KING DIAMOND: Interview mit King Diamond

01.01.1970 | 01:00

Mit "Abigail II" legt KING DIAMOND endlich den von den Fans lang ersehnten Nachfolger des 87er Albums nach. Grund genug um mit dem King über dieses Epos, Glauben und Internet einen netten 45minütigen Plausch zu halten.

Georg:
Es ist schon ziemlich lange her, dass ihr "Abigail" veröffentlicht habt. Dein neuestes Werk trägt den Titel "Abigail II", wie kam es dazu?

King Diamond:
Es war eine Forderung der Fans. Vor 3 Jahren gab es eine Menge Fans, die zu uns sagten, dass es großartig wäre, wenn wir wieder ein Album wie "Abigail" machen würden. Aber ich war immer dagegen, ich wollte nicht ein Album machen, das so ist wie eines, welches ich schon gemacht habe. Das wäre ein Ausverkauf. Wenn du ein Album machst, das auf den Riffs von damals basieren würde, dann wäre das nichts neues, da gäbe es keine Weiterentwicklung. Aber was man machen kann ist die Story fortzusetzen. Und das ist genau das, was wir gemacht haben. Wir haben den richtigen Weg gefunden, um die Geschichte fortzuschreiben. Es gibt viele Verbindungen zum "Abigail" Album. Aber es ist eine komplett andere Sache, denn es ist nun 18 Jahre später. Und Abigail ist ziemlich anders, sie war eine junge Frau. Sie war im ersten Teil ein Dämonenkind. Aber sie ist immer noch mit der ganzen Geschichte verbunden. Du findest heraus was mit Jonathan passiert ist. Es ist eine viel tiefere Geschichte. Die erste "Abigail" war das erste Konzeptalbum, das wir gemacht haben. Und die zweite "Abigail" ist so viel tiefer, in allen Aspekten. Wir haben das jetzt und nicht schon vor drei Jahren fortgesetzt, weil das Line Up sich zwischen den Touren geändert hat. Und wir haben dann drei neue Bandmitglieder gesucht und neue Lieder geschrieben. Der größte Glücksgriff dabei war, Matt Thompson an den Drums zu bekommen. Er bringt das alte, agressive, progressive Drumming zurück. Das ist eine der Sachen, die an das erste "Abigail" Album anknüpfen. Und wenn du Matt Thompson hörst, merkst du, dass er einfach alles spielen kann. Und so waren wir im Songwriting nicht gebunden. Dadurch wurde unser Stil komplexer. Wir haben komplett neue Riffs, große Arrangements usw. Er hat uns viele Möglichkeiten eröffnet. Dazu kommt noch Hal Patino, er ist ein großartiger Basspieler, eigentlich der Beste, mit dem ich jemals zusammengespielt habe. Und dann noch Mike Wead, er ist ein Killer. Seine Solos haben mich weggeblasen. So hat uns dieses Line Up eine Menge Möglichkeiten eröffnet. Und so konnten wir uns an eine Fortsetzung von "Abigail" wagen. Wir haben unseren Fans jetzt zwar nicht genau das gegeben, was sie wollten, weil wir ja nicht einfach "Abigail" kopieren wollten, aber wir haben das Feeling und die Story in das Jahr 2002 weiterentwickelt.

Georg:
Du klingst höchst zufrieden.

King Diamond:
Ja, ich fühle, wir haben das stärkste Line Up, das wir je hatten. Ich fühle, wir haben das stärkste Album veröffentlicht. Es ist genauso komplex wie "Abigail", aber um einiges aggressiver. Wir haben dann noch ein kleines Mädchen engagiert, welches die Stimme von Abigail darstellt. Sie schreit und weint. Das Album hat dann noch so viele Backing Vocals, so viele haben wir nie verwendet. Wir waren auch eine halbe Ewigkeit im Studio. Und als ich das fertige Resultat gehört habe, Mann, da habe ich Bauklötze gestaunt. Sowas ist mir noch nie passiert, wenn ich mein eigenes Zeug gehört habe.

