Jüngste. Wir hoffen auf das nächste Jahr."

Ganz besonders bemerkbar macht sich das Fehlen der Sommerfestivals. Wir scharren alle mit den Hufen, weil die großen Veranstaltungen samt und sonders ausfallen. Das geht euch sicher auch so. "90 Prozent der Sachen sind auf nächstes Jahr verschoben. Indien auch, das ist sehr schade, jedes Jahr haben wir so ein Highlight dabei, wo man ein neues Land erkunden kann." Erkunden? Ihr seid aber in der Regel nur kurz da, oder? "In Japan waren wir 48 Stunden, davon haben wir vier Stunden geschlafen", berichtet die Sängerin. "Wenn ich mit den Jungs unterwegs bin, ist es immer lustig, wir haben einiges gemacht und sind am Ende in einer Karaoke-Bar gelandet, die danach kein Bier mehr hatte."

Na ja, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ihr habt ja mit Napalm und Universal starke Partner und ein tolles Album in der Hinterhand. Das neueste ist natürlich immer das beste, nicht wahr? "Klar, es fühlt sich so an. Es ist schon ein echter Schritt, aber das wollten wir so, wir haben bewusst ein paar modernere und ein paar elektronischere Elemente eingebaut und symphonische Sachen ersetzt, aber Fans finden trotzdem ihre Band wieder. Wir haben alles integriert, was wir auch selbst gerne hören." Allerdings haben mich die Striche durch die beiden "o" irritiert. Das ist doch nicht Metal, da müssen doch Ümlaut-Pünkte wie in MOTÖRHEAD oder MÖTLEY CRÜE hin! Jennifer lacht: "Das stimmt, aber das trauen wir uns noch nicht!"

Mit dreizehn Liedern ist das Album sehr lang geworden, aber auch abwechslungsreich. Doch mit 'Misery', der ersten Single, sticht ein Lied deutlich heraus. Wie kam es denn dazu? "Die Leute habe immer gesagt, ihr seid so poppig, also haben wir einen Song geschrieben für die Hater, der bewusst anders sein sollte. Wir fahren ja nicht komplett die Metalschiene. Wir wollten, dass die Fans sich freimachen und einfach offen sind gegenüber dem, was wir als nächstes herausbringen. Deswegen war es auch die erste Single", antwortet Jennifer. Zur Entstehung berichtet sie: "Wir haben als Band in den Principle Studios mit dem Komponieren angefangen, es aber nicht fertig bekommen, und haben es dann in Wacken im VIP-Container fertiggestellt. Wir haben da Chöre eingesungen, die sind drauf geblieben, mit all dem Lärm hintendran. Chris und ich hatten so eine lustige Disney-Idee, aus der wir dann alle zusammen den Song geschrieben haben."

Na ja, Pop ist ja kein Schimpfwort. Und dass BEYOND THE BLACK keine Berührungsängste mit der Populärkultur hat, wissen wir seit der "Wanderhure" und Jennifers Auftritt bei "Sing meinen Song", etwas, das jede Band sicher gerne mitnehmen würde, wenn sie denn nur die Chance dazu hat. Und auch das Talent. "Klar, generell sind Pop und TV ja immer der Satan, aber ich finde es ehrlich gesagt auch cool, damit zu spielen. Ich hatte Bock auf die Sache, weil ich es auch selbst gern gucke. Ich habe auch gedacht, wenn es endlich mal die Möglichkeit gibt, Metal ins Fernsehen zu bringen, warum nicht?"

Zuletzt hat die Band auch zwei Homevideos mit Akustikversionen online gestellt. Sicher, das ist der Situation geschuldet, aber die Reaktionen der Fans waren schon sehr begeistert. Eigentlich sind die Aufnahmen zu schade, um sie nicht mal ordentlich zu veröffentlichen, oder? "Ja", stimmt Jennifer zu, "wir haben diesbezüglich auch schon überlegt. Ich kann da jetzt nicht zuviel verraten, aber ich würde sehr gerne mal explizit etwas Akustisches machen." Das klingt, als ob wir wieder eine Touredition bekommen werden. "Wer weiß, vielleicht auch eine Tour", lacht Jennifer, fügt aber hinzu: "Vielleicht aber auch nicht." Dann zwinkert sie verschmitzt.

Redakteur:
Frank Jaeger

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