Georg:
Wie habt ihr diese Songs entwickelt?

King Diamond:
Nun, zuerst haben wir die Story entwickelt und fortgeschrieben. Das ist für mich wichtig, ich muss bei einem Konzeptalbum wissen, worum es geht, ich muss die Story fühlen können. Und dann geh ich in mein Home Studio und fange an, die Story in Lieder umzusetzen. Dabei gehe ich nicht Song für Song der Reihe nach an, sondern ich schreiben an dem Song, der gerade zu meiner Stimmung passt. So kann es schon sein, dass ich mal 4 oder 5 unfertige Songs rumliegen habe. Und so bekommen die Songs auch musikalisch unterschiedliche Aspekte. Dann habe ich die Story fertiggeschrieben und in 11 Teile zerteilt. Und dann habe ich geschaut, welcher Song zu welchem Titel/Abschnitt am besten passt. Und wenn ich das ganze dann zusammengepuzzelt habe, dann schreibe ich die Lyrics.

Georg:
Wie denkst du über Satanismus und Rock Musik?

King Diamond:
Ich denk da eigentlich gar nicht so viel drüber nach. Ich denke, dass es auch für mich etwas anderes bedeutet als für viele andere Menschen. Wenn du jemanden fragst, wie er über Satan denkt, dann wird er wohl was von Kinderschlachten oder Bluttrinken erzählen. Für mich bedeutet er etwas anderes. Es ist für mich eher eine Lebensphilosophie, die von Aleister Crowley ziemlich gut beschrieben wurde. Du musst keinem Gott dienen, und er erzählt dir nicht, an wen du glauben musst. Ich habe auch den Standpunkt, dass niemand beweisen kann, dass er an den richtigen Gott glaubt. Niemand kann beweisen, dass es einen Gott gibt und wer er ist, genausowenig kann man das Gegenteil beweisen. Wenn es jemand könnte, dann würden wir alle an diesen Gott glauben. Und so ist es für mich okay, egal woran die Menschen glauben. Aber sie sollen nicht den Menschen ihren Glauben aufzwingen. Sie sollen sie nicht wegen eines anderen Glaubens verurteilen. Niemand kann an genau das gleiche glauben wie ein anderer. Jeder ist ein Individuum. Das wäre genauso wie wenn es falsch wäre, grüne anstelle von blauen Autos zu bevorzugen. Jeder hat einen anderen Geschmack. Und das stört mich an den Religionen, dass sie Kriege führen, weil jemand an etwas anderes glaubt.

Georg:
Wobei die sogenannten Glaubenskriege meiner Meinung nach nur unter dem Deckmantel der Religion geführt werden. Letztendlich geht es doch nur um Geld und Macht. Und die Religion ist ein gutes Mittel, um die Leute hinter sich zu bringen.

King Diamond:
Nun, ich denke, dass du manchmal Recht hast, manchmal aber auch nicht. Z.B. in Irland oder Israel.

Georg:
Nun, aber in Irland geht es doch z.B. um englische Protestanten und irische Katholiken.

King Diamond:
Nein, da bekämpfen sich irische Protestanten und irische Katholiken. Es ist doch krank, wenn ich mich wegen eines anderen Glaubens nicht in die jeweiligen Viertel der anderen trauen darf.
Mir braucht keiner erzählen, dass Bin Laden diese Taten wegen seiner Religion gemacht hat, das ist Quatsch. Viele andere Menschen, die an Allah glauben, haben nicht diesen fanatischen Standpunkt. Weder die Bibel noch der Koran sagen, dass man andere Menschen töten soll. Das sind Extremisten. Es gibt aber so viele unterschiedliche Strömungen, wie bei den Christen auch, es gibt Katholiken, Protestanten, Baptisten, und selbst diese glauben unterschiedlich. Und es kommt immer darauf an, wie man seine Religion nutzt und versteht. Aber ich denke, es ist wirklich falsch, anderen Leuten den eigenen Glauben, den eigenen Weg aufzuzwingen. Wie kann man dazu kommen das zu tun? Wie kann man meinen, dass jeder so sein müsste wie man selbst? Wir sind einfach Individuen und haben unterschiedliche Gefühle und Bedürfnisse.

Georg:
Jeder..

King Diamond:
... will mehr Macht, mehr Geld usw. Ich bin kein Heiliger, der das alles besser macht als andere, aber ich denke, dass das das Menschliche an uns ist. Viele Menschen sind halt auch nicht bereit, sich mit anderen Religionen zu beschäftigen. Sie bekämpfen sie lieber, obwohl sie nichts darüber wissen. Wenn sie sich damit beschäftigen würden, dann würden sie merken, dass sie vor den anderen keine Angst haben müssten. Das erinnert mich an einen Kumpel, der zu mir sagte, hey kauf dir blos keinen Mercedes, der fährt sich beschissen. Als ein anderer Freund einen Mercedes kaufen wollte, sagte ich, dass Mercedes Scheiße sei. Wie komme ich denn dazu? Ich habe nie einen Mercedes gefahren. Ich weiß nicht, wie er wirklich ist. Ich hätte lieber sagen sollen: "Echt? Cool, wenn ich einen gefahren hätte, würde ich dir sagen, wie er ist". Aber ich sagte, bloß weil ein Kumpel mir sagte, dass er scheiße sei, dass er sich keinen kaufen solle.

Georg:
Habt ihr Tourplanungen?

King Diamond:
Nun, diese Frage bekomme ich in jedem Interview gestellt. Und ich kann nichts Definitives sagen. Wir hatten eigentlich geplant, mit "Abigail II" auf Tour zu gehen und eine großartige Show abzuliefern. Aber leider ist etwas total Verrücktes passiert: Wir wollten also zweimal auf Tour gehen, ein Live Album und eine DVD aufnehmen. Unsere Booking Agentur hat sich also aufgemacht und wollte diese Touren promoten. Geplant war, dass wir zuerst das "Abigail" Album spielen, dann ein kleines Zwischenspiel mit ständig wechselnden Songs und dann das "Abigail II" Album. Es würde also die komplette Story erzählt werden mit drei zusätzlichen Songs in der Mitte. Daraus wollten wir ein Drei-CD Live Album machen. Auf den ersten beiden CDs wäre dann Abigail I und II und auf der dritten CD nochmal 12 Songs von den anderen Alben. Und wir haben auf den Support unseres Labels gesetzt, wir dachten, wir würden ihn wie jedes Jahr erhalten. Aber wir haben keine Chance bekommen, das umzusetzen. Sie sagten uns, sie hätten keine Kohle, um uns auf Tour zu schicken. Da habe ich gesagt: "Hey, ich bin nicht eine eurer 60 Bands. Ihr habt fünf Bands, die euch Kohle bringen. Und das sind SIX FEET UNDER, CANNIBAL CORPSE, GORE, MERCIFUL FATE und KING DIAMOND. Dann nehmt keine neuen Bands unter Vertrag, wenn ihr eure großen nicht auf Tour schicken könnt." Sie meinten, ich solle abwarten, ausspannen, meine Karriere auf Wartestellung bringen, bis sie das Geld haben, um uns auf Tour zu schicken. Sag mal, sind die verrückt? Ich soll nichts tun? Ich soll warten, bis sie vielleicht Geld haben, um uns auf Tour zu schicken? Ich arbeite ein ganzes Jahr und dann darf ich nicht auf Tour? Wenn das so läuft, dann bin ich hier falsch. Wie soll ich ein neues MERCIFUL FATE Album aufnehmen, wenn sie für die Tour nicht das Geld haben? Und wenn sie die Tour nicht hinbekommen, dann müssen sie uns freigeben. Wenn sie das nicht hinkriegen, dann muss ich gehen. Ich warte nicht, ob sie vielleicht mal Geld haben, um uns auf Tour zu schicken. Ich hoffe, sie ändern ihre Meinung. Aber im Augenblick hänge ich in der Luft. Aber wenn es das ist, was sie tun wollen, dann müssen sie mit den Konsequenzen leben. Ich meine, das ist das beste KING DIAMOND Album, welches je gemacht wurde. Und es war geplant, im September auf Tour zu gehen. Aber ich weiß jetzt nicht, was kommen wird. Ohne den Support des Labels wird es keine Tour geben können. Ich versteh es einfach nicht. Sie blockieren unsere Karriere.

Georg:
Das klingt nicht gut. Aber lass uns lieber zu einer fröhlicheren Seite des Metals kommen.

King Diamond:
(lacht). Nun, das heißt ja nicht, dass es "Abigail" Live nicht geben wird. Wir hoffen nach wie vor, dass es klappen wird.

Georg:
Wie denkst du über Online Magazine und das MP3 Problem?

King Diamond:
Habt ihr das komplette Album bekommen?

Georg:
Nein, wir haben nur eine gekürzte Version bekommen.

King Diamond:
Ja genau das ist es, du kannst von einem Konzeptalbum keinen Eindruck gewinnen, wenn nach 1 ½ Minuten der Song ausgeblendet wird. Aber die Labels haben keine andere Wahl. Sie können das Album nicht verkaufen, wenn das Album schon vor dem Veröffentlichungstermin im Internet heruntergeladen wird. Für mich ist das das gleiche wie Diebstahl.

Georg:
Ich denke, es ist aber auch eine gute Promotion-Möglichkeit für die Alben, und für viele ist es ja auch eine Möglichkeit, einfach mal reinzuhören.

King Diamond:
Nun, wenn sie das komplette Album herunterladen, dann stehlen sie es. Wenn ich ein Buch nehmen würde und es kostenlos verteilen würde, dann würde sich der Autor auch angepisst vorkommen. Das Ganze würde ich dann noch mit Werbung finanzieren, so dass ich keine Unkosten habe. Aber der Autor hat dann nichts davon. Das ist für mich Diebstahl. Was die Menschen nicht kapieren ist, dass, wenn sie die CDs kopieren und verteilen, sie den Labels die Möglichkeiten rauben, genug Geld für die Produktion zur Verfügung zu stellen. Dann soll ich ein qualitativ minderwertigeres Produkt abliefern. Das will ich aber nicht machen. Ich denke, dass das auch einer der Gründe ist, warum Metalblade kein Geld hat, um uns auf Tour zu schicken.

Georg:
Andererseits habe ich gelesen, dass in der Napsterzeit mehr Alben verkauft wurden als danach.

King Diamond:
Nein, das glaube ich nicht. Sie haben 2,5 % Einbruch gehabt im letzten Jahr. Ich habe nichts dagegen, dass eine Band entscheidet, welche Songs sie kostenlos verteilen will, das ist für mich vollkommen okay, wenn die Band praktisch sagt: hey, hier habt ihr drei Songs, die könnt ihr euch anhören und wenns euch gefällt, dann kauft euch das Album. Aber über Napster bekam man das komplette Album. Nun, wenn das eine kleine Band aus Promotiongründen macht, dann ist das auch okay, aber das muss in der Entscheidung der Band liegen.

Georg:
Okay, ich glaub, jetzt müssen wir langsam Schluss machen. Willst du noch eine Botschaft loswerden?

King Diamond:
Hab ich noch nicht genug erzählt? (45 Minuten - der Verf.)
Nun, ich hoffe, dass es mit der Tour doch noch klappt. Ich hoffe, dass wir eine Lösung für das Problem finden. Ich drücke meine Daumen und hoffe das beste. Zuerst sagen sie uns alles zu und dann fehlt auf einmal das Geld. Was ist passier? Es ist eine harte Zeit.

Georg:
Wir hoffen mal, dass es klappt.

King Diamond:
Ich auch.
Vielen Dank für die Arbeit, die du machst.

Redakteur:
Georg Weihrauch

